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Flugunfälle – Rechtliche Aspekte
Horizon Pilotenschulung
Sara Andrea Behrend
Dr. Laurent Chassot
Marco Novoselac
11. Dezember 2015
Überblick
• Einleitung/Fall
• Flugunfalluntersuchung
• Gewerbsmässigkeit
• Haftungsfragen
• Versicherungsfragen
• Strafrechtliche und administrative Folgen
• Schlussfolgerungen
11.12.2015
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Einleitung/Fall
• Herr Beat Bruch ist Pilot und bewirbt per Internet
Rundflüge an Bord des ihm gehörenden
Kleinflugzeuges im Kanton Solothurn. Diese
Rundflüge erfolgen gegen Entgelt, wobei dieses
Entgelt nur die Kosten deckt (Treibstoff, Wartung,
Hangar und persönliche Spesen des Piloten).
• Herr Guido Guck, begeisterter Hobby-Fotograf, bucht
einen „Foto-Rundflug“ bei Herrn Bruch.
• Während des Rundfluges in der Nähe des Juras sichtet
Herr Guck verschiedene Heissluftballone und will
diese fotografieren.
11.12.2015
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• Damit Herr Guck bessere Motive erhält, fliegt Pilot Bruch nahe an
einen der farbigen Ballone heran und umkreist ihn von unten her
im Steigflug mit einer scharfen Rechtskurve. Während Herr Guck
ein Foto nach dem anderen schiesst, touchiert Pilot Bruch die
Ballonhülle des Ballons versehentlich mit dem Flügel.
• Infolgedessen stürzt der Ballon ab. Dabei wird der Ballon-Pilot
Peter Pech, ein Top-Manager der UBS mit ca. CHF 2 Mio
Jahresgehalt, verheiratet und zwei Kinder, getötet und seine
Passagierin, Gertrud Glück, verletzt. Der Ballon gehörte dem
Verein Hotair. Pilot und Passagierin waren Vereinsmitglieder.
• Da der Ballon auf ein Haus stürzt, wird auch noch das Dach des
Hauses stark beschädigt.
• Flugzeugpilot Bruch und Passagier Guck landen unverletzt
11.12.2015
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Überblick
• Einleitung/Fall
• Flugunfalluntersuchung
• Gewerbsmässigkeit
• Versicherungsfragen
• Haftungsfragen
• Strafrechtliche und administrative Folgen
• Schlussfolgerungen
11.12.2015
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Flugunfalluntersuchung
• ICAO Annex 13
• EU VO Nr. 996/2010
• Verordnung über die Sicherheitsuntersuchung von
Zwischenfällen im Verkehrswesen (VSZV)
• Zweck: Verhütung von weiteren Zwischenfällen (nur!)
• Zuständige Stelle: SUST
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Unfalluntersuchung: Meldepflicht
• VSZV
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Unfalluntersuchung: Verwendung von
Informationen
• VSZV
• + Art. 14 VO 996/2010: Schutz sensibler
Sicherheitsinformationen
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Unfalluntersuchung: Verwendung von
Informationen
• Aber: (VSZV)
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Unfalluntersuchung: Mitwirkung
• Akteneinsicht
• Stellungnahme auf Berichtsentwurf (innert 60 Tage)
• Aber: Kein Anspruch auf Änderung des Berichtes
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Überblick
• Einleitung/Fall
• Flugunfalluntersuchung
• Gewerbsmässigkeit
• Haftungsfragen
• Versicherungsfragen
• Strafrechtliche und administrative Folgen
• Schlussfolgerungen
11.12.2015
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Gewerbsmässigkeit
• Neue Definitiongemäss EG VO Nr. 216/2008:
• „gewerbliche Tätigkeit“ Betrieb eines Luftfahrzeugs gegen
Entgelt oder sonstige geldwerte Gegenleistungen, der der
