Das magische Mathebuch Die Türen des Zuges schlossen sich langsam hinter mir, ein letztes „tuuut….“war zu hören und das Gefährt fuhr los. Ich, Tara liess mich schlapp in einen der gepolsterten Sitze fallen, und stellte mein Koffer vor die Füsse. Lustlos kramte ich darin herum, und es kamen jede Menge Sachen zum Vorschein, die man brauchte um bei seiner Oma ein entspannter Urlaub zu geniessen. Leider mussten immer zuerst die Hausaufgaben erledigt werden. „Mathe, schon wieder!“ rief ich so laut, dass mich eine ältere Dame mit Hund streng anblickte. Auf Seite 85 schlug ich das Mathebuch auf. Bei diesen Aufgaben war ich schon in der Schule nicht drausgekommen, also was brachte es sie mir nochmals anzuschauen. Schuldbewusst griff ich in meine Hosentasche und holte mein Handy hervor. Das Programm mit dem Taschenrechner war schon offen, da ich es, wenn auch mit schlechtem Gewissen schon in der Schule benutzt habe. Doch auf einmal kamen grelle funken aus meinem Mathebuch hervor, und ich bemerkte wie ich langsam durchsichtig wurde, und darin verschwand. Zuerst war alles um mich verschwommen, doch dann erkannte ich eine grosse, saftige Wiese. Über mir erblickte ich den Kopf eines Mädchens, das mich mit ihren grasgrünen Augen verwundert anstarrte. Sie hatte ein himmelblaues Kleid an, das mit bunten Quadraten und Kreisen verziert war. In ihren strohblonden Haren steckte eine Haarspange auf der die Rechnung eins plus zwei eingraviert war. „Wer bist du?“ fragte sie mich mit einer Glockenhellen Stimme. „Mein Name ist Tara“ antwortete ich. Das Mädchen begann zu kichern. „Tara? Das ist aber ein lustiger Name!“. „Wie heisst du denn?“ fragte ich sie verwundert. „Ich heisse 6x6!“ antwortete das Mädchen stolz. „Wenn 6x6 für dich ein gewöhnlicher Name ist, frag ich mich wo ich denn hier gelandet bin!“ sagte ich zu ihr. „Du bist im zauberhaften Matheland“ erklärte 6x6. Als sie diese Worte sprach sah ich mich um. Statt Bäume türmten sich riesige Zahlen bis in den Himmel hinauf. Kristallklare Bächlein flossen einen Berg, in der Form eines Pluszeichens hinab. „Komm mit, du sollst meine Familie kennenlernen!“ sagte 6x6 begeistert, und zog mich zu einem hausähnlichen Gebäude. Es war vollständig aus Zahlen gebaut, und in verschiedenen Farben angestrichen. Eigentlich war das Häuschen ja ganz entzückend, doch mir kam es wie in einem verrückten Traum vor. Vor dem Gebäude stand ein kleines Mädchen mit einem zierlichen Gesicht, fast so wie bei einer Porzellanpuppe. „ Drei Viertel!“ schrie sechs Mal sechs dem Mädchen zu, und es kam freudestrahlend auf uns zu gerannt. Ihre roten Bäckchen glühten in der Sonne, und ihr wirbelndes Haar glänzte wie ein goldener Wasserfall. Sie sah ein wenig aus wie ein kleiner Engel. Eine Viertelstunde später sassen die Familie von 6x6 und ich an einem runden Tisch, und die Mutter stellte einen grossen Topf auf die Tischplatte. „Ich habe Divisionen für euch gekocht.“ sagte sie freudig, und rührte einmal in der kochenden Brühe herum. Nun kamen lange Zahlenketten zum Vorschein, und sie schöpfte jedem ein Dutzend davon. „357“ flüsterte drei Viertel in ihr essen, und sofort wurden aus den Zahlenketten gelbe, leckere Nudeln. Nun begriff ich dass man immer zuerst die Rechnung auf den komischen Ketten lösen musste, bevor sie zu geniessbarem Essen wurden. Nach dem Mittagessen sahen wir zu wie der Vater von 6x6 in eine grosse Kugel aus Kristall sah und scheinbar am Verzweifeln war. „ Jetzt sind es nur noch halb so viele wie letztes Jahr!“ murmelte er besorgt. „Was sind nur noch halb so viele?“ fragte ich neugierig. „Na von den Rechnungsbäumen, das Leben des Mathelandes.“ erklärte 6x6. „ Immer wenn jemand die Geduld und Freude am Rechnen verliert, verschwindet ein Baum, wenn jedoch ein Kind das Rechen erlernt, oder es jemand plötzlich gerne tut wächst ein neuer. Wenn es gar keinen Rechnungsbaum mehr gibt, verschwindet das Matheland und die Welt wird so aussehen, als hätte es das Rechnen nie gegeben! Keine Computer, keinen Strom, alle Menschen würden wie in der Steinzeit leben und nicht Zählen können!“ sagte drei Viertel bestürzt. „ Aber nun ist es Zeit dass du wieder nach Hause gehst, du wirst deine Familie sicherlich schon vermissen.“ sprach 6x6 zu mir. Ich nickte und bemerkte wie sehr ich mich auf den gemeinsamen Urlaub mit Oma freute. 6x6 übergab mir eine Halskette mit einem blauen Anhänger, der ein verschnörkeltes Blumenmuster zeigte. Nach ihren Anweisungen musste ich die Kette nur öffnen, um wieder in den Zug zu gelangen. Ich tat es, und 6x6 winkte mir noch lange nach. Plötzlich sass ich wieder auf dem kratzigen Sitz im Zug, das Mathebuch vor mir, und mein Handy in der rechten Hand. Ich schämte mich richtig den Taschenrechner benutzt zu haben, da ich dadurch bestimmt einen Rechnungsbaum zum Verschwinden gebracht habe. Also löste ich die Aufgaben halt ohne Rechner, und ob man es glaubt oder nicht: es hat mir sogar richtig Spass gemacht! Eine Stunde später kam endlich die Durchsage auf die ich schon lange gewartet habe: „Endstation Sonnenhof! Bitte steigen sie alle auf der rechten Seite aus!“ Aufgeregt sprang ich auf und rannte zur Tür. „Vorsicht, du freches Ding!“ schrie mir ein in schwarz gekleideter Mann hinterher. Doch das war mir egal, denn ich hatte etwas entdeckt was mich viel mehr interessiert als schreiende Männer: eine lächelnde, etwas pummelige Dame, deren rote Wangen mit dem ebenfalls rotem Kleid um die Wette strahlten. „Oma!“ rief ich so laut ich konnte durch die Menschenmenge. „Und, hast du eine aufregende Fahrt gehabt?“ fragte sie und blickte mich liebenswürdig mit ihren warmen, braunen Augen an. „Und wie!“ sprach ich und dann begannen wir beide zu kichern.
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