PfErdEMEnScHEn Volle Punktzahl MEin wunsch PfErd Andra Mainz träumt schon lange von einem Knabstrupper. Jetzt traf sie gleich drei schicke Hengste der Extraklasse. Mit Piaffe und Passage, tollen Seitengängen und zirzensischen Lektionen begeisterte das barocke Trio unsere Wunschpferd-Kandidatin Text: Kerstin Philipp D „Am liebsten würde ich mir einen in die Tasche stecken und mitnehmen.“ Der sechsjährige Aramis gefiel Andra Mainz von den drei Hengsten am besten 80 www.mein-pferd.de 6/2012 MP0612_80-83_Wunschpferd.indd 80-81 er kräftige, elegante Körperbau und die ganz spezielle Zeichnung der Knabstrupper haben es unserer Wunschpferd-Kandidatin angetan. Seit vielen Jahren ist Andra Mainz großer Fan der jahrhundertealten Rasse, die meist als bunte Tigerschecken ein echter Blickfang sind. „Durch die individuellen Zeichnungen gleicht kein Pferd dem anderen“, schwärmt die Diplom-Verwaltungswirtin aus Aachen. „Außerdem finde ich die klassisch-barocke Reitweise, in der die Knabstrupper oft zu Hause sind, besonders interessant.“ Und an diesem Tag soll Andra Mainz genau diese Reitweise mit ihrem Traumpferd kennenlernen. Ihrem Traumpferd? Moment. Auf unsere Kandidatin wartet gleich ein ganzer Stall voll mit ihren Traumpferden. Wir sind zu Besuch bei Züchterin Melanie Enk in Petershagen-Friedwalde, circa 60 Kilometer nördlich von Bielefeld. Auf ihrem Knabstrupper-Gestüt „af Wendandi“ leben 18 Knabstrupper und ein Esel, ein weiteres Fohlen wird bald geboren. Der glamouröse Name des Gestüts hat seinen Ursprung in der nordischen Mythologie. Wendandi ist hier die Norne (Schicksalsfrau) der Gegenwart. Das Gestüt steht damit für eine Knabstrupper-Zucht der Gegenwart. „Es geht uns nicht um die Rückzüchtung nach jahrhundertealten Kriterien oder eine reine Farbzucht“, betont Melanie Enk. „Wir züchten Knabstrupper, die die althergebrachten Vorzüge der Rasse in sich tragen und den heutigen Ansprüchen genügen.“ Seit 1998 züchtet Melanie Enk Knabstrupper. Durch eine Bekannte wurde sie auf diese Rasse aufmerksam. „Mir gefiel natürlich die spezielle Färbung. Aber vor allem der Charakter dieser Pferde hat mich besonders beeindruckt“, erklärt die 48-Jährige. „Sie sind eigenwillig, aber gelehrig. Und ich schätze Eigenwilligkeit. Pferde sollen bei mir nicht einfach nur funktionieren.“ Nicht ohne Stolz präsentiert Melanie Enk uns zuerst ihre Hengste, vom Jährling Alboin bis zum Elite-Hengst Aurel. Als wir die Stallgasse betreten, hören wir im Hintergrund klassische Musik. Sie verbreitet eine ganz besondere Stimmung auf dem Gestüt. Reiten als Kunst und Kultur „Wir möchten Reiten als Kunst und Kultur vermitteln“, erklärt die Züchterin. „So wie man mit Wein und Zigarre gemütlich auf der Terrasse sitzt, so soll auch im Stall eine gewisse Atmosphäre herrschen.“ Diese Atmosphäre scheint auch auf die Pferde zu wirken. Alle Hengste sind entspannt und zutraulich. Sie kommen gemeinsam auf die Weide und wer- Elite-Hengst Aurel reitet Andra als Erstes den in der Gruppe ausgeritten. Der EliteHengst Aurel hat in der Hengstleistungsprüfung sogar eine glatte Zehn im Umgang erhalten. Ihn soll Andra nun als Erstes reiten. Der 13-jährige Hengst ist ein Weißgeborener. Im Gegensatz zu Schimmeln, die dunkel auf die Welt kommen und deren Fell aufgrund eines Gendefektes frühzeitig weiß wird, werden diese Pferde weiß geboren. Oft werden sie fälschlicherweise als Albinos bezeichnet. Sie haben zwar rosafarbene Haut, aber blaue oder braune Augen. „So strahlend weiß wie sie bei Geburt sind, werden sie aber leider nie wieder“, sagt Melanie Enk und lacht. Seit 2008 wird die Ausbildung von Melanie Enks Knabstruppern von dem bekannten Barock-Reiter Richard Hinrichs, Präsident des Bundesverbandes für klassisch-barocke Reiterei, betreut. Und das merkt man den Hengsten an. Zunächst lockert die Züchterin Aurel an der Hand, mit ein paar Tritten Spanischem Schritt, kurzen Ansätzen zur Levade und leichtem Anpiaffieren. Immer wieder verbunden mit Entspannungsphasen am langen Zügel. Dann ist Andras Einsatz gefragt. Nachdem sie aufgestiegen ist, zeigt ihr Melanie Enk erst die Handhabung der Kandare. Für Andra eine ganz neue Herausforderung. Doch Aurel ist so fein geritten und reagiert so gut auf die Reiterhand, dass er für die 28-Jährige das ideale Lehrpferd ist. Ein bisschen Respekt vor der ungewohnten Zäumung bleibt jedoch am Anfang. „Der hat einen dicken Hals, den muss er erst einmal loslassen“, erklärt Melanie Enk ihrer Schülerin. „Aurel reagiert ganz fein, aber ein bisschen musst Du schon annehmen und wieder loslassen. Dann sucht er das Gebiss automatisch.