Öffentlichkeit zur Verfügung steht oder der, wenn er nicht
der Öffentlichkeit zur Verfügung steht, im Rahmen eines
Vertrags zwischen einem Betreiber und einem Kunden
erbracht wird, wobei der Kunde keine Kontrolle über den
Betreiber ausübt
11.12.2015
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Überblick
• Einleitung/Fall
• Flugunfalluntersuchung
• Gewerbsmässigkeit
• Haftungsfragen
• Versicherungsfragen
• Strafrechtliche und administrative Folgen
• Schlussfolgerungen
11.12.2015
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Haftungsfragen/Haftungsgrundlagen
• Übereinkommen von Montreal (MÜ)
• Schweizerisches Luftfahrtgesetz (LFG)
• Schweizerische Luftfahrtverordnung (LFV)
• Schweizerische Lufttransportverordnung (LTrV)
• Schweizerisches Obligationenrecht (OR)
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Haftungsfragen/MÜ
• Übereinkommen von Montreal (MÜ)
– CH 2005 in Kraft getreten
– 120 Staaten
– Haftung Luftfrachtführer
•
•
Def.: Vertraglich (Beförderungsvertrag) verpflichtet zur Beförderung
von Reisenden, Gepäck, Fracht mit Luftfahrzeug
Vertragshaftung
– Internationale Beförderungen
•
Abgangs- und Bestimmungsort in verschiedenen Vertragsstaaten
– Gewerbsmässige Beförderung (Luftfahrtunternehmen)
– Entgeltliche private Beförderung
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Haftungsfragen/MÜ
• Übereinkommen von Montreal (MÜ)
– Haftung für Personenschäden
•
•
•
•
Tod oder Verletzung
Unfall an Bord Luftfahrzeug
Bis SZR 113’100 (Sonderziehungsrecht = ca. CHF 1.38 pro
Reisender kausal
Ab SZR113’100 Verschuldenshaftung
– Meiste Bestimmungen direkt anwendbar
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Haftungsfragen/Fall
• Ist das MÜ anwendbar?
• Nein, da keine internationale Beförderung
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Haftungsfragen/LFG
• Anwendungsbereich: CH Luftraum
• Haftungsbestimmung: Art. 64 LFG
“Für Schäden, die von einem im Fluge befindlichen Luftfahrzeug
einer Person oder Sache auf der Erde zugefügt wurden, ist durch
den Halter des Luftfahrzeuges Ersatz zu leisten, sofern feststeht,
dass der Schaden entstanden und vom Luftfahrzeug verursacht
worden ist.”
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Haftungsfragen/LFG
– Schaden
•
•
Personenschaden durch Körperverletzung oder Tötung: Kosten,
Erwerbsausfall, Versorgerschaden
Sachschäden
– Im Fluge befindliches Luftfahrzeug
•
Beginn Abflugmanöver bis Beendigung Anfunftsmanöver
– Person oder Sache auf der Erde
•
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Ansprüche Dritter
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Haftungsfragen/LFG
– Vom Luftfahrzeug verursacht
•
Kausalhaftung: Kein Verschulden nötig; Betriebshaftung
(ausgeprägte Tendenz des in Frage stehenden Betriebes zur
Herbeiführung von Schäden = Gefährungshaftung)
– Halter
•
Verfügungsgewalt über Luftfahrzeug; braucht nicht Eigentümer zu
sein; eigene Rechnung und Gefahr (BGer)
• Zusammenstoss in der Luft: Solidarhaftung (Art. 66 LFG)
– “Wird ein Schaden auf der Erde dadurch verursacht, dass zwei
oder mehrere Luftfahrzeuge zusammenstossen, so sind beide
Halter dieser Luftfahrzeuge den geschädigten Dritten als
Solidarschuldner verpflichtet.”
– Haftung für ganzen Schaden (am Boden)
– Passagiere sind keine Drittpersonen
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Haftungsfragen/Fall
• Ist das LFG anwendbar?
