VIENNALE 2015 22. OKTOBER BIS 5. NOVEMBER LOCATIONS VIENNALE-KINOS Gartenbaukino I., Parkring 12 U3 Stubentor, U4 Stadtpark Stadtkino im Künstlerhaus I., Akademiestraße 13 U1, U2, U4 Karlsplatz Urania I., Uraniastraße 1 U1, U4 Schwedenplatz Metro Kinokulturhaus I., Johannesgasse 4 Historischer Saal, Eric Pleskow Saal An dieser Stelle finden Sie einen Faltplan mit allen Filmen und Terminen. Falls er abhanden gekommen sein sollte, holen Sie sich bitte Ihren Übersichtsplan an einer Viennale-Kinokassa oder Vorverkaufsstelle. U1, U3 Stephansplatz • U1, U2, U4 Karlsplatz SPIELORT DER RETROSPEKTIVE Österreichisches filmmuseum I., Augustinerstraße 1 U1, U2, U4 Karlsplatz VORVERKAUFSSTELLEN Metro Kinokulturhaus I., Johannesgasse 4 U1, U3 Stephansplatz • U1, U2, U4 Karlsplatz Schottentor I., Schottentor U2 Schottentor/Universität Gartenbaukino I., Parkring 12 U3 Stubentor, U4 Stadtpark VIENNALE FESTIVALZENTRUM I., Dominikanerbastei 11 U1, U4 Schwedenplatz • U1, U3 Stephansplatz Viennale barrierefrei Die Viennale bietet an allen Veranstaltungsorten Zugang für Rollstuhlfahrer Gartenbaukino vier Rollstuhl-Stellplätze und zwei Behinderten-Parkplätze Stadtkino im Künstlerhaus und Urania jeweils zwei Rollstuhl-Stellplätze und zwei Behinderten-Parkplätze Metro Kinokulturhaus zwei Rollstuhl-Stellplätze im Historischen Saal, ein Rollstuhl-Stellplatz im Eric Pleskow Saal Österreichisches Filmmuseum zwei Rollstuhl-Stellplätze Begleitpersonen haben freien Eintritt und einen Sitzplatz in unmittelbarer Nähe des Rollstuhlplatzes. Viennale Festivalzentrum barrierefrei zugänglich TICKETINFORMATIONEN TICKETVORVERKAUF AB 17. OKTOBER 2015, 10 UHR TICKETS IM INTERNET Tickets per Online-Banking oder Kreditkarte www.VIEnnaLE.aT VORVERKAUFSSTELLEN TICKETPREISE einzelticket ab 10 Tickets ab 20 Tickets €9 € 8,50 € 7,80 pro Ticket pro Ticket Tickets bar, mit Bankomat oder per Kreditkarte ERMÄSSIGUnGEn Metro Kinokulturhaus von 17. Oktober bis 5. November täglich 10 bis 20 Uhr Schottentor von 17. bis 24. Oktober täglich 10 bis 20 Uhr Gartenbaukino von 17. bis 21. Oktober täglich 10 bis 20 Uhr Ermäßigungen können bei Vorweis der entsprechenden Ausweise in Anspruch genommen werden. ZUSÄTZLICHE EXPRESSKaSSEn aM 17. UnD 18. OKTOBER Aufgrund des zu erwartenden großen Andrangs werden am ersten Vorverkaufswochenende zusätzliche Expresskassen geöffnet. Die Expresskassen sind für Käufe von bis zu 10 Tickets vorgesehen, um eine raschere Abwicklung gewährleisten zu können. Stadtkino im Künstlerhaus 17. und 18. Oktober, 10 bis 20 Uhr (nur Expresskassen; nur Barzahlung) Gartenbaukino 17. und 18. Oktober, 10 bis 20 Uhr (2 Expresskassen; Bezahlung bar, mit Bankomat oder per Kreditkarte) für alle Kassen – mit ausnahme der expresskassen – werden bei großem andrang Wartenummern ausgegeben. TICKETS PER TELEFON Tickets per Kreditkarte (tägl. 10–20 Uhr) freeline 0800 664 015 Per Telefon bzw. online gekaufte Tickets sind an allen Vorverkaufsstellen oder in den Viennale-Kinos abzuholen. Ab 30 Minuten vor Beginn einer Vorstellung sind ausschließlich Tickets für diese Vorstellung erhältlich. einzelticket ab 10 Tickets ab 20 Tickets € 8,50 €8 € 7,30 pro Ticket pro Ticket Kunden der ermäßigungen mit der «fernwärme-Servicecard» Inhaber der «Fernwärme-Servicecard» erhalten für Filme ausgewählter Zeitschienen je 2 Tickets zum Sonderpreis von je € 6,30. MehrwERT-FILMnaCHT erste bank lädt zum Double feature ein 24. Oktober, ab 23 Uhr, Gartenbaukino In der Nacht der Zeitumstellung gibt es nicht nur ein Stunde mehr, sondern auch ein einmaliges Double Feature: Isabelle Huppert und Gérard Depardieu treffen in Maurice Pialats LOULOU (1979) und in VALLEY OF LOVE (2015) von Guillaume Nicloux aufeinander. nähere infos zur Vergabe der Gratistickets unter: www.sponsoring.erstebank.at www.viennale.at freie SiTzplaTzWahl bei allen Vorstellungen der Viennale – mit ausnahme der Galas – gilt freie Sitzplatzwahl. TICKETVERKaUF wÄHREnD DES FESTIVaLS Während des Festivals erhalten Sie Tickets sowohl an der Vorverkaufsstelle Metro als auch in den vier Festivalkinos. Die Kinokassen sind von 22.10. bis 5.11. ab eine Stunde vor Beginn der ersten bis zum Beginn der letzten Vorstellung geöffnet. Ab 30 Minuten vor Beginn einer Vorstellung sind ausschließlich Tickets für diese Vorstellung erhältlich. 30 Minuten vor Vorstellungsbeginn werden Wartenummern für resttickets ausgegeben. TICKETVERKaUF RETROSPEKTIVE anIMaLS Tickets für die Retrospektive sind sowohl über die Viennale als auch über das Filmmuseum erhältlich. Informationen unter www.filmmuseum.at und www.viennale.at. 2 VIENNALE MERCHANDISING Publikationen und Artikel des Festivals sind in allen Viennale Vorverkaufsstellen und Kinos sowie online erhältlich: Katalog Festival Plakate (A1) V’15-Filmstills-Plakat Schlüsselbänder Viennale DVD Box 2015 Viennale Einzel-DVDs 2015 Viennale DVD Box 2014 Viennale DVD Box 2012 und 2013 Viennale Einzel-DVDs 2012–2014 The Useful Book #4: Peter Nau € 15 €3 € 10 €3 € 29,90 je € 14,90 € 19,90 € 39,90 € 9,90 €7 VIENNALE DVD EDITION Die gemeinsame DVD edition von Viennale und falTer geht in die vierte runde. Wegen des erfreulichen zuspruchs in den letzten Jahren wird der Versuch fortgesetzt, eine Schneise in den Wildwuchs der aktuellen DVD-produktion zu schlagen und ein paar wenige herausragende kinematografische positionen hervorzuheben. Mit festivalbeginn sind drei weitere DVDs der edition erhältlich. Ein gemeinsames Projekt von COUrT a liTTle ClOSer R: Chaitanya Tamhane Indien 2014, 116 Min, OmeU R: Matthew Petock USA 2011, 73 Min, OF Ein Gewaltverbrechen in den Armenvierteln von Mumbai führt zu einer Gerichtsverhandlung, die das eigentliche Drama darstellt: Wir sehen ein indisches Rechtssystem, das Schicksale von Menschen wie nebenher besiegelt – und dadurch mit unseren Vorstellungen von Rechtsprechung nicht in Einklang zu bringen ist. Ein spannender und verstörender Film. Mit aufrichtigem Blick begleitet der Film eine alleinerziehende Mutter und ihre beiden Söhne durch eine Handvoll Sommertage im ländlichen Virginia. Unaufgeregt und unspektakulär und doch sind es große Dinge, die die Erzählung streift – sexuelles Erwachen, Geschlechter- und Klassenverhältnisse, materielle Sorgen und Einsamkeit. Und dennoch können wir eine Hoffnung spüren … VIEnnaLE DVD BOX 2015 ÅTerTräffen (THE REUNION) R: Anna Odell Schweden 2013, 89 Min, OmeU Anlass des Filmes war eine autobiografische Erfahrung der Regisseurin: Sie hatte als einzige keine Einladung zu einem Klassentreffen erhalten – und entschloss sich, einen Film darüber zu drehen, was passiert wäre, wenn sie trotzdem zum Klassentreffen gegangen wäre. Eine sehr wahre Geschichte über ein Klassentreffen, das so nie stattgefunden hat. Die Box beinhaltet neben den drei Filmen einige attraktive Goodies: ein Stück eines 35mm-Filmstreifens von einem Viennale-Trailer, ein Viennale-Schlüsselband, einen Viennale-Pin sowie einen Falter-Bleistift und ein Falter-Notizbuch. Viennale DVDs je Viennale DVD box 2015 Viennale DVD box 2014 Viennale DVD box 2012 & 2013 Viennale einzel-DVDs 2012–2014 je € 14,90 € 29,90 € 19,90 € 39,90 je € 9,90 erhältlich an allen Viennale-Kassen, unter www.viennale.at, auf www.faltershop.at und im ausgewählten buchhandel. MOnTaG, 26. OKTOBER 2015, aB 10.30 UHR Gartenbaukino, 1., parkring 12 INTERNATIONALFEIERTAG Die Viennale hat in diesem Jahr den 26. Oktober kurzfristig zum «Internationalfeiertag» erklärt und zeigt im Gartenbaukino den gesamten Festivaltag hindurch ein Filmprogramm, das sich mit den Themen Flucht, Migration, Vertreibung und Fremde beschäftigt. Die Auswahl reicht von Charlie Chaplins THE IMMIGRANT über Elia Kazans Auswandererepos AMERICA AMERICA bis zur wunderbaren Seltenheit MOONLIGHTING von Jerzy Skolimowski. Die beiden Hauptabendtermine sind den Premieren zweier neuer österreichischer Dokumentarfilme gewidmet, die sich auf unterschiedliche Weise dem Thema Flucht und Asyl widmen, LAST SHELTER von Gerald Igor Hauzenberger und LAMPEDUSA IM WINTER von Jakob Brossmann. Ehe am Ende des Tages Clint Eastwood seine asiatischen Nachbarn anherrscht: «Get off my lawn!» Und wir dazu: «Welcome to our garden!» Der reinerlös des «internationalfeiertages» der Viennale im Gartenbaukino geht je zur hälfte an die Caritas und die Volkshilfe. Wir freuen uns auf ihr Kommen! 10.30 h filMe VOn Charlie Chaplin The TraMp USA 1915, 26 Min The VaGabOnD USA 1916, 27 Min The iMMiGranT USA 1917, 25 Min 12.30 h MOOnliGhTinG R: Jerzy Skolimowski, GB 1982, 97 Min, OF 14.30 h aMeriCa aMeriCa R: Elia Kazan, USA 1963, 168 Min, OF laST ShelTer 18 h R: Gerald Igor Hauzenberger, A 2015, 101 Min, OmeU 20.30 h laMpeDUSa iM WinTer R: Jakob Brossmann, A/I/CH 2015, 93 Min, OmeU Gran TOrinO 23 h R: Clint Eastwood, USA 2008, 116 Min, OmdU TICKETS AN ALLEN VIENNALE-KASSEN • INFOS UNTER WWW.VIENNALE.AT 3 Café · Bar · Events · Diskussionen TÄGLICH VON 18 UHR BIS 4 UHR FRÜH 1010 Wien, Dominikanerbastei 11 (U1, U4 Schwedenplatz) Freier Eintritt bei allen Veranstaltungen und Konzerten! VIENNALE FESTIVALZENTRUM Do, 22.10., ab 22 h – Eröffnungsparty anDY fleTCher (DepeChe MODe) / DaVi Db (SalOpp!) Zur Eröffnungsparty bittet die Viennale niemand Geringeren als Andy Fletcher an die Plattenteller. Der Keyboarder und Mitgründer von Depeche Mode ist leidenschaftlicher DJ, wenn er nicht gerade mit seinen Bandkollegen vor ausverkauften Hallen spielt. Tanzgarantie mit Kultfaktor! Fr, 23. 10., ab 22 h – DJ-Set filMeMaCherinnen an Den plaTTenTellern Für diesen Abend wurden ViennaleFilmemacherInnen eingeladen, ihre musikalischen Inspirationen und Lieblingssongs aufzulegen. Mit von der Partie sind AKIZ (DER NACHTMAHR), Jiyoung Lee und Dave Bonawits (beide FEMALE PERVERT) und Georg Tiller (WHITE COAL). Moderation: Norman Shetler Sa, 24. 10., ab 20.30 h – Gespräch kontroversiell!: SilVina lanDSMann iM GeSpräCh MiT ManfreD nOWaK Kaum ein Land praktiziert einen ähnlich harten Umgang mit Asylsuchenden wie der Staat Israel. In dieser prekären Situation bemühen sich die Frauen der NGO «Hotline» um das Schicksal der in Israel Gestrandeten. In ihrer Dokumentation HOTLINE beschreibt Silvina Landsmann den täglichen Kampf dieser Organisation. Im Rahmen der Veranstaltungsreihe kontroversiell! von dok.at, der Interessensgemeinschaft Österreichischer Dokumentarfilm, findet im Rahmen der Viennale ein Gespräch zwischen der Regisseurin Silvina Landsmann und dem renommierten Juristen und Menschenrechtsexperten Manfred Nowak statt. Moderiert von Renata Schmidtkunz In Kooperation mit Sa, 24. 10., ab 22 h – DJ-Set fM4 ClUb: DJ eXel. paUlY (feTTeS brOT) / DJ pheKT (fM4) / TeaTiMe (TlM) Vor über zehn Jahren hat DJ exel. Pauly bei den Spaß-HipHoppern Fettes Brot angeheuert – als Live-DJ, Produzent und StudioMischer. Musikalisch ist Pauly tief im HipHop verwurzelt, holt sich aber Inspiration quer durch alle Genres und gilt als Garant für knackige Beats und fette Bässe. In Kooperation mit 4 So, 25.10., 19 h – Gespräch liSTen TO eriC Der Mann weiß, wovon er spricht. 1924 als jüdischer Sohn dieser Stadt geboren, flüchtet er 1939 mit seinen Eltern vor der drohenden Vernichtung durch den NaziTerror in die USA. Dort wird er im Laufe seines Lebens zu einem der erfolgreichsten Produzenten Hollywoods, ausgezeichnet mit 14 Oscars. Spät versöhnt er sich mit seiner alten Heimatstadt, deren Ehrenbürger er seit 2000 ist. Seit 1998 steht er der Viennale als Präsident vor. Die inzwischen seltene Gelegenheit, Eric Pleskow zu erleben und zu hören, bietet sich bei diesem Gespräch im Rahmen der Viennale 2015. So, 25. 10., 22 h – DJ-Set CanblaSTer & SinJin haWKe (peliCan flY) / CanYOUDiGiT In Kooperation mit dem Club Canyoudigit stehen zwei der derzeit angesagtesten Future-Bass-Produzenten auf dem Programm. Canblaster ist Mitglied der französischen Elektronik-Boyband Club Cheval und ein umtriebiger DJ. Sinjin Hawke ist gerade in aller Munde, nachdem er einen Track zum neuen Kanye West Album beigesteuert hat. Mo, 26. 10., ab 15 h – Kuchen & DJ-Set GUerilla baKerY / DJ naY.lO Mit ihren Pop-up-Events, bei denen ausgefallene Kuchen unters Volk gebracht werden, hat die Guerilla Bakery längst Kultstatus in Wien erreicht. Unter dem Motto «Fuck the Backmischung» machen sie mit ihrem Kuchenbuffet auch in der Festivalzentrale Station. Musik gibt’s von Dj nay.lo. Mo, 26. 10., ab 20 h – Konzert & DJ-Set MarTin KOhlSTeDT (liVe) / breTTerbODenDiSKO Mit seinen Alben «Tag» und «Nacht» zeigte Martin Kohlstedt eine neue Herangehensweise an zeitgenössische Klaviermusik. Bei seinen Live-Konzerten verfremdet er die akustischen Klänge des Klaviers mit elektronischen Elementen und Beats und lässt so neue Klangwelten entstehen – erstmals in Wien! Danach wird mit der «Bretterbodendisko» gefeiert. Di, 27. 10., ab 21 h – DJ-Set filMeMaCherinnen an Den plaTTenTellern Heute liegt der Fokus auf dem Special Program «Griechenland – Noch einmal mit Gefühl». Filmemacherin Marina Gioti (KRIFO SCHOLIO) präsentiert einen Mix aus Pop, Garage und Psych aus den 60er und 70er Jahren, den sie selber als «Easy Listening for Uneasy Listeners» beschreibt. Auch Mike Ott (LANCASTER, CA) wagt sich an die Turntables. Mi, 28. 10., ab 21 h – DJ-Set & Party beirUT GrOOVe COlleCTiVe (DJ SpinDle & naTalie S) Das Beirut Groove Collective ist ein Zusammenschluss von Musikliebhabern, die sich dem Deep Funk, Northern Soul und Afrobeat verschrieben haben. Mit ihren legendären Partys hauchen sie Beiruts kommerziellem Nachtleben Underground-Feeling ein, das sie auch auf der Viennale versprühen. Strictly Vinyl! Do, 29.10., ab 22 h – Konzert & DJ-Set a ThOUSanD fUeGOS (liVe) / DJ GlOriaViKTOria / DJ SeaYOU Indie-Rock mit Beats, Loops und spacigen Synthesizern, so klingt der Sound von A Thousand Fuegos. Dahinter steckt der bildende Künstler Matthias Peyker, der sein Publikum live auf eine sphärische Klangreise entführt. Unterstützung erhält er von den DJs Gloriaviktoria und Seayou. Fr, 30.10., ab 22 h – DJ-Set DJ SMOab & ShanTiSan Die beiden Superfly-Hosts Smoab und Shantisan sorgen im Doppelpack für gute Stimmung. Monsieur Smoab ist dabei für Soul, Funk und Disco verantwortlich, während Shantisan seine Leidenschaft für brasilianische Musik zelebriert. Shake, what your Mama gave ya! In Kooperation mit Sa, 31. 10., ab 22 h – DJ-Set & Party Malefiz SpeCial iSSUe Zusammen mit der Viennale lädt das Partykollektiv MALEFIZ zur Halloween-Party und öffnet endlich wieder die Bühne für alle Party-Animals und TanzoptimistInnen. Gemeinsam taumelt man durch eine Nacht voller verquer-verspielter Pop-Elektro-Tanzmusik mit den DJs J'aime Julien und Hertzbube. So, 1. 11., ab 21 h – DJ-Set hanS hUrCh aKa DJ OhanneS Einmal musste es sein. Johannes Hurch, Langzeitdirektor der Viennale, präsentiert am 1. November im Festivalzentrum Alle Heiligen seiner nicht existenten Musiksammlung. Ein Abend sicher nicht zum Tanzen, sondern zum Nachdenken, zum Träumen, zum Innehalten und gar nicht erst Hingehen. Mo, 2. 11., ab 20 h – Konzert JerUSaleM in MY hearT (liVe) Der libanesisch-kanadische Act Jerusalem In My Heart dekonstruiert traditionelle und moderne arabische Musik und kombiniert die elektronischen Stücke mit akustischen Buzuk-Klängen. Sein Gesang erzeugt einen oszillierenden Sound zwischen Folklore und Avantgarde. Prädikat: Sehenswert. ERInnERUnG IST aPPETIT Nach der saftigen Premiere 2012 und den pikanten Fortsetzungen 2013 und 2014 kommt die kulinarische Inszenierung auch 2015 zurück ins Festivalzentrum. Snacks & Cocktails mit Liebe und Frieden zubereitet von francophil – geschmacklich eindrucksvolles Kopfkino – from dusk till dawn. www.francophil.at Mo, 2. 11., ab 21 h – DJ-Set TeX rUbinOWiTz / TOMaS zierhOfer-Kin Die Viennale-Jury-Mitglieder Tex Rubinowitz und Tomas Zierhofer-Kin präsentieren ihre Lieblingssongs. Schriftsteller und Cartoonist Rubinowitz zaubert dabei Doo-Wop und selten gehörte Kostbarkeiten aus dem Plattenkoffer. Auch der designierte Wiener-FestwochenChef Zierhofer-Kin kramt Schätze aus seiner Musiksammlung. Di, 3. 11., ab 20 h – Konzert & DJ-Set SQUallOSCOpe (liVe) / DeUX GiTaneS Die in Wien lebende Songwriterin und Geschichtenerzählerin Anna Kohlweis verbindet in ihrer Musik Spoken Word mit mehrstimmigen Chören, Beats und akustischen Samples. Live sorgt sie mit ihrem vielschichtigen Sound und ihrer Bühnenpräsenz für Gänsehaut. Im Anschluss: Deux Gitanes. In Kooperation mit Mi, 4. 11., ab 21 h – DJ-Set TerrOr + MarTina VS Die pOSiTiVe KanOne Terror + Martina ist ein Female-DJ-Collective, das nach 10 Jahren passiver Cluberfahrung selbst ans DJ-Pult wollte. Und das nicht nur, weil elektronische Musik für beide mehr ist als nur ein Hobby, sondern auch, um ganz pragmatisch den Anteil weiblicher Techno-DJs zu steigern. Mit an Bord: die Jungs von der Positiven Kanone. Do, 5. 11., ab 22 h – abschlussparty banDe À parT / aMbliO / bOleK / JbOOnY / MaTiJae Die nach dem 1964 veröffentlichten Film von Jean-Luc Godard benannte Clubreihe Bande À Part bespielt zum Abschluss der diesjährigen Viennale mit House, Disco und Bass Music die Festivalzentrale und sorgt so für ein Happy End! DER STanDaRD SCHEnKT HaPPY HOURS MIT Vöslauer Balance Juicy Während des Festivals erhalten Sie zwischen 18 und 21 Uhr gegen Abgabe einer Viennale-Snipcard eine Flasche Vöslauer Balance Juicy im Viennale-Festivalzentrum. Solange der Vorrat reicht. 5 Spielfilme 88:88 Kanada 2015, 65 Min, OF R: Isiah Medina, D: Erik J. Berg, Eliza Bronte, Avery Medvin, Myles Taylor Der Debütfilm des Kanadiers Isiah Medina ist ein freier, assoziativer Strom von Bildern und Tönen, Fragmenten des Lebens einer Gruppe Jugendlicher in Winnipeg, Fetzen von Geschichten, Erfahrungen, Ideen. Angetrieben von Musik, Exkursen der neueren französischen Philosophie und dazwischen mystisch anmutenden Naturaufnahmen, vermischt mit rohen Bildern der Skyline und der verschneiten Canyons der Straßen von Downtown Winnipeg. 88:88 klingt wie ein Deleuze-Text als Rap-Song oder sieht aus wie ein Godard-Film auf Speed durchs Internet gejagt. 23.10., 23.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus 25.10., 18.30 h, Urania A MOST VIOLENT YEAR USA/VAE 2014, 125 Min, OmdU R: J.C. Chandor, D: Oscar Isaac, Jessica Chastain, David Oyelowo, Elyes Gabel New York, 1981: Abel Morales’ Heizölfirma wird von der Konkurrenz mit mafiösen Methoden in die Zange genommen. Bald schon kämpft Morales nicht nur um das Überleben seines Betriebes, sondern auch um die Wahrung seiner Integrität. Ein Wirtschaftskrimi, der zeigt, wie eine korrupte Struktur sich immer tiefer hineinfrisst in eine Gesellschaft, die in der Grauzone die Finsternis nicht erkennt. «I’m sorry!», sagen alle in diesem Film ziemlich oft – und offenbaren mit diesem Ausdruck der Ohnmacht auch ihr Unvermögen, einem System entgegenzutreten, das Kapitalismus, Korruption und Kriminalität in eins schweißt. 23.10., 11 h, Gartenbaukino 27.10., 6.30 h, Gartenbaukino 28.10., 20.30 h, Gartenbaukino A PERCEPTION D 2015, 74 Min, OmeU R: Daniel Pfander, D: Hermes Phettberg, Rainer Meifert, Hanni Bergesch, Henning Gronkowski 99 HOMES USA 2014, 112 Min, OF R: Ramin Bahrani, D: Andrew Garfield, Michael Shannon, Laura Dern, Noah Lomax Zwangsräumungen sind Rick Carvers Geschäft. Am Höhepunkt der USamerikanischen Immobilienkrise 2010 hat er alle Hände voll zu tun, derart viele Familien können die Hypotheken auf ihre Häuser nicht mehr bedienen und verlieren das Dach über dem Kopf. So auch Dennis Nash, arbeitsloser Bauarbeiter, der, nachdem Carver ihn vor die Tür gesetzt hat, beginnt, für diesen zu arbeiten. Was bleibt ihm anderes übrig? Einmal mehr untersucht Bahrani jene Strukturen der kapitalistischen Gesellschaft, die zur Ausgrenzung und Marginalisierung ihrer Mitglieder führen. Dabei ist der sozialrealistische Ansatz früherer Filme zwar «gemildert» durch die narrativen Strategien des Genrefilms, doch ein zorniges moralisches Lehrstück ist 99 HOMES nichtsdestotrotz. 2.11., 20.30 h, Gartenbaukino 3.11., 6.30 h, Gartenbaukino 5.11., 11 h, Gartenbaukino 6 A UMA HORA INCERTA (AT AN UNCERTAIN TIME) P 2015, 77 Min, OmeU R: Carlos Saboga, D: Joana de Verona, Grégoire Leprince-Ringuet, Ana Padrão, Paolo Pires Portugal, 1942, unter der Diktatur Salazars. Während halb Europa unter der Gewalt des Naziterrors steht, dennoch ein Zufluchtshafen für Vertriebene. Boris und Laura, Geschwister, Franzosen, in Portugal untergetaucht, werden von der Geheimpolizei aufgegriffen. Ihr ungewisses Schicksal erfährt eine Wendung, als sich ein hoher Polizeioffizier in die junge Frau verliebt und die beiden in seinem Haus versteckt. Ein geradezu klassischer, historischer Film; aber unter der erzählerischen Oberfläche glüht ein melodramatisches Feuer aus Gefahr und unbeherrschbarer Leidenschaft. There is a secret beyond the door. In Anwesenheit von Carlos Saboga. 29.10., 20.30 h, Urania 30.10., 11 h, Stadtkino im Künstlerhaus ABLUKA (FRENZY) Dieser Film funktioniert am besten, wenn man die öffentliche Figur Hermes Phettberg mit all ihren Wahnwitzigkeiten als Hintergrundrauschen mitlaufen lässt. Es gibt zwar eine Handlung: Ein verschuldeter, behinderter Adeliger auf einem heruntergekommenen Anwesen will sich seines Totalversagersohns entledigen, um seine Erblinie auszulöschen. Doch im wesentlichen ist A PERCEPTION eine Trash-Plattform für Phettbergs Selbstdarstellungsmanierismen, die auch im Zustand körperlicher Beeinträchtigung noch funktionieren und eine Art glossolalischen Phettberg-Rap hervorbringen. «Wir genießen die Show», sagt er. «Ach Gott, ach Gott!» In Anwesenheit von Daniel Pfander. 26.10., 23.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus 27.10., 20.30 h, Urania TR/F/Qatar 2015, 117 Min, OmeU R: Emin Alper, D: Mehmet Özgür, Berkay Ates, Tülin Özen, Müfit Kayacan Nach 20 Jahren kommt Kadir aus dem Gefängnis frei, sein jüngerer Bruder Ahmet erkennt ihn zunächst nicht. Beide leben in einem heruntergekommenen Viertel am Rande eines Istanbul, das in den Fängen von Terror und staatlicher Gegengewalt gefangen scheint. Kadir schnüffelt im Auftrag des Staates im Müll der Nachbarschaft nach Materialien zum Bombenbau, Ahmet erschießt im Auftrag der Stadt streunende Hunde. Symbolhaft aufgeladen entfaltet Alper seine Geschichte über Angst und Paranoia, die den Verlust der Bodenhaftung, von dem sie erzählt, formal mitvollzieht. Misstrauen ist ein Mittel der Manipulation und sichert Herrschaft. 1.11., 18 h, Gartenbaukino 3.11., 15.30 h, Urania MA DAR BEHESHT EL ABRAZO DE LA SERPIENTE (DER KUSS DER SCHLANGE) Kolumbien/Venezuela/Argentinien 2015, 125 Min, OmdU R: Ciro Guerra, D: Nilbio Torres, Jan Bijvoet, Antonio Bolivar, Brionne Davis Ein Fluss, eine Heilpflanze, eine Reise. Die Umarmung des Abenteuers, des Mysteriums, der Schlange. In schwarzweißen Bildern, die mal an Miguel Gomes’ TABU, mal an Coppolas APOCALYPSE NOW erinnern, beginnt der Dschungel zu pulsieren, lebendig zu werden. Der Kolumbier Ciro Guerra erzählt von zwei Odysseen zweier Forscher aus zwei Epochen, stellt ihnen denselben einsamen Schamanenführer zur Seite und zeigt, in welcher Hinsicht indigene Stämme ihren westlichen Eroberern überlegen sind. Eine Reise in das Herz der Finsternis des Kolonialismus. 30.10., 21 h, Urania 31.10., 15.30 h, Urania AMERICA AMERICA USA 1963, 168 Min, OF R: Elia Kazan, D: Stathis Giallelis, Frank Wolff, Harry Davis, Elena Karam «My name is Elia Kazan. I am a Greek by blood, a Turk by birth and I am an American because my uncle made a journey.» So leitet Elia Kazan im Off sein autobiografisches Epos ein. Es ist eine schwere Entscheidung; sie bringt den Griechen Stavros 1896 dazu, aus seiner anatolischen Heimat zu fliehen. Doch der gefährliche Weg zum Sehnsuchtsort Amerika kostet einen hohen Preis. Schnell wird klar, der als nationales Kulturgut betrachtete «American Dream» ist ohne Immigration nicht denkbar. Kazans Film beweist einmal mehr, dass Hollywood selbst eine ihrer größten Erfolgsgeschichten ist. 26.10., 14.30 h, Gartenbaukino AN Japan/F/D 2015, 113 Min, OmdU R: Kawase Naomi, D: Kirin Kiki, Miyoko Asada, Etsuko Ichihara, Miki Mizuno Eine gastrosophische Meditation über Abgründe, Möglichkeiten und Grenzen der menschlichen Existenz. Schauplatz ist ein kleines Restaurant in Tokyo, in dem der von Dämonen aller Art heimgesuchte Sentaro mit eingelegten roten Bohnen gefüllte Küchlein anbietet. Als ihn Tokue, eine alte Dame mit verunstalteten Händen, mit der von ihr hergestellten An, der titelgebenden Bohnenmasse, bezaubert, stellt er sie als Köchin an. In einem kulinarisch inszenierten poetischen Ritual fließt die ganze Harmonie des Universums in ihrem Topf zusammen. 