“ Andra soll direkt mit Seitengängen starten. Schulterherein und Travers lassen den Hengst immer lockerer werden. Mit Leichtigkeit wechselt Aurel zwischen den Seitengängen. Im Galopp 6/2012 www.mein-pferd.de 81 26.04.12 16:20 PfErdEMEnScHEn „die Hilfen sind schon echt anders. Aber das gefühl ist super.“ bekommt die Aachenerin den Hengst dann noch besser an ihre Hilfen. „Du musst die äußere Hand tiefer halten und die innere Hand höher nehmen, dann gibt er besser nach“, korrigiert Melanie Enk. Zum Durchparieren soll Andra beide Schenkel zurücknehmen und mit ihrem Gewicht nach vorn gehen. „Wenn du mit dem Oberkörper nach vorn gehst, wird seine Hinterhand entlastet und er kann gut untertreten“, erklärt Melanie Enk. „Er bremst dann sofort.“ Diese Hilfengebung zahle sich auch aus, wenn Reitanfänger auf dem Pferd sitzen, so Melanie Enk: „Wenn sie nach vorn fallen, gehen diese Pferde keinen Schritt mehr.“ An die für sie ungewohnte Hilfengebung muss sich Andra erst herantasten. Mit Aurel übt Andra dann noch Spanischen Schritt an der Hand. „Du musst den richtigen Rhythmus finden“, betont Melanie Enk. „Zähl immer bis drei, und bei drei touchierst du jeweils im Wechsel ein Vorderbein.“ Doch das ist erst einmal leichter gesagt als getan. Andra muss sich sehr konzentrieren, um den edlen Hengst 82 www.mein-pferd.de 6/2012 MP0612_80-83_Wunschpferd.indd 82-83 stall stehen die Jungpferde zusammen mit einem kleinen Esel. Sie lassen natürlich jeden Knabstrupper-Fan nur so dahinschmelzen. „Davon würde ich mir ja jetzt am liebsten einfach eins in die Tasche stecken“, flüstert Andra uns zu. „Vielleicht geht der Trend ja bald zum Zweitpferd. Dann komme ich wieder zurück und hole meinem Pferd Gesellschaft.“ Der Knabstrupper Der Knabstrupper hat seinen ursprung in Dänemark. Dort wurde er als eine Farbvariante der einst weltbekannten Frederiksborger auf dem dänischen Gestüt Knabstrup weitergezüchtet. Die Zucht zeigt heute unterschiedliche Typen, barock oder modern, vom Pony bis zum Großpferd. nur ein im barocken Typ stehender Knabstrupper, der in der dritten Generation ohne Einkreuzung von Fremdblut gezüchtet wurde (Reinzucht), ist ein Original-Knabstrupper. Der ursprüngliche Pferdetyp ist 1,48 bis 1,57 Metern groß. Auf dem Gestüt „af wendandi“ liegt das Zuchtziel etwas höher, bei 1,60 bis 1,65 Metern. Eine leichte Ramsnase ist rassetypisch. Ebenso ein eher eigenwilliger charakter, verbunden jedoch mit einer hohen Leistungsbereitschaft. Die gängigen Farbvariationen sind: weißgeborene, Volltiger/Tigerschecken (farbige Flecken auf weißem Grund), schabracktiger (dunkle Farbe an Vorhand und Beinen, weiße Decke über Lenden und Kruppe), Einfarbige (Braune, Rappen, Füchse, jedoch keine schimmel). Ein Kunststück zum Abschied Rhythmusgefühl gefragt Doch Aurel hilft ihr dabei. „Das ist schon echt anders“, sagt sie. „Aber das Gefühl ist super!“ Auf Andra warten jetzt noch zwei Söhne von Aurel – die Vollbrüder Azrael und Aramis. Während sie fertig gemacht werden, zeigt Melanie Enk noch, was in Aurel alles steckt. Mit leichtesten Hilfen und ohne Zügeleinsatz pariert sie den Hengst aus dem Galopp durch zum Schritt oder reitet Schulterherein mit durchhängenden Zügeln. „An- und Abspannung ist das Wichtigste“, erklärt die Züchterin. „So kriegst du ihn von der Hand.“ an ihrer Hand richtig zu dirigieren, der mit viel Elan seine Vorderbeine nach vorne-oben heben möchte. Doch nach kurzer Zeit sind die beiden eingespielt, und Andra ist beeindruckt, wie gut Aurel auf ihre Touchierhilfen reagiert. Dann ist der achtjährige Azrael an der Reihe. Der Erstgeborene von Aurel ent- Missverständnis überhaupt nicht übel. Er bleibt ihr Liebling des Tages: „Aramis hat mir von allen am besten gefallen!