• Ja
• Beide Halter haften gegenüber Hauseigentümer für die
Beschädigung des Daches
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Haftungsfragen/LFV
• Gewerbsmässig/nicht gewerbsmässig
– Gewerbsmässigkeit (Art. 100 LFV)
„Flüge gelten als gewerbsmässig, wenn:
a. für sie in irgendeiner Form ein Entgelt entrichtet wird, das
mehr als die Kosten für Luftfahrzeugmiete, Treibstoff sowie
Flugplatz- und Flugsicherungsgebühren decken soll; und
b. sie einem nicht bestimmten Kreis von Personen zugänglich
sind.“
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Haftungsfragen/LFV
– Gewerbsmässigkeit Art. 3 EG Verordnung Nr. 216/2008
•
•
•
•
•
Gewerbliche Tätigkeit
Betrieb eines Luftfahrzeugs gegen Entgelt oder sonstige geldwerte
Gegenleistungen,
der der Öffentlichkeit zur Verfügung steht oder,
wenn er nicht der Öffentlichkeit zur Verfügung steht, im Rahmen
eines Vertrags zwischen einem Betreiber und einem Kunden erbracht
wird,
wobei der Kunde keine Kontrolle über den Betreiber ausübt
– BAZL interpretiert neu Art. 3 VO Nr. 216/2018 im Lichte des
Art. 100 LFV
– -> Erweiterung des Begriffs der Gewerbsmässigkeit um Vertrag
und Kontrolle
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Haftungsfragen/LFV
• Folgen Gewerbsmässigkeit:
–
–
–
–
–
–
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Besondere Bewilligung BAZL
Anwendbarkeit EU OPS
Lizenz (CPL)
Besonderes medizinisches Tauglichkeitszeugnis (Medial Class 1)
Flugscheine
Voraussetzung Bewilligung: Sicherstellung Haftpflichtansprüche
bei Tod und Körperverletzung SZR 250‘000 pro Reisender
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Haftungsfragen/LFV
• Pflicht Abschluss Haftpflichtversicherung
Luftfahrzeughalter für Schäden Dritter auf der Erde (Art.
123 LFV)
– Voraussetzung Zulassung zum Verkehr (Art. 18 LFV)
• Höhe der Sicherstellung (Art. 125 LFV)
– Je nach Abfluggewicht SZR 750’000 – 700’000’000
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Haftungsfragen/LFV
• Sicherstellung Haftpflichtansprüche Reisende durch
Luftfahrzeughalter (Art 132a LFV)
“Die minimale Sicherstellung für Haftpflichtansprüche der
Reisenden beträgt 250’000 Sonderziehungsrechte je Reisenden.
Bei nichtgewerbsmässigen Flügen, die mit einem Abfluggewicht bis
zu 2’700 kg durchgeführt werden, kann die minimale
Sicherstellung unter diesem Betrag liegen, muss aber mindestens
100’000 Sonderziehungsrechte je Reisenden betragen.”
–
11.12.2015
Voraussetzung Zulassung zum Verkehr (Art. 18 LFV)
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Haftungsfragen/Fall
• LFV anwendbar?
• Ja
• Halter bräuchte Betriebsbewilligung als gewerbsmässiger
Luftfrachtführer
• Pflicht Abschluss Haftpflichtversicherung SZR 250‘000 je
Reisender
• Pflicht Abschluss Haftpflichtversicherung für Schäden
Dritter am Boden
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Haftungsfragen/LTrV
• Art. 1 Abs. 1 lit. a LTrV
“Diese Verordnung gilt, soweit nicht das Übereinkommen von
Montreal anwendbar ist, für jede Inlandbeförderung und
internationale Beförderung von Reisenden, Reisegepäck oder
Gütern, die durch Luftfahrzeuge ausgeführt wird:
a. Gegen Entgelt;
b. Unentgeltlich von einem Luftfahrtunternehmen mit einer
Betriebsbewilligung.”
– Private unentgeltliche Beförderung -> Keine Anwendung
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Haftungsfragen/LTrV
– Inlandbeförderung (Art. 3 lit. f LTrV)
“Beförderung, bei der nach Vereinbarung der Parteien Abgangsort
und Bestimmungort in der Schweiz oder auf dem Flughafen BaselMülhausen liegen, ohne dass eine Zwischenlandung im Ausland
vorgesehen ist.”
– Gegen Entgelt
Form Entgelt spielt keine Rolle (Art. 100 Abs. 1 lit. a LFV)
Gewinnerzielung spielt keine Rolle
BGer: Austauschverhältnis oder Interessengemeinschaft
Austauschverhältnis: Parteien schulden sich gegenseitig
Leistungen wovon mindestens zwei im Austauschverhältnis
• Interessengemeinschaft: Gemeinsames Unternehmen der
Luftbeförderung steht im Vordergrund = Gemeinsames Vorhaben;
kein Austausch der Leistungen = unentgeltlich
•
•
•
•
– Beförderungsvertrag
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Haftungsfragen/LTrV
• Luftfrachtführer (Art. 3 lit. f LTrV)
“Wer die Beförderung von Reisenden, Gepäck oder Gütern
übernimmt.”