26.10., 20.30 h, Urania ANOMALISA USA 2015, 90 Min, OF R: Charlie Kaufman, Duke Johnson, Stimmen: Jennifer Jason Leigh, David Thewlis, Tom Noonan ANDERSWO (ANYWHERE ELSE) D/Israel 2014, 87 Min, OmdU/OmeU R: Ester Amrami, D: Neta Riskin, Golo Euler, Hana Laslo, Hana Rieber Der in Berlin studierenden Israelin Noa fällt die Decke auf den Kopf: Ihr deutscher Freund geht auf Konzerttournee und ihr Antrag auf ein Stipendium für eine Arbeit über unübersetzbare Wörter wird abgelehnt. Noa besucht ihre Familie in Israel. Doch statt sich aufzulösen, wachsen ihre Probleme dort exponenziell: lost in translation. ANDERSWO spielt in ziemlich straighter Plotentwicklung bilingual auf der Klaviatur von Heimat und Fremde und bezieht implizit auch das komplizierte Verhältnis von Israel und Deutschland mit ein. «Man kann nichts übersetzen», heißt es einmal, «nicht Haus, nicht Eltern, nicht Liebe.» In Anwesenheit von Ester Amrami. 23.10., 18.30 h, Metro, Historischer Saal (OmdU) 25.10., 13 h, Urania (OmeU) Charlie Kaufmans erste Animationsarbeit. Die Geschichte eines Motivationstrainers, der an der Kälte und Einsamkeit des Lebens beinahe zugrunde geht und der, trotz Begegnungen mit zahlreichen Frauen, immer tiefer in seiner privaten Hölle versinkt, hat nichts mit DisneyNettigkeiten zu tun, sondern setzt Stop-Motion wie ein distanzierendes Element ein, das der Entfremdung eine zwingende und gleichzeitig beklemmende Form verleiht. «Was macht das Wesen des Menschlichen aus?», heißt es einmal. «Ist es der Schmerz?» 5.11., 19.30 h, Gartenbaukino (Abschlussgala) 5.11., 23 h, Gartenbaukino EL APÓSTATA prOpOSiTiOnS (THE APOSTATE) E/F/Uruguay 2015, 80 Min, OmeU R: Federico Veiroj, D: Alvaro Ogalla, Bárbara Lennie, Marta Larralde, Jaime Chávarri Will man in Spanien aus der Kirche austreten, so gibt es dafür einen fast wörtlichen symbolischen Akt. Der Gläubige entfernt sich rückwärtsgehend mit dem Blick auf den Altar aus der Kirche. Und sozusagen aus seinem alten Leben. Wie man dabei gefährlich ins Stolpern geraten kann, hin- und hergerissen zwischen Altem und Neuem, zwischen Familie und Staat und den eigenen verqueren Ge7 Spielfilme fühlen und Ängsten, ist nur die halbe Geschichte von EL APÓSTATA. Der Rest ist außerordentliche Komik, subtile Verzweiflung und höchst intelligente Unterhaltung. Eine der Entdeckungen der diesjährigen Viennale. (Siehe auch S. 46: In Focus Federico Veiroj) In Anwesenheit von Federico Veiroj. 24.10., 15.30 h, Gartenbaukino 25.10., 13.30 h, Metro, Historischer Saal AS MIL E UMA NOITES – VOLUME 1, 2, 3 O INQUIETO/O DESOLADO/O ENCANTADO (1001 NACHT – TEIL 1, 2, 3. DER RUHE LOSE/ DER VERZWEIFELTE/DER ENTZÜCKTE) P/F/D/CH/2015, 125/131/125 Min, OmdU R: Miguel Gomes, D: Crista Alfaiate, Adriano Luz, Américo Silva, Rogério Samora Ein Film, drei Filme, O INQUIETO, O DESOLADO, O ENCANTADO, eine moderne Scheherazade in der Gegenwart der europäischen Sparpolitik. Nach seinem Dokufiction-Hybrid OUR BELOVED MONTH OF AUGUST und dem tönenden Stummfilmmelo TABU übersetzt Gomes gemeinsam mit einem Team von Journalisten, spontaneistischen Drehbuchautoren und Akteuren «1001 Nacht» ins portugiesische Heute. Doku-Splitter, nachgespielte Wirklichkeit, groteskeste Polit-Erotomanien und Bagdads Jungfrauen im Speedboat, auf der Flucht mit 250 PS. In Anwesenheit von Joana de Verona (Schauspielerin). VOLUME 1, O INQUIETO: 29.10., 15 h, Gartenbaukino 1.11., 18.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus VOLUME 2, O DESOLADO: 30.10., 15 h, Gartenbaukino 1.11., 21 h, Stadtkino im Künstlerhaus VOLUME 3: O ENCANTADO: 31.10., 15 h, Gartenbaukino 1.11., 23.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus L ’ASTRAGALE (ASTRAGAL) F 2014, 97 Min, OmeU R: Brigitte Sy, D: Leïla Bekhti, Reda Kateb, Esther Garrel, Jocelyne Desverchère L’ASTRAGALE entwirft mit seiner stilisierten Schwarzweiß-Ästhetik eine zeitgenössische Formulierung der Nouvelle Vague: Die 19-jährige algerischstämmige Albertine flieht aus 8 dem Gefängnis und versucht mit Hilfe von Julien, der ebenfalls eine kriminelle Vergangenheit hat, in Paris ein neues Leben zu finden – doch schnell geht es nur noch ums Überleben. Im Rauch von Zigaretten ersteht ein Filmkunstwerk, bei dem die kinematografische Intelligenz des frühen Godard genauso mitschwingt wie die existenzielle Dringlichkeit von Robert Bresson. In Anwesenheit von Brigitte Sy. 4.11., 15.30 h, Gartenbaukino 5.11., 13 h, Urania BELLA E PERDUTA (LOST AND BEAUTIFUL) I 2015, 87 Min, OmeU R: Pietro Marcello, D: Sergio Vitolo, Elio Germano, Claudio Casadio, Tommaso Cestrone Den Toten zuzuhören, um zu den Lebenden zu sprechen, gehört zu den ernsteren Aufgaben des Pulcinells in der Theatertradition des italienischen Südens. Nach dem Tod des Hirten Tommaso, in Personalunion Kastellan des von der Camorra verwüsteten Bourbonenschlosses Carditello, macht sich der langnasige Pulcinella mit dem verwaisten Büffelkalb Sarchiapone auf den Weg durch ein Land der rauchenden Müllberge, in dem nur die Hirten noch bei klarem Verstand sind. Der beredte kleine Büffel weiß, was ihm blüht, solange Pulcinella nicht bereit ist, mit seiner Narrenmaske auch seine sozialen Abhängigkeiten abzulegen. In Anwesenheit von Pietro Marcello. 2.11., 13 h, Urania 4.11., 13 h, Gartenbaukino BEN ZAKEN Israel 2014, 92 Min, OmeU R: Efrat Corem, D: Rom Shoshan, Eliraz Sade, Chani Elemlch, Batel Mashian Der Enge der Sozialwohnung, die sich der meist arbeitslose Schlomi mit seiner Mutter, dem religiösen Bruder und seiner 10-jährigen, impulsiv-renitenten Tochter Ruhi im israelischen Ashkelon teilt, setzt der kettenrauchende Alleinerzieher sein episches Schlafbedürfnis entgegen. Er ergibt sich der umgebenden Tristesse und droht an seiner Vaterrolle zu scheitern. In die naheliegende Falle des miserabilistischen Milieurealismus tappt dieses Kinodebüt nicht – die tableauhaften Ansichten werden von fein austarierten Aufund Abgängen rhythmisiert, die exzellente Laienbesetzung könnten auch die Brüder Dardenne nicht besser zusammenstellen. In Anwesenheit von Efrat Corem. 30.10., 18.30 h, Metro, Historischer Saal 1.11., 13 h, Urania BOI NEON Brasilien/Uruguay/NL 2015, 101 Min, OmeU R: Gabriel Mascaro, D: Juliano Cazarré, Maeve Jinkings, Josinaldo Alves, Abigail Pereira Im ländlichen Brasilien hat die «vaquejada» Tradition – eine Art Rodeo, bei dem Cowboys versuchen, einen wilden Stier am Schwanz zu packen und zu Boden zu bringen. In dieser Welt spielt die Geschichte der ungewöhnlichen Beziehung zwischen dem jungen Cowboy Iremar, der sich nicht schämt, auch verspielte Damenmode zu entwerfen, und seiner Arbeitskollegin Galega, die alle Hände voll damit zu tun hat, ihre halbwüchsige Tochter alleine zu erziehen. Halbdokumentarisch und in wunderbarem Cinemascope ist dies eine der großen, auch erotischsten Überraschungen dieses Kinojahres. 3.11., 13.30 h, Gartenbaukino 4.11., 21 h, Stadtkino im Künstlerhaus BRANDY IN THE WILDERNESS USA 1969, 69 Min, OF R: Stanton Kaye, D: Stanton Kaye, Brandon French, Allan McCollum Ein Film von und mit einem jungen Mann, der sein Leben mit Filmemachen erfüllen will. Ein Film von und mit einer jungen Frau über ihre persönliche Beziehung zu dem Mann. Sohin ein «Alter-Ego»-Pärchen in seinem 16mm-Diary, amalgamiert aus Meta-Dokument, Cinéma Vérité und Reenactment. Als Paul Schrader noch Kritiker war, schrieb er nach dem zweiten Blick auf BRANDY IN THE WILDERNESS: «… it was still growing; it had qualities I had never appreciated before. It is always painful for a critic to realize that that flash in the pan he saw several years ago was gold.» In Anwesenheit von Stanton Kaye. 2.11., 21 h, Stadtkino im Künstlerhaus 4.11., 13.30 h, Metro, Historischer Saal CARMÍN TROPICAL Mexiko 2014, 80 Min, OmeU R: Rigoberto Pérezcano, D: Luis Alberti, Juan Carlos Medellín, José Pescina, Marco Pétriz Ein bittersüßer Krimi mit einer starken Protagonistin: Mabel ist schön, sensibel, melancholisch und transgender. Aber da «Muxe» für die indigene Bevölkerung im Süden Mexikos ein weitgehend akzeptiertes drittes Geschlecht sind, spielt das weiter keine Rolle. Mabel verließ ihre Heimat einst überstürzt für die Liebe. Nun wurde ihre Freundin hier unter ungeklärten Umständen ermordet, und Mabel kehrt zurück – desillusioniert und mit einem Koffer voller Erinnerungen. Auf der Suche nach einer heißen Spur des Verbrechers findet Mabel unverhofft neue Hoffnung. 4.11., 18 h, Urania CAROL GB/USA 2015, 118 Min, OmdU R: Todd Haynes, D: Cate Blanchett, Rooney Mara, Kyle Chandler, Sarah Paulson Eine große Liebesgeschichte zwischen zwei Frauen über Klassenund Geschlechterrollen hinweg. Patricia Highsmith veröffentlichte ihren visionären Roman 1952 noch unter Pseudonym. Highsmith und Todd Haynes, ein match made in heaven. Haynes gelingt mit den Zutaten des Period piece ein atemberaubend modernes Melodram – nur scheinbar ein Widerspruch. Inszenierung und Schauspiel changieren mit schönen Oberflächen, die ebenso viel freilegen, wie sie verdecken. Und wer sich nicht schon vorher in Cate Blanchett verliebt hat, dem/der ist sowieso nicht zu helfen. 22.10., 19.30 h, Gartenbaukino (Eröffnungsgala) 22.10., 23.30 h, Gartenbaukino 24.10., 10.30 h, Gartenbaukino CHANT D’HIVER (WINTER SONG) F/Georgien 2015, 117 Min, OmeU R: Otar Iosseliani, D: Rufus, Amiran Amiranashvili, Pierre Etaix, Mathias Jung Die Kritiken nannten CHANT D’HIVER ein «Alterswerk» und seinen Regisseur «veteran filmmaker». In Wahrheit lässt Iosseliani so manchen jüngeren Kollegen ziemlich alt aussehen, so frisch und komisch und überbordend ist die Erzählung. Dabei gibt es hier gar keine Geschichte, sondern unendlich viele. Alles hängt mit allem zusammen, nichts ist beliebig. Die Französische Revolution und die aktuelle Räumung von Flüchtlingslagern, neureiche Russen und verarmte Adelige, die Tochter des Polizeichefs und die kleine Gangsterin. Und in seinen schönsten Momenten wird der Film zur reinen, anarchischen, freien Bewegung. aber taucht unverhofft eine mysteriöse Frau bei ihm auf. Und bald tut Noel das Unerhörte: Er öffnet alle verbleibenden Fenster des Adventkalenders auf einmal. Um zu wissen, warum das von großer Bedeutung ist, muss man sich diesen stillen New Yorker Indie-Film ansehen. 27.10., 23.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus 1.11., 13 h, Metro, Eric Pleskow Saal COMOARA (THE TREASURE) RO/F 2015, 89 Min, OmeU R: Corneliu Porumboiu, D: Cuzin Toma, Adrian Purcarescu, Corneliu Cozmei, Cristina Toma 27.10., 13 h, Gartenbaukino 30.10., 13 h, Urania CHEVALIER GR 2015, 105 Min, OmdU R: Athina Rachel Tsangari, D: Giannis Drakopoulos, Kostas Filippoglou, Yiorgos Kendros, Panos Koronis Sechs Männer und ein Boot. Der bunten Urlaubertruppe auf der Luxusyacht fällt zum Zeitvertreib ein lustiges Spiel ein, bei dem der «Beste im Allgemeinen» gekürt werden soll. Die Männer messen sich daher in allem Möglichen, dem Naheliegenden wie dem Absurden. Lustig wird bald blutig, denn am Ende kann es nur einen geben. Da das durchaus auch an Model-Casting-Shows erinnert, würde nur ein Schelm in Tsangaris neuester Versuchsanordnung bloß eine böse Satire auf männliches Konkurrenzdenken sehen. Jedenfalls aber ein schwarzhumoriges Gesellschaftsspiel mit mindestens dreifachem Boden. 3.11., 15.30 h, Gartenbaukino 4.11., 23 h, Urania CHRISTMAS, AGAIN USA 2014, 80 Min, OF R: Charles Poekel, D: Kentucker Audley, Hannah Gross, Andrea Suarez Paz, Jason Shelton Dass der lethargische Weihnachtsbaum-Verkäufer Noel heißt, ist sicher nur Zufall. Sein Verkaufsstand ist für die bunte Schar an New Yorker Locals ein Ort der Vorfreude, doch er hat Liebeskummer. Nur der Adventkalender hält jeden Abend einen kleinen Trost bereit. Eines Abends Von seinem mittellosen Nachbarn zur Schatzsuche überredet, leiht Costi einen Metalldetektor, und gemeinsam mit einem Bekannten graben sie den Garten des Großvaters um. Und finden schließlich die legendäre Schatzkiste. Die aber leider leer ist. Allerdings nicht ganz, denn sie hat einen doppelten Boden. Wie im Übrigen alle Geschichten von Porumboiu, die so ernst sind wie abgründig. Ein wenig Gier, ein wenig Verzweiflung und am Ende ein bisschen Glück. Keiner vermag den Zustand seines Landes, vielleicht der Verfasstheit Europas insgesamt, besser zu beschreiben als Porumboiu. In Anwesenheit von Corneliu Porumboiu. 24.10., 18 h, Gartenbaukino 25.10., 11 h, Stadtkino im Künstlerhaus DE CE EU? (WHY ME?) RO/BG/HU 2014, 130 Min, OmeU R: Tudor Giurgiu, D: Emilian Oprea, Mihai Constantin, Andreea Vasile, Dan Condurache Er glaubt an die Veränderbarkeit des Systems, doch er hat sich verrechnet. Bald nachdem Staatsanwalt Cristian mit der Untersuchung eines Korruptionsfalles auf hoher politischer Ebene betraut wird, beschleicht ihn der Verdacht, er könne als Bauernopfer in einer umfassenderen Charade gedacht sein. Giurgiu schickt seinen Helden, dessen beeindruckende Körperlichkeit von Emilian Oprea einer zunehmenden Verkrampfung unterworfen wird, in das sprichwörtliche kafkaeske Labyrinth aus semi-ver9 Spielfilme staubten Amtsstuben, undurchsichtigen Funktionären und sinistren Machenschaften – und beobachtet sein Verlorengehen. Beruhend auf Tatsachen. 4.11., 15.30 h, Urania 5.11., 21 h, Metro, Historischer Saal Tochter des Patrons im gepunkteten Sommerrock lässt sich nicht beirren, ihre Wahl steht schon vor dem finalen Showdown fest. Vas-y, Rémi un. In Anwesenheit von Pierre Léon. 30.10., 21 h, Stadtkino im Künstlerhaus 31.10., 11 h, Metro, Historischer Saal THE DEFIANT ONES THE DEVIL’S CANDY USA 1958, 96 Min, OF R: Stanley Kramer, D: Sidney Poitier, Tony Curtis, Theodore Bikel, Charles McGraw Die Geschichte eines Afroamerikaners und eines Weißen, die in Ketten aneinandergefesselt aus einem Gefangenentransport fliehen und ihre Vorurteile überwinden müssen, um nicht wieder gefasst zu werden. Der antirassistische Film war ein Message Board für die liberalen Ansichten Kramers und errang neun OscarNominierungen. Darunter auch eine für den besten Nebendarsteller, den aus Wien emigrierten jüdischen Sänger und Schauspieler Theodore Bikel, an den die Viennale mit der Dokumentation THEODORE BIKEL … (siehe S. 29) erinnert. 27.10., 13.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus DEUX RÉMI, DEUX (TWO REMIS, TWO) F 2015, 66 Min, OmeU R: Pierre Léon, D: Serge Bozon, Pascal Cervo, Luna Picoli-Truffaut, Bernard Eisenschitz Dostojewski light, eine kindliche Komödie für neoliberal gestresste Erwerbstätige in einem Retro-Paris mit Kammer unterm Dach? Nur auf den ersten Blick, denn ganz so leicht macht es sich diese identitätsphilosophisch verspielte Doppelgängerburleske dann doch nicht. Das eigene Double, im Büro- und Sozialleben weit aggressiver und durchtriebener als man selbst – das ist alles andere als gestrig. Doch die umschwärmte kluge 10 USA 2015, 90 Min, OF R: Sean Byrne, D: Ethan Embry, Shiri Appleby, Kiara Glasco, Pruitt Taylor Vince Die Ausgangslage ist das perfekte filmische Klischee. Eine junge, glückliche Familie – Vater, Mutter, halbwüchsige Tochter – bezieht ein wunderschönes Haus am Land, das ein altes schreckliches Geheimnis hütet. Eines Nachts steht ein Fremder vor der Tür, der dahin zurückkehren will, wo vor langer Zeit seine Eltern gestorben sind. Und mit dem Eindringling kommt ein grausiger Terror. Ganz ohne Blut- und Beuschelorgien schafft Byrne einen hypnotischen Horrorfilm, dessen bedrohliche Atmosphäre sich unausweichlich steigert – bis zum furiosen Ende. 30.10., 23 h, Gartenbaukino 31.10., 13.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus DHEEPAN F 2015, 100 Min, OmdU R: Jacques Audiard, D: Jesuthasan Antonythasan, Kalieaswari Srinivasan, Claudine Vinasithamby, Vincent Rottiers Stilbewusst und spannend erzählt Audiard eine scharf beobachtete Immigrationsgeschichte, kraftvoll getragen von charismatischen Darstellern. Drei völlig Fremde geben sich auf der Flucht aus Sri Lanka als Familie aus. Der Plan funktioniert: In Paris wird der falschen Familie eine richtige Wohnung in den Banlieus zugeteilt, «Vater» Dheepan wird Hausmeister. Aber ob das Jobangebot eines lokalen Bandenkönigs das Richtige für «Mutter» Yalini ist? Das Leben in den Banlieus fühlt sich zunehmend fast ebenso falsch an wie in der kriegsversehrten Heimat. 29.10., 17.30 h, Gartenbaukino 31.10., 11 h, Gartenbaukino THE DIARY OF A TEENAGE GIRL USA 2014, 102 Min, OF R: Marielle Heller, D: Bel Powley, Alexander Skarsgård, Christopher Meloni, Kristen Wiig Minnie hat das Pech oder Glück, ihr sexuelles Erwachen als Teenager im San Francisco der siebziger Jahre zu erleben, irgendwo zwischen Hippie und Punk, noch dazu in einer ziemlich desolaten Familie. Als Erwecker hat sie den öden Freund ihrer Mutter erwählt, was dazu führt, dass sie bald die oberflächliche Welt der Erwachsenen durchschaut und sich fortan auf ihre eigenen Erfahrungen und Sehnsüchte konzentriert. Eine Coming-of-Age-Story, tagebuchartig voll komödiantischer Details und genauer Beobachtungen, verwirrt und hoffnungsvoll und ein wenig tragisch. 27.10., 23 h, Urania 3.11., 20.30 h, Gartenbaukino DOPE USA 2014, 103 Min, OF R: Rick Famuyiwa, D: Shameik Moore, Kiersey Clemons, Tony Revolori, Blake Anderson Dieser Coming-of-Age-Film erzählt, vorangepeitscht von einem dominanten Hip-Hop-Soundtrack, die Geschichte des begabten und zielbewussten afroamerikanischen Teenagers Malcolm, der in einem harten Viertel in Inglewood, Kalifornien, lebt. Einmal nimmt er die falsche Abzweigung und gerät in ein Paralleluniversum, bevölkert von Dealern, Drogenfreaks und anderen schrägen Charakteren. DOPE erzählt auf durchaus komödiantische Weise, wie Malcolm wieder auf die Hauptstraße zurückfindet. «I don’t wanna go to jail», sagt er, «I wanna go to college.» 2.11., 23 h, Gartenbaukino 4.11., 11 h, Gartenbaukino EINER VON UNS (ONE OF US) A 2015, 86 Min, OmeU R: Stephan Richter, D: Dominic Marcus Singer, Jack Hofer, Andreas Lust, Markus Schleinzer Sommer 2009: Beim Einbruch in einen Supermarkt bei Krems wurde ein 14-Jähriger von der Polizei überrascht und beim Versuch davonzulaufen erschossen. EINER VON UNS schildert die Umstände des tragischen Geschehens, eingebettet in eine realistische und genaue Schilderung des Milieus, der Öde und Langeweile der Kleinstadt, Herumtreiberei, coole Freundschaften und kleine Er- niedrigungen, Eigensinn. Richters unaufgeregte, präzise, dichte Erzählung ist im heimischen Kino eine kleine Sensation. Möge das Geifern des Boulevards zum Erfolg dieses besonderen Films beitragen. In Anwesenheit von Stephan Richter, Arash T. Riahi (Produzent) und Mitgliedern des Teams. 31.10., 18 h, Gartenbaukino 3.11., 13 h, Urania THE END OF THE TOUR USA 2014, 106 Min, OF R: James Ponsoldt, D: Anna Chlumsky, Jesse Eisenberg, Jason Segel, Joan Cusack 1996 hatte der «Rolling Stone»-Journalist David Lipsky den weltberühmten Autor David Foster Wallace besucht, um mit ihm ein Interview zu führen. Es wurde ein fünftägiges Gespräch, eine Zeit der Spaziergänge, der Treffen mit Freunden, des intensiven Austauschs. Lipskys Aufnahmen, erst nach dem Selbstmord des Autors 2008 wieder hervorgeholt, bilden nun die Grundlage dieses Films, einer fiktiven Erinnerung und einer intensiven Verlebendigung durch zwei wunderbare Schauspieler: Jesse Eisenberg als Lipsky und Jason Segel als David Foster Wallace. As good as it gets. 1.11., 13 h, Gartenbaukino 3.11., 21 h, Stadtkino im Künstlerhaus ENTERTAINMENT USA 2014, 104 Min, OF R: Rick Alverson, D: Gregg Turkington, John C. Reilly, Amy Seimetz, Tye Sheridan Alversons neueste Versuchsanordnung zum Thema feindselige Komik bzw. komische Feindseligkeit dringt tief ein in die Wüsten des menschlichen Makels: Ein alternder Stand-upEntertainer, der in vergammelten Bars in der kalifornischen Wüste von einem hoffnungslosen Engagement zum nächsten torkelt, verstrickt sich immer tiefer in seinen persönlichen existenziellen Alptraum. Bis es heißt: Rien ne va plus. Eine dunkle, bizarre Odyssee durch ein seelenloses Amerika mit dem vielleicht unlustigsten Komödianten der Welt als Führer in die Abgründe des Seins. Ein Kritiker befand: «Das Porträt jener erbärmlichen Charade, die wir Leben nennen.» 24.10., 20.30 h, Urania 25.10., 23.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus EXPERIMENTER prOpOSiTiOnS USA 2015, 97 Min, OF R: Michael Almereyda, D: Peter Sarsgaard, Winona Ryder, Dennis Haysbert, Jim Gaffigan Ein Biopic über den Sozialpsychologen Stanley Milgram, der in den 1960er Jahren mit seinem berühmtberüchtigten Milgram-Experiment zu beweisen versuchte, dass der Mensch zu beinahe unbegrenzter Grausamkeit wie auch zu völliger Unterwerfung fähig ist. Almereyda geht die Sache nicht linear und traditionell an, sondern setzt allerlei erzählerische Brüche und Brecht’sche Verfremdungseffekte wie etwa das Aufbrechen der vierten Wand ein. So gelingt ihm ein multifacettiertes Drama über die Banalität des Bösen mit Peter Sarsgaard als faszinierendem Darsteller des dämonischen Doktor Seltsam. im Privaten geschehen. Nicht so bei Phoebe, die permanent die Grenzen überschreitet, die über Achselschweiß redet und nach Brusthaaren fragt und schon mal einen potenziellen Liebhaber bittet, erstmal die Eier rauszuholen. Dabei ist sie eben genau nicht pervers, sondern einfach nur unverblümt und übergriffig. FEMALE PERVERT sucht nach den Verkrampfungen, die die US-amerikanische Gesellschaft prägen, und findet linkisch penetrante Leute und Dampfplauderer in seltsamen Situationen. Alles ganz normal eigentlich. In Anwesenheit von Lee Jiyoung und Dave Bonawits (Schnitt). 23.10., 16 h, Stadtkino im Künstlerhaus 24.10., 18 h, Metro, Eric Pleskow Saal LA FIÈVRE prOpOSiTiOnS (A SPELL OF FEVER) F/Marokko 2014, 42 Min, OmeU R: Safia Benhaim 2.11., 23.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus 3.11., 18 h, Gartenbaukino FATIMA F/Kanada 2015, 79 Min, OmeU R: Philippe Faucon, D: Soria Zeroual, Zita Hanrot, Kenza Noah Aïche, Chawki Amari Fatima ist algerische Migrantin. Obwohl sie schon lange in Frankreich lebt, arbeitet sie als Putzfrau, weil sie die fremde Sprache kaum beherrscht. Ihr ganzer Stolz sind die beiden Töchter, die sie alleine durchbringt. Die eine studiert Medizin, die andere geht noch zur Schule. In Stolz und Freude mischen sich aber auch Scham und Schande, weil sich die Kinder so weit von ihrer alten Kultur und Religion entfernt haben. Vom Bruch innerhalb vieler migrantischer Familien zwischen der ersten und der zweiten Generation erzählt FATIMA genau, verständnisvoll und lebendig. 27.10., 13 h, Urania 4.11., 18.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus FEMALE PERVERT USA 2015, 62 Min, OF R: Lee Jiyoung, D: Jennifer Kim, Brian Cafferty, Kate McManus, Jesse Price Rülpsen, furzen, nach Ohrenschmalz popeln, Zehennägel schneiden – alles Verrichtungen, die nach Möglichkeit Ein Fiebertraum? Eine Heimsuchung? Ein Grenzübertritt? Benhaim erforscht in ihrem Werk die Terra incognita zwischen Dokumentarfilm und Science-Fiction, möglicherweise erschafft sie dieses Gebiet auch erst. LA FIÈVRE gestaltet Flüchtlingserfahrung als fantasmatisch-lyrische Umkreisung verlorener, zerstörter Heimat. In einer frei schwebenden Montage, vorangetrieben von nüchternen Elektrobeats, findet die Stimme einer Frau den Körper eines Mädchens, durch dessen Augen sich ihr Blick auf die Ruinen der Gegenwart richtet und sie das Leben der Vergangenheit erinnert. Das ist hypnotisch und von mächtiger Wirkung. In Anwesenheit von Safia Benhaim. 3.11., 18 h, Urania 4.11., 11 h, Metro, Historischer Saal FILME VON CHARLIE CHAPLIN THE TRAMP USA 1915, 26 Min, kein Dialog THE VAGABOND USA 1916, 27 Min, kein Dialog THE IMMIGRANT USA 1917, 25 Min, kein Dialog THE IMMIGRANT ist auf einem Schiff nach Amerika geflüchtet. Arm und hungrig freut er sich über eine gefundene Münze – ohne zu bemerken, dass ihm dieser letzte Groschen 11 Spielfilme THE IMMIGRANT aus der eigenen löchrigen Tasche gefallen ist. Chaplins ikonischer Figur des «Tramp» ist schon mit Filmtiteln wie THE VAGABOND die Wanderungsbewegung eingeschrieben. Der Underdog versucht, in einer feindseligen Welt zu überleben und dabei Mensch zu bleiben. Mit Slapstick und Humanismus erzählen diese Filme aus einer Zeit, in der aufgrund des Ersten Weltkriegs eine weitere große Flüchtlingswelle aus Europa auf Amerika zurollte. 