“ Nach diesem aufregenden Einblick in die hohe Schule der Reitkunst gibt es zum Schluss für unsere WunschpferdKandidatin auch noch einen Einblick in die Knabstrupper-Zucht von morgen. Es heißt: Fohlen gucken! In einem Nachbar- Fotos: ilja v.d. Kasteele Andra (hier auf Azrael) ist von den barock gerittenen Pferden begeistert spricht dem klassischen Zuchtziel, wie Melanie Enk stolz erklärt: „Kräftige Beine und Gelenke und ein hoher Hals – Azrael ist ein Knabstrupper, wie man ihn malen würde.“ Andra bekommt auf dem zweiten Hengst schon mehr Selbstbewusstsein, und die Seitengänge klappen immer besser. „Die Barockpferde haben viel Hals und sind kürzer. Deshalb sind hier viele Seitengänge und Piaffe-Tritte wichtig, um die Tragkraft und Beweglichkeit zu verbessern“, erklärt Melanie Enk. Und ihr Sohn Ken-Jack, FN-Trainer B in klassisch-barocker Reiterei, demonstriert Andra, wie sich solche Piaffe-Tritte als Reiter anfühlen. Vom Boden aus touchiert er den Hengst, und Andra ist begeistert von der Leichtigkeit, mit der Azrael sie über den Platz trägt. Noch ganz beeindruckt von diesem erhabenen Gefühl geht es nun auf Hengst Nummer drei: Aramis. Mit seiner bunten Zeichnung und dem wunderschönen Kopf ist der Rapptiger gleich ein Hingucker. Der sechsjährige Hengst wurde von Anfang an nach der klassisch-barocken Reitweise ausgebildet und beherrscht Kunststücke wie Liegen, Kompliment und Spanischen Schritt. Andra und Aramis sind direkt ein gutes Team, und unsere Wunschpferd-Kandidatin wird auch in der Zügelführung auf Kandare immer sicherer. „Jetzt wird ja langsam ein richtiger klassisch-barocker Reiter aus Dir“, ruft Melanie Enk ihr zu. Im Galopp wird der Hengst dann ein bisschen eilig. „Tick ihn mit der Gerte an“, empfiehlt Melanie Enk. Was zunächst eher kontraproduktiv klingt, um das Pferd ruhiger zu bekommen, erweist sich aber als wirkungsvoll. „Wir sagen dem Pferd mit der Gerte, dass hinten ‚die Musik spielt‘ und er sich wieder mehr hinten setzen soll“, erklärt die Züchterin. „Liegt die Gerte an und vibriert, nimmt das Pferd den Takt der Gerte an. So kann ich es zurückholen.“ Melanie Enk zeigt Andra die Handführung Als Bonbon zum Abschluss soll sich Aramis unter Andra hinlegen. Melanie Enk gibt dem Hengst das Kommando, und Aramis legt sich direkt gekonnt und elegant ab. Kurz bevor der Hengst ganz liegt, soll unsere Wunschpferd-Kandidatin absteigen. Das erste Mal klappt alles prima. Beim zweiten Mal steigt Andra jedoch etwas zu früh ab. Aramis ist irritiert. Und: Er stellt sich wieder hin. Andra hat keine Chance. Noch mit einem Bein über dem Sattel verliert sie die Balance und landet prompt auf dem Hosenboden. Doch unsere Wunschpferd-Kandidatin nimmt es mit Humor und steigt gleich wieder auf. „Ich bin, glaube ich, noch nie so oft an einem Tag auf ein Pferd aufgestiegen wie heute“, sagt sie und lacht. Und dem kleinen Aramis nimmt sie das Tigerschecken wie der Rapptiger-Hengst Aramis sind besonders beliebt «Mein Fazit» Es war einfach toll zu sehen, wie leicht und fein Reiten sein kann. Die Pferde waren klasse! Der Tag hat mich in meiner Einschätzung der Rasse hinsichtlich ihres charakters und ihres Aussehens vollkommen bestärkt. nun bin ich ein noch größerer Fan. Die barocke Reitweise hat mich außerdem wirklich beeindruckt. Ich nehme sicher viel mit nach hause. haben sie ein wunschpferd? Jeder hat einen Vierbeiner, den er unbedingt einmal reiten möchte. diesen Wunsch möchten wir ihnen erfüllen. Schreiben Sie uns, woher Sie kommen, wie alt Sie sind (mind. 18 Jahre) und ein paar Zeilen zu ihrem reiterlichen Background, und schicken Sie alles mit einem foto an: Redaktion Mein Pferd schanzenstraße 36 Gebäude 31a 51063 Köln E-Mail: [email protected] Mehr Infos: www.mein-pferd.de in dEr näcHSTEn AuSgABE: Der Traum vom sulky-Fahren 6/2012 www.mein-pferd.de 83 26.04.12 16:20
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