PDF - Katholische Kirche beim hr

Dr. Paul Lang, Amöneburg
Zuspruch am Morgen (hr 2)
Mittwoch. 20. April 2016
Schwarzweiß oder Farbe?
„Wir schicken Ihnen jemanden vom Verlag, der Ihnen erklärt, wie man richtig gute
Fotos macht“. Was eine Ankündigung! Mit gespannter Erwartung und gespitztem
Bleistift erwarte ich wenige Tage später den Profi. Er soll helfen, den JubiläumsBildband unserer Schule zu einem Hit zu machen.
„Wissen Sie“, sagt der Fotoexperte, als er dann vor mir steht, nach einigen Minuten, „
dass Sie den Auslöser Ihrer Kamera bedienen können, davon gehe ich mal aus.
Eigentlich habe ich nur einen einzigen Tipp, den Sie beherzigen sollten: Machen Sie
alle Fotos stets bei blauem Himmel – der Rest ist im Grunde nebensächlich.“
Das also ist das ganze Geheimnis?! Ich bin einigermaßen sprachlos; Notizblock und
Bleistift bleiben in der Tasche. Der scheinbar so banale Tipp aber erweist sich in den
kommenden Wochen als der entscheidende. Bei der Bildauswahl greifen alle, die
beteiligt sind, stets zu den Aufnahmen mit blauem Himmel. Und schließlich sind wir
mit dem Ergebnis rundherum zufrieden.
Seit diesem Foto-Briefing achte ich darauf, wenn ich fotografiere, ob der Himmel blau
ist. Und selbst mein Handy verschickt so schnell keine Spontanaufnahme an
Freunde mehr, wenn die Sonne nicht scheint.
Ist das eigentlich noch wahrheitsgetreu, frage ich mich hin und wieder. Wieviel Macht
üben gerade Bilder in unserer Welt aus? Längst haben sie jenseits von Büchern und
Fernsehen in den sozialen Netzwerken ihre dominierende Rolle gefunden:
Unmengen Fotos, die da permanent online gehen. Mögen sie nun gelungen oder
nicht so gut getroffen sein: Immer verraten sie doch auch eine ganze Menge über
ihre Urheber. Und sie verraten etwas über den Blick, den sie auf die Welt oder sich
selbst haben oder den sie anderen nahe bringen möchten. Die Zeile eines Liedes
von Astrid Lindgren schießt mir dabei in den Kopf: „Ich mach mir die Welt, widewide
wie sie mir gefällt…“
„War früher eigentlich wirklich alles schwarzweiß“, soll vor einiger Zeit ein
Grundschüler seine Lehrerin beim Betrachten alter Aufnahmen gefragt haben. Ich
kann mir das gut vorstellen: So präsent sind Abbildungen in unserem Alltag, dass es
schon einiger Anstrengung bedarf, um zwischen Bildern und der Realität zu trennen.
Dass Bilder lügen können oder doch nur einen beschränkten Teil von Wirklichkeit
abbilden, das vergessen wir manchmal.
Die Macht der Bilder – sie war Menschen immer schon unheimlich. Religiöse
Bilderverbote weisen darauf hin; auch die Geschichte des Christentums kennt eine
Reihe von Bilderstürmen: Gewaltsam versuchte man Bilder von Gott und den
Heiligen, von der Heilsgeschichte zu verbannen. Meistens haben sich diese Stürme
bald wieder gelegt. Wenn Gott in Jesus Christus ein menschliches Antlitz bekommen
hat, dann ist er sichtbar geworden, wenn er den Menschen als sein Abbild
geschaffen hat, dann können Bilder nicht grundsätzlich schlecht sein.
Bilder können missbraucht werden, gefälscht zum Lügen gebraucht. Davor müssen
wir uns hüten. Bilder vermögen aber auch den Blick zu schärfen, auszuwählen,
sichtbar zu machen. Sie können auf diese Weise die Welt gestalten – und das ist in
jedem Fall etwas Gutes. Was Astrid Lindgren textet, das ist nicht nur unsere Macht,
sondern, ich meine, unsere tägliche Aufgabe als Menschen, ein klein wenig
verändert: „Machen wir die Welt so, dass sie uns gefällt“.