26.10., 10.30 h, Gartenbaukino FRANCOFONIA F/D/NL 2015, 87 Min, OmeU R: Aleksander Sokurov, D: Johanna Korthals Altes, Louis-Do de Lencquesaing, Vincent Nemeth, Benjamin Utzerath Sokurovs Werk ist durchzogen von einem tiefen Misstrauen gegen das, was man die Moderne nennt. Das mag problematisch, konservativ, ja reaktionär sein, ist aber zugleich der Quell für ein modernes Kino. Diesen Widerspruch zeigt auch FRANCOFONIA. Essayhaft durchdringen und widersprechen sich darin verschiedenste Ideen und Argumente über die Bedeutung von Kunst, im Besonderen von Museen. Aus der Geschichte des Louvre während der NS-Besatzung von Paris ersteht ein wildes, intellektuelles Spektakel, ein Abgesang auf die Fiktion einer europäischen Kultur. nichts anderes übrig als Teilhabe. Wie alle Werke Eastwoods beschäftigt sich auch GRAN TORINO mit dem hohen Wert der Menschlichkeit und ihrer leichtfertigen Gefährdung. Und er macht sich und uns nichts vor: Sie zu wahren ist jeden Preis wert. Walt Kowalski zahlt ihn. 26.10., 23 h, Gartenbaukino Japan 2015, 317 Min, OmeU R: Hamaguchi Ryusuke, D: Hiromi Demura, Shoko Fukunaga, Yuichiro Ito, Rira Kawamura Endlich rückt Jun mit der Sprache heraus und erzählt von der hässlichen Scheidung, in der sie gerade steckt. Ein Ruck geht durch die Gruppe von vier sehr verschiedenen besten Freundinnen, die nun alles hinterfragen. Dann verschwindet Jun auch noch spurlos und kein Stein bleibt auf dem anderen. Eine besondere Intimität entsteht zwischen Zuschauer und Figuren, weil wir auch scheinbar nebensächlichen Ereignissen quasi in Echtzeit beiwohnen dürfen. Um diese herum webt Hamaguchi ein komplexes Geflecht der Beziehungen und Emotionen, eindringlich zum Leben erweckt von fantastischen Schauspielerinnen. 5.11., 12 h, Metro, Eric Pleskow Saal prOpOSiTiOnS Argentinien 2015, 63 Min, kein Dialog R: Raúl Perrone, D: Dulce Huilen Azul, Guilermo Quinteros, Evelyn Cazal USA 2008, 116 Min, OmdU R: Clint Eastwood, D: Clint Eastwood, Bee Vang, Ahney Her, Brooke Chia Thao «Get off my lawn!», knurrt der Alte zwischen den Zähnen hervor, das Gewehr im Anschlag, und weil der Alte von Clint Eastwood gespielt wird, machen sich die großmäuligen Gangmitglieder, die seine Nachbarn terrorisieren, rasch vom Acker. Eigentlich hat der meist übel gelaunte Walt Kowalski mit den zugezogenen Fremden aus dem fernen Asien nichts am Hut. Bald aber bleibt ihm 12 Kein konventionelles SchriftstellerBiopic, das behauptet, die Wahrheit über das Leben eines Menschen zu kennen. Vielmehr das vielstimmige Porträt der 1941 im Alter von 31 Jahren an Tuberkulose verstorbenen Dichterin Xiao Hong, die die turbulentesten Zeiten der neueren Geschichte Chinas, vom Ende der Feudalherrschaft bis zum Pazifikkrieg erlebte. Vor dem von Regisseurin Hui breit angelegten historischen Panorama entwickelt Tang Wei in der Rolle der Dichterin ihre psychologische Skizze einer ebenso zarten wie ausdauernden Künstlerseele, die sich eigentlich nur gerne sicher fühlen und endlich in Ruhe schreiben würde. 3.11., 21 h, Metro, Historischer Saal IRRATIONAL MAN 27.10., 20.30 h, Gartenbaukino 1.11., 11 h, Stadtkino im Künstlerhaus GRAN TORINO HUANG JIN SHI DAI (THE GOLDEN ERA) China/Hongkong 2014, 178 Min, OmeU R: Ann Hui, D: Tang Wei, Feng Shaofeng, Wang Zhiwen, Zhu Yawen HAPPY HOUR HIERBA te, verlaufen die Dinge hier nicht ins plaisierlich Orgasmische … (Siehe auch S. 40: Tribute Raúl Perrone) In Anwesenheit von Pablo Ratto (Produzent). 25.10., 19 h, Stadtkino im Künstlerhaus 28.10., 13.30 h, Metro, Historischer Saal Was treibt die Figuren in Édouard Manets berühmtem Gemälde Le Déjeuner sur l’herbe (1863) um? Ein farbig strahlender Stummfilm, in welchem es um den weiblichen Akt geht sowie den höchst männlichen Zeitvertreib der Jagd. Dem Sujet gemäß bestehen die Hintergründe zu einem Gutteil aus Gemälden bzw. deren Postkartenversionen. Auf Eigenarten moderner Körperkultur wie Piercings und Tätowierungen wurde dabei keine schamhafte Rücksicht genommen – Nacktheit bricht eben Illusionen. Anders als bei Manet, der sein Bild ursprünglich La Partie carée (Der flotte Vierer) nennen woll- USA 2015, 95 Min, OmdU R: Woody Allen, D: Joaquin Phoenix, Emma Stone, Joe Stapleton, Nancy Carroll Woody Allens enorme Produktivität war in den letzten Jahren beachtlich. Und seinen neuen Film macht vor allem die schauspielerische Großleistung von Joaquin Phoenix zu einem lichten und souveränen Moment in seinem Werk. Mit subtiler Selbstironie und verzweifelter Coolness spielt Phoenix den schäbigen und depressiven Philosophie-Superstar, der auf einer amerikanischen Elite-Uni zu Besuch ist und dem die Frauen hysterisch verfallen sind. Doch nicht alle. Und es wäre nicht der alte Fuchs Allen, wenn die simple Geschichte nicht unversehens zu einer spannenden und doppelbödigen Crime-Story geriete. 31.10., 21 h, Gartenbaukino 2.11., 11 h, Gartenbaukino JIGEUMEUN MATGO GEUTTAENEUN TEULLIDA (RIGHT NOW, WRONG THEN) Südkorea 2015, 121 Min, OmdU R: Hong Sangsoo, D: Jeong Jaeyeong, Kim Minhee, Yoon Yeojeong, Gi Jubong Ein Regisseur landet aus Versehen einen Tag zu früh in der Stadt, in der man ihn zu einer Filmvorführung erwartet. Er lernt eine junge Malerin kennen, mit der er den gewonnenen Tag verbringt; er besucht ihr Atelier, trifft ihre Freundinnen und trinkt beim Abendessen ein bißchen viel. Und dann geht es unter leicht geänderter Ausgangsvoraussetzung noch einmal von vorne los. Dieses feine und leichte Spiel mit der Wirklichkeit, diese menschliche Versuchsanordnung – niemand beherrscht sie so souverän, so schwebend und ernsthaft zugleich wie Hong Sangsoo. 2.11., 18 h, Gartenbaukino 5.11., 23 h, Urania K China/GB 2015, 88 Min, OmdU/OmeU R: Emyr ap Richard, Darhad Erdenibulag, D: Bayaneruul, Jula, Yirgui, Altanochir Beinhart werkgetreue Verfilmung von Frank Kafkas Roman «Das Schloß». Angesiedelt in der Inneren Mongolei und reduktionistisch in der Form erlangt die Parabel vom Landvermesser, dessen Legitimation von der Bürokratie nicht bestätigt wird und dessen gesamte Existenz dadurch in Frage steht, die im Text immer schon angelegte Allgemeingültigkeit. Aus dieser Entfernung und in dieser Verdichtung gesehen, meint «das Schloss» nicht lediglich den korrupten chinesischen Politapparat, es meint die conditio humana: den Einzelnen, der sich in einer nicht mehr überschaubaren hierarchischen Struktur abarbeitet, vergeblich. 31.10., 23.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus (OmdU) 1.11., 18 h, Urania (OmeU) KISEIJU (PARASYTE: PART 1) Japan 2014, 107 Min, OmdU R: Yamazaki Takashi, D: Shota Sometani, Eri Fukatsu, Ai Hashimoto, Sadao Abe Alarm! Alien-Invasion! Während die einen erfolgreich die Gehirne der Menschen infizieren, bleibt Migi in der Hand des geistesgegenwärtigen Shinichi stecken. Bald schon muss der junge Bursche seinen Hand-Parasiten nicht mehr nur vom Busengrabschen abhalten; als unerwünschtes Mischwesen stehen Shinichi und Migi ganz weit oben auf der Abschussliste – SuperheldenGegenwehr ist gefragt. Jede Menge Schabernack, Grausligkeiten und Tiefgründiges bietet diese auf Iwaki Hitoshis Manga-Hit basierende Variation des klassischen BodySnatcher-Stoffs. Und flott schreitet der Irrsinn voran: Talk to the hand! 28.10., 23 h, Gartenbaukino 2.11., 11 h, Stadtkino im Künstlerhaus KOZA SK/CZ 2015, 75 Min, OmeU R: Ivan Ostrochovský, D: Peter Baláž, Nikola Bongilajová, Ján Franek, Tatiana Piussi Kozas Freundin erwartet ein Kind, will es aber nicht, nicht zuletzt, weil es in dem kleinen Haushalt an allem mangelt. Also steigt der ehemalige Boxer, in der Hoffnung, den Lauf der Dinge ändern zu können, zurück in den Ring. Er begibt sich in die Hände eines Ausbeuter-Trainers, geht auf eine Reise durch Spelunken und in Hinterzimmerkämpfen rasch zu Boden. Unbewegt und ausdauernd schaut ihm die Kamera dabei zu. Die Intensität dieses nüchtern ruppigen Films verdankt sich Peter «Koza» Baláz, der ihm sein heißes Herz schenkt und den brennenden Blick. In Anwesenheit von Ivan Ostrochovský. 23.10., 13.30 h, Metro, Historischer Saal 26.10., 23 h, Urania THE LOBSTER IRL/GB/GR/F/NL 2015, 118 Min, OmeU R: Yorgos Lanthimos, D: D: Colin Farrell, Rachel Weisz, Léa Seydoux, John C. Reilly, Ben Whishaw Die imposanten Filme von Yorgos Lanthimos gehen von einer surrealen Situation aus und spielen sie realistisch durch, während einzelne Charaktere aus dem Rahmen fallen. Das gilt auch für Lanthimos’ ersten mit internationalen Stars gedrehten Liebesfilm THE LOBSTER. In dieser dystopischen Parallelwelt müssen Menschen als Paare leben. Wer seinen Lebensmenschen nicht findet, kommt in ein Single-Ressort, wer ihn auch dort nicht findet, wird in ein Tier verwandelt – und wer diese böse, zärtliche, radikale Komödie nicht sieht, glaubt es nicht. 27.10., 18 h, Gartenbaukino 3.11., 11 h, Gartenbaukino LOULOU F 1979, 105 Min, OmdU R: Maurice Pialat, D: Isabelle Huppert, Gérard Depardieu, Guy Marchand Nelly, eine junge Frau aus der Pariser Bourgeoisie, lernt in einer Vorstadtdisco den arbeitslosen Herumtreiber Loulou kennen und verliebt sich Hals über Kopf in ihn. Das klingt nach Klischee, doch entlang der physischen Ausstrahlung von Huppert und Depardieu, durch ihre Gesten, Körper, Sprache, entsteht eine Lebendigkeit, ein Begehren und eine Bedingungslosigkeit, die den Film in eine wirbelnde, ziellose Bewegung versetzt. Es hat rund 35 Jahre gedauert, bis es zum filmischen Wiedersehen der beiden kam – in dem nicht minder faszinierenden Film VALLEY OF LOVE. 24.10., 23 h, Gartenbaukino LU BIAN YE CAN (KAILI BLUES) China 2015, 110 Min, OmeU R: Gan Bi, D: Chen Yongzhong, Zhao Daqing, Luo Feiyang, Xie Lixun In LU BIAN YE CAN herrscht eine große Freiheit: der Narration, der Kamera, der Figuren. Erlaubt ist nicht nur, was möglich ist, erlaubt ist, was vorstellbar wäre, und das ist bekanntlich nicht wenig. Also fährt plötzlich ein kopfstehender Zug durch eine höhlenartige Behausung, hüpft elegant ein Bagger vom Tieflader, macht sich die Steadycam selbstständig und dichtet ein paar Fußnoten. Doch wie die Discokugel, die durch den Film flottiert, schaut immer mal wieder der Plot vorbei und erzählt von den beiden Halbbrüdern, die einen alten Konflikt zu 13 Spielfilme lösen haben. Und noch von so viel mehr. 23.10., 15.30 h, Gartenbaukino 2.11., 13 h, Metro, Eric Pleskow Saal MA DAR BEHESHT (PARADISE) Iran/D 2015, 100 Min, OmeU R: Sina Ataeian Dena, D: Dorna Dibaj, Dorsa Khanmohammad, Fariba Kamran, Roya Afshar Hanieh arbeitet als Lehrerin an einer Mädchenschule in einem Vorort Teherans. Eine Versetzung an eine andere, nähere Schule ist mit Wegen durch eine kafkaeske Bürokratie verbunden. Ihre Schülerinnen unterliegen einer ebenso strengen staatlichen Disziplinierung; lackierte Fingernägel kommen einer Todsünde gleich. Dennoch ist MA DAR BEHESHT alles andere als traurig oder bitter, sondern voll feinen Humors und eigensinnigen Strategien des Widerstands. Wohin aber sind die beiden Mädchen verschwunden, von denen seit Tagen jede Spur fehlt? In Anwesenheit von Sina Ataeian Dena. 25.10., 20.30 h, Urania 29.10., 13 h, Urania MARU (OW) Japan 2014, 89 Min, OmeU R: Suzuki Yohei, D: Kaoru Iida, Masatoshi Kihara, Sho Ikeda, Sari Kaneko Plötzlich ist sie da, die schwarze Kugel. Sie schwebt im Raum und hält die Zeit an – und keiner, der sie sieht, kommt ungeschoren davon. Familie Suzuki kann ein Lied davon singen: der Vater tot, der Sohn wie gelähmt, die Mutter am Rande des Zusammenbruchs und Oma von allen guten Geistern verlassen. Am Anfang täuscht MARU komödiantisch an, biegt dann aber ab aufs Gelände des absurden Theaters, wo auch die Systemkritik herumspringt. Die Kugel, sie könnte der sprichwörtliche elephant in the room sein, das, worüber in Japan niemand spricht und das doch die gesellschaftliche Verfasstheit prägt. In Anwesenheit von Suzuki Yohei. 28.10., 13 h, Metro, Eric Pleskow Saal MASAAN Indien/F 2015, 103 Min, OmeU R: Neeraj Ghaywan, D: Richa Chadda, Sanjay Mishra, Vicky Kaushal, Vinit Kumar Der kulturellen Tradition Indiens eingedenk, fern des BollywoodRegelwerks will der vielstimmige Film «das moralische Gefüge des Landes durcheinanderrütteln», so 14 der Regisseur. In zwei parallelen Geschichten geht es um Kastenschranken, Scham, Heuchelei, Liebe und Tod, vor allem aber um die Situation der Frauen in einem bloß wirtschaflich modernisierten Land. «Der Ort der Einäscherung» heißt der Titel wörtlich, metaphorisch steht er für den Übergang von einer patriarchalen Gesellschaft zu einer freieren Lebensform. Dennoch kein Thesenfilm. 28.10., 15.30 h, Urania LE MASQUE DE SAN prOpOSiTiOnS CH/F/Mali 2014, 83 Min, OmeU R: Jacques Sarasin, D: Mamadou Kaba Diané, Bakary Sangaré, Viviane Sidibé Er habe in Mali anfangs nur einen Dokumentarfilm über die traditionellen Antilopenmasken im Sinn gehabt, sagt Regisseur Sarasin. Der Versuch, diesen ihr Geheimnis zu entreißen, wird für den in Paris lebenden Bakary zur verspäteten rite de passage im Land seiner Vorfahren, dessen Herrscher in vorkolonialen Zeiten «viel reicher als heute ein Bill Gates» waren. Die Gelassenheit, mit der dieses semidokumentarische Ethno-Roadmovie seine lehrreichen Stationen ansteuert, ist trügerisch auch für den neugierigen Bakary, der kaum merkt, wie sehr er, der Entwurzelte, immer auch als «Katze inmitten der Tauben» angesehen wird. In Anwesenheit von Jacques Sarasin. 3.11., 20.30 h, Urania 4.11., 16 h, Metro, Historischer Saal ME AND EARL AND THE DYING GIRL USA 2014, 104 Min, Omd/fU R: Alfonso Gomez-Rejon, D: Thomas Mann, RJ Cyler, Olivia Cooke, Molly Shannon Gomez-Rejons Erstlingsfilm beschreibt die kurze Geschichte der tragischen Freundschaft zwischen dem Teenager Greg, seinem besten Freund Earl und ihrer Klassenkameradin Rachel auf weitgehend unsentimentale, aber zugleich gefühlvolle Art. Diese Coming-of-Age-Story, in der eine der Hauptfiguren durch eine Krebserkrankung zum Tod verurteilt ist, so cool, fast hip, aber nicht zynisch oder berechnend darzustel- len, darin liegt, for better or for worse, die besondere Qualität des Films. Beim diesjährigen SundanceFestival gewann er mit dem Großen Preis der Jury und dem Publikumspreis die beiden begehrtesten Auszeichnungen. 30.10., 20.30 h, Gartenbaukino 1.11., 11 h, Gartenbaukino MIA MADRE I 2014, 103 Min, OmdU R: Nanni Moretti, D: Margherita Buy, John Turturro, Nanni Moretti, Giulia Lazzarini MIA MADRE ist so italienisch und so Moretti, wie ein Film nur sein kann. Es geht um Familie, um alle Generationen, die Tochter und den Bruder und die alte und kranke Mama und mittendrin die großartige Margherita Buy als Regisseurin in der MidlifeKrise, die vergeblich versucht, es allen Recht zu machen, alles zu schaffen und für alle da zu sein. Dazu kommen noch die aktuellen Dreharbeiten für ihren neuen Film und dessen unerträglicher, amerikanischer Star – eine Traumrolle für John Turturro. Und Moretti selbst ist der brave Sohn der alten Mama in einem seiner besten Filme seit Jahren. 25.10., 20.30 h, Gartenbaukino 28.10., 11 h, Gartenbaukino MINOTAURO prOpOSiTiOnS Mexiko/Kanada 2015, 56 Min, OmeU R: Nicolas Pereda, D: Gabino Rodríguez, Luisa Pardo, Francisco Barreiro Ein Kammerspiel, gedreht in Mexico City, in der Wohnung von Peredas Stammschauspieler Gabino Rodríguez. Draußen der Moloch, drinnen drei Mittdreißiger, die sich die Zeit mit Schlafen, Träumen, Lesen vertreiben, hin und wieder kommt einmal jemand zu Besuch, der sich um das Wohlergehen der drei kümmert. Im traditionellen Sinne erzählt wird wenig, der Schwerpunkt liegt vielmehr auf Nuancen, auf kleinen Gesten und subtil ausgedrückten Gefühlen, auf der schleichenden Veränderung der Beziehungen zwischen den Figuren. Seine surreal- somnambule Anmutung verdankt MINOTAURO den meist statischen, langen Einstellungen und der rhythmischen Wiederholung von Szenen. Eine stilistische Reduktion, aus der ein Kino der Aufmerksamkeit resultiert. 29.10., 13.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus DER NACHTMAHR D 2015, 88 Min, OmeU R: AKIZ, D: Carolyn Genzkow, Sina Tkotsch, Wilson Gonzalez Ochsenknecht, Arnd Klawitter NIE YIN NIANG (THE ASSASSIN) MOONLIGHTING GB 1982, 97 Min, OF R: Jerzy Skolimowski, D: Jeremy Irons, Eugene Lipinski, Jirí Stanislav, Eugeniusz Haczkiewicz Im Rahmen des «Internationalfeiertages» bietet Skolimowskis MOONLIGHTING die rare Gelegenheit, einen der großartigsten Filme der 1980er Jahre neu zu entdecken: Eine politische Parabel über das Überleben in einem fremden Land, die von einer Gruppe illegaler polnischer Arbeiter handelt, die mit ihrem Anführer Nowak (Jeremy Irons) in London untergetaucht ist, um ein Haus zu renovieren. Strangers in a strange land. Kein sozialkritisches Lehrstück, vielmehr eine tragikomische Etüde vom Feinsten und Intellektuellsten. Auf keinen Fall versäumen. 26.10., 12.30 h, Gartenbaukino LA MUJER DE LOS PERROS (DOG LADY) Argentinien 2015, 98 Min, OmeU R: Laura Citarella, Verónica Llinás, D: Verónica Llinás, Juliana Muras, Germán de Silva, Juana Zalazar Eine Frau, die inmitten eines Rudels von Hunden am Rand der Stadt und damit auch am Rand der Gesellschaft ein kärgliches, selbstgenügsames Leben fristet. Eine existenzialistische Fabel, in der die Antiheldin, gespielt mit stoischer Grazie von Ko-Regisseurin Verónica Llinás, dem Klima und den Jahreszeiten trotzt und mit einem Minimum an Aufwand zur Architektin ihres Lebens wird. LA MUJER DE LOS PERROS präsentiert sich als Serie von sorgfältig komponierten Tableaus, belebt durch die ziellosen Tollereien der Hunde. Ein Film wie eine Novelle von Camus. 30.10., 23.30 h, Urania 31.10., 11 h, Stadtkino im Künstlerhaus er zeugt nur von der Wirklichkeit und davon, wie wirtschaftliche Zwänge Menschen korrumpieren. In Anwesenheit von Emine Emel Balci. 23.10., 18 h, Urania 24.10., 11 h, Stadtkino im Künstlerhaus Wie eine hässliche Warze ist er plötzlich da und sorgt für Ekel und Entsetzen; ein verbeulter Wurm, hartnäckig Anschluss suchend an die 17-jährige Tina, die allmählich begreift, dass das abscheuliche Wesen ein Teil ihrer selbst sein könnte. Eine Geschichte aus der nachtschwarzen Romantik, die aber am Rande des gegenwärtigen Berlin angesiedelt ist, wo die digitale Jugend in Freibädern donnernd laute Techno-Partys feiert und seltsamste Drogen nimmt. Schon lange nicht mehr wurde der Schrecken des Heranwachsens derart schlüssig in ein metaphorisches Bild gesetzt, das dabei doch konkret bleibt. Ein Film, der fetzt, zuhause in zwei Welten. In Anwesenheit von AKIZ. 23.10., 23.59 h, Gartenbaukino 24.10., 15.30 h, Urania NEFESIM KESILENE KADAR (UNTIL I LOOSE MY BREATH) TR/D 2015, 94 Min, OmeU R: Emine Emel Balci, D: Esme Madra, Rıza Akın, Sema Keçik, Gizem Denizci Mit ihrem Vater, dem ständig abwesenden Fernfahrer, gemeinsam in einer Wohnung leben; nicht mehr länger vom Schwager, bei dem sie untergekommen ist, als Schmarotzerin gescholten werden. Seraps familiäre Verhältnisse sind prekär, auch an Geld mangelt es. Mit eisernem Willen aber hält die junge Frau, starke Protagonistin dieses starken Debüts, an ihrem Wunsch nach Geborgenheit fest. Sie schuftet in der Textilfabrik, sie hetzt sich ab, sie gönnt sich nichts. Dabei wirkt ihr einsamer Kampf um ihren Platz in der Welt nicht trostlos, Taiwan/China/Hongkong/F 2015, 104 Min, OmeU R: Hou Hsiao-hsien, D: Shu Qi, Chang Chen, Tsumabuki Satoshi, Chang Shao-huai Bis dieses Jahr in Cannes das Geheimnis um den ersten MartialArts-Film Hou Hsiao-hsiens gelüftet wurde, rankten sich darum schon Gerüchte und Legenden. Der in großer Schönheit choreografierte Geschichtsfilm erzählt von der jungen, zur Mörderin erzogenen Kämpferin Nie. Als Kind gekidnappt und zur Schwertkämpferin ausgebildet, erhält Nie den Auftrag, einen politischen Rivalen des einflussreichen Anführers Ji’an zu ermorden. Als sich Nie auf die Seite des Rivalen schlägt, werden die besten Schwertkämpfer auf die Verräterin angesetzt. Der Rest ist Kino. 1.11., 20.30 h, Gartenbaukino 3.11., 23 h, Urania LA OBRA DEL SIGLO (THE PROJECT OF THE CENTURY) Arg./Kuba/D/CH 2015, 100 Min, OmeU R: Carlos M. Quintela, D: Mario Balmaseda, Mario Guerra, Leonardo Gascón Sie hängen herum und zanken sich. Es gibt nichts anderes zu tun, als den Stillstand zu verwalten. Großvater, Vater und Sohn leben in einem zerfallenden Hochhaus am Rande der «Elektro-Nuklear-Stadt», die in keinem besseren Zustand ist. Ein Symbol von Kubas Aufbruch in eine strahlende Zukunft hätte sie werden sollen, nun steht da nur ein unvollendetes Atomkraftwerk. Utopie und Dystopie fallen in eins in diesem Film, der vor dokumentarischem Hintergrund weniger einen Plot entwickelt, als ein Fantasma zum Leben erweckt: der Geist der Revolution, auch er hängt hier noch irgendwo herum. 29.10., 15.30 h, Urania 15 Spielfilme PSAUME (PSALM) F/Senegal 2015, 48 Min, kein Dialog R: Nicolas Boone, D: Boubou Diaby, Bourama Thiam, Diaga Matar Fall, El Hadji Fofana Drei dunkelhäutige Männer bewegen einen von einem Esel gezogenen Karren durch eine karge subsaharische Landschaft. Die Bewegungen sind langsam, die Filmfarben ausgebleicht, eine Handlung ist quasi nicht existent. Boone entwirft eine postapokalyptische Bewegungsdramaturgie in entvölkerten Territorien, bei der ein Halt an einer Wasserstelle zu einem bedeutenden Plotpoint wird. PSAUME ist eine pseudoethnografische Studie zwischen rätselhaften rituellen Praktiken und halluzinatorischer Wahnproduktion. Ein Film wie eine Fata Morgana, der in seinem schneckengleichen Fortschreiten eine ganz eigene Form von dunkler Magie entfaltet. 28.10., 18 h, Metro, Eric Pleskow Saal RABIN, THE LAST DAY Israel/F/I 2015, 153 Min, OmeU R: Amos Gitai, D: Yitzhak Hiskiya, Yaël Abecassis, Rotem Keinan, Tomer Sisley RABIN, THE LAST DAY unternimmt eine Rekonstruktion jenes Tages, an dem der israelische Premierminister im Jahr 1995 ermordet wurde. Gitai verwendet klassische dokumentarische Darstellungsmittel – Interviews, kunstvoll einmontiertes Archivmaterial und mit Schauspielern nach-inszenierte Szenen – und macht zum einen deutlich, dass er eine fanatisch-religiöse, rechte Subkultur für mitschuldig an dem Verbrechen hält und zum anderen der hoffnungsvoll begonnene Friedensprozess damit am Ende war. Der Film ist eine Hommage an einen Staat, der niemals war und der jetzt vielleicht niemals mehr sein wird. In Anwesenheit von Amos Gitai. 23.10., 20.30 h, Gartenbaukino 25.10., 10 h, Gartenbaukino RAK TI KHON KAEN (CEMETERY OF SPLENDOR) Thailand/GB/D/F/Malaysia 2015, 122 Min, OmdU R: Apichatpong Weerasethakul, D: Jenjira Pongpas Widner, Jarinpattra Rueangram, Banlop Lomnoi RÉALITÉ F/B 2014, 87 Min, OmeU R: Quentin Dupieux, D: Alain Chabat, Jonathan Lambert, Élodie Bouchez, Jon Heder «You can’t watch this movie, this movie doesn’t exist yet!» Beschwörend fuchtelt der Möchtegernregisseur mit den Armen vor der Leinwand, auf der jener Film gezeigt wird, dessen Drehbuch er noch nicht einmal zu Ende gedacht hat. Seltsam? Noch lange nicht das Seltsamste in Dupieux’ neuester Düpierung von Logik und Vernunft. Derart eng miteinander verflochten werden Wirklichkeit, Fantasie, Traum, Film, Filmemachen, Film im Film, Traum im Film im Film nicht eben häufig. Hier ist kein Boden der Tatsachen, den man unter den Füßen verlieren könnte, hier sind nur die Pforten der Wahrnehmung, durch die man hindurch muss. Viel Spaß auf der anderen Seite! 4.11., 18 h, Gartenbaukino 5.11., 20.30 h, Urania QUEEN OF EARTH USA 2015, 90 Min, OF R: Alex Ross Perry, D: Elisabeth Moss, Katherine Waterston, Patrick Fugit, Kentucker Audley Eigentlich hatte Catherine sich von einer Trennung erholen wollen, bei ihrer besten Freundin Ginny, in deren an einem See gelegenen Haus. Doch Ginny hat noch ein paar Rechnungen offen und Catherine ist alles andere als friedfertiger Stimmung – bald schon tief ineinander verbissen, reißen sie sich gegenseitig alte Wunden auf. So schleicht sich allmählich der Psychothriller in den Mumblecore, verschiebt unauffällig die Grenze zwischen verletzter Überreaktion und paranoider Neurose und öffnet schließlich dem Wahnsinn die Tür. Ein dichtes Kammerspiel, ein Fest für zwei Schauspielerinnen, ein Triumph für Elisabeth Moss. In Anwesenheit von Alex Ross Perry. 25.10., 18 h, Gartenbaukino 26.10., 13.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus 16 RESULTS Weerasethakuls Filme waren immer schon an der Grenze von Realität und Halluzination angesiedelt; RAK TI KHON KAEN erzählt von einer Krankenschwester, die Soldaten betreut, die an einer mysteriösen Schlafkrankheit leiden, und die unter den Bann eines Narkoleptikers fällt, der in einem Notizbuch eigenartige Schriften, Pläne und Skizzen auf gezeichnet hat. Ein Film als geisterhafte Beschwörung längst verwehter Existenzen und alter mythischer Orte. Ein kryptisches Rätselspiel von surrealer Schönheit, das dem Betrachter das Gefühl vermittelt, mit weit geöffneten Augen zu träumen. In Anwesenheit von Simon Field (Produzent). 30.10., 18 h, Gartenbaukino 2.11., 16 h, Stadtkino im Künstlerhaus USA 2014, 104 Min, OF R: Andrew Bujalski, D: Guy Pearce, Kevin Corrigan, Cobie Smulders, Brooklyn Decker Es muss ja nicht gleich ein Sixpack sein, aber einen Schlag einstecken können, ohne umzufallen, wäre schon ziemlich männlich. Denkt Danny und marschiert in Trevors Fitnesscenter. Der vermittelt ihm Kat, die er heimlich liebt, und bald steckt Danny, der sich derweil mit Trevor anfreundet, mitten in Problemen, die nicht die seinen sind – mischt sich aber trotzdem ein. Mumblecore-Protagonist Bujalski hat mit RESULTS eine romantische Komödie der etwas anderen Art gedreht, ohne Indie-Attitüde, dafür mit viel Gefühl, trockenem Witz und einem tollen Ensemble. 