– Per Vertrag
• Beförderungsschein (Art. 5 LTrV)
– Abgangs- und Bestimmungsort
– Angabe Zwischenlandepunkte Ausland
– Hinweis Haftungsbeschränkung, falls privater Flug und
weniger als 2’700 kg Abfluggewicht -> SZR 100’000
Versicherungsobligatorium
– Beweisfunktion – keine Gültigkeitsvoraussetzung
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Haftungsfragen/LTrV
• Tod und Körperverletzung von Reisenden (Art. 7 LTrV):
“Der Luftfrachtführer haftet für Tod und Körperverletzung der
Reisenden im Falle eines Unfalles an Bord des Luftfahrzeugs oder
beim Ein- und Aussteigen.
Er kann seine Haftung für Schäden, die den Betrag von 100’000
Sonderziehungrechten je Reisenden nicht übersteigen, weder
ausschliessen noch beschränken.
Er haftet nicht für Schäden, die 100’000 Sonderziehungsrechte je
Reisenden übersteigen, wenn er nachweist, dass:
der Schaden nicht auf eine Pflichtverletzung oder eine andere
widerrechtliche Handlung oder Unterlassung des Luftffrachtführers,
seiner Angestellten oder seiner Beauftragten zurückzuführen ist; oder
Der Schaden ausschliesslich auf eine Pflichtverletzung oder eine
andere widerrechtliche Handlung oder Unterlassung eines Dritten
zurückzuführen ist.”
11.12.2015
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Haftungsfragen/LTrV
– Kausale Haftung bis SZR 100’000
– Entlastungsbeweis ab SZR 100’000 (Umkehr der Beweislast)
11.12.2015
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Haftungsfragen/Fall
• LTrV anwendbar?
• Flugzeug: Nein, Passagier hatte keinen Schaden
• Ballon: Nein, Private unentgeltliche Beförderung
11.12.2015
33
Haftungsfragen/OR
• Falls LTrV keine Regelungen enthält
• Unentgeltliche Beförderung durch Luftfrachtführer ohne
Betriebsbewilligung oder Gefälligkeitsluftbeförderung mit
Eigeninteresse
• OR 97 falls Luftbeförderungsvertrag geschlossen
„Kann die Erfüllung der Verbindlichkeit überhaupt nicht oder nicht
gehörig bewirkt werden, so hat der Schuldner für den daraus
entstandenen Schaden Ersatz zu leisten, sofern er nicht beweist,
dass ihm keinerlei Verschulden zur Last falle.“
• Vermutetes Verschulden bei Vertragsverletzung
• Exkulpation möglich (Umkehr der Beweislast)
• Haftung betragsmässig unlimitiert
11.12.2015
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Haftungsfragen/OR
• Ausservertragliche Verschuldenshaftung OR 41
„Wer einem andern widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit
Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatze
verpflichtet.“
– Existenz Schaden
•
Personen- oder Sachschaden
– Verursachung durch Haftpflichtigen
•
11.12.2015
Adäquater Kausalzusammenhang: „Ein Ereignis, das nach dem
gewöhnlichen Lauf der Dinge und nach der Erfahrung des Lebens an
sich geeignet ist, einen Erfolg von der Art des eingetretenen
herbeizuführen, so dass der Eintritt dieses Erfolges durch jenes
Ereignis allgemein begünstigt erscheint.“ (BGer)
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Haftungsfragen/OR
– Widerrechtlichkeit
•
•
Eingriff in absolut geschütztes Rechtsgut (Leben, körperliche
Integrität)
Schädigendes Ereignis verstösst gegen Gebote der Rechtsordnung,
die dem Schutze des verletzten Rechtsgutes dienen
– Verschulden
•
•
•
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Absicht/Vorsatz = gewollte Rechtswidrigkeit
Fahrlässigkeit: Mangelnde Sorgfalt; Durchschnittsmassstab –>
Sorgfalt, die Mensch mit durchschnittlichen Fähigkeiten und
Eigenschaften unter gleichen Umständen beachten würde
Beweislast Kläger
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Haftungsfragen/OR
• Anwendungsbereich
– Reine Gefälligkeit (kein Bindungswille/kein Eigeninteresse)
– Drittschäden in der Luft
11.12.2015
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Haftungsfragen/Fall
• OR anwendbar?