29.10., 18.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus 1.11., 15.30 h, Urania SAMURAY-S Argentinien 2015, 110 Min, OmeU R: Raúl Perrone, D: Ornella Retro, José Maldonado, Migual Sirna, Tony Alba Eine exquisite Japonaiserie über gebrochene Versprechen und Klassen- antagonismen, in welcher Wirklichkeit und Vision, Dies- und Jenseits kaum mehr voneinander zu unterscheiden sind. Gesprochen wird in bizarr lyrischen Untertiteln, gespielt in den breitesten Gesten. Zum Einsatz kommen all die Bilder und Tropen, welche man aus den Klassikern des japanischen Stummfilms erinnert; etwa von Stürmen gebeugte Wiesen und Wälder; dunkle Striche quer durchs Antlitz, die mal einen Schwertstreich bedeuten und mal die Nähe der Figur zum Wahnsinn; und immer wieder diese Ahnungen dunkler Gassen, aus denen keiner lebend wiederkehrt. (Siehe auch S. 40: Tribute Raúl Perrone) In Anwesenheit von Pablo Ratto (Produzent). 28.10., 18.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus SANGUE DEL MIO SANGUE (BLOOD OF MY BLOOD) I 2015, 106 Min, OmeU R: Marco Bellocchio, D: Roberto Herlitzka, Pier Giorgio Bellocchio, Alba Rohrwacher, Lidiya Liberman Marco Bellocchio schreibt die Geschichte Italiens in seinen Filmen als Träume mit eigener Logik weiter, wie den Linksterrorismus in BUONGIORNO, NOTTE oder die Höllendramen Mussolinis in VINCERE. Mit SANGUE DEL MIO SANGUE kehrt der 75-Jährige nun in seiner Heimatstadt Bobbio ein und findet da auf drei Zeitebenen: die strenge Inquisition, unkeusche Nonnen, einen Hexenprozess und einen Berlusconi-Vampir, der seine Gruft nicht verlassen will und immer noch keine Rechnungen ausstellt. 28.10., 20.30 h, Urania 30.10., 13 h, Gartenbaukino Reich und Arm im China der Nouveaux riches auseinandergesetzt hat, webt hier Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in ein melodramatisches Großgemälde, das in satten Farben prächtig strahlt. Der rasende ökonomische und gesellschaftliche Wandel wird erkennbar als Teil von jener Kraft, die stets das Gute will und stets das Böse schafft. 26.10., 13 h, Urania 5.11., 15.30 h, Gartenbaukino SHI REN CHU CHAI LE SONGS MY BROTHERS TAUGHT ME USA 2015, 94 Min, OF R: Chloé Zhao, D: John Reddy, Jashaun St. John, Irene Bedard, Taysha Fuller prOpOSiTiOnS (POET ON A BUSINESS TRIP) China 2014, 103 Min, OmeU R: Ju Anqi Ein Business Trip sei eine Reise, die auf irgendeine Weise mit Arbeit zu tun habe, sagt der Poet Shu im OffKommentar zum Film. Während der Fahrt durch Xinjiang, der entlegenen, westlichsten Provinz Chinas, schrieb er 16 Gedichte, die dem Schwarzweiß-Film eine Art von narrativem Bogen geben. Die «Geschäftsreise» ist ein langer, seltsamer Weg über steinige Straßen, durch schäbige Absteigen, von einer Prostituierten zur nächsten. Ein Roadmovie als existenzielle Selbsterkundung im Ödland der Seele. «Manchmal», heißt es in einem der Gedichte, «erscheinst Du mir wie eines anderen Einsamkeit.» In Anwesenheit von Ju Anqi. 23.10., 21 h, Stadtkino im Künstlerhaus 25.10., 23 h, Urania SITI Indonesien 2014, 88 Min, OmeU R: Eddie Cahyono, D: Sekar Sari, Delia Nuswantoro, Chelsy Bettido, Ibnu Widodo SHAN HE GU REN (MOUNTAINS MAY DEPART) China/Japan/F 2015, 126 Min, OmeU R: Jia Zhangke, D: Zhang Yi, Liang Jingdong, Dong Zijian, Sylvia Chang Es beginnt als romantische Dreiecksgeschichte und entwickelt sich zur generationenübergreifenden, interkontinentalen Familiengeschichte. Filmemacher Jia, der sich schon mehrfach mit der Kluft zwischen gebenheit und der Hoffnung auf einen Neuanfang sucht Siti nach einem Weg, aber auch die Kräfte einer jungen Frau sind enden wollend. 29.10., 23 h, Urania 2.11., 15.30 h, Gartenbaukino Seit ihr Mann nach einem Unfall im Bett liegt und nicht mehr spricht, muss Siti nicht nur alleine für das Auskommen der Familie sorgen, sie sitzt auch auf einem Berg von Schulden. Tagsüber verkauft sie Kekse am Strand von Parangtritis, nachts arbeitet sie in einer Karaoke-Bar, wo ihr ein Polizist den Hof macht. Das Geld, das fehlt, wiegt tonnenschwer und vergiftet die Beziehungen. Hin- und hergerissen zwischen Loyalität und Aufbäumen, zwischen Schicksalser- Weniger ein Spielfilm mit konventioneller Handlung als eine Serie von Vignetten, die sich um die Lebensumstände der Lakota im Pine Ridge Reservat, South Dakota, ranken. Im Zentrum stehen die jugendlichen Geschwister Johnny und Jashaun, die aufeinander aufpassen – bis Katastrophen in den Alltag einbrechen und das Leben zu entgleisen droht. Zhao gelingt es, der weiten, schroffen Landschaft, den grindigen Bars und dem wortkargen Austausch der Menschen in ziselierten Bildern eine minimalistische Poesie abzugewinnen, ohne in einen falsch tönenden Romantizismus zu verfallen. 23.10., 13.30 h, Gartenbaukino 31.10., 18.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus SPOTLIGHT USA 2014/15, 127 Min, OF R: Thomas McCarthy, D: Rachel McAdams, Liev Schreiber, Mark Ruffalo, Michael Keaton Ein Redaktionsteam des «Boston Globe» erhält 2001 den Auftrag, einen etwas älteren Fall von angeblichem Kindesmissbrauch durch einen Pater zu recherchieren. Was sich wie journalistische Routine anlässt, wird unversehens zu einem Skandal ungekannten Ausmaßes innerhalb der amerikanischen Kirche, der alle nur möglichen politischen Mächte und Widerstände mobilisiert. SPOTLIGHT beginnt klein als realistische, investigative Story und steigert sich zu einem CrimeMovie von ziemlichen Ungeheuerlichkeiten. Ein Ensemblefilm mit Darstellern vom Feinsten. 24.10., 20.30 h, Gartenbaukino 27.10., 10.30 h, Gartenbaukino 17 Spielfilme STINKING HEAVEN TANGERINE USA 2015, 70 Min, OF R: Nathan Silver, D: Deragh Campbell, Henri Douvry, Jason Giampietro, Keith Poulson Eine Lo-Fi-Demonstration mit Minibudget, die sich tragikomisch mit den Desintegrationsprozessen in einer Rehabilitationseinrichtung in New Jersey auseinandersetzt. Die Geschichte ist 1990 angesiedelt und Silver markiert den historischen Moment, der die Babyboomer von der Generation X trennt, durch eine kunstvoll-kunstlose Home-MovieBetacam-Ästhetik. Im Zentrum stehen ehemalige Drogensüchtige, die sich voller Emphase in hanebüchene Konflikte stürzen und bei hoher «Fuck»-Frequenz übereinander herfallen. Das Branchenblatt «Variety» befand: «Nur einen Wimpernschlag vom Horror entfernt.» USA 2014, 88 Min, OF R: Sean Baker, D: Kitana Kiki Rodriguez, Mya Taylor, Karren Karaguilian, Mickey O’Hagan Der auf einem iPhone gedrehte TANGERINE war eine der Sensationen des diesjährigen Sundance Filmfestivals. Aufregend und ungewöhnlich ist nicht nur seine innovative Machart, das sind auch seine coolen und mitreißenden Protagonistinnen, allen voran Sin-Dee Rella, eine schwarze, transsexuelle Prostituierte. Aus dem Gefängnis zurück, muss sie feststellen, dass ihr Freund/ Zuhälter sie betrogen hat, «with a fish», mit einer weißen Frau. Ihr darauf folgender Rachefeldzug ist so ziemlich was vom Verrücktesten, Schnellsten und Wildesten, was diese Viennale zu bieten hat. In Anwesenheit von Nathan Silver. 26.10., 21 h, Stadtkino im Künstlerhaus 27.10., 23 h, Metro, Eric Pleskow Saal prOpOSiTiOnS SUEÑAN LOS ANDROIDES 27.10., 23 h, Gartenbaukino 28.10., 13.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus TIKKUN Israel 2015, 120 Min, OmeU R: Avishai Sivan, D: Aharon Traitel, Khalifa Natour, Riki Blich, Gur Sheinberg (ANDROIDS DREAM) E/D 2014, 61 Min, OmeU R: Ion de Sosa, D: Manolo Marín, Moisés Richart, Marta Bassols, Coque Sánchez «Erde 2052» stellt das Insert zu Beginn fest. Gedreht aber wurde im Benidorm der Gegenwart, auf 16mm und außerhalb der Feriensaison. De Sosa macht sich die Absurdität der zerstört-entstellten Landschaft von Spaniens Costa Blanca – einst dem Boom zum Opfer gefallen und nun tief in der Krise – zunutze, um eine verschärft experimentelle Variante von Philip K. Dicks legendärer BLADE RUNNER-Vorlage darin anzusiedeln. Bald schon stellt sich die Frage neu: Wer sind hier eigentlich die Androiden? Und wollen wir wirklich jene Zukunft, die in unserem Jetzt schlummert (und möglicherweise von elektrischen Schafen träumt)? In Anwesenheit von Ion de Sosa. 2.11., 18 h, Urania 3.11., 23.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus 18 Eines Tages bekommt Haim-Aaron unter der Dusche eine Erektion. Eine Sinnenregung, die den jungen Mann, einen strenggläubigen JeschiwaStudenten, im Wortsinn aus der Bahn wirft. Fortan wandert er zwischen den Welten, wird zunehmend zerrissen zwischen der Gläubigkeit seiner ultra-orthodoxen Familie und seiner Neugier auf die säkulare Gesellschaft. TIKKUN setzt HaimAarons Identitätssuche, die zuvörderst eine Geschichte des Heimatverlustes ist, in klarem Schwarzweiß und eher schweigsam als ungeheuer verdichtetes Drama in Szene. 28.10., 23 h, Urania 4.11., 20.30 h, Urania TIRED MOONLIGHT prOpOSiTiOnS USA 2015, 76 Min, OF R: Britni West, D: Liz Randall, Paul Dickinson, Hillary Berg, RainLeigh Vick TIRED MOONLIGHT, Gewinnerfilm des Slamdance-Festivals, verdient tatsächlich die Bezeichnung «independent». Mit minimalem Aufwand und zum Großteil mit Laien besetzt, beschreibt die Filmemacherin den Alltag in einer amerikanischen Kleinstadt, in Kalispell, Montana, ihrer Heimatstadt. Frei und assoziativ, mit grandiosen poetischen Momenten, Nebensächlich- und Zufälligkeiten entsteht ein Gewebe an Bildern und Tönen jenseits dessen, was man aus vergleichbaren Americana kennt. Don’t miss this little gem. In Anwesenheit von Britni West. 25.10., 21.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus 26.10., 23 h, Metro, Eric Pleskow Saal TROIS SOUVENIRS DE MA JEUNESSE (MY GOLDEN DAYS) F 2015, 123 Min, OmeU R: Arnaud Desplechin, D: Quentin Dolmaire, Mathieu Amalric, Lou Roy-Lecollinet Eine Art Prequel zu Desplechins Film COMMENT JE ME SUIS DISPUTÉ … (MA VIE SEXUELLE), das sich als metaphysischer Spionagethriller präsentiert, der in Rückblenden die Jugend des Protagonisten Paul Revue passieren lässt. Desplechin evoziert in diesem romanhaften Versuch über Erinnerung und Gefühle Wahnsinn und Doppelgängermotive und widmet sich im langen Schlussakt einer komplizierten amourösen Verstrickung, bei der vor allem die Fremdheit im Vertrauten ausgeleuchtet wird. Nach dem Liebesakt mit seiner Freundin bringt es Paul auf den Punkt: «Männer kommen und Frauen gehen.» 23.10., 11 h, Stadtkino im Künstlerhaus 28.10., 18 h, Gartenbaukino UMIMACHI DIARY (OUR LITTLE SISTER) Japan 2015, 128 Min, OmdU R: Koreeda Hirokazu, D: Ayase Haruka, Nagasawa Masami, Kaho, Hirose Suzu Diese Adaption einer in Japan sehr populären Manga-Serie erzählt die Geschichte von drei jungen Frauen in der Küstenstadt Kamakura, deren Leben durch ihre 15-jährige Halbschwester Suzu, die sie erst nach dem Tod des Vaters kennenlernen, durcheinandergewirbelt wird. Koreeda entwickelt eine geradezu Tschechow’sche Sensibilität in der kinematografischen Nahaufnahme des komplizierten Beziehungsgeflechts sehr unterschiedlich disponierter Charaktere. «Bei einem Minimum an dramatischem Konflikt», schreibt der «Telegraph», «bringt er die Geschichte trotzdem zum Singen.» 23.10., 15.30 h, Urania 31.10., 18.30 h, Metro, Historischer Saal UN ETAJ MAI JOS (ONE FLOOR BELOW) RO/F/D/S 2015, 93 Min, OmeU R: Radu Muntean, D: Teodor Corban, Iulian Postelnicu, Oxana Moravec oder so aber muss man den linkischen Helden dieses charmanten Films einfach lieb haben. In Anwesenheit von Damien Manivel. 29.10., 18 h, Urania 31.10., 13 h, Metro, Eric Pleskow Saal Gérard Depardieu seit Maurice Pialats LOULOU. Ein Double-Feature, wie es so schnell kein zweites gibt. 25.10., 1 h, Gartenbaukino 4.11., 20.30 h, Gartenbaukino XIA NU (A TOUCH OF ZEN) UNE HISTOIRE AMÉRICAINE (STUBBORN) Eine Etage tiefer wurde eine junge Frau ermordet. Patrascu hat den Täter gesehen, doch er hält sich raus und schweigt. Aber damit ist die Sache noch lange nicht beendet. Denn Patrascu hat außer der echten Leiche auch eine sprichwörtliche im Keller: sein Gewissen. Und das kitzelt ausgerechnet der Täter beständig. Muntean konzentriert sich in minimalistischen Einstellungen auf seinen faszinierenden Anti-Helden und baut eine ungeheure Spannung auf. UN ETAJ MAI JOS ist ein weiteres, meisterliches Exempel dieser reduzierten, dafür umso eindringlicheren rumänischen Filme, die seit einiger Zeit die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. In Anwesenheit von Radu Muntean. 2.11., 20.30 h, Urania 3.11., 11 h, Stadtkino im Künstlerhaus UN JEUNE POÈTE (A YOUNG POET) F 2014, 71 Min, OmeU R: Damien Manivel, D: Rémi Taffanel, Enzo Vassallo, Léonore Fernandes, Denis Taffanel Wie wird man eigentlich Dichter? Rémi nämlich hat sich vorgenommen, die Welt mit kunstvollem Verseschmieden zu betören, seinem Leben jenen Sinn zu verleihen, der in die Unsterblichkeit mündet, idealerweise. Zunächst aber gilt es zu dichten, und daran hapert es – derzeit noch. Auch in der zum Behufe der Inspiration aufgesuchten Hafenstadt an der Mittelmeerküste und am Grabe des Vorbilddichters mag die Muse nicht küssen. Was tun? UN JEUNE POÈTE kann, je nach Stimmung, ein Festival der Hochkomik sein oder eine heiter-melancholische Kontemplation des Scheiterns. So F 2015, 87 Min, OmeU R: Armel Hostiou, D: Vincent Macaigne, Kate Moran, Sofie Rimestad, Jimmy DeRoth Vincent Macaigne, der beautiful loser des französischen Kinos, gibt wieder einmal seine Paraderolle des hoffnungslos Liebenden. In UNE HISTOIRE AMÉRICAINE will er seine nach Brooklyn ausgewanderte ExFreundin Barbara mit allen Mitteln zurückgewinnen. Daraus entwickelt sich ein nervenzerrendes Psychodrama, interpunktiert von langen Schwenks über das Hochhäusergewirr von New York und Blitzlichtern aus dem Nachtleben. Irgendwann sagt Barbara resigniert: «Du ermüdest mich mehr, als dass du mich zum Lachen bringst.» Aber diesem Ermüdungsprozess zuzusehen, verschafft ein gewisses perverses Amüsement. In Anwesenheit von Armel Hostiou. 23.10., 11 h, Metro, Historischer Saal 24.10., 18.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus VALLEY OF LOVE F 2015, 93 Min, OmdU R: Guillaume Nicloux, D: Gérard Depardieu, Isabelle Huppert, Dan Warner, Aurélia Thiérrée Er sei, so die etwas strenge Isabelle zu Exmann Gérard, doch ziemlich fett geworden. Die beiden sehen einander nach langer Zeit in einem Touristenort in der amerikanischen Wüste wieder. Sie folgen dem Wunsch ihres gemeinsamen Sohnes, der sich das Leben genommen hat. Auch wenn VALLEY OF LOVE ein wenig konstruiert wirkt, ein paar erzählerische Schwächen hat und den «Cahiers du cinéma» nicht konveniert, so ist das semidokumentarische Kammerspiel in der Wüste ein singulärer Kinomoment, das erste filmische Wiedersehen von Isabelle Huppert und Taiwan 1971, 180 Min, OmeU R: King Hu, D: Hsu Feng, Shih Chun, Bai Ying Ach, würde sein Leben doch etwas aufregender verlaufen! Als der neugierige Gelehrte Gu in dem verlassenen Fort am Rande des kleinen Dorfes auf die junge schöne Schwertkämpferin Yang trifft, ist es vorbei mit der Langeweile. Und uns zieht er gleich mit hinein in sein Abenteuer aus Licht, Farbe und Bewegung, gemalt auf einer unendlichen Leinwand. Und gemeinsam mit ihm kommen wir aus dem Staunen nicht mehr heraus über schwerelose Helden im fulminant choreografierten Gewirbel der Körper und zartschwebenden Netz der Gefühle. XIA NU ist ein Meilenstein des Wuxia-Genres und ein Meisterwerk King Hus und nunmehr endlich strahlend restauriert zu sehen. 31.10., 23 h, Gartenbaukino XIU CHUN DAO (BROTHERHOOD OF BLADES) China 2014, 111 Min, OmeU R: Lu Yang, D: Chang Chen, Wang Qianyuan, Ethan Li, Zhou Yiwei Intrigen, Verschwörungen und Verrat befeuern so manchen zu Zeiten der Ming-Dynastie angesiedelten WuxiaFilm. Auch diesen. Shen, Lu und Yichuan stehen zwar in Diensten der kaiserlichen Geheimpolizei auf renommierten Posten, doch reicht der Verdienst nicht hinten und nicht vorne und für Luxus schon gleich gar nicht. Der Traum vom etwas bequemeren Leben motiviert die Freunde zu immer gefährlicheren Unternehmungen, die Lu Yang mit der passend explosiven Energie in Szene setzt. Das Heldentum von dermaleinst allerdings hat in der hier geschilderten von Korruption zerfressenen Welt keinen Platz mehr; erstaunlich: ein Schwertkampffilm noir. 24.10., 11 h, Metro, Historischer Saal 4.11., 23 h, Gartenbaukino 19 Dokumentarfilme A POEM IS A NAKED PERSON AUS DEM NICHTS (OUT OF THE VOID) BEHIND JIM JARMUSCH USA 1974/2015, 90 Min, OF R: Les Blank Leon Russell galt in den 60er und 70er Jahren als der «ultimate rock ’n’ roll session man», war aber auch als Solokünstler mit Zylinder und rostiger Stimme zwischen Country, Blues und Gospel erfolgreich. Les Blank verwurzelte den Musiker mit überwältigenden Naturaufnahmen und präzisen Milieustudien tief in jenem amerikanischen Hinterland, dem er ursprünglich entstammte. Aufgrund eines Zerwürfnisses der Protagonisten konnte der Film jedoch nicht fertiggestellt werden. Dies gelang erst Blanks Sohn Harrod, der damit einen Spruch falsifizierte, der noch vor wenigen Jahren kursierte: «Perhaps the greatest film about rock ’n’ roll that you will likely never see.» A 2015, 90 Min, OmdU R: Angela Summereder Eine neue Welt braucht eine neue Wissenschaft. In den 1920er Jahren fielen Carl Schappelers Forschungen zur Energiegewinnung aus Raumkraft auf geistesgeschichtlich fruchtbaren Boden, naturwissenschaftlich-technisch ging die Saat jedoch nicht auf. Dieser vielschichtige und klug konzipierte Film geht zunächst historiografisch einer spinnerten Idee nach, schlägt dann den Bogen in die Gegenwart und fragt bei Experimentalphysikern und Ingenieuren nach. Während in Aurolzmünster die Geister der Vergangenheit raunen, beugen sich in Indien stolze Forscher über wilde Maschinen. Wir erinnern uns an Tesla, der wurde auch verkannt. F 2011, 52 Min, eOF R: Léa Rinaldi Der Kultregisseur gestattete der französischen Filmemacherin Léa Rinaldi, ihn bei der Arbeit an seinem Spielfilm THE LIMITS OF CONTROL in Sevilla mit der Kamera zu begleiten und zu interviewen. Die Dokumentation fasziniert vor allem durch eine exquisite Kadrage mit sorgfältig komponierten Großaufnahmen von Händen, Gesichtern und Gerätschaften. Jarmusch wirkt nicht wie ein Kino-Diktator, sondern eher wie ein cooler Beobachter, der durch seine pure Präsenz kreative Prozesse in Gang setzt. Er selbst definiert seine Rolle allerdings aktiver: «I try to be patient, very, very hard. And then I explode.» In Anwesenheit von Harrod Blank (Produzent). 26.10., 18.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus 27.10., 13.30 h, Metro, Historischer Saal AND WHEN I DIE, I WON'T STAY DEAD. prOpOSiTiOnS BOB KAUFMAN, POET USA/P 2015, 89 Min, OF R: Billy Woodberry Woodberry, eine Legende des black american cinema, setzt hier dem BeatPoeten Bob Kaufman ein Denkmal. Der «afroamerikanische Rimbaud» war stark vom Jazz seiner Epoche beeinflusst und übersetzte die fiebrigen Rhythmen des BeBop in Verszeilen, die wie atemlose Improvisationen wirken. Der längst verstorbene Kaufman, der ein hartes Leben zwischen Armut, Sucht und Gefängnis führte, wird im Spiegel von Zeitzeugenberichten und Rezitationen noch einmal in seiner sinistren Glorie und seinem politischen Furor erlebbar: «Mein Kopf ist eine knochige Gitarre, bespannt mit Zungen, gezupft mit Fingern und Nägeln.» In Anwesenheit von Billy Woodberry. 23.10., 20.30 h, Urania 24.10., 13.30 h, Metro, Historischer Saal 20 In Anwesenheit von Angela Summereder, Othmar Schmiderer (Produzent) und Mitgliedern des Teams. 28.10., 21 h, Stadtkino im Künstlerhaus 29.10., 11 h, Metro, Historischer Saal In Anwesenheit von Léa Rinaldi. Mit TRAVELLING AT NIGHT WITH JIM JARMUSCH 31.10., 23 h, Metro, Eric Pleskow Saal 5.11., 11 h, Stadtkino im Künstlerhaus BEI XI MO SHOU (BEHEMOTH) BATTLES B/NL 2015, 88 Min, OmeU R: Isabelle Tollenaere «Wo der Kampf aussetzt, verschwindet zwar das Seiende nicht, aber Welt wendet sich weg.» Nach diesem Heidegger-Zitat geht BATTLES ohne weiteren Kommentar in die entgegengesetzte Richtung. Er wendet sich, visuell souverän, Orten zu, deren Verbindung zu vergangenem oder – im Falle der Bunker Albaniens – imaginärem Kriegsgeschehen spürbar, sichtbar, hörbar bleibt. Während in Belgien unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen Granaten aus dem 2. Weltkrieg detonieren, entste- hen in Russland aufblasbare Kampfbomber in Lebensgröße. Und was geschieht da wirklich in den verlassenen Kasernen des Baltikums? Nicht immer will man es so genau wissen. In Anwesenheit von Isabelle Tollenaere. 26.10., 18 h, Urania 27.10., 11 h, Metro, Historischer Saal China/F 2015, 94 Min, OmeU R: Zhao Liang Wie eine Nachricht von einem anderen Stern wirkt BEI XI MO SHOU. Verstörend und eindrucksvoll zeigt die Dokumentation die erschreckende Ausbeutung und Vernichtung der Ressource Natur und der Ressource Mensch im Riesenreich China. Am Beispiel einer riesigen Kohlenmine entsteht das Bild einer apokalyptischen Welt, einer Natur, die aussieht, als hätte man ihr die Farben entzogen. Menschen arbeiten Gespenstern gleich am eigenen Untergang. In solcher Monumentalität und Eindringlichkeit hat selten ein Film beschrieben, wie der Mensch zugleich Reichtum akkumuliert und sein eigenes Dasein zutiefst in Frage stellt. 23.10., 23 h, Urania 31.10., 23 h, Urania JE SUIS LE PEUPLE BEYOND ZERO: 1914–1918 USA 2014, 41 Min, kein Dialog R: Bill Morrison Das Material ist während des Ersten Weltkrieges mit kriegerischen Vorgängen (Marschieren, Kämpfen, Zerstören) belichteter 35mm-Nitratfilm. Den Score kreierte die serbische Komponistin Aleksandra Vrebalov unter der thematischen Maßgabe der Auseinandersetzung zwischen Kunst und Gewalt; das Kronos Quartett spielt und die Montage besorgt mit Morrison ein Meister des experimentellen Umgangs mit Dokumenten. Die mitunter massiven Beschädigun- THE BLACK PANTHERS: VANGUARD OF THE REVOLUTION USA 2015, 116 Min, OF R: Stanley Nelson Oakland 1967, nicht Ferguson 2015: Lederjacken und Sonnenbrillen, Militärbaretts und offen zur Schau gestellte Waffen gegen rassistische Polizeiwillkür. Auf dem Höhepunkt ihres Einflusses als «größte Bedrohung der nationalen Sicherheit» eingestuft, bildeten die militanten Inszenierungsstrategien der Panthers den sozialrevolutionären Kontrast zur schwarzen Bürgerrechtsbewegung – bis zur späteren Unterwanderung durch das FBI. Umrahmt von einem süffigen Politsoul-Soundtrack und mühsam aufgespürten Archivszenen erzählen BLA CINIMA (STRAIGHT FROM THE STREET) F/Algerien 2014, 82 Min, OmeU R: Lamine Ammar-Khodja Ein mit staatlichen Geldern renoviertes Kino in einem Land, wo das Kino kaum noch eine Rolle spielt. Selbst die Popcorn-Stände sind nach draußen abgewandert. Die Kamera verlässt den öden Saal und begibt sich zu einem belebten Vorplatz, auf dem die Rentner politisieren und die Jüngeren sich über ihre Zukunftsaussichten nur wenig Illusionen machen. Ein kluger Schachzug: Aus dem Abgesang auf die verschwindenden Leinwände wird unversehens eine dokumentarische Agora unter freiem Himmel, ein vielstimmiger Mikrokosmos der algerischen Gesellschaft. Inmitten des Gewusels der stoische Jungregisseur mit seinem stets aufnahmebereiten Mikrofonpuschel. 5.11., 18 h, Urania © Stephen Shames gen des Materials korrespondieren mit der Musik ebenso wie diese mit der Vernichtung korrespondiert, die die Bilder zeigen. Ein dreistimmiger Kanon über das Vergehen der Zeit und den immerwährenden Krieg. Mit LE PAYS DÉVASTÉ 3.11., 16 h, Metro, Historischer Saal überlebende Mitglieder der «Black Panther Party for Self Defense» erstmals ihre Version der Ereignisse. 24.10., 23.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus 3.11., 11 h, Metro, Historischer Saal LA BRAISE LES CENDRES (THE EMBER THE ASHES) F/Argentinien/CH/RUS/Mongolei 2015, 61 Min, spanOmeU R: Nicolas Azalbert Der Film des französischen Kritikers und Filmemachers Azalbert wagt eine fantasievolle, sinnliche und zugleich höchst konkrete Reise entlang der Texte des legendären, avantgardistischen Schriftstellers Blaise Cendrars. Keine cinephile Etude in Sachen Kino, sondern die spielerische Erkundung der Länder und Städte dieser Welt, der Nacht und der Wälder, der Bars und der Plätze, der Straßen von Buenos Aires und der Ebenen Sibiriens. Immer in Bewegung wird das Kino selbst zum Mittel des Entdeckens, überlagert, durchkreuzt, ergänzt durch die im Off gesprochenen Worte einer freien, assoziativen, poetischen Literatur. In Anwesenheit von Nicolas Azalbert. 25.10., 18.30 h, Metro, Historischer Saal 26.10., 15.30 h, Metro, Eric Pleskow Saal BREAKING A MONSTER USA 2014, 93 Min, OF R: Luke Meyer Die Versuchsanordnung ist bizarr: Auf der einen Seite die Heavy-MetalBand «Unlocking the Truth», eine Gruppe afroamerikanischer Teenager, die, wie einer der Musiker sagt, zu jung sind, um Verantwortung zu übernehmen. Auf der anderen der alte, mit allen Wassern gewaschene Musikmanager Alan Sacks, dessen natürliches Habitat die BusinessSuite ist und der für seine Klienten einen Millionen-Dollar-Kontrakt aushandelt. Der Film konzentriert sich auf die emotionalen Verwirbelungen der ungleichen Parteien und ist mit seinen kommunikativen Turbulenzen eine Art zeitgenössisches Gegenstück zum Metallica-Psychodrama SOME KIND OF MONSTER. 1.11., 23 h, Urania 2.11., 13 h, Gartenbaukino CENSORED VOICES Israel/D 2015, 84 Min, OmeU R: Mor Loushy Keine zwei Wochen nach Beendigung des Sechstagekrieges und selbst erst wieder Zivilist, nahm der heute berühmte Schriftsteller Amos Oz im Sommer 1967 die unmittelbaren Kriegseindrücke junger Soldaten, Kibbuzim wie er selbst, auf Band auf. Man ging in einen als überlebensnotwendig erkannten Krieg und kam 21 Dokumentarfilme drängenden Schnittfolgen – ein ästhetisches Aufbegehren der Jüngeren gegen den sie umgebenden Dämmerzustand. Das Gesicht der Mutter wie versteinert, und doch glaubt man ihr, wenn sie sagt, in ihrem eigenen Haus, dem zerbombten, habe sie sich wie eine Königin gefühlt. 4.11., 21 h, Metro, Historischer Saal nach einigen Tagen als dauerhafte Besatzungsmacht zurück. Den vollen Wortlaut dieser nachdenklichen, zweifelnden und auch über sich selbst erschrockenen Stimmen wollte und sollte über Jahrzehnte niemand hören. Bis jetzt. Sie sei «naiver als ein Hippie-Blumenmädchen», sagt die Presse der israelischen Siedlerbewegung über die junge Regisseurin. Wirklich? 2.11., 23 h, Urania 4.11., 11 h, Stadtkino im Künstlerhaus CLAUDE LANZMANN: SPECTRES OF THE SHOAH GB/Kanada 2015, 40 Min, OmeU R: Adam Benzine Als Claude Lanzmann 1985 nach langer Arbeit seinen epochalen Film über die Vernichtung der europäischen Juden fertigstellen konnte, fand er sich verwandelt. Aus dem wortgewandten Pariser Intellektuellen, engem Freund von Sartre und Liebhaber von Simone de Beauvoir, war durch die jahrzehntelange Beschäftigung mit den Mechanismen der NaziTodesmaschinerie ein suizidgefährdeter, fast gebrochener Mann geworden: «SHOA ist kein Film über jüdische Überlebende, es ist ein Film über den Tod.» Ihm, einem Überlebenden, ist dieses hochkonzentrierte Porträt eines Neunzigjährigen aus der Hand eines viel Jüngeren gewidmet. CONTRE-POUVOIRS (CHECKS AND BALANCES) Algerien/F 2015, 97 Min, OmeU R: Malek Bensmaïl Die Tageszeitung El Watan gilt in Algerien als Speerspitze der Verteidigung der Demokratie. Ein eigenes Redaktionsgebäude soll nun ein Symbol ihrer Unabhängigkeit werden. Während die Journalisten dessen Fertigstellung erwarten, verschärfen sich die politischen Debatten in der Redaktion. Denn der angeschlagene Präsident Bouteflika strebt im Wahlkampf 2014 nach einer vierten Amtsperiode. Bensmaïls zurückhaltende Kamera schaut einfach nur zu: auf der geschäftigen Baustelle des neuen Gebäudes wie auf der heißumkämpften Baustelle der Pressefreiheit und Demokratie in der Redaktion. In Anwesenheit von Malek Bensmaïl. 3.11., 18.30 h, Metro, Historischer Saal 4.11., 15.30 h, Metro, Eric Pleskow Saal Syrien/Libanon 2015, 98 Min, OmeU R: Sara Fattahi Großmutter, Mutter und die filmende Enkelin in einer äußerlich noch heilen Wohnung in Damaskus, wo sich der Krieg längst tief in die Seelen der Bewohnerinnen eingesenkt hat. Kaffeetrinken, Rauchen, Beten, endlose Soaps und Lageberichte im TV: Dem inneren Belagerungszustand begegnet die Kamera mit einer delikaten, intimen Poetik der Ermattung, jäh unterbrochen von heftigen, wie aus dem Unbewussten herauf22 CUERPO DE LETRA (EMBODIED LETTERS) Argentinien 2015, 77 Min, OmeU R: Julián d’Angiolillo Farbverschmierte Pick-Up Trucks wie aus dem Fuhrpark eines Jackson Pollock, beladen mit Leim und Sprühpistolen. Gespenstisch leuchten die illuminierten Pinsel des im Akkord arbeitenden Graffiti-Prekariats auf den Betonwänden der Stadtautobahnen, die den Parteien im Wahlkampf als transitorische Flächen ihrer allnächtlich übermalten Parolen dienen. Eine fantasmatisch-unbehauste Welt im Neonlicht, die von Eze und seinen Kumpels nicht nur gegen rivalisierende Schriftbrigaden verteidigt werden muss. Neues argentinisches Dokumentarkino in Hochform – unbehauen, Augen öffnend. 5.11., 18.30 h, Metro, Historischer Saal DREAMCATCHER GB 2015, 104 Min, OF R: Kim Longinotto COUNTING USA 2015, 111 Min, OF R: Jem Cohen In Anwesenheit von Adam Benzine. 23.10., 16 h, Metro, Historischer Saal 26.10., 15.30 h, Urania COMA Suche nach einer Welt, die im Begriff ist, sich selbst abhanden zu kommen. In Anwesenheit von Jem Cohen. 24.10., 21 h, Metro, Historischer Saal 25.10., 15.30 h, Urania Jem Cohen, bekannt geworden durch seine filmischen Kollaborationen mit Rockmusikern, betätigt sich hier in 15 Kapiteln als globaler Cine-Flaneur zwischen New York und Moskau, zwischen Porto und Istanbul, der alles, was der Fall ist, in intensiven Bildern und mit abrupten Schnitten dokumentiert. Der Vergleich zu Chris Marker liegt nahe, doch wo der verstorbene Meister des elaborierten Filmessays seine Arbeiten durch intellektuelle Kommentare anreicherte, erzählt Cohen fast nur mit Bildern und Tonaufzeichnungen: Der Mann mit der digitalen Kamera auf der Zwischen ihren Einsätzen auf den nächtlichen mean streets von Chicago und der Betreuung junger Frauen, die sich in einem Teufelskreis von Prostitution, Gewalterfahrungen und Drogensucht aufzureiben drohen, findet Brenda Myers-Powell gerade noch die Zeit, sich für ein Exemplar aus ihrer imposanten Perückensammlung zu entscheiden. Die ehemalige Sexarbeiterin macht sich und anderen nichts vor und arbeitet doch unermüdlich daran, einen Weg aus Selbstzerstörung und Fremdbestimmung aufzuzeigen. Statt dem genretypischen Wunsch nach dramatischer Zuspitzung eröffnet die ernüchternde Wiederholung individuellen Erlebens den Blick auf den Skandal strukturell reproduzierter Gewalt. In Anwesenheit von Kim Longinotto. 30.10., 18 h, Urania 31.10., 13.30 h, Metro, Historischer Saal LES FORÊTS SOMBRES (DARK FORESTS) HEART OF A DOG F/RUS 2014, 52 Min, russOmeU R: Stéphane Breton Am Ende von allem, im hinterletzten Winkel des südlichen Sibirien fristen ein paar verkrachte Existenzen ein kümmerliches Dasein. Manchmal treffen sie sich, um Neuigkeiten und Gerüchte auszutauschen, in erster Linie aber, um sich gemeinsam zu besaufen. Die Bilder ihres kargen Lebens in gleichgültig spektakulärer Landschaft stehen in einem Spannungsverhältnis zu dem von Denis Lavant gesprochenen Voice-over. Allein der Klang der Stimme verleiht den Bildern romanhafte Qualität. Auch die mit einem Mal einsetzende majestätische Musik zieht die nüchtern aufgezeichneten Sachverhalte ins Fiktive. Etwas Drittes entsteht: die lyrische Überhöhung menschlicher Daseinsmühen. USA 2015, 75 Min, OF R: Laurie Anderson Laurie Anderson ist Musikerin, Performanceartistin, Schriftstellerin, Malerin und eine höchst originelle Filmemacherin. HEART OF A DOG ist im Grunde die Geschichte ihres treuen Hundes Lolabelle. Zugleich aber ist Lolabelle ein Bild der Welt: Er ist das Lebendige schlechthin, die Erinnerung, die Gegenwart, das Glück und der Verlust. Gemischt werden Andersons Musik, Super-8Aufnahmen aus ihrer Kindheit, Dokumentarisches und Fiktives, 27.10., 11 h, Stadtkino im Künstlerhaus IL GESTO DELLE MANI (HAND GESTURES) I 2015, 80 Min, OmeU R: Francesco Clerici Am Ende kommt der faule Hund in die Kammer. Wird einsortiert in eine Jagdmeute, gegossen in Bronze in der Fonderia Artistica Battaglia, die 1913 in Mailand gegründet wurde und eine der ältesten und bedeutendsten Kunstgießereien Italiens ist. Die Entstehung dieses Hundes zeigt dieser Film. Wir sehen die Arbeit der Hände, folgen Bewegungen, die seit über hundert Jahren von Arbeiter zu Arbeiter weitergegeben werden und die von handwerkli- chem Können und von stolzgeprägter Sorgfalt zeugen. Der Prozess des Schaffens entwickelt, aufgelöst ins Gestische, seine eigene Poesie des Konkreten: Die Arbeit der Hände, sie ist der älteste Zugang des Menschen zur Welt. In Anwesenheit von Francesco Clerici und Martina DeSantis (Ko-Drehbuchautorin). 2.11., 16 h, Metro, Historischer Saal 4.11., 13 h, Metro, Eric Pleskow Saal Animation und Stimme. Und wer es ahnen mag, spürt, wie sie von jenem Menschen erzählt, den sie vor nicht allzu langer Zeit verloren hat, ihren Mann Lou Reed: «Every lovestory is a ghoststory.» 25.10., 13.30 h, Gartenbaukino 3.11., 23 h, Gartenbaukino HOTLINE Israel/F 2015, 99 Min, OmeU R: Silvina Landsmann Hotline ist eine im Wesentlichen von Frauen betriebene NGO, die sich in Israel um Flüchtlinge und illegale Immigranten kümmert. Die Gesetzeslage diesen gegenüber ist kompromisslos und treibt viele Hilfesuchende in die Illegalität. Umso wichtiger ist jede Form von zivilgesellschaftlicher Initiative. Wie schwer die Arbeit von Hotline ist, wie willkürlich ihr begegnet wird, ist gerade in einem Staat wie Israel mit seiner langen Geschichte von Flucht und Vertreibung unverständlich und im Grunde skandalös. Landsmann ermöglicht Einblicke in eine wenig bekannte Problematik, ihre Arbeit ist zugleich Zeugnis für den Mut und das Engagement Einzelner. In Anwesenheit von Silvina Landsmann. 24.10., 18 h, Urania 25.10., 13 h, Metro, Eric Pleskow Saal HOW TO SMELL A ROSE: A VISIT WITH RICKY LEACOCK IN NORMANDY USA 2014, 65 Min, OF R: Les Blank, Gina Leibrecht Exzellent kochen konnten beide, und beide zählen zu den bedeutendsten Vertretern des US-Dokumentarfilms des 20. Jahrhunderts. Les Blank (1935–2013), der filmende Gourmet aus den Südstaaten, besucht seinen in Frankreich lebenden Kollegen Richard Leacock (1921–2011), der sich derweil am Herd um den Pot-au-feu kümmert. Das Handwerk des Lebens, Liebens, Filmens und des Kochens, erfahrungsgesättigt durchgenommen von zwei lebenslangen Individualisten, die für ihr je eigenes soulfood keine vorgefertigten Rezepte benötigten. Kann man Filmemachen eigentlich lernen? – «Kann man denn das Riechen an einer Rose lernen?» In Anwesenheit von Harrod Blank (Produzent). Mit HAPPY MOTHER’S DAY 24.10., 16 h, Stadtkino im Künstlerhaus 25.10., 11 h, Metro, Historischer Saal I DON’T BELIEVE IN ANARCHY RUS 2015, 73 Min, OmeU R: Natalia Chumakova, Anna Tsyrlina Schon lange vor Pussy Riot gab es in Russland respektive der Sowjetunion rebellische Hardcore-Punks, die ohne Rücksicht auf Verluste provozierten. ZDOROVO I VECHNO porträtiert die sibirische Gruppe Grazhdanskaya Oborona (= zivile Verteidigung) und ihren charismatischen Sänger Yegor Letov in den Jahren 1985 bis 1990 und spiegelt auf der visuellen Ebene mit rohem Archivmaterial und schmucklosen Schwarzweiß-Aufnahmen den ungehobelten Sound der Band. Ein grobkörniger Kataklysmus aus Bild und Ton, in dem GrOb immer wieder mit der Staatsmacht zusammenkrachen und mit unerbittlicher Konsequenz ihr künstlerisches und politisches Programm realisieren. 26.10., 11 h, Stadtkino im Künstlerhaus 5.11., 23.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus 23 Dokumentarfilme IN JACKSON HEIGHTS JACO USA 2015, 190 Min, OmeU R: Frederick Wiseman Gentrifizierungsalarm in New Yorks multikulturellem Viertel Jackson Heights, wo Einwanderer in Jahrzehnten eine auf Toleranz gegründete Nachbarschaft geschaffen haben. Schwule Senioren treffen sich im jüdischen Gemeindezentrum, Latinos sehnen sich nach legalem Aufenthaltsstatus, Geschäftsmieten explodieren. Auch in seinem 40. Film bleibt Wiseman seiner Methode des genauen Hinsehens treu und gibt seinen Protagonisten die Zeit, ihre Sache, die keine geringe ist, zu vertreten. Hinter dem Geflecht von lokalen Geschichten und Gesichtern steht USA 2014, 110 Min, OmdU R: Paul Marchand, Stephen Kijak «Gestatten, ich bin der beste E-Basspieler der Welt.» Mit diesen Worten stellte sich der junge Jaco Pastorius einst Joe Zawinul, dem Chef der Fusion-Band Weather Report vor. Die vermeintliche Hochstapelei entpuppte sich als Wahrheit: Mit seinem vollen, runden Ton, dem raffinierten Akkordspiel und rasenden Läufen in der Tradition von Charlie Parker revolutionierte Pastorius den E-Bass wie niemand zuvor oder danach. Der Film mischt 8mm-Heimaufnahmen, Interviews und Konzertmitschnitte und spart auch Niedergang und frühen Tod nicht aus. Die zentrale Botschaft formuliert Basskollege Juan Alderete bündig: «Wir alle sagen, er ist unser Jimi Hendrix.» unübersehbar das politische System der USA und die Zukunft New Yorks als Melting pot auf dem Prüfstand. 29.10., 11 h, Gartenbaukino Nobelpreisträger Orhan Pamuk von einer leidenschaftlichen und unglücklichen Liebe im Istanbul der 1970er Jahre. 2012 entwirft er in einem Haus in Istanbul ein Museum, das Fotos, Erinnerungsgegenstände und Dokumente versammelt, die aus der Welt des Buches stammen. Eine faszinierende, fetischistische und imaginäre Parallelwelt, die in diesem großartigen Essayfilm noch weiter getrieben und zu einer kinematografischen Geschichte und Behauptung erweckt wird. Eine Art «Vertigo von Istanbul». In Anwesenheit von Grant Gee. 23.10., 18.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus 24.10., 13 h, Gartenbaukino IRIS USA 2014, 80 Min, OF R: Albert Maysles IN TRANSIT USA 2015, 76 Min, OF R: Albert Maysles, Lynn True, Nelson Walker, David Usui, Ben Wu Eine dreitägige Zugfahrt durch den Nordwesten der USA im legendären «Empire Builder» von Chicago nach Seattle. Aus anfangs vignettenhaften Begegnungen werden allmählich bewegende Momentaufnahmen der amerikanischen Seelenlandschaft – die Reisenden fast allesamt auf der Suche nach Neuanfang, Versöhnung, Introspektion. In North Dakota steigen die Glücksritter des Fracking aus, der alkoholkranke, traumatisierte Ex-Marine bleibt sitzen. Für ihn werde es wohl die letzte große Fahrt sein, sagt er zu dem 90-jährigen Regisseur Albert Maysles, für den dieser facettenreiche Soultrain selbst die letzte seiner vielen kinematografischen Reisen war. 27.10., 18 h, Urania INNOCENCE OF MEMORIES GB/IRL/I/TR 2015, 97 Min, OmeU R: Grant Gee In seinem Roman «Das Museum der Unschuld» erzählt der türkische 24 Merkwürdig, wie rundum angepasst doch viele der jüngeren Generation heutzutage seien, bemerkt wie nebenbei nach über neun Lebensjahrzehnten die vom fast gleich alten Albert Maysles porträtierte Iris Apfel. Hinter abenteuerlichen Brillengestellen, umgeben von einer zuletzt von internationalen Museen entdeckten Kleidersammlung, feilscht die Innenarchitektin und weitgereiste fashionista immer noch noch um grelle Accessoires und spöttelt über ihre neue Rolle als gefeiertes «geriatic model» der Modeszene. Exzentrik und Contenance, Lebensklugheit und nimmermüde Verspieltheit. Und wie ist das werte Befinden heute? – «Thank you, darling, I am still vertical.» 28.10., 18 h, Urania 5.11., 11 h, Metro, Historischer Saal 1.11., 23 h, Gartenbaukino 2.11., 15.30 h, Urania JANIS: LITTLE GIRL BLUE USA 2015, 115 Min, OF R: Amy Berg Nach den Dokus über Kurt Cobain und Amy Winehouse folgt JANIS: LITTLE GIRL BLUE über ein weiteres Mitglied des «Clubs der 27». Sie alle starben mit 27 Jahren an einer Überdosis. Während AMY sich scheinheilig kritisch mit der zynischen Vermarktung der Sängerin beschäftigt, geht JANIS mit den Dokumenten, den Aufnahmen und Geschichten zu Janis Joplin respektvoll und distanziert um und entwirft ein genaues, auch trauriges Bild einer der größten Musikerinnen der Popgeschichte. In manchen Momenten glaubt man fast, diese genialische Künstlerin zum ersten Mal zu sehen und ihre Stimme noch nie so gehört zu haben. Am 25.10. in Anwesenheit von Amy Berg. 25.10., 23 h, Gartenbaukino 28.10., 13 h, Gartenbaukino JE SUIS LE PEUPLE (I AM THE PEOPLE) F/Ägypten 2014, 111 Min, arabOmeU R: Anna Roussillon Mubarak – Morsi – Muslimbrüder – Militär; Januar 2011 bis Sommer 2013. Gespannt und hoffnungsvoll verfolgen der ägyptische Bauer Farraj und seine Familie in Luxor die Ereignisse auf dem fernen Tahrir-Platz in Kairo. Ein Zivilist an der Regierungsspitze und Demokratie scheinen plötzlich zum Greifen nah. Umso tiefer die Enttäuschung, als erneut die Generäle die Macht über- nehmen. Roussillon legt eine randständige Perspektive an die Ereignisse und deren allmählich immer weiter um sich greifende Wirkungen. So entsteht eine wunderbar lebendige und erkenntnisreiche Studie politischer Bewusstseinsbildung, die uns zudem Farraj und die Seinen zu Nachbarn macht. 5.11., 15.30 h, Urania JIA ZHANGKE, UM HOMEM DE FENYANG (JIA ZHANGKE. A GUY FROM FENYANG) Brasilien 2014, 98 Min, OmeU R: Walter Salles Recht und ihre Würde. Ein Close-up auf jenes Problem, das die EU nun schon seit Monaten zur Kenntlichkeit entstellt. In Anwesenheit von Jakob Brossmann und Mitgliedern des Teams. 26.10., 20.30 h, Gartenbaukino 27.10., 15.30 h, Urania LAST SHELTER Der Filmemacher Jia Zhangke, inzwischen Mitte vierzig, benennt Hunger und Armut als prägende Kindheitserinnerungen. Als Jugendlicher fürchtete er, sein Leben in der Festungsstadt Fenyang verbringen zu müssen, um nur wenige Jahre später zum prononcierten Chronisten der rasanten gesellschaftlichen Veränderungen zu werden. Er lässt seine Figuren erstmals in ihrem lokalen Dialekt sprechen, führt sie an Orte, die alsbald in den Fluten gigantischer Stauseen verschwinden werden und seziert den neuchinesischen Alltag als korrumpierende Einsamkeitsmaschinerie. Eine der maßgeblichen Stimmen des Weltkinos in einem kongenialen Kollegenporträt. 5.11., 13.30 h, Gartenbaukino A 2015, 101 Min, OmeU R: Gerald Igor Hauzenberger Es ist noch in lebendiger Erinnerung, dass vor nicht allzu langer Zeit eine Gruppe von Asylwerbern die Votivkirche besetzte, um auf ihr Schicksal aufmerksam zu machen und die drohende Abschiebung zu verhindern. Von großem medialem Echo begleitet, harrten die Menschen in der Kirche aus. Aber was wurde eigentlich aus ihnen? Was geschah damals? Und danach? Diesen Fragen geht LAST SHELTER beschreibend, erinnernd und recherchierend nach und schlägt einen Bogen von den damaligen Geschehnissen zur aktuellen, sogenannten Flüchtlingskrise. Und er stellt die Frage, wessen Krise das eigentlich ist? In Anwesenheit von Gerald Igor Hauzenberger und Mitgliedern des Teams. 24.10., 21 h, Stadtkino im Künstlerhaus 26.10., 18 h, Gartenbaukino LEONE, MÈRE & FILS (LEONE, MOTHER & SON) LAMPEDUSA IM WINTER A/I/CH 2015, 93 Min, OmeU R: Jakob Brossmann Der Titel deutet es an: Die italienische Insel, 110 Kilometer vor der tunesischen Küste gelegen und häufig das erste Ziel für afrikanische Flüchtlinge, die Europa erreichen wollen, ist im Winter ein besonders tristes Terrain. Die Dokumentation zeigt in hoher Verdichtung eine klaustrophobische Situation in einer kontaminierten geopolitischen Zone: Die Einwohner von Lampedusa sind überfordert vom permanenten Andrang und von einer allgemeinen Mangelsituation, die Asylsuchenden wiederum kämpfen verzweifelt um ihr F 2014, 40 Min, OmeU R: Lucile Chaufour Eine einfache Brasserie in der Pariser Peripherie irgendwann noch vor der Einführung des Euro. Hier bekocht und neckt die dralle, wasserstoffblonde Leone unter den ödipalen Blicken ihres geliebten, analpha- betischen Sohnes eine Gästeschar, die wie sie selbst direkt einem Film aus den Fünfzigern entsprungen scheint. Ganz heutig hingegen hinter dem grobkörnigen Schwarzweiß die hochbewegliche, zugewandte Kamera von Lucile Chaufour, die in ihren Filmen aus ihrer Nähe zu den sogenannten kleinen Leuten noch nie einen Hehl gemacht hat. In Anwesenheit von Lucile Chaufour und Bernhard Braunstein (Ton). Mit L’AMERTUME DU CHOCOLAT 26.10., 16 h, Metro, Historischer Saal 28.10., 11 h, Stadtkino im Künstlerhaus DAS LICHT DER WELT D 2015, 86 Min, OmeU R: Klaus Wyborny Es beginnt im Stadtkino, bei der Weltpremiere von STUDIEN ZUM UNTERGANG DES ABENDLANDES. Klaus Wyborny präsentiert seinen Film und filmt die Vorführung im Saal, den Film auf der Leinwand, den Raum, das Publikum, das Licht. Er wiederholt das in sieben Städten der Welt, überlagert, verschiebt, verkantet diese Lichtbilder zu einem neuen Film. Das Ding sieht gut aus und ist vielleicht als eine Art Schwanengesang auf die klassische Filmvorführung zu verstehen, schrieb Wyborny an seinen Freund Harun Farocki. Inzwischen ist Harun tot und das alte Stadtkino geschlossen. Und Wyborny wieder in Wien mit DAS LICHT DER WELT. In Anwesenheit von Klaus Wyborny. 29.10., 18.30 h, Metro, Historischer Saal 30.10., 13 h, Metro, Eric Pleskow Saal THE LOOK OF SILENCE DK/NO/FIN/Indonesien/GB 2014, 104 Min, OmdU R: Joshua Oppenheimer Joshua Oppenheimer hat parallel zu den verstörenden Täterporträts von THE ACT OF KILLING (2012), in dem er von den politisch motivierten, hunderttausendfachen Massenmorden nach dem indonesischen Militärputsch des Jahres 1965 erzählte, einen Film über die Opfer dieser Massaker gedreht. THE LOOK OF SILENCE begleitet den Optiker Adi, der die Mörder seines älteren Bruders aufsucht und sie mit ihren bis heute ungesühnten Verbrechen konfrontiert: Dokument und Meditation über den Terror, sensibel und atemberaubend – ein beeindruckendes, ein gültiges Werk. 23.10., 18 h, Gartenbaukino 25 Dokumentarfilme MGA ANAK NG UNOS, UNANG AKLAT (STORM CHILDREN, BOOK ONE) Philippinen 2014, 143 Min, OmeU R: Lav Diaz Im November 2013 wütete der Taifun Haiyan durch den Pazifikraum. Am schlimmsten traf es die Philippinen, wo er weite Landstriche verwüstete und mehrere zehntausend Todesopfer forderte. Scharen von Kindern waren plötzlich obdachlos, oft genug Waisen. Lav Diaz beobachtet, wie sie mit diesem neuen Leben zurechtkommen – in den Trümmern spielen, sich Geld oder zumindest etwas zu essen verdienen mit Arbeiten, für die sie häufig zu klein und schwach sind, durch den Tag kommen, irgendwie … In Schwarzweiß, sehr lang-bedächtigen Einstellungen, voller Hoffnung, gegen alle Vernunft. Dennoch. 25.10., 16 h, Stadtkino im Künstlerhaus MY NAME IS GARY F 2015, 85 Min, eOF R: Blandine Huk, Frédéric Cousseau In den 1960ern machte die Stahlindustrie Michigans aus Gary eine der Boomtowns der USA, eine «Stadt des Jahrhunderts». Aus den Südstaaten zuwandernde schwarze, ungelernte Arbeiter, aber auch Polen, Slowaken und Italiener veränderten die weiße Mittelstandsstadt. 1968 die erste USGroßstadt mit schwarzem Bürgermeister, ist Gary heute eine Geisterstadt, ein Restposten kapitalistischer Gewinnsucht. Vom rise and fall als klassisches Americana erzählen die Bilder der Vergangenheit und Zeugen der Geschichte vom Heute. Und der berühmteste Bürger der Stadt, Michael Jackson, wollte selbst irgendwann kein Schwarzer mehr sein. Mit DETROIT OVERTURE gibt es einige, dieser darf in seiner psychologischen Dichte als außergewöhnlich gelten. Für den Sohn des in Nürnberg als «Schlächter von Polen» hingerichteten Hans Frank wurde seine Geschichte auch eine publizistische Lebensaufgabe. Die irritierende Figur jedoch ist der Österreicher Horst Wächter, Sohn des Nazi-Gouverneurs von Galizien, Epizentrum des Holocaust. Der einstige Sekretär des jüdischen Künstlers Friedrich Hundertwasser wollte intuitiv ein nützlicher Mensch werden. Warum steigt er heute in ödipaler Verwirrung zu den ukrainischen Faschisten in den Jeep? 31.10., 13 h, Gartenbaukino 3.11., 18.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus THE NIGHTMARE NA RI XIAWU (AFTERNOON) Taiwan 2015, 137 Min, OmeU R: Tsai Ming-liang Seit Tsai Ming-liang den Scooterboy Lee Kang-sheng 1992 erstmals durch die verregneten Straßenschluchten Taipehs schickte, entfaltete sich eine bis heute andauernde, mit Preisen und Ruhm bedachte künstlerische Ausnahmekonstellation. In einem verwunschenen Zimmer sitzen sie nun, und beider Rollen scheinen zunächst unverändert – der hochsensible Regisseur neben seiner langjährigen Muse mit Pokerface, das intime Bekenntnisse und Todesahnungen seines Gegenübers gleichmütig passieren lässt. Abschied vom Leben und vom Kino oder eher doch notwendiges Inkubationsritual einer neuen Schaffensphase? Der Viennale-Trailer lässt auf Letzteres hoffen. 26.10., 13 h, Metro, Eric Pleskow Saal 30.10., 13 h, Metro, Historischer Saal NIEMALS WIEDER IST EINE INSEL SO WEIT WEG GEWESEN A 2015, 64 Min, OmeU R: Elisabeth Schlebrügge GB 2015, 92 Min, OmeU R: David Evans Filme über die Gefühlswelten von Nachkommen hochrangiger Nazis 26 USA 2014, 90 Min, OmdU R: Rodney Ascher Ascher war bereits mit ROOM 237 bei der Viennale zu Besuch, der dokumentarischen Recherche über die seltsamsten Fantasien und kruden Verschwörungstheorien um Kubricks THE SHINING. Nicht weniger abstrus und verstörend ist THE NIGHTMARE, die Darlegung eines psychomotorischen Phänomens, der Schlafparalyse. Dieser Zustand zwischen Schlaf, Traum und Wachheit, in dem der Mensch bewegungsunfähig intensive Hör- und Seherfahrungen macht, meist bedrohlich, beängstigend, horrorfilmartig, bietet Ascher reichlich Stoff, die Erzählungen und Erfahrungen Betroffener in wilde, fantasiereiche und schockierende Bilder zu übersetzen. 