• Ja
• OR 41: Ausservertragliche Haftung des Flugzeugpiloten
gegenüber Passagier, Nachkommen des Piloten und
Ballonverein
11.12.2015
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Haftungsfragen/Zusammenfassung
• Gesetze
– MÜ
•
•
Kausale Haftung Personenschäden an Bord bis SZR 113‘000
Ab SZR 113‘000 verschuldensabhängig/unlimitiert
– LFG
•
•
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Gefährdungshaftung für Personen und Sachschäden am Luftverkehr
Unbeteiligter am Boden (Dritthaftung)
Solidarhaftung Drittschäden am Boden bei Zusammenstössen
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Haftungsfragen/Zusammenfassung
– LFV
•
•
11.12.2015
Pflicht Abschluss Haftpflichtversicherung Luftfahrzeughalter
Schäden Dritter am Boden; Nachweis durch Versicherungsausweis;
Höhe Sicherstellung; alle Flüge
Pflicht Abschluss Haftpflichtversicherung Reisende durch
Luftfahrzeughalter SZR 250‘000; nichtgewerbsmässig mit
Abfluggewicht von < 2‘700 kg mindestens SZR 100‘000
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Haftungsfragen/Zusammenfassung
– LTrV
•
•
•
Haftung gegenüber Flugreisenden Tod oder Körperverletzung für
Unfall an Bord bis SZR 100‘000 kausal
Ab SZR 100‘000 falls Nachweis, dass Schaden nicht Folge
Pflichtverletzung/widerrechtliche Handlung Luftfrachtführer oder
Schaden Folge Pflichtverletzung/widerrechtliche Handlung Dritter
scheitert
Private entgeltliche Flüge und gewerbsmässige Flüge
– OR
•
•
11.12.2015
Unlimitierte vertragliche Haftung; Exkulpation möglich;
Unentgeltliche private Beförderung
Ausservertragliche Verschuldenshaftung; Exkulpation möglich; alle
Flüge
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Überblick
• Einleitung/Fall
• Flugunfalluntersuchung
• Gewerbsmässigkeit
• Haftungsfragen
• Versicherungsfragen
• Strafrechtliche und administrative Folgen
• Schlussfolgerungen
11.12.2015
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Versicherungsfragen/Notwendige
Versicherungen
• Art. 70 LFG
– Haftpflichtversicherungspflicht des Halters ist Pflicht
• Notwendige Versicherungen für Lufttauglichkeit
– Dritthaftpflicht Boden
– Passagierhaftpflicht
• Empfohlene Versicherungen
– Dritthaftpflicht generell
– Einheitsdeckung (Dritte und Passagiere)
– Kaskoversicherung
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Versicherungsfragen/Gesetzlicher
Deckungsverlust
• Art. 14 VVG
– „Der Versicherer haftet nicht, wenn der Versicherungsnehmer
oder der Anspruchsberechtigte das befürchtete Ereignis
absichtlich herbeigeführt hat.