29.10., 23.30 h, Gartenbaukino 4.11., 13 h, Urania NO HOME MOVIE 31.10., 18 h, Urania 1.11., 16 h, Metro, Historischer Saal MY NAZI LEGACY: WHAT OUR FATHERS DID reicher gerät seine Entdeckungsreise. Verschiedene Inseln des Mittelmeers werden hier vermessen, ohne Kartografie, sondern in Bildern, Texten, Erinnerungen, Zeugnissen: das Gefängnis der Faschisten, die antiken Reste, vom Wasser überspült, vergessene Häfen und die Ahnung von alten Kulturen. Ein melancholischer und ganz gegenwärtiger, sanft und steinig und musikalisch anmutender Film zugleich. In Anwesenheit von Elisabeth Schlebrügge und Kurt Mayer (Produzent). Mit 320 FILOSOFIANA 29.10., 21 h, Stadtkino im Künstlerhaus 30.10., 15.30 h, Urania Dass das österreichische Kino immer wieder mit eigensinnigen Überraschungen zu erstaunen vermag, dafür ist dieser Filmessay ein schöner Beleg. Schwer zu beschreiben, wie er gebaut ist und wovon er erzählt, umso B/F 2015, 115 Min, OmeU R: Chantal Akerman NO HOME MOVIE ist eine Zumutung, sehr bewusst und verzweifelt, ein privates Dokument einer Tochter über ihre Mutter, ein Film über die Endlichkeit, die Hilflosigkeit und die Heimatlosigkeit. Und vielleicht, so stand in einer Kritik zu lesen, ist der Film im Grunde nicht für eine Öffent- lichkeit bestimmt. Aber das Private, das bis zur Schmerzhaftigkeit gesteigerte Eigene öffentlich zu machen, ist konsequente Strategie in Akermans filmischer Arbeit. Und die Gespräche mit ihrer todkranken Mutter sind in gewisser Weise das fast unerträgliche Ende davon. 3.11., 13.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus OLMO AND THE SEAGULL DK/Brasilien/P/S/F 2014, 85 Min, fOmeU R: Lea Glob, Petra Costa Jeder Spielfilm sei immer auch ein Dokumentarfilm über seine Schauspieler, ließ Jean-Luc Godard einst verlauten. Und was geschieht umgekehrt mit Schauspielern in einem Dokumentarfilm über ihr Leben, bei dem man aus dem Off die Regieanweisungen der Filmemacherinnen hört? Das Schauspielerpaar Olivia und Eugene erwartet unübersehbar ein Kind, begleitet von Ängsten, Zweifeln und emotionalen Anleihen bei der geplatzten Traumrolle, die der Schwangerschaft zum Opfer fällt. Das ergibt fein verästeltes Hybridkino – sie sind, wer sie sind und spielen sich zugleich selbst. Ganz früher einmal hätte man gesagt: zwischen «Fiktion und Wirklichkeit» angesiedelt. 5.11., 16 h, Stadtkino im Künstlerhaus ONCLE BERNARD – L'ANTI-LEÇON D'ÉCONOMIE (ONCLE BERNARD – A COUNTER-LESSON IN ECONOMICS) Kanada/E 2015, 79 Min, OmeU R: Richard Brouillette Unter den Opfern des Anschlags auf das Satire-Magazin «Charlie Hebdo» war der bekannte Ökonom und Wirtschaftsjournalist Bernard Maris, dessen radikale Analysen in der Öffentlichkeit großes Ansehen genossen. Im Frühjahr 2000 hatte Richard Brouillette den Autor in Paris besucht und mit Oncle Bernard, Maris’ Pseudonym, ein langes Gespräch geführt. Witzig, genau, spielerisch und auf höchstem Niveau analysiert ONCLE BERNARD Mythen und Lügen des Neoliberalismus, der Weltfinanz und der Globalisierungstheorien, voll spannender und erhellender Kritik an den gesamtökonomischen Verhältnissen. In Anwesenheit von Richard Brouillette. 27.10., 15.30 h, Gartenbaukino 28.10., 13 h, Urania PAUL SHARITS prOpOSiTiOnS Kanada 2015, 85 Min, OF R: François Miron Paul Sharits war so etwas wie der Flicker-King des nordamerikanischen Avantgardekinos. In seinen dicht gearbeiteten, schnell geschnittenen 16mm-Filmen, die fantasmatische Räume aufschließen und wie visuelle Kompositionen wirken, betreibt er eine konsequente Dekonstruktion der Parameter, die das Laufbild konstituieren. Regisseur Miron hat viele Kollegen und Experten interviewt und zeigt, dass Sharits, der im Alter von 50 Jahren früh verstorben ist, seine künstlerischen Innovationen einer romantischen und gequälten Seele abgerungen hat und mit zunehmenden Alter immer selbstdestruktiver operierte. Man könnte auch sagen: Flirting with desaster. In Anwesenheit von François Miron und Christopher und Cheri Sharits. Mit T.O.U.C.H.I.N.G 23.10., 20.30 h, Metro, Eric Pleskow Saal 24.10., 16 h, Metro, Historischer Saal RABO DE PEIXE prOpOSiTiOnS (FISH TAIL) P 2015, 103 Min, OmdU/OmeU R: Joaquim Pinto, Nuno Leonel Die globalisierte Industriefischerei bedroht einen der ältesten Broterwerbe der Menschheit mit dem Aussterben; gefangen im Netz der EURegeln findet der freie Fischer kein Auskommen mehr auf dem Meer. Das zwischen 1999 und 2001 in und um Rabo de Peixe (= Fischschwanz) auf der Azoren-Insel São Miguel aufgenommene Material dokumentiert die Bemühungen des jungen Pedro, den traditionellen Beruf seiner Vorväter weiter auszüben und zeigt eine Gemeinde am Haken der kapitalistischen Struktur: Die großen Fische verschlingen die kleinen Fische nicht nur auf hoher See. 28.10., 20.30 h, Metro, Eric Pleskow Saal (OmeU) 5.11., 13.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus (OmdU) SAG MIR MNEMOSYNE (TELL ME MNEMOSYNE) POSLEDNIY LIMUZIN (THE LAST LIMOUSINE) RUS/D 2014, 74 Min, OmeU R: Daria Khlestkina Mindestens so viele Katzen wie Arbeiter streifen durch das in den letzten Zügen liegende Automobilwerk ZIL in Moskau, Produktionsstätte der über Jahrzehnte ikonisch gewordenen Staatslimousine. Im maroden Inneren wie unter Glas Betriebsabläufe und Sozialbeziehungen der ehemaligen Sowjetunion, Leninbilder inklusive. Für einen vermeintli- chen Regierungsauftrag wird ein letztes Aufgebot qualifizierter Fachkräfte angeworben – Beginn einer postindustriellen Tragikömödie, so bitter wie burlesk. Gescheiterte Helden der Arbeit ohne passendes Schuhwerk, mit Gesichtern aber, müde und offen zugleich, die man so bald nicht aus dem Gedächtnis entlassen wird. 24.10., 13 h, Metro, Eric Pleskow Saal 1.11., 16 h, Stadtkino im Künstlerhaus D/GR/VAE 2014/15, 55 Min, OmdU/OmeU R: Lisa Sperling «Ein Zeichen sind wir, deutungslos», so beginnt Friedrich Hölderlins «Mnemosyne». Als posthume Hommage für den 2009 verarmt und vergessen verstorbenen Großonkel entstanden, begibt sich Lisa Sperlings Filmessay an jene Orte, wo der unbekannte Verwandte wirkte. Von wenigen Tagebucheinträgen ausgehend, gelingt hier neben anderem das Kunststück, zeitliche und emotionale Distanz in eine filmische Kontemplation über Möglichkeitsformen des Erinnerns umzumünzen und gleichzeitig die korrupte griechische Baugesetzgebung in einem einzigen Wellenbild zu versinnbildlichen. In Anwesenheit von Lisa Sperling. Mit DAUGAVA DELTA 27.10., 18 h, Metro, Eric Pleskow Saal (OmdU) 29.10., 13.30 h, Metro, Historischer Saal (OmeU) 27 Dokumentarfilme SALESMAN USA 1969, 90 Min, OF R: Albert Maysles, David Maysles, Charlotte Zwerin Die Brüder Maysles, Virtuosen des direct cinema und bekannt vor allem für die Rolling-Stones-Doku GIMME SHELTER und die Upperclass-Innenansicht GREY GARDENS porträtieren hier vier Vertreter, die in New England und Florida übers Land ziehen, um unwilligen Klienten Bibeln anzudrehen. Im Film, gedreht mit überaus agiler Handkamera, verschmelzen Ethik und Ästhetik zu einem beklemmenden Close-up eines kleinen gesellschaftlichen Ausschnittes der USA. Die «New York Times» schrieb: «Ein kinematografisches Wandgemälde aus Gesichtern, Worten, Motelräumen, Küchen, Straßen, Fernsehbildern und Radiomusik.» Mit MEET MARLON BRANDO 1.11., 13.30 h, Metro, Historischer Saal 4.11., 23.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus SANTA TERESA & OTRAS HISTORIAS (SANTA TERESA & OTHER STORIES) Dom. Republik/USA/Mexiko 2015, 65 Min, OmeU R: Nelson De Los Santos Aria SEIT DIE WELT WELT IST (SINCE THE WORLD WAS WORLD) A/E 2015, 103 Min, spanOmdU R: Günter Schwaiger Man möchte sich zu Gonzalos Familie an den Tisch setzen und hausgemachten Wein und Chorizo kosten. «Es ist eine Art zu leben, nicht schlechter oder besser als andere», sagt der Kleinbauer im beschaulichen Kastilien. Freilich, die kleine Dorfgemeinschaft wird langsam zwischen Arbeitslosigkeit und Überalterung zerrieben. Dem hält Gonzalo Selbstversorgung, gelebte Tradition und Naturverbundenheit entgegen. Schwaigers Porträt des klugen Freigeists ist zugleich eine Hymne an das ursprüngliche Spanien abseits der Metropolen, das angesichts von sozialem Umbruch und Wirtschaftskrise täglich ums Überleben kämpft. In Anwesenheit von Günter Schwaiger. 27.10., 20.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus EL SILENCIO DE LA PRINCESA (THE SILENCE OF THE PRINCESS) Die nördliche Region Mexikos mit Ciudad Juárez als Hauptstadt der Gewalt schlechthin gilt als beinahe unregierbares Gebiet im Griff brutaler Drogenkriminalität. Frei nach einer Geschichte des Chilenen Roberto Bolanos ist die Bordertown im vorliegenden Film unter dem Namen Santa Teresa eine abenteuerliche Mischung aus Realität und Fiktion und entgegen aller Erwartungen ein geheimnisvolles, unergründliches Babylon, ein Labyrinth aus Erotik, Verwirrung und Gewalt, jenseits der Klischees. Diese mutige und originelle Fiktionalisierung gibt dem Film einen ganz eigenen Ton und eine sehenswerte, spannende Anmutung und Perspektive. Mit BRUCE TAKES DRAGON TOWN 29.10., 18 h, Metro, Eric Pleskow Saal 30.10., 23.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus 28 Mexiko 2014, 84 Min, OmeU R: Manuel Cañibe Diana Mariscal war eine mexikanische Sängerin und Schauspielerin, die in den Sechzigerjahren eine Warhol’sche Viertelstunde Ruhm genoss. Die Dokumentation rekonstruiert das Leben der androgynen Schönheit, die als Go-Go-Girl und Rock’n’Roll-Ikone im Fernsehen begann und 1968 als verkrüppelte Hauptdarstellerin in FANDO Y LIS, einem wüsten, surrealistischen Fiebertraum von Alejandro Jodorowsky, ihren künstlerischen Höhepunkt erlebte. Wenig später erkrankte die Prinzessin an Schizophrenie und zog sich vollständig aus der Öffentlichkeit zurück. «Sie war eine Muse», heißt es im Film, «jemand der die gesamte Epoche repräsentierte – und gleichzeitig seiner Zeit voraus war.» 27.10., 15.30 h, Metro, Eric Pleskow Saal SOBYTIE (THE EVENT) NL/B 2015, 74 Min, OmeU R: Sergei Loznitsa Im August 1991 versuchen kommunistische Hardliner den damaligen Präsidenten der UdSSR aus dem Amt zu putschen und scheitern. Kurz darauf zerfällt die Sowjetunion, gründet sich die russische Föderation. In Leningrad versammeln sich die Menschen auf den Straßen und Plätzen, Informationen sind rar, die Ratlosigkeit groß; präventiv kann man ja schon mal Barrikaden bauen und streiken. Loznitsa montiert seinerzeit entstandenes Material mit bewährter Zurückhaltung und konzen- triert sich auf die Gesichter; man lernt: Im Moment ihres Geschehens ist Geschichte banal und du und ich sind auch durch bloßes Herumstehen daran beteiligt. 23.10., 13 h, Urania 27.10., 21 h, Metro, Historischer Saal LA SOMBRA (THE SHADOW) Argentinien 2015, 72 Min, OmeU R: Javier Olivera LA SOMBRA hat die Beziehung zwischen Erinnerung und Raum zum Gegenstand – sowie die zwischen Vater und Sohn. Der in Argentinien geborene, in Uruguay lebende Filmkünstler und Fotograf Olivera nimmt die Demontage und den Abriss der Familienvilla zum Anlass für eine Expedition in die Vergangenheit. Ihr Ziel ist weniger die Abrechnung mit Fernando Ayala, dem berühmten Tycoon des argentinischen Kinos, der Oliveras Vater war, als vielmehr die Erkundung einer aus Super-8-Homemovies gebildeten Kindheitsblase, die inmitten der Militärdiktatur wie schwebend aufgehängt ist. Wie kam es, dass niemand sie zerplatzen ließ? 27.10., 13 h, Metro, Eric Pleskow Saal STRANGE VICTORY USA 1948, 64 Min, OF R: Leo Hurwitz In einer prächtig restaurierten Fassung lässt sich dieses antirassistische, formal brillante Filmpoem von © 2015 Milestone Film & Video 1948 neu entdecken. Mit untrüglicher Intuition hält Leo Hurwitz seinem Land einen kinematografischen Spiegel vor, in den nach dem gewonnenen Krieg aber keiner blicken wollte: «Warum sind die Ideen des Verlierers im Land des Siegers noch wirksam?» Auf solche Fragen gab es in der US-Filmwelt des Kalten Krieges als Antwort Berufsverbot, die Schwarze Liste. Doch zu spät, denn der Sieger in diesem ungleichen Kampf steht fest: die physiognomische Zärtlichkeit, auf die die Kamera sich hier gegen die Angst der Menschen voreinander verständigt hat. 2.11., 13.30 h, Metro, Historischer Saal STRANNYE CHASTICY (STRANGE PARTICLES) RUS 2014, 51 Min, OmeU R: Denis Klebleev In seiner russischen Datscha geht der junge Universitätsprofessor Konstantin ganz in seinem Element auf: der Quantenphysik. Doch als er den Sommer als Aufsichts- und Lehrpersonal in einem Feriencamp verbringt, fühlt er sich wie ein Fisch an Land – in der sommerlich adoleszenten Welt der Jugendlichen ist wenig Platz für seine komplizierten Theorien. Es ist rührend, wie dieser hochintelligente Mann verzweifelt versucht, einen kleinen Anknüpfungspunkt an die «klassische Welt», wie er sie nennt, zu finden. Und der einzige, der sich bietet, scheint ausgerechnet Céline Dions Schmachtfetzen «My Heart Will Go On» zu sein. Mit WOMEN IN SINK 24.10., 13 h, Urania STRICHE ZIEHEN. (DRAWING A LINE) D 2014, 100 Min, OmeU R: Gerd Kroske Die Punkszene im Weimar der Achtzigerjahre war ein kleines Biotop des Widerstands gegen die allmächtigen Strukturen des DDR-Staates. Eine Gruppe verschworener Freunde, die im Keller Musik machten, sich die Haare wachsen ließen und nachts sprayten – «Macht aus dem Staat Gurkensalat». Bis einer seine Freunde der Stasi auslieferte. 30 Jahre später stel- len ihn der Film, seine alten Freunde und nicht zuletzt sein eigener Bruder, den er verraten hat, zur Rede. Das Vergangene ist nicht vergangen und die Wunden nicht verheilt. Davon spricht Kroskes Film, nicht inquisitorisch, sondern in einer zärtlichen Weise, traurig und fest zugleich. In Anwesenheit von Gerd Kroske. 30.10., 13.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus 1.11., 20.30 h, Urania Lollos Dokumentation konzentriert sich auf den Einfluss, den der klassische Autor Sholom Aleichem, ein großer Chronist des Schtetls, auf Bikels erfolgreiche Wiederbelebung jiddischen Liedguts hatte. 30.10., 16 h, Metro, Historischer Saal THE THOUGHTS THAT ONCE WE HAD USA 2015, 108 Min, OF R: Thom Andersen SUD EAU NORD DÉPLACER (SOUTH NORTH WATER TRANSFER) F/China 2014, 109 Min, chinesOmeU R: Antoine Boutet «Nan Shui Bei Diao» heißt das wahnsinnige Unterfangen, das auf eine Idee des großen Vorsitzenden zurückgeht und den Transfer von Wasser vom feuchten Süden in den trockenen Norden Chinas meint. Die Volksrepublik nimmt die biblische Ansage «Macht euch die Erde untertan» wörtlich, modelliert an der Erdoberfläche herum und verschiebt Menschenmassen, als wären’s die Minimöbel eines Puppenhauses. Die Folgen sind noch gar nicht absehbar, werden dafür aber weltumspannend sein. Boutet zeigt nicht nur die geo- logischen Verwüstungen, die das Projekt bereits verursacht hat, sondern auch die gesellschaftlichen Verwerfungen, die es nach sich zieht. 29.10., 11 h, Stadtkino im Künstlerhaus THEODORE BIKEL: IN THE SHOES OF SHOLOM ALEICHEM USA 2014, 75 Min, OF R: John Lollos Der sympathische Tausendsassa Theodore Bikel emigrierte nach dem Anschluss in die USA. Am Broadway wurde er der erste Captain von Trapp und keiner spielte so oft den «Fiddler on the Roof» wie er. Im Kino wie im Fernsehen veredelte er zahlreiche denkwürdige Nebenrollen, in Klassikern wie AFRICAN QUEEN oder MY FAIR LADY und Serien wie STAR TREK. Damit nicht genug, machte er auch als Folksänger Karriere und trat mit Bob Dylan und Joan Baez auf. Eine der einflussreichsten und interessantesten Theorien zur Geschichte und Begrifflichkeit des modernen Kinos stammt vom französischen Philosophen Gilles Deleuze. In seinen Studien zu Zeit und Bewegung des Filmbilds entwirft Deleuze eine eigene Theorie des Kinos und ein vielschichtiges Bezugssystem. Thom Andersen hat nun den gewagten Versuch unternommen, Argumentationslinien Deleuzes’ kinematografisch nachzuzeichnen durch die Auswahl von Texten und Beispielen der Filmgeschichte. Und Andersen gelingt, ohne in die Falle der Theorien zu gehen, das Unmögliche. Ein faszinierendes, kurzweiliges und spannendes Stück Kino. 31.10., 20.30 h, Urania 4.11, 16 h, Stadtkino im Künstlerhaus A TOCA DO LOBO (THE WOLF'S LAIR) P 2015, 102 Min, OmeU R: Catarina Mourão Anhand von Home Movies, Fotos, Briefen, Akten und in Gesprächen mit ihrer Mutter vollzieht die Enkelin des portugiesischen Schriftstellers Tomás de Figueiredo die Geschichte ihrer Familie nach. Sie fördert zutage, worüber nicht gesprochen wurde: den Aufenthalt des Großvaters in der Psychiatrie, den Onkel, der in den Untergrund ging, das Zerwürfnis zwischen Mutter und Tante. Jetzt, da sich der Nebel der Diktatur lichtet, Zeit vergangen und Unterlagen zugänglich sind, jetzt endlich lässt sich Sinn stiften auch in der eigenen Geschichte. In Anwesenheit von Catarina Mourão. 24.10., 20.30 h, Metro, Eric Pleskow Saal 25.10., 13.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus 29 Dokumentarfilme TOPONIMIA (TOPONOMY) prOpOSiTiOnS Argentinien 2015, 82 Min, OmeU R: Jonathan Perel Wer gibt dem Ort den Namen und warum? Wer baut aus welchen Gründen wo? TOPONIMIA zeigt vier Siedlungen in der argentinischen Provinz Tucumán, die Mitte der 1970er Jahre entstanden, die Namen militärischer Befehlshaber tragen und der Kontrolle dienten. Seinerzeit angesiedelt wurden dort die Überlebenden eines brutal niedergeschlagenen Aufstandes. Doch auch wenn man das nicht weiß, erinnert das Erscheinungsbild der Ortschaften nicht zufällig an Lager, und Perels genau getaktete Beobachtung, die auch eine Vermessung ist, macht die Gewalt in der Struktur sichtbar. 30.10., 21 h, Metro, Eric Pleskow Saal 1.11., 11 h, Metro, Historischer Saal TRAVELLING AT NIGHT WITH JIM JARMUSCH F 2014, 52 Min, eOF R: Léa Rinaldi Gewissermaßen das Sequel zur Doku BEHIND JIM JARMUSCH. Man könnte auch sagen: Das Nocturne zur ockerbraunen Tageslichtsinfonie der ersten Arbeit, denn dieses Mal dreht der Regisseur in Tanger den Vampirfilm ONLY LOVERS LEFT ALIVE. Jarmusch verzichtet darauf, direkt in die Kamera zu sprechen. Dafür wird der Zuschauer mit Close-ups auf den intensiven Interaktionsprozess Jarmuschs mit seiner Hauptdarstellerin Tilda Swinton belohnt. Für diese elegische Studie gilt uneingeschränkt: Night time is the right time. In Anwesenheit von Léa Rinaldi. Mit BEHIND JIM JARMUSCH 31.10., 23 h, Metro, Eric Pleskow Saal 5.11., 11 h, Stadtkino im Künstlerhaus UNE JEUNESSE ALLEMANDE zeugen vom hohen Reflexionsniveau und dem gedanklichen Reichtum damaliger intellektueller Debatten; sie zeigen aber auch eine abgrundtiefe Spaltung der Gesellschaft, geboren aus dem bitteren Konflikt der Generationen darüber, welche Lehren aus dem Nazi-Regime zu ziehen wären. In Anwesenheit von Jean-Gabriel Périot. 24.10., 23 h, Urania 25.10., 21 h, Metro, Historischer Saal prOpOSiTiOnS UNE PARTIE DE NOUS S’EST ENDORMIE (SOUND ASLEEP) F 2015, 45 Min, OmeU R: Marie Moreau Wer ist dieser Mann Djilali? Ein nordafrikanischer Clochard, der durch die Straßen von Avignon wandert, ein drogenabhängiger Haftentlassener, ein Verstoßener und Vergessener? Djilali ist das Gegenüber der Filmemacherin, die mit ihm durch die Stadt streicht, die Nacht mit ihm teilt, aus seinem Selbstgespräch einen Dialog formt. Dieses riskante filmische Unterfangen, sich einem Fremden zu nähern, ohne ihm nahezutreten, ihm zuzuhören, ohne ihn zu belauschen – dieser unerhörte Bastard von einem Film ist vielleicht eines der aufregendsten und ehrlichsten Dokumente des diesjährigen Festivals. In Anwesenheit von Marie Moreau. Mit EINE EINSTELLUNG FÜR HARUN FAROCKI 30.10., 19 h, Metro, Eric Pleskow Saal 31.10., 16 h, Metro, Historischer Saal (A GERMAN YOUTH) F/CH/D 2015, 92 Min, OmeU R: Jean-Gabriel Périot Wiedervorlage eines noch immer nicht verarbeiteten Kapitels der deutschen Geschichte: In einer dichten Montage aus Originalmaterial zeichnet UNE JEUNESSE ALLEMANDE den Radikalisierungsprozess nach, der die jungen Deutschen in den 1960er und 70er Jahren von der APO zur RAF und in den Schrecken von Stammheim führte. Dabei überzeugt der Film weniger mit seinem eher popkulturellen Ansatz als mit seiner Fülle historischer Dokumente. Sie 30 VISITA OU MEMÓRIAS E CONFISSÕES (MEMORIES AND CONFESSIONS) Portugal 1982/2015, 68 Min, OmeU R: Manoel de Oliveira Manoel de Oliveira hatte auch Pläne für die Zeit nach seinem Tod geschmiedet: In einem Tresor der Kinemathek in Lissabon ließ er VISITA OU MEMÓRIAS E CONFISSÕES aufbewahren und verfügte, dieser Film solle zu seinen Lebzeiten nie gezeigt werden. Er drehte ihn 1981, nach dem Bankrott seiner Textilfabrik, und nimmt mit ihm Abschied von dem Haus, das er zu seiner Hochzeit nach eigenen Plänen bauen ließ. Nun darf das intime Vermächtnis geöffnet werden. Die Filmwelt hätte gern noch länger abgewartet, bis de Oliveiras letztes Geheimnis gelüftet wird. (Siehe auch S. 42: Tribute Manoel de Oliveira) Vorfilm: CINÉMATON #102 F 1981, Gérard Courant, 3 Min, stumm 31.10., 21 h, Stadtkino im Künstlerhaus WAKE (SUBIC) USA/Philippinen 2015, 277 Min, OmeU R: John Gianvito Der zweite Teil einer großen Studie des amerikanischen Dokumentaristen John Gianvito über die Folgen des militärischen Kolonialismus der USA auf den Philippinen stellt die historischen Verbindungen und Zusammenhänge her, die über mehr als 100 Jahre hinweg die rücksichtslose und gnadenlose Unterwerfung dieser Inseln durch die Amerikaner demonstrieren; eine verlassene Militärbasis ist Beispiel für die Vergiftung und Zerstörung von Mensch und Natur in der Region. Ohne oberflächliche Entrüstung und Anklage ist Gianvito Zeuge, Rechercheur und Anwalt eines politischen Prozesses gegen sein eigenes Volk. In Anwesenheit von John Gianvito. 28.10., 18.30 h, Metro, Historischer Saal 29.10., 12.30 h, Metro, Eric Pleskow Saal WAN YU SHI DE REN (JADE MINERS) Taiwan/Myanmar 2015, 104 Min, OmeU R: Midi Z Das Geknatter des Presslufthammers ist insistierend. Als 2013 die Kämpfe zwischen der burmesischen Armee und der Kachin Befreiungsfront begannen, wurden die Jade-Minen der Region geschlossen. Seitdem wird dort ebenso illegal wie unorganisiert und selbstgefährdend nach dem wertvollen Stein gesucht. Midi Z macht in seiner Dokumentation keine großen Umstände; das Schicksal derjenigen, die da arbeiten, sagt er, sei universell. Es spiegelt sich im ewigen Dreiklang aus Arbeiten, Essen, Schlafen. Manchmal kommt auch noch ein vierter Ton dazu: Nachhause-Telefo- nieren beispielsweise, oder: Sterben. Der Presslufthammer aber fährt unbeeindruckt fort zu knattern. 3.11., 13.30 h, Metro, Historischer Saal WHITE COAL A 2015, 70 Min, OmeU R: Georg Tiller WELCOME TO LEITH USA 2015, 86 Min, OF R: Michael Beach Nichols, Christopher K. Walker Das Örtchen Leith in North Dakota liegt, wie man so sagt, «in the middle of nowhere»: 24 Einwohner, ländliches Ambiente, ein großer, offener Himmel, der sich über endlosen Feldern wölbt. Eines Tages taucht Craig Cobb auf, ein Mann mit grauem Haarschopf und sanfter Stimme. Doch im Schafspelz steckt ein Wolf: Der Neuankömmling ist ein «white supremacist», ein Neo-Nazi, ein «bad intruder», der die pastorale Idylle durch den Kauf von Ländereien hijackt und zu einem Hauptquartier des Rassismus ausbauen will. Eine anthropologische Studie über die zerstörerische Kraft des Terrors, suggestiv und beklemmend wie ein Horrorfilm. In Anwesenheit von Jenner Furst (Produzent). 25.10., 20.30 h, Metro, Eric Pleskow Saal 26.10., 11 h, Metro, Historischer Saal THE WOLFPACK Das größte Kohlekraftwerk der Welt steht in Taychung, Taiwan, und sieht mit seinen bunten Türmen und vielen Bäumen recht sauber und schön aufgeräumt aus. In Kontrollzentren beobachtet das Aufsichtspersonal Monitore, während andernorts riesige Bagger lärmend Braunkohle abtragen. Hoppla, mit einem Schnitt sind wir im Tausende von Kilometern entfernten Polen, und auch dort wird sich mit der Kohle geplagt. Wortlos, in Farbe und SchwarzWeiß, mal in statischen Einstellungen, mal vermittels ruhiger Fahrten kontrastiert Tiller Arbeitswelten. Und aus der räumlichen Differenz in der Gegenwart wird eine zeitliche – MEDIKAMENTE IM INTERNET KAUFEN? WISSEN SIE WIRKLICH, WAS SIE BEKOMMEN? Gefälschte Medikamente können töten. Gehen Sie auf Nummer sicher. Nutzen Sie das Logo. versandapotheken.basg.gv.at Initiative: hier Historie, dort Sience-Ficion. In Anwesenheit von Georg Tiller und Mitgliedern des Teams. Mit SITES 2.11., 18.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus 3.11., 15.30 h, Metro, Eric Pleskow Saal USA 2015, 89 Min, OF R: Crystal Moselle Die sechs Angulo Brüder haben ihre Kindheit und Jugend weggesperrt in einem Apartment im Herzen New Yorks verbracht. Ihr Vater wollte seine Familie vor den Gefahren und Verführungen der Außenwelt bewahren. Das, was die Kids vom Leben draußen wussten, hatten sie aus Videos, die sie in den vier Wänden nachspielten und neu erfanden. Bis eines Tages einer der Brüder die geschlossene Welt verließ und alles ins Wanken brachte. So unglaublich, so unvorstellbar und verrückt diese Geschichte ist, verschwimmen in THE WOLFPACK die Grenzen zwischen dem, was man so einfach Kino nennt, und dem, was das Leben vielleicht ist. 28.10., 15.30 h, Gartenbaukino 31.10., 13 h, Urania Kurzfilme 320 FILOSOFIANA A 2015, 18 Min, eOF R: Edgar Honetschläger Nahe der einstmaligen Bauernsiedlung Filosofiana, in der Stadt Piazza Armerina auf Sizilien stehen die Reste der spätrömischen Villa del Casale. Ihre gut erhaltenen, prunkvollen Mosaikböden veranschaulichen die ökonomische, auf Sklavenarbeit basierende Struktur der Zeit um 320 nach Christus. Zweimal aus Max Webers «Die sozialen Gründe des Untergangs der antiken Kultur» zitierend, schließt Honetschlägers Film den epochalen Paradigmenwechsel von damals mit den Migrationsbewegungen unserer Tage kurz. In Anwesenheit von Edgar Honetschläger. Mit NIEMALS WIEDER IST EINE INSEL … 29.10., 21 h, Stadtkino im Künstlerhaus 30.10., 15.30 h, Urania L’ AMERTUME DU CHOCOLAT (THE BITTER TASTE OF CHOCOLATE) F 2008, 13 Min, OmeU R: Lucile Chaufour BRUCE TAKES DRAGON TOWN USA/Taiwan 2015, 14 Min, OF R: Emily Chao DEPOSITIONS Von einem Sammler obskurer KungFu-Filme kaufte Chao eine wahrscheinlich von 16mm auf VHS kopierte und schließlich auf DVD gebrannte Fassung des 1974 gedrehten Popcorn-Movies BRUCE TAKES DRAGON TOWN (1976). Regisseur: ihr Onkel. Dessen mysteriöse Karriere erforscht die in New York lebende Videomacherin, legt dabei Zwischenräume der eigenen Familien- und der taiwanischen Filmgeschichte frei. So plastisch sich hier die Produktionslandschaften der USA und Taiwans kreuzen, so anschaulich verschränkt sich Politisches mit Privatem. In Anwesenheit von Emily Chao. Mit SANTA TERESA … 29.10., 18 h, Metro, Eric Pleskow Saal 30.10., 23.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus DAUGAVA DELTA Das Schwarzweiß, die Garderobe und die schwer datierbaren Gegenstände verleihen diesem Film eine Art Retro-Zeitlosigkeit. Sie entspricht seinem Sujet: eine junge, zu Schwermut neigende Mutter, mit ihren kleinen Kindern überfordert in einer Zelle der östlichen Pariser Hochhaus-Bannmeile. Zeug liegt am Boden verstreut. Die Tochter schreit. Intuitiv wehrt der Sohn sich gegen die drohende Verwahrlosung. Doch wer in Chaufours Film nur eine Studie sozialer Instabilität in Momentaufnahmen erblickt, lässt das parallel inszenierte und haargenau montierte Thriller-Element außer Acht. In Anwesenheit von Lucile Chaufour. Mit LEONE, MÈRE & FILS 26.10., 16 h, Metro, Historischer Saal 28.10., 11 h, Stadtkino im Künstlerhaus Seine Sympathie gilt dem kollektiven Helden, sprich: dem Ort selbst. Mit SAG MIR MNEMOSYNE 27.10., 18 h, Metro, Eric Pleskow Saal 29.10., 13.30 h, Metro, Historischer Saal LV/D 2014, 20 Min, OmeU R: Rainer Komers Einer von sieben Beiträgen zu einem Omnibusfilm über die Kulturhauptstadt Riga 2014. Ohne Talking Heads oder erklärendes Voice-over steht der Alltag am Daugava Delta für sich, die diversen Formen des Fischfangs, die Hafenlogistik, Touristen, die Menschen am Meer. Sprache wird oft durch Geräusche der Umgebung ersetzt. Stets bevor man sich an einem Bild festschauen kann, kommt der Umschnitt. Komers ist der postmoderne «Mann mit der Kamera», dessen anonyme Protagonisten sich zuvörderst über Bewegung mitteilen. GB 2014, 25 Min, OF R: Luke Fowler Es lohnt sich, auf die feinen Texturen und Töne zu achten. Bevormundende Talking Heads aus Fernseharchivmaterial der BBC Scotland sind das eine, aber was sind das eigentlich für Aufnahmen der schottischen Inseln und Highlands? Woher kommt diese fabelhafte Soundscape? Es geht um Gesellschaftsordnung, Lebensentwürfe und Zukunftsängste in den Seventies. Fowler liest das Material neu, mit der ganzen reflexiven Kraft des Mediums Film. Ein Traktat der Gegensätze: Wissenschaft und Aberglaube, Behauptetes und Sicheres, der Einzelne und die Gemeinschaft. Mit PROSPECTOR und JUKE … 23.10., 13 h, Metro, Eric Pleskow Saal 3.11., 20.30 h, Metro, Eric Pleskow Saal DETROIT OVERTURE A/USA 2015, 11 Min, kein Dialog R: Lisa Kortschak Eine Bühne, die Schauplatz einer Szene im Detroit-Teil von Jarmuschs wunderschönem ONLY LOVERS LEFT ALIVE war. Kein Vorhang. Kortschaks acht Künstler nehmen ihre Positionen ein. Und dann spielen sie, was das Zeug hält, bzw. was ihre genormten Instrumentarien halt so hergeben. Ein Verfallskonzert sondergleichen, eine moderne Moritat, ein Tränen treibendes Ironiestück verschwundener Kultur, das man nicht versäumen sollte. Die Performer applaudieren sich selbst, auf ihre Art. Kein Vorhang. In Anwesenheit von Lisa Kortschak. Mit MY NAME IS GARY 31.10., 18 h, Urania 1.11., 16 h, Metro, Historischer Saal 32 L’AQUARIUM ET LA NATION EINE EINSTELLUNG FÜR HARUN FAROCKI A/BIH/D/I/Taiwan/USA 2014/15, 25 Min, OmeU R: Diverse Arbeitsbedingungen, die Mechanismen und sozialen Bezüge des Kapitalismus hatten Harun Farocki, der im Juli 2014 die Welt verließ, immer umgetrieben. 2011 begann er mit seiner Frau Antje Ehmann das geradezu enzyklopädische Langzeitprojekt «Eine Einstellung zur Arbeit», IEC LONG bei dem in Workshops in 15 Städten weltweit mehr als 400 kurze Filme entstanden. Angelehnt an dieses Projekt hat seine Klasse an der Akademie der Bildenden Künste Wien Arbeiten für Harun Farocki versammelt. Work in progress, to be continued. In Anwesenheit von Mitgliedern des Teams. Mit UNE PARTIE DE NOUS … 30.10., 19 h, Metro, Eric Pleskow Saal 31.10., 16 h, Metro, Historischer Saal P 2014, 32 Min, OmeU R: João Pedro Rodrigues, João Rui Guerra da Mata Eine persönliche Reise von der Gegenwart Chinas in die koloniale Vergangenheit Portugals und retour. Ein materiales und intellektuelles Feuerwerk, eine verspielte Geschichte gefährlicher Kinderarbeit, eine Geistergeschichte: Für ihren vielgestaltigen Essay kehrten die Filmemacher zurück in die titelgebende BöllerfabrikRuine, die schon ein Ort ihres Langfilms THE LAST TIME I SAW MACAO HAPPY MOTHER’S DAY USA 1963, 26 Min, OF R: Joyce Chopra, Richard Leacock Am 23. September 1963 brachte Mary Ann Fischer Fünflinge auf die Welt – und die Welt kam über Aberdeen, South Dakota: Geschäftemacher, Paparazzi, Profiteure. Im Zuge dessen auch Leacock im Auftrag der «Saturday Evening Post». Womit die Sponsoren nicht gerechnet hatten, weshalb sie Leacocks Endfassung denn auch ablehnten: Der Film bestätigte nicht ihre Vorstellung einer glücklichen Muttertagsgeschichte, sondern wurde zum Vérité-Dokument des kommerziellen Anschlags auf eine bescheidene Kleinstadtfamilie. Mit HOW TO SMELL A ROSE … 24.10., 16 h, Stadtkino im Künstlerhaus 25.10., 11 h, Metro, Historischer Saal war, welcher wiederum aus erinnerten und imaginären Orten Macaos gespeist wurde. Wer dabei an Chris Marker denkt, liegt nicht falsch. Erinnerungen werden Fiktionen werden Erinnerungen. Mit LA FIÈVRE 3.11., 18 h, Urania 4.11., 11 h, Metro, Historischer Saal konstituiert IN, OVER AND OUT «sowohl eine Zeitreise in die Geschichte des Bewegtbildes als auch einen Kommentar zum zeitgenössischen Konzept immaterieller Arbeit» (Sebastian Brameshuber). In Anwesenheit von Sebastian Brameshuber. Mit 88:88 23.10., 23.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus 25.10., 18.30 h, Urania INSTITUTE ABOVE-GROUND D/Kuba 2015, 22 Min, OmeU R: Florian Zeyfang, Lisa Schmidt-Colinet, Alexander Schmoeger Wie kann man über (sozial-)visionäre Architektur erzählen, die auf der Strecke geblieben ist? Konkret über eine ehemalige Agrikulturschule nahe Güines in Kuba, angelegt 1961 als futuristische Schwebebausiedlung? Zum Beispiel so: Man befragt den greisen Architekten, erntet Archivmaterial des verlassenen Ortes, durchpflügt diesen mit der Wackelkamera, streut mit der Hand Textsamen ein und düngt alles mit einer IN, OVER AND OUT F/A 2015, 10 Min, kein Dialog R: Sebastian Brameshuber In der Tradition des strukturellen Experimentalfilms interpretiert Brameshuber ARBEITER VERLASSEN DIE FABRIK, die symbolische Geburt des Kinos. Das Werkstor ist hier der Personaleingang der französischen Kunstschule und Filmproduktionsstätte Le Fresnoy, die Protagonisten sind Studierende, die Kamera ist ein Dutzend Kameras aus verschiedenen Perioden, und so fruchtbaren Soundmischung. Heraus kommt die stimmig-spannende Geschichte eines dezentralen Bildungsinstituts, das heute wie eine ausrangierte Raumstation trotzig seiner weiteren Bestimmung harrt. In Anwesenheit von Lisa Schmidt-Colinet und Alexander Schmoeger. Mit MICROBRIGADES … 4.11., 18 h, Metro, Eric Pleskow Saal 5.11., 13.30 h, Metro, Historischer Saal 33 Kurzfilme L’INVISIBLE MEET MARLON BRANDO LA NOVIA DE FRANKENSTEIN CH 2015, 27 Min, OmeU R: Fabrice Aragno Ein Film wie eine impressionistische Gemäldegalerie, konstruiert wie ein Treppenhaus von M. C. Escher oder wie die Schleife des Möbius. Der Genfersee spielt eine Hauptrolle, mehr noch das Filmschaffen von Choux, Cocteau und natürlich Godard. «Montage» nennt der begnadete Kollageur Aragno, was er da mit Ausschnitten der Filmgeschichte macht, aber er macht es in einem derart beseelten Bild- und Tonrhythmus, dass man es Poesie nennen sollte. Schöne Frauen haben es ihm jedenfalls angetan, zumal die schmollmundige Amerikanerin Molly Ringwald als Cordelia in KING LEAR (1987). USA 1966, 28 Min, OF R: Albert Maysles, David Maysles Ein Mann, der nicht gewillt ist, sich selbst zu verkaufen. Nach ein paar Flops ist Brando zwar bereit, einen Medientermin für seinen Kriegsfilm MORITURI in New York wahrzunehmen – aber nicht bereit, das übliche Promotion-Gequassel abzusondern. Stattdessen flirtet er mit Journalistinnen, stellt trockene Gegenfragen, bestimmt die Themen und begibt sich auf die nonkonforme Metaebene. «The actor was never more appealing than in this candid camera cameo», schrieb die «New York Times» über das faszinierende Porträt der Brüder Maysles. Mit SALESMAN Argentinien 2015, 13 Min, OmeU R: Agostina Gálvez, Francisco Lezama Sie heißt Ivana und arbeitet den Sommer über in Buenos Aires für eine Agentur, die Wohnungen an Ausländer vermietet. Höflich empfängt sie die Touristen, hilft ihnen beim Geldwechsel und bei Sprachproblemen. Frankensteins Braut ist Ivana im wörtlichen Sinn, weil der von ihr elegant in den Wind geschossene Galan ihren neuen Lover Frankenstein nennt; im übertragenen Sinn aber, weil die Wirtschaftskrise Argentiniens ein Monster aus Lug und Betrug erschaffen hat. So ist Ivanas Welt auch eine genuin filmische: Wirkliches und Erfundenes mischen sich darin auf unauflösbare Weise. Mit MINOTAURO In Anwesenheit von Fabrice Aragno. Mit PUISSANCE … 2.11., 21 h, Metro, Historischer Saal 3.11., 13 h, Metro, Eric Pleskow Saal JUKE: PASSAGES FROM THE FILMS OF SPENCER WILLIAMS USA 2015, 29 Min, OF R: Thom Andersen JUKE mag man gleich noch einmal anschauen, so unfassbar, so reich ist er an vielsagenden, merkwürdigen Szenen. Da wird gesungen, geschaut, gelacht, getanzt, getrauert, gepredigt, da wird töricht, aggressiv, kriminell agiert. Diverse Repräsentationen afroamerikanischen Lebens in «race movies« der 1940er Jahre von und mit Spencer Williams, verdichtet von Thom Andersen. Achten Sie auch auf die Details, z. B. auf die zweite Reihe beim Applaus im Theater oder auf die Reaktion der Zuschauenden in der Szene mit dem kessen jungen Tanzpärchen! Mit PROSPECTOR und DEPOSITIONS 23.10., 13 h, Metro, Eric Pleskow Saal 3.11., 20.30 h, Metro, Eric Pleskow Saal 1.11., 13.30 h, Metro, Historischer Saal 4.11., 23.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus MICROBRIGADES – VARIATIONS OF A STORY D/Kuba 2013, 31 Min, OmeU R: Florian Zeyfang, Lisa Schmidt-Colinet, Alexander Schmoeger Im charakteristischen Collage-Stil mit Architekturaufnahmen, Interviews und Archivmaterial untersucht das Architekten-Filmemacher-Trio kubanische Strategien sozialen Wohnbaus der siebziger Jahre. «Microbrigadas» hießen jene oft von ihren Betriebsjobs freigestellten Laienbauarbeiter, die in Havanna Wohnblöcke wie San Agustín und Alamar in Selbstorganisation hochzogen. Den Wohnraummangel zu beheben, war ein Versprechen der Revolution gewesen; in der Praxis er- wies es sich als schwer einlösbar – nicht zuletzt, wenn es ans Verteilen der Wohnungen ging. In Anwesenheit von Lisa Schmidt-Colinet und Alexander Schmoeger. Mit INSTITUTE … 4.11., 18 h, Metro, Eric Pleskow Saal 5.11., 13.30 h, Metro, Historischer Saal 29.10., 13.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus ORCHARD STREET USA 1955/2014, 27 Min, stumm R: Ken Jacobs Was für ein still glänzendes Juwel, das Avantgarde-Veteran Jacobs da aus seinem Archivschatz gehoben hat! Als Jüngling drehte er mehr als ein halbes Jahr lang in seinem jüdisch belebten Heimatgrätzel, im Guerilla-Stil mit 16mm-Bell-&-Howell-Filmo und Kodachrome-Material. Großteils unbeobachtete, mitunter konfrontative Momente mit Menschen beim Spazieren, Schauen, Verhandeln, Einkaufen, Aufräumen machen das Lebensgefühl einer New Yorker Marktstraße anno 1955 erfahrbar. Niemand wollte damals seinen Film kaufen, heute ist er unbezahlbar. Der küssende Mann ist übrigens Jacobs selbst. Mit BRANDY IN THE WILDERNESS 2.11., 21 h, Stadtkino im Künstlerhaus 4.11., 13.30 h, Metro, Historischer Saal LE PAYS DÉVASTÉ F 2015, 12 Min, kein Dialog R: Emmanuel Lefrant Eindringlicher und verstörender als die handelsüblichen MainstreamApokalypsen aus der (Alp-)Traum- 34 fabrik: Negativbelichtung und Materialinterventionen sind Lefrants filmische Methoden, um deutlich und vor allem spürbar zu machen, dass die Dominanz des Menschen über die Natur keine gottgegebene ist. Chemische und nukleare Spuren, überhaupt der Ressourcen aufzehrende Charakter unseres Zeitalters werden dem geologischen Code des Planeten noch eingeschrieben sein, wenn das Anthropozän längst vorüber ist. In Anwesenheit von Emmanuel Lefrant. Mit BEYOND ZERO … 3.11., 16 h, Metro, Historischer Saal PROSPECTOR USA/Indien 2015, 14 Min, OF R: Talena Sanders Ein Satellit, ein Telefonat aus THE POSTMAN ALWAYS RINGS TWICE und Textausschnitte aus E.A. Poes «The Power of Words» werfen einander Echos auf allen Ton-, Symbolund Bildspuren zu. In Teilen fand der Film später Eingang in Godards HISTOIRE(S) DU CINÉMA: UNE VAGUE NOUVELLE. Mit L’INVISIBLE 2.11., 21 h, Metro, Historischer Saal 3.11., 13 h, Metro, Eric Pleskow Saal LE RÊVE DE BAILU (BAILU DREAM) Was haben Inder und «Indianer» gemeinsam, außer dass die einen zunächst für die anderen gehalten wurden, als nach der großen Überfahrt eben nicht Indien erreicht, sondern Amerika entdeckt worden war? Parallele Geschichten von Invasion, Kolonisierung, Assimilation und enttäuschten Hoffnungen im 19. Jahrhundert. In Sanders’ essayistischer Kollage werden die verwandten Aspekte der Tausende von Kilometern voneinander entfernten Kulturen auf originelle Weise kurzgeschlossen. «Hold on to your scalps!» In Anwesenheit von Talena Sanders. Mit DEPOSITIONS und JUKE … 23.10., 13 h, Metro, Eric Pleskow Saal 3.11., 20.30 h, Metro, Eric Pleskow Saal PUISSANCE DE LA PAROLE F 1988, 26 Min, OmeU R: Jean-Luc Godard Seit den Siebzigerjahren produziert JLG immer wieder auch Auftragsarbeiten für kommerzielle Marken, vom After Shave «Shick» (palästinensisch politisiert) bis zur Zigarettenmarke Parisienne (neutral schweizerisch). PUISSANCE DE LA PAROLE entstand als Teil einer Kampagne von France Télécom, die mit dem fertigen Imagefilm nichts anzufangen wusste und ihn nie ausstrahlte: F/China 2014, 12 Min, OmeU R: Nicolas Boone Mittlerweile ist er ja weltweit berüchtigt, der Fetisch der chinesischen Regierung, ganze Stadtteile und Dörfer in europäischen Baustilen erstrahlen zu lassen. Der Ort Bailu in der Provinz Sichuan ist also kein Einzelfall: Von einem Erdbeben 2008 zerstört, durfte er bloß als Kopie eines ohnehin nur eingebildeten französischen Städtchens wiederauferstehen. Leben Sie den gefälschten Traum vom sonnigen Savoir-vivre in dieser farbunechten Single-Shot-Erfahrung! Und kehren Sie nach der sexy Schlussperformance bitte rasch in die Realität zurück! Mit PSAUME gefügten Szenen entstanden, warum sind die alle farblos und vor allem: Warum lässt die Montage einen am Ende die eigene Wahrnehmung der (Unterhaltungs-)Filmgeschichte hinterfragen? Fragen, bei deren Beantwortung der überraschende Abspann definitiv behilflich sein kann. Mit WHITE COAL 2.11., 18.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus 3.11., 15.30 h, Metro, Eric Pleskow Saal T.O.U.C.H.I.N.G USA 1968, 12 Min, kein Dialog R: Paul Sharits Mit den emulsiven und mechanischen Mitteln des Kinos über die Mechanismen des Sehens zu reflektieren, war immer schon eine der vorzüglichen Aufgaben des strukturellen Experimentalfilms. T.O.U.C.H.I.N.G. ist daher kein PopArt-Werbevideo, sondern ein stroboskopisches, irgendwie zorniges und jede Sprachlogik oder gar Narration negierendes Flickerwerk von einem Film. Das Licht, die Schatten, die Farben und Texturen, die 16mmPerforationen als Hauptdarsteller – «the higher drama of celluloid» (Paul Sharits). In Anwesenheit von Christopher und Cheri Sharits. Mit PAUL SHARITS 23.10., 20.30 h, Metro, Eric Pleskow Saal 24.10., 16 h, Metro, Historischer Saal VIENNALE-TRAILER 2015: XIAO KANG Taiwan/A 2015, 2 Min, kein Dialog R: Tsai Ming-liang, D: Lee Kang-sheng 28.10., 18 h, Metro, Eric Pleskow Saal SITES D 2015, 8 Min, kein Dialog R: Volker Schreiner Leuchtzeichen in der Nacht, ein Versinken in den Wellen des Meeres, eine entfernte Karawane im schwarzgrauweißen Gebirge. Eine Triade der Elemente? Aber welche disparaten Töne und Musiken sind das, wo sind die irgendwie kongenial zusammen- Lee Kang-sheng spielte immer schon eine Doppelrolle beim genialen asiatischen Auteur Tsai Ming-liang: eher «Modell» im Sinne Bressons als Schauspieler und gewissermaßen Alter Ego seines Regisseurs. Mit dieser kleinen Hommage, der abgefilmten Projektion einer erratischen Stummfilmszenenfolge in einem Bambuswald, bedankt sich Tsai für die nun schon ein Vierteljahrhundert währende Kooperation bei seinem Miterwanderer eines Kinokontinents, auf dem die Uhren anders 35 Kurzfilme gehen, die Reflexionsräume riesig sind, Bewegung eine relative Größe ist und persönliche Erinnerung das Wesentliche. Mit CAROL und ANOMALISA Der Trailer wird während des Festivals als Überraschung immer wieder gezeigt. 22.10., 19.30 h, Gartenbaukino 22.10., 23.30 h, Gartenbaukino 5.11., 19.30 h, Gartenbaukino 5.11., 23 h, Gartenbaukino WOMEN IN SINK GB/Israel 2015, 36 Min, OmeU R: Iris Zaki Man müsste nur den Frauen des Staates Israel das Heft in die Hand geben, dann kämen die Religionen und Kulturen dort besser miteinander aus. Diese Erkenntnis gewinnt, wer Zakis Film gesehen hat. Ihre einfache, geniale Grundidee: Die Kamera montiert sie schräg über einer Waschmuschel und befragt als Haarwäscherin die Stammkundinnen (und Betreiberinnen) eines Frisiersalons im arabischen Viertel Haifas. Von diesen gesprächigen Frauen erfährt man Erhellenderes über das Zusammenleben der jüdischen, christlichen und muslimischen Bevölkerung als aus dutzenden Nachrichtenbeiträgen. Mit STRANNYE CHASTICY 24.10., 13 h, Urania 2.11., 13.30 h, Metro, Historischer Saal BLOOD AND PORN (63 MIN) BLOOD BELOW THE SKIN WO YAO PAI NV NV SE QING PIAN 2.11., 23 h, Metro, Eric Pleskow Saal WO YAO PAI NU NU SE QING PIAN (I AM GOING TO MAKE LESBIAN PORN) China 2014, 30 Min, OmeU R: Dajing Um Missverständnissen vorzubeugen: Der Titel des Films war gewissermaßen die Arbeitsgrundlage der eigenwilligen jungen Filmemacherin, wurde aber nur zu einem kleinen, dezent abgedunkelten und eingeröteten Teil des Programms. Spannender ist ohnehin, was Dajing selbst, die sich als «zum dritten Geschlecht gehörig» bezeichnet, ihre bisexuelle Freundin Xiao Ying und die heterosexuelle Ruo Han zu erzählen haben: über ihre Lust, ihre Körper und die Blicke der Männer, über ihre Familien, über die traditionell patriarchalen Strukturen der chinesischen Gesellschaft. THE COLOR OF THINGS (69 MIN) USA 2015, 33 Min, OF R: Jennifer Reeder Drei Mädchen aus derselben Schule in der Woche vor ihrer «prom night». Die eine muss ihre Mutter bemuttern, weil der Vater weg ist, die zwei anderen nähern sich auf delikat sensitive Weise einander an. Miteinander vertaktet sind die drei über die Musik, zuvörderst Joan Jett: Crimson and Clover! Ihre eigentümliche Handschrift zwischen (Alltags-)Drama, (Amateur-)Popkultur, (Traumabewältigungs-)Poesie und (magischem) Realismus hat Reeder auch nach dem Special auf der V’13 beibehalten, doch ist dieser Film ihr bislang vielleicht zugänglichster. Ein erster Langfilm über Teenage Life im ländlichen Kentucky ist in Vorbereitung. 36 USA 2014, 3 Min, kein Dialog R: Jennifer Reeves Neutral ist nichts hier: ein explosives Fest der Farben und Formen, der aufquellenden Blasen, brechenden Strukturen und reißenden Gewebe. Selten kommt die Materialität des Mediums so kompakt und vollendet zum Ausdruck wie in diesem von Hand gefertigten, flammenden 16mm-Psychokurztrip in ferne und doch zum Greifen nahe Mikrogalaxien. Und diese Soundscape! «The soundtrack mixes samples from rusty, dusty old machines, records and electric waves to suggest an aural passage through technological progress.» (Jennifer Reeves) THINGS GB 2014, 21 Min, OF R: Ben Rivers EL RITUAL DEL COLOR COLOR NEUTRAL THINGS BUFFALO JUGGALOS LANCASTER, CA In Anwesenheit von Mike Ott. 27.10., 20.30 h, Metro, Eric Pleskow Saal 28.10., 11 h, Metro, Historischer Saal EL RITUAL DEL COLOR BLOOD BELOW THE SKIN COLOR NEUTRAL A 2015, 3 Min OmeU R: Maria Luz Olivares Capelle Wer ist die weißgewandete Frau, die einfach so eine Farbpalette in den stumm zuckenden Schwarz-WeißFilm zaubert? Vielleicht die Herrin über das Farbritual, womöglich eine junge Bilddenkerin in Magierpose, aber jedenfalls keine Stummfilmdiva. Sorgfältig gefertigte und vergnügliche Konzept-Miniaturen wie diese, übrigens eine Heidenarbeit für nur knapp drei Minuten, bestärken den Glauben, dass ein geschichtsbewusstes Vexierspiel mit dem materialen Medium auch im Zeitalter der Digitalität nicht obsolet wird. Zeichnungen, Fotos, Filmstills, Bücher, Ausschnitte, Artefakte. Gesammelt im Zuge der Beschäftigung mit randständigen Menschen und abgelegenen Kulturen. Rivers lässt Bildund Tonfragmente kollidieren, arrangiert sie im Fabelmodus der vier Jahreszeiten. Seine Freundin liest aus Robert Pingets «Fable» (1971). In seinem Garten trifft ein echtes Eichhörnchen auf die Skulptur eines Eichhörnchens. Realität und Repräsentation. Die zentrale Fragestellung des Ethnografen kulminiert schließlich in einem 3D-Rendering der eigenen Wohnung – ein persönlicher, Resonanzräume öffnender Kunstgriff. BUFFALO JUGGALOS USA 2014, 30 Min, kein Dialog R: Scott Cummings In starren Tableaus taucht eine eigene Spezies auf. Sie schweigen, schlagen die Zeit tot, machen seltsame Sachen und wiederholen sich. Wie traurige Clowns oder müde Krieger im Kampf um Lebenssinn und Akzeptanz blicken sie in die Kamera, lassen sich in ein Performance-Korsett der redundanten Lüste und Ersatzhandlungen zwängen. Sie sind die Juggalos aus Buffalo, und sie konfrontieren uns. «I don’t think this film would exist without this process: commitment to form, documentary style preproduction, a surrendering of and rebuilding of the self, and, finally, a return to form.» (Scott Cummings) Schweizer Regisseur, der in Japan auf der Suche nach einem Thema für seinen Film ist. Ohne Japanisch sprechen zu können, versucht er mit Menschen, die wiederum kaum Englisch können, in Kontakt zu treten. Schließlich lenkt ein nettes junges Mädchen die Aufmerksamkeit des Suchers auf sich. Doch sobald er in ihr die Hauptperson seines Films gefunden glaubt, verabschiedet sie ihn auf so höfliche wie nachdrückliche Weise. PROVAS, EXORCISMOS FOR EXAMPLE (68 MIN) DO YOU KNOW AKANE OKAI? PROVAS, EXORCISMOS VENDREDI PAR EXEMPLE 30.10., 11 h, Metro, Historischer Saal 31.10., 18 h, Metro, Eric Pleskow Saal DO YOU KNOW AKANE OKAI? CH 2014, 12 Min, japanOmeU R: Raphaël Harari Wer sucht, findet nicht, aber wer nicht sucht, wird gefunden. So heißt es bei Kafka, so ähnlich geht es dem jungen NESTLER! STRAUB! (63 MIN) DIE HOHLMENSCHEN VON GRIECHENLAND L’ AQUARIUM ET LA NATION In Anwesenheit von Barbara Ulrich (Produzentin), Christiane Veschambre und Aimé Agnel (Schauspielerinnen). 