– Hat der Versicherungsnehmer oder der Anspruchsberechtigte das
Ereignis grobfahrlässig herbeigeführt, so ist der Versicherer
berechtigt, seine Leistungen in einem, dem Grade des
Verschuldens entsprechenden Verhältnisses zu kürzen.“
• Dispositives Recht; kann vertraglich geändert werden
• Kürzungen in der Praxis: 10%-50%
11.12.2015
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Versicherungsfragen/Ausschlussklauseln
• Ausschlussklauseln und Obliegenheiten mit Bezug auf
rechtswidrige Flüge in Kasko- und
Haftpflichtversicherungen sind üblich
• Risiko: Verlust Versicherungsdeckung
11.12.2015
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Versicherungsfragen/Ausschlussklauseln
• Beispiel Kaskoversicherung
“Einschränkungen des Versicherungsumfangs (Ausschlüsse)
Der Versicherungsschutz erstreckt sich (unter Vorbehalt der
luftrechtlichen Sonderbestimmungen) nicht auf Schäden, wenn das
versicherte Luftfahrzeug vorsätzlich ohne die vorgeschriebenen
Ausweise und Bewilligungen für die Besatzungsmitglieder oder das
versicherte Luftfahrzeug verwendet wird. Die Verpflichtung zur
Leistung bleibt gegenüber dem Versicherungsnehmer bestehen,
wenn das Luftfahrzeug ohne Wissen und Willen des Versicherungsnehmers und ohne dessen Verschulden ohne die vorgeschriebenen Ausweise und Bewilligungen geführt wird.”
11.12.2015
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Versicherungsfragen/Ausschlussklauseln
• Beispiel Dritthaftpflichtversicherung
“Einschränkungen des Versicherungsumfangs (Ausschlüsse)
Der Versicherungsschutz erstreckt sich (unter Vorbehalt der
luftrechtlichen Sonderbestimmungen) nicht auf Ansprüche
– wenn das versicherte Luftfahrzeug vorsätzlich ohne die
vorgeschriebenen Ausweise und Bewilligungen für die Besatzungsmitglieder oder das versicherte Luftfahrzeug verwendet
wird.”
11.12.2015
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Versicherungsfragen/Ausschlussklauseln
• Wie funktionieren diese Klauseln in der Praxis?
–
–
–
–
–
–
11.12.2015
Handelt es sich dabei um einen Ausschluss (Art. 33 VVG) oder um
eine gefahrspräventive Obliegenheit (Art 29 VVG)?
Unterscheidung: Falls die Klausel ein bestimmtes Verhalten vom
Versicherten verlangt, ist eher eine Obliegenheit anzunehmen
Ausweise und Bewilligungen garantieren die Einhaltung von
gesetzlichen Vorschriften und dienen damit der Sicherheit und der
Gefahrsprävention
Solche Vertragsklauseln sind daher eher als Obliegenheiten
einzustufen
Folge: Wenn die Verletzung der Obliegenheit keinen Einfluss auf den
Eintritt des befürchteten Ereignisses und auf den Umfang der dem
Versicherer obliegenden Leistung gehabt hat, muss der Versicherer
dennoch für Schäden aufkommen (Art. 29 Abs. 2 VVG)
Fehlende Gerichtspraxis -> Keine Rechtssicherheit
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Versicherungsfragen/Fall
• Deckungsverlust aufgrund Gewerbsmässigkeit ohne
notwendige Bewilligungen/Lizenzen
– Gegenargumentation im Sinne Obliegenheit ohne Kausalität
möglich
• Falls Pilot grobfahrlässig gehandelt hat -> Reduktion der
Leistungen
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49
EMPFEHLUNGEN
• Notwendige und empfohlene Versicherungen abschliessen
• Versicherungsverträge und Versicherungsbedingungen
durchlesen und verstehen
• Aufpassen bezüglich Art. 14 VVG und der Folgen der
Gewerbsmässigkeit
11.12.2015
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Überblick
• Einleitung/Fall
• Flugunfalluntersuchung
• Gewerbsmässigkeit
• Haftungsfragen
• Versicherungsfragen
• Strafrechtliche und administrative Folgen
• Schlussfolgerungen
11.12.2015
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Strafrechtliche Folgen - Allgemeines
Rechtsquellen:
• Schweizerisches Strafgesetzbuch (StGB)
• Militärstrafgesetzbuch (MStG)
• Bundesgesetz über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR)
• Nebenstrafrecht: Strassenverkehrsgesetz (SVG),
Betäubungsmittelgesetz (BetmG), Luftfahrtgesetz (LFG)
etc.
11.12.2015
52
Vorsatz und Fahrlässigkeit
Vorsatz: Vorsätzlich verübt ein Delikt, wer die Tat mit Wissen
und Willen ausführt (Art. 12 Abs. 2 StGB).
Fahrlässigkeit: ein Straftatbestand wird verwirklicht durch die
pflichtwidrige Nichtvoraussicht des voraussehbaren Erfolgs.
Der Täter will das strafbare Verhalten nicht. Er handelt aber
durch die Nichtvoraussicht des rechtswidrigen Erfolges nicht
mit der erforderlichen Sorgfalt (er verletzt Sorgfaltspflichten;
Art. 12 Abs. 3 StGB).
11.12.2015
53
Strafverfahren
Welche Straftatbestände könnten vorliegend relevant sein?
Ballon-Pilot Peter Pech ist tot: fahrlässige Tötung?
Art. 117 Strafgesetzbuch:
Wer fahrlässig den Tod eines Menschen verursacht, wird mit
Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
( Vergehen)
11.12.2015
54
Strafverfahren
Passagierin Gertrud Glück ist verletzt: fahrlässige schwere
Körperverletzung?
Art. 125 Strafgesetzbuch:
1 Wer fahrlässig einen Menschen am Körper oder an der
Gesundheit schädigt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis
zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2 Ist die Schädigung schwer, so wird der Täter von Amtes
wegen verfolgt.
( Vergehen)
11.12.2015
55
Strafverfahren
Das Hausdach an der Absturzstelle ist beschädigt:
Sachbeschädigung?
Art. 144 Strafgesetzbuch:
1 Wer eine Sache, an der ein fremdes Eigentums-, Gebrauchs- oder
Nutzniessungsrecht besteht, beschädigt, zerstört oder unbrauchbar
macht, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder
Geldstrafe bestraft.
 Die fahrlässige Sachbeschädigung ist im StGB nicht geregelt, also
nicht strafbar.
11.12.2015
56
Strafverfahren
Störung des öffentlichen Verkehrs
Art. 237 Strafgesetzbuch:
1. Wer vorsätzlich den öffentlichen Verkehr, namentlich den Verkehr
auf der Strasse, auf dem Wasser oder in der Luft hindert, stört oder
gefährdet und dadurch wissentlich Leib und Leben von Menschen in
Gefahr bringt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder
Geldstrafe bestraft.
Bringt der Täter dadurch wissentlich Leib und Leben vieler
Menschen in Gefahr, so kann auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis
zu zehn Jahren erkannt werden.
2. Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu
drei Jahren oder Geldstrafe.
11.12.2015
57
Übertretung nach Art. 91 LFG
1 Mit Busse bis zu 20 000 Franken wird bestraft, wer
vorsätzlich oder fahrlässig:
a. Verkehrsregeln verletzt;
b. Vorschriften über den Flugbetrieb verletzt, die der
Sicherheit von Menschen oder Sachen dienen;
c. ein Luftfahrzeug führt oder betreibt, ohne die
vorgeschriebenen Papiere zu besitzen;
[…]
Übertretungen = Delikte, die mit Busse bedroht sind.
11.12.2015
58
Strafverfahren - Zuständigkeit
BAZL (Art. 98 Abs. 2 LFG): Übertretungen im Sinne von Art.
91 LFG werden nach den Verfahrensvorschriften des
Verwaltungsstrafrechtsgesetzes durch das BAZL verfolgt und
beurteilt.
Gemäss Art. 98 Abs. 1 LFG unterstehen die an Bord eines
Luftfahrzeuges begangenen strafbaren Handlungen unter
Vorbehalt von Art. 98 Abs. 2 LFG der
Bundesstrafgerichtsbarkeit (z.B. Fehlverhalten des Piloten).
Kantonale Strafverfolgungsbehörden: strafbares Verhalten
ausserhalb des Luftfahrzeuges (z.B. durch eine
Pflichtwidrigkeit eines Fluglotsen am Boden).
11.12.2015
59
Zwischenfazit: Strafrechtliche Folgen für
Pilot Bruch
• Busse wegen Verkehrsregelverletzung
• Freiheits- oder Geldstrafe wegen Störung des öff. Verkehrs
oder Gefährdung
• Freiheits- oder Geldstrafe wegen fahrlässiger (schwerer)
Körperverletzung und Tötung
• Auferlegung der Kosten im Strafverfahren
11.12.2015
60
Administrativmassnahmen – Rechtliche
Grundlage:
Art. 92 LFG
Bei der Verletzung der Bestimmungen dieses Gesetzes oder
der von den zuständigen Behörden gestützt darauf erlassenen
Verordnungen und weiteren Vorschriften oder der
Bestimmungen einer zwischenstaatlichen Vereinbarung über
die Luftfahrt kann das BAZL, unabhängig von der Einleitung
und vom Ausgang eines allfälligen Strafverfahrens, folgende
Massnahmen verfügen:
11.12.2015
61
Administrativmassnahmen – Rechtliche
Grundlage (Art. 92 LFG):
a. den zeitweiligen oder dauernden Entzug oder eine
Einschränkung des Geltungsbereiches von erteilten
Bewilligungen, Erlaubnissen und Ausweisen;
b. die Beschlagnahme von Luftfahrzeugen, deren weiterer
Gebrauch die öffentliche Sicherheit gefährden würde oder
deren missbräuchliche Verwendung zu befürchten ist.
11.12.2015
62
Verordnung der UVEK über die
Verkehrsregeln für Luftfahrzeuge
Artikel 1
Die Verkehrsregeln für Luftfahrzeuge richten sich:
a. in erster Linie nach der Durchführungsverordnung (EU) Nr.
923/2012;
b. ergänzend nach der vorliegenden Verordnung.
 Die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 923/2012 =
Standardised European Rules of the Air ("SERA-Verordnung")
ist seit dem 1. Februar 2015 in Kraft für die Schweiz.
11.12.2015
63
SERA-Verordnung Kapitel 2 –
Vermeidung von Zusammenstössen
SERA.3205 Annäherung
Ein Luftfahrzeug darf nicht so nah an anderen Luftfahrzeugen
betrieben werden, dass die Gefahr eines Zusammenstosses
besteht.
11.12.2015
64
SERA-Verordnung Kapitel 2 –
Vermeidung von Zusammenstössen
SERA.3210 Ausweichregeln
[…]
1. Annäherung im Gegenflug. Nähern sich zwei Luftfahrzeuge im
Gegenflug oder nahezu im Gegenflug, haben beide, wenn die Gefahr
eines Zusammenstosses besteht, nach rechts auszuweichen.
2. Kreuzen der Flugrichtung. Kreuzen sich die Flugrichtungen zweier
Luftfahrzeuge in nahezu gleicher Höhe, so hat das Luftfahrzeug, bei
dem sich das andere Luftfahrzeug auf der rechten Seite befindet,
auszuweichen; jedoch haben stets auszuweichen
i) motorgetriebene Luftfahrzeuge, die schwerer als Luft sind, den
Luftschiffen, Segelflugzeugen und Ballonen;
[…]
11.12.2015
65
Administrative Massnahmen:
Zwischenfazit für Pilot Bruch
Er hat die Verkehrsregeln nach der SERA-Verordnung verletzt
(Annäherung, so dass die Gefahr eines Zusammenstosses
bestand; die Gefahr hat sich verwirklicht / Nichtausweichen
bei einem Ballon).
Mögliche administrative Massnahmen:
• Lizenzentzug für einige Monate;
• Untersagung von Passagierflügen bis ein erfolgreicher
Refresher-Kurs absolviert ist.
• Auferlegung der Kosten im Administrativverfahren
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Folgen für Pilot Bruch
Mögliche strafrechliche Folgen:
• Busse wegen Verkehrsregelverletzung;
• Freiheits- oder Geldstrafe wegen Störung des öff. Verkehrs oder
Gefährdung;
• Freiheits- oder Geldstrafe wegen fahrlässiger Körperverletzung
und Tötung?
• Auferlegung der Kosten im Strafverfahren.
Mögliche administrative Massnahmen:
• Lizenzentzug für einige Monate;
• Untersagung von Passagierflügen bis ein erfolgreicher RefresherKurs absolviert ist;
• Auferlegung der Kosten im Administrativverfahren.
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Überblick
• Einleitung/Fall
• Flugunfalluntersuchung
• Gewerbsmässigkeit
• Haftungsfragen
• Versicherungsfragen
• Strafrechtliche und administrative Folgen
• Schlussfolgerungen
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Herzlichen Dank für Ihre
Aufmerksamkeit!
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