30.10., 21 h, Metro, Historischer Saal 31.10., 16 h, Stadtkino im Künstlerhaus (TRIALS, EXORCISMS) P 2015, 25 Min, OmeU R: Susana Nobre Oscar hat 25 Jahre in einer Faserzementfabrik nahe Lissabon gearbeitet. Als diese Insolvenz anmeldet, gehen Oscar und seine Kollegen stur weiter zur Arbeit … Nobre hat Erfahrung als Arbeitsvermittlerin; nicht zuletzt mit Personal aus ihrem Dokumentarfilm VIDA ACTIVA beglaubigt sie den authentischen Duktus ihres mehrschichtigen Dramas. Nobre zitiert Henry Miller, als der Personalchef war: «Ich war wie ein Leuchtturmwärter: unter mir die Wellen, LANCASTER, CA USA 2015, 12 Min, OF R: Mike Ott Er steht auf finnische Mädchen, träumt von der finnischen Landschaft. Doch er steckt immer noch in der kalifornischen Wüste fest. Detailreich spricht er über sein verzwicktes Seelenleben: Cory Zacharia, schon Darsteller in Otts Langfilmen PEARBLOSSOM HWY und LITTLEROCK, hat sich diese Interviewsituation auf die Zunge geschrieben, einen persönlichen, intimen, berührenden Monolog. Am Ende radelt er auf dem Highway einer hoffentlich geborgeneren Zukunft entgegen. Wahrscheinlich nicht mit einem finnischen Mädchen. in der Lage scheinen. Nasse Natur im Universum eines Schlossparks. Meeresrauschen. Himmel. die Klippen, die Wracks. Ich konnte das Gefahrensignal geben, die Katastrophe aber nicht vermeiden ( …) Ich wünschte mich frei davon, und doch war ich magisch angezogen.» VENDREDI PAR EXEMPLE (FRIDAY FOR EXAMPLE) F 2015, 31 Min, OmeU R: Christophe Clavert Himmel. Meeresrauschen. Eine Frau in violetten Gummistiefeln, ein Mann mit Fischernetz, eine Begegnung am Strand. Die Konversationen, besser: Deklamationen der beiden sind eigenartig theatral – wobei Clavert einen Roman des aus den Vogesen stammenden Science-Fiction-Autors Pierre Pelot (hier als Pierre Suragne) zum Ausgang nimmt. Man kann staunen über diese eigentümlich geordneten Abläufe in eigenwillig starren Strukturen, die doch jederzeit in jede Richtung sich auftun zu können DIE HOHLMENSCHEN D 2015, 4 Min, OmeU R: Peter Nestler Etgar Kerets Schreiben ist geprägt vom Holocaust, von den Schuldgefühlen einer Familie, die überlebt hat. Seine kurze Geschichte über die Hohlmenschen – Stimmen ohne Körper, Masken ohne Gesichter, rachsüchtige Todesgeister – kondensiert die Kindheit eines kleinen Buben in ein paar Sätze, wirklichkeitsnah und surreal zugleich. Feinsinnig, mit eigenen Tuschzeichnungen, einer Holzmaske, einem Ölbild und Musik von Alban Berg komponiert Peter Nestler daraus eine kongeniale, eindringliche Bildgeschichte. VON GRIECHENLAND BRD 1965, 28 Min, OF R: Peter Nestler VON GRIECHENLAND reflektiert die Instabilität, die das griechische politische System im 20. Jahrhundert prägte. Im Sommer 1965 filmt Nestler die großen Demonstrationen gegen die vorzeitige Absetzung des liberalen Ministerpräsidenten Georgios Papandreou. Das resultierende Chaos auf den Straßen und die Forderung nach Neuwahlen setzen die griechische Regierung zusätzlich unter Druck. In der Folge übernimmt zwei Jahre später eine Militärjunta die Macht im Land. Die Zeitschrift «Filmecho/Filmwoche» bezeichnete VON GRIECHENLAND als «kommunistisches Machwerk». 37 Kurzfilme L’AQUARIUM ET LA NATION CH/F 2015, 31 Min, OmeU/OmdU R: Jean-Marie Straub Ein Film in drei Teilen. Ein Aquarium. Ein Mann, an einem Tisch sitzend, der verschiedene Textpassagen liest. Ein Ausschnitt aus dem Film LA MARSEILLAISE von Jean Renoir. Das Ganze ein Film von Jean-Marie Straub. Die Rede ist vom Schicksal, der Seele, dem Kosmos. Von einer Evidenz, in der der Mensch lebt wie im Aquarium, das ihn umgibt. Und schließlich die Nation, das Bild für die Gemeinsamkeit der freien Menschen. Ein Straub-Film ist eine Gabe, die nicht auf Austausch beruht. Das Gegenteil von Kommunikation. Was kann es Schöneres und Befreienderes geben? Im Leben. Fotografie aus der Zeit, als die Bilder gerade laufen lernten, ist sein Ausgangspunkt. Inspiriert vom vorfilmischen Massenmedium der Transparentmalerei und dessen lichtdramaturgischen Effekten, erweckt VINTAGE PRINT ein Naturmotiv zu pochendem Leben und lässt es als rauschend vibrierende Naturgewalt über die Betrachtenden hereinbrechen. VINTAGE PRINT HÖHENRAUSCH SELF SPOT (AN ATTWENGER TRILOGY) THESE WALLS WERE BUILT BY DONALD JUDD (ONE CHAPTER, IN TEXAS) CAPITAL CUBA THE EXQUISITE CORPUS 2. Screening zusätzlich mit: IN ROM MASCHILE – ROMA In Anwesenheit von Siegfried A. Fruhauf, Claudia Larcher, Johann Lurf, Sasha Pirker, Christian Ruschitzka, Peter Tscherkassky und am 4.11. Friedl vom Gröller. 25.10., 15.30 h, Gartenbaukino (ohne IN ROM und MASCHILE – ROMA) 4.11., 18.30 h, Metro, Historischer Saal (mit IN ROM und MASCHILE – ROMA) VINTAGE PRINT A 2015, 12 Min, kein Dialog R: Siegfried A. Fruhauf Und wieder ist Fruhauf seinem Traum vom Kino ein Stück näher gekommen. Paradoxerweise indem er sich in die Vorgeschichte des Kinos zurückbegeben hat: Eine einzelne 38 A 2015, 3 Min, OmeU R: Siegfried A. Fruhauf HÖHENRAUSCH A 2015, 3 Min, OF R: Christian Ruschitzka 30.10., 21 h, OmeU 31.10., 16 h, OmdU ÖSTERREICHISCHE KURZFILME (63 MIN / 69 MIN) SPOT (AN ATTWENGER TRILOGY) In der Kurzgeschichte «Der Empfang» des Dadaisten Konrad Bayer geben viele Leute einander reihum die Hand. Schließlich wird eine Hand auf den Boden geworfen. Der simple, rasch von Sasha Pirker verlesene Text bricht eine Routine auf, während Konzeptkünstler Ruschitzka eine von der Wiener Secession herausgegebene Postkarte ohne Zuoder Wegnahme von Material per Stop-Motion-Animation einem Neufunktionstest unterzieht – und zu einem so ironischen wie dreidimensionalen Ergebnis kommt. Adressiert an: Höhenrausch. SELF A 2015, 8 Min, kein Dialog R: Claudia Larcher Die Haut selbst. Poren, Flecken, Härchen, Pickel. Durchschimmernde Adern, Falten, Kurven. Aber was für Kurven? Larcher, von Natur aus keine Freundin der eindeutigen Bilder, dafür aber der zirkelschlüssigen Struktur, inszeniert das größte Sinnesorgan des Körpers als Mutationsflächenmonster. Vom mal rauschenden, mal glucksenden, mal zerbröselnden, mitunter schmatzenden und luftschnappenden und lautfetzenden Sound Constantin Popps erregt, driftet die Erkundungsreise in wer weiß welche Fantasielandschaften ab, um schließlich zum Anfang zurückzunüchtern. Welcher Horror da jeweils durch die Netzhäute und Trommelfelle des Publikums schlägt, ist eine Frage der Nerven. «Die Welt wahrnehmen, einfangen, bearbeiten und zu deinem eigenen Ding machen», so beschreibt Markus Binder, die eine Hälfte von Attwenger, die Funktionsweise seiner Band. Nicht zufällig lässt sich so auch die Arbeit von Experimentalfilmern beschreiben. Also zerstäubt Fruhauf, der auch schon Musikvideos für Attwenger produziert hat, Tracks aus dem neuen Album der Linzer und kondensiert sie mit seinen Bildern zu grobkörnigen Fragen: Sehen wir, was wir hören? Sehen wir, was wir sehen wollen? Lassen wir uns einlullen? Welche Wahrheit liegt hinter diesen Bildern? Oder war eh alles nur gelogen? THESE WALLS WERE BUILT BY DONALD JUDD (ONE CHAPTER, IN TEXAS) A/USA 2015, 6 Min, eOF R: Sasha Pirker «Do you know what a meat locker is?», fragt Rob Weiner von der Chinati Foundation die Filmemacherin. Sie lässt sich von ihm durch ein ehemaliges Schlachthaus in Marfa, Texas, führen, welches der Künstler Donald Judd 1979 gekauft und zum Ausstellungsraum umfunktioniert hat. Pirker durchforscht mit der Kamera und im Dialog mit Weiner den Raum. Mehr als für die Verdunkelbarkeit der Räume zu Präsentationszwecken scheint sie sich für den Blick durch die Cinemascope-Fenster nach draußen zu interessieren, wo der Verkehr vorüberzieht, niemand von Geschichte und Gegenwart des Ortes Notiz nimmt. «What are you gonna make here?» – «I don’t know.» CAPITAL CUBA Kuba/A 2015, 12 Min, kein Dialog R: Johann Lurf Ob Raketenstarts, Hollywood-Logos oder Speckgürtel-Kreisverkehre, Lurfs Filme fordern die Sinne des Zuschauenden nach subtil mutierenden Schnittmustern heraus. Einen und die erotische Lust am nackten Körper in eins setzen mit der sinnlichen Lust am Körper des materialen Films, der bald nur mehr – und daher der auf die assoziative «Cadavre Exquis»-Mischtechnik der Surrealisten bezogene Titel – eine schöne Leiche sein wird. Tscherkassky, wie immer, ein Traum. A 2015, 19 Min, kein Dialog R: Peter Tscherkassky Das Kino ein Traum. Hier scheint er im Kopf einer schlafenden Schönen am Strand abzulaufen, aber nicht wie ein Film, sondern wie mehrere Filme auf einmal, die aneinander reiben und saugen und zerren, sich ineinander schieben, zuckend verschmelzen, Stellungen wechseln Verwertungsgesellschaft der Filmschaffenden Collecting Society of Audiovisual Authors IN ROM A/I 2015, 3 Min, stumm R: Friedl vom Gröller Rom, ewige Stadt. Rom, offene Stadt? Vom Gröllers grobkörniges Reisedokument ist alles, nur kein Stadtporträt. Schnitte und Schwenks zwischen Mensch und Gemäuer. Blicke durch Schießscharten der Engelsburg oder auf erodiertes Mauerwerk des Mausoleums wechseln mit Großaufnahmen der Gesichts-, Ohren- und Nackenfaltenlandschaft des Gefährten der Künstlerin. Die spätere Öffnung in touristisch sehenswürdigere Zonen erweist sich als scheinbare – sie wird durch bizarre steinerne Fratzen und Gestalten konterkariert. Männer im frontalen Close-up. Sie schauen uns für ein paar Sekunden ernst an. Wie schauen sie aus? Wer ertappt sich nicht beim automatischen Versuch, die Gesichter einzuordnen, zu bewerten? «Inhaltlich August Sander («Menschen des 20. Jahrhunderts»), formal Pasolini (ACCATTONE) verpflichtet, erfüllte ich mir den Wunsch, in Form von Porträts vier verschiedene Gesellschaftsschichten abzubilden: Bauarbeiter, Künstler, Fleischhauer und Burschenschafter. Nicht alle sind Römer, aber alle wurden mit Hilfe derselben Regieanweisung in Rom gefilmt.» (Friedl vom Gröller) vdfs.at THE EXQUISITE CORPUS A/I 2015, 3 Min, stumm R: Friedl vom Gröller Wir vertreten die Rechte von Regie, Kamera, Filmschnitt, Szenenbild, Kostümbild & Schauspiel. wendigen Wahrnehmungsapparat verlangt auch dieser rhythmisch forcierte, soghafte Blickwechsel-Exzess, der in der Bucht von Havanna seinen Ursprungsort hat. Stärker noch als sonst bei Lurf geht es um die Wahrnehmung des Raums in der Zeit als physische Erfahrung. Wer das zu abstrakt findet, soll einfach reingehen, fühlen und selbst deuten. MASCHILE – ROMA Tributes DER MANN AUS ITUZAINGÓ Raúl Perrone – The Last of the Independents Den wahren unabhängigen Filmemacher erkennt man stets daran, dass sein Schaffen erst nach Dekaden eine weitere Verbreitung wie Anerkennung findet. Bei dem argentinischen Großmeister der kleinstmöglichen Formen, Raúl Perrone, hat es ein sattes Vierteljahrhundert gedauert, bis seine Werke mit einer gewissen Regelmäßigkeit jenseits des Ballungsraumes Buenos Aires zu sehen waren. Geboren 1952 in Ituzaingó, einem Quasi-Vorort der Kapitale, begann Perrone in den späten 1980ern, Filme zu drehen. Die Kulissen: Ituzaingós Straßen und Plätze; die Darsteller: wer gerade kann; das Licht: was die Sonne hergibt; das Material: Hauptsache, billig; Drehzeit: manchmal weniger als ein Tag; Handlung: so wenig wie möglich – das Gefühl von Leben, wie es so durch die Zeit zockelt, die Schönheit der Darsteller, deren Art zu sprechen und sich zu bewegen, ist für Perrone wichtig als jeder Plot, aller fein gefräster Dialog. Worum es ihm geht, ist Kino als Alltäglichkeit, Filmemachen als Suchen nach einer eigensinnigen, fast intimen Form von Poesie. Die Viennale präsentiert eine Werkschau Raúl Perrones, in deren Rahmen sein neuester Film, HIERBA, seine Welturaufführung erlebt. In Anwesenheit von Pablo Ratto (Produzent) und Roger Alan Koza (Kurator). LOS ACTOS COTIDIANOS Argentinien 2010, 81 Min, OmeU D: Adrián Aguilera, Soledad Aguilera, María Galván Gesten, die wir Tag für Tag ausführen, gedankenlos. 27.10., 16 h, Stadtkino im Künstlerhaus 40 Argentinien 1997, 77 Min, OmeU D: Gustavo Prone, Violeta Naón, Mauro Altschuler, Norberto Verea Das Leben: ein Treiben zwischen Videothek, Couch, Pool-Kneipe, Rohbau und Straße. Perrone gibt seinem inneren Godard mächtig Zucker, zumindest was die Verwendung von Farbe angeht: Man beachte beispielsweise das klatschrote Karosakko des glücklosen Protagonisten, den grellgrünen Pullover der jungen Frau, bei der er nicht so recht zu landen versteht, das Mittelhimmelblau, in welches eine Szene zwischen Traum und Wirklichkeit getaucht ist, oder das Hellocker im unteren Drittel einer Wand hinter dem Billardtisch. Diverse Tanz- oder sonstige Performance-Einlagen sowie ein besonders toller dreckiger Lacher von Perrone-Stammdarstellerin Violeta Naón sorgen für Freude. 29.10., 16 h, Stadtkino im Künstlerhaus HIERBA FAVULA Wie schon in OCHO AÑOS DESPUÉS wird auch hier eine Geschichte fortgeschrieben: die des alten Galván aus LA MECHA. Genauer, die seiner Nachkommen – LOS ACTOS COTIDIANOS dreht sich um seine Tochter Maria sowie deren Kinder und Kindeskinder. Noch weniger passiert hier, als man von Perrone ohnehin gewohnt ist – zu sehen und hören ist exakt, was der Titel verheißt: Alltagsverrichtungen, Rituale des Gewöhnlichen, die dem Leben eine Struktur verleihen. Die Ausbrüche in Pop-Fantasien oder Schwärmereien bleiben diesmal aus – nichts soll ablenken von der Vielzahl an meist winzigen GRACIADIÓ Argentinien 2014, 80 Min, OmeU D: Lucia Ozan, Nix Noise, Aleli Sueldo, Sara Navarro Ein exotisches Märchenspektakel voller simpler visueller Spezialeffekte – über Menschenhandel. Damit war selbst nach P3ND3JO5 nicht zu rechnen; etwas ästhetisch auch nur annähernd Vergleichbares findet sich nirgends bei Perrone. Fast scheint es, als wolle er nun, nachdem er sich zwanzig Jahre lang der Lumière’schen Idee vom Kino als Kunst der Wirklichkeitsaufzeichnung verschrieben hatte, auch deren Gegenteil erforschen: die Herstellung fremder Welten im Geiste Méliès’. So werden denn in FAVULA Bilder ineinander verschmolzen und künstlich eingefärbt, alldieweil die Figuren in melodischen Klangverzerrungen verträumt ins Leere starrend kommunizieren. 5.11., 23 h, Metro, Eric Pleskow Saal Argentinien 2015, 63 Min, kein Dialog D: Dulce Huilen Azul, Evelyn Cazal, Guilermo Quinteros, Nestor Gianotti (Siehe S. 12) 25.10., 19 h, Stadtkino im Künstlerhaus 28.10., 13.30 h, Metro, Historischer Saal LABIOS DE CHURRASCO Argentinien 1994, 61 Min, OmeU D: Fabián Vena, Violeta Naón, Gustavo Prone, Gigí de la Mota Szenen aus dem Alltag dreier Burschen mit viel Zeit und wenig zu tun. Macht nichts, denn: Gingen sie einem geregelten Tagwerk nach, P3ND3J05 könnten sie zum Beispiel nicht in einer Videothek herumhängen und sich von charmanten Damen Körbe abholen (die sie ihnen später wieder wegnehmen) oder an Trafiken dann doch nichts kaufen, aber mit dem Besitzer blöde Witze machen, oder aus Comics ein bißchen was fürs Leben lernen. Ein Frühwerk, in dem der ganze Perrone steckt: vom angenehm offensichtlich improvisierten Schauspiel über die kleinen pop-kulturellen Reverenzen bis hin zu seiner Freude am Weitwinkel-Objektiv. 2.11., 15.30 h, Metro, Eric Pleskow Saal LA MECHA Argentinien 2004, 71 Min, 0meU D: Nicéforo Galván, Gonzalo Freijó, Juan Manuel Hernández, Mauricio Guzmán Eines Morgens, nachdem er gefrühstückt hat, stellt der alte Galván fest, dass sein Gaskocher nicht so recht funktionieren will – es braucht einen neuen Docht. Was zuerst wie ein einfacher Einkauf wirkt, entwickelt sich zu einer kleinen Reise vom äußersten Rand der Vorstadt, der Stille des Waldes, hinein in jenes tosende Gebrodel, das man gemeinhin Zivilisation heißt. Die Welt hat sich verändert, ob zum Besseren oder Schlechteren, weiß allein der liebe Gott, für dessen Meinung sich hier allerdings niemand interessiert. LA MECHA ist der Film, den die meisten Argentinier als ersten nennen, wenn der Name Raúl Perrone fällt – ein Zentralwerk also. 23.10., 15.30 h, Metro, Eric Pleskow Saal 29.10., 23.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus OCHO AÑOS DESPUÉS Argentinien 2005, 78 Min, OmeU D: Violeta Naón, Gustavo Prone Anlässlich einer Vorführung von GRACIADIÓ kommt dessen Protagonistin, Violeta Naón, zurück nach Ituzaingó. Zum Post-Film-Gespräch (bei dem man allerhand über Perrones Arbeitsweise erfährt) taucht ihr Co-Star Gustavo Prone nicht auf – stattdessen wartet er auf sie, draußen bei einer geschlossenen Trafik. Seit acht Jahren haben sie sich nicht mehr gesehen. Langsam, beim Schlendern durch eine Stadtlandschaft im Umbruch, beim Essen, in Einstellungen von bis 25 Minuten Länge, kommen die beiden einander näher … Wieder? 31.10., 15.30 h, Metro, Eric Pleskow Saal P3ND3JO5 Argentinien 2013, 157 Min, OmeU D: Mariano Blanco, Yenien Teves, Eugenia Juarez, Fernando Daniel Die 3 lese man als E, die 5 als S, und heraus kommt pendejos. Was, je nachdem, wer’s zu wem sagt, von «Alter!» bis zu «Schwuchtel» alles mögliche bedeuten kann. P3ND3JO5 ist ein gewaltiger Entwicklungsschritt im Schaffen Perrones, hin zu einem radikal durchgestalteten Kino der Stilisierung und Poesie. Eine Art Musical in Schwarzweiß, mit Zwischentiteln statt Dialogen, in dem geskatet oder einfach nur hüpfend springend rennend Dampf abgelassen wird: als eine Art Tanz des Alltags. Perrones opus magnum, darin auch ein (vorläufiger?) Abschied von jenem minimalistischen Realismus, dessen Bilder- und Gestenwelt seine Arbeit bislang bestimmte. etwas Ermattetes – so als sei die Freizeit nicht mehr als ein schales Echo der Arbeit. Aber vielleicht ist es genau die Angst vor dem Erstarren in einer Routine der Ausbeutung, welche die beiden Frauen immer eng-inniglicher zusammenschweißt … Eines der ergreifendsten Werke Perrones. Mit SEM 26.10., 16 h, Stadtkino im Künstlerhaus SAMURAY-S Argentinien 2015, 110 Min, OmeU D: Ornella Retro, José Maldonado, Migual Sirna, Tony Alba 1.11., 15.30 h, Metro, Eric Pleskow Saal LAS PIBAS Argentinien 2012, 65 Min, OmeU D: Fiorella Yemina Aita, Yuliana Nerina Bustos, Néstor Gianotti Zwei junge Frauen zwischen Heim und Arbeitsstätte. Die Szenen, in denen man sie bei ihrer Lohnbeschäftigung sieht, sind vergleichsweise kurz und vermitteln doch die ganze, auf Dauer zermürbende Monotonie jeder Tätigkeit, der man bloß zu Erwerbszwecken nachgeht. Die Szenen zu Hause hingegen sind lang, allerdings liegt darin auch immer wieder (Siehe S. 16) 28.10., 18.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus SEM Argentinien 2011, 17 Min, OmeU D: Soledad Aguilera, María Galván, Emanuel Sosa Einige wenige Einstellungen; alle statisch, viele von hoch oben, so konzipiert, dass Schatten und Licht physisch wie symbolisch die richtige Stimmung ergeben, um die tödliche Wiederholung des alltäglichen Lebens einzufangen. Die Figuren sind in ihren Wohnungen wie verankert, in ihren Gesprächen teilt sich nicht viel mit; bis es zu einer Intervention von Außen kommt – Musik, die die Liebe desjenigen ausdrückt, der auf sie schaut. Und der ihre Fotogenität erkennt und ihre Würde. Mit LAS PIBAS 26.10., 16 h, Stadtkino im Künstlerhaus 41 Tributes HOW GREEN WAS MY VALLEY Der Filmemacher Manoel de Oliveira «Ich lasse im Bild immer viel Luft um die Figuren herum», sagte er einmal, «denn ihre Seelen brauchen Raum.» Welch ein Glück, dem Werk eines Filmemachers zu begegnen, der die eigene Arbeit so genau kannte und verstand! Gewiss, Manoel de Oliveira konnte sich mit Worten maskieren, sich listig hinter mundgerechten Deutungen verbergen. Wer wüsste besser als er, dessen Karriere mehr als acht Jahrzehnte umfasst, dass sich ein Regisseur nicht sofort in die Karten blicken lassen sollte? Aber vielleicht liefert der Satz ja doch einen Schlüssel zu dem auf leuchtende Weise asketischen Kino des Portugiesen, welches das vermeintlich Unverzichtbare gern ausspart, um das Unsichtbare umso klarer zum Vorschein zu bringen. Womöglich erklärt er die gespensterhafte, zugleich aber ganz konkrete Präsenz seiner Darsteller und die strenge, an Malerei und Theater geschulte Komposition seiner Bilder. Das Geheimnis der Intimität dieses Kinos enthüllt er nicht. Das, darauf vertraute der Regisseur voller Zuversicht, wird dem Zuschauer allein gelingen. Kuratiert von Pedro Costa. ACTO DA PRIMAVERA (RITE OF SPRING) P 1962, 90 Min, OmeU R: Manoel de Oliveira, D: Nicolau Nunes Da Silva, Maria Madalena, Francisco Luís, Ermelinda Pires musste ein glückliches Ende drehen. Die nach der Nelkenrevolution gezogenen Kopien enthalten beide Enden. Vorfilm: A CAÇA P 1963, Manoel de Oliveira, 21 Min, OmeU 27.10., 16 h, Metro, Historischer Saal AMOR DE PERDIÇÃO (DOOMED LOVE) P 1978, 261 Min, OmeU R: Manoel de Oliveira, D: António Sequeira Lopes, Cristina Hauser, Elsa Wallenkamp, António J. Costa Zwischen dem Start dieser beiden Filme verhaftete ihn die politische Polizei als Regimegegner, konnte ihm aber keine Straftat nachweisen: Seine Subversion ist subtiler. ACTO DA PRIMAVERA, der Dokumentation über ein Passionsspiel von Guimaräes, hat de Oliveira einen zweiten Boden der Reflexion eingezogen, indem er seine Kameras während der Karwochen-Prozession mitfilmt. Der Kurzfilm A CAÇA geht auf eine Zeitungsmeldung über eine Jagd zurück, die im Treibsand inmitten hilfloser Retter endet. Der Zensur war dieser Ausgang zu pessimistisch. Der Zensur war dieser Ausgang zu pessimistisch; de Oliveira 42 Präsenz gewinnen: die Leidenschaft als unwiderstehliche Kraft, die jedoch an gesellschaftlichen Vorurteilen scheitern muss. Dem Schriftsteller Branco begegnen wir übrigens als einer der Hauptfiguren in de Oliveiras nächstem Film, FRANCISCA, wieder. 5.11., 18 h, Metro, Eric Pleskow Saal O ESTRANHO CASO DE ANGÉLICA (THE STRANGE CASE OF ANGÉLICA) P/E/F/Brasilien 2010, 97 Min, OmeU R: Manoel de Oliveira, D: Ricardo Trêpa, Pilar López de Ayala, Leonor Silveira, Luís Miguel Cintra Was lag näher, als den ersten portugiesischen Farbfilm einem Maler zu widmen? In O PINTOR E A CIDADE setzt de Oliveira die urbane Erkundung Portos aus seinem Debütfilm fort. Sein Blick verharrt nun länger auf Menschen und Architektur; der Film eines gewissenhaften Flaneurs. Eigentlich wollte er anstatt dieses Dokumentarfilms jedoch O ESTRANHO CASO DE ANGÉLICA drehen, den er schon seit einem Jahrzehnt vorbereitete. Erst 2010 realisierte er das meisterliche Mysterienspiel, in dem die Kunst eines Fotografen eine Tote zu neuem Leben erweckt und in dem Ironie und Wehmut einander nie ganz aufheben. Vorfilm: O PINTOR E A CIDADE P 1956, Manoel de Oliveira, 27 Min, kein Dialog 30.10., 18.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus FRANCISCA Camilo Castelo Branco nannte man nicht von ungefähr den portugiesischen Balzac: Sein romantisches Hauptwerk AMOR DE PERDIÇÃO schrieb er in gerade einmal zwei Wochen. Mit dieser Variation von Romeo und Julia findet de Oliveira endgültig zu seinem Stil des asketisch komponierten Melodrams, bei dem die Affekte vor allem verbale P 1981, 167 Min, OmeU R: Manoel de Oliveira, D: Teresa Menezes, Diógo Dória, Mário Barroso, Rui Mendes Das portugiesische Filminstitut hatte einmal die Gepflogenheit, einen erstaunlichen Preis zu verleihen: für die besten Kritiken und die größte Zuschauerzahl. De Oliveira erhielt ihn 1982 für FRANCISCA, mit dem seine filmische Zwiesprache mit der Schriftstellerin Agustina Bessa-Luís begann. 1987 adaptierte er eine ihrer Novellen («De Profundis») für die Bühne und verfilmte 1993 ihren Roman «Vale Abraão». Mit ihr ver- FRANCISCA band ihn das Interesse am psychologisch filigranen Gesellschaftsporträt. Die Chronik eines tragisch endenden Liebestausches berührt ein weiteres Thema, das ihm teuer ist: die Jungfräulichkeit. 28.10., 15 h, Metro, Eric Pleskow Saal JE RENTRE À LA MAISON/ VOU PARA CASA (I’M GOING HOME) P/F 2001, 89 Min, OmeU R: Manoel de Oliveira, D: Michel Piccoli, Antoine Chappey, Leonor Baldaque, Leonor Silveira Ein zweifaches Porträt des Schauspielers Michel Piccoli, des großen Erforschers von bürgerlichem Glück und Unglück, der noch immer gefesselt ist von den subtilen Verwerfungen der Charaktere und den Abgründen in den menschlichen Beziehungen. De Oliveira zeichnet es ohne Altersmilde oder Sentimentalität. JE RENTRE À LA MAISON zeigt Piccoli in einer Phase, in der er längst weiß, dass man neben den Königen auch die Hofnarren spielen muss. In RENCONTRE UNIQUE wiederum spielt er einen Nikita Chruschtschow, der während einer Papstaudienz nicht bemerkt, dass er beides ist. Vorfilm: RENCONTRE UNIQUE P/F 2007, Manoel de Oliveira, 3 Min, stumm 1.11., 19 h, Metro, Historischer Saal DAR erzählt die Historie seines Landes anhand seiner Niederlagen und Abgründe. Ein Trupp von Soldaten diskutiert in der Abenddämmerung der portugiesischen Kolonialherrschaft in Afrika über den Untergang von Imperien und die Schatten, die von ihnen bleiben: «Für die Menschheit ist nicht wichtig, was man nimmt, sondern was man gibt.» De Oliveira hat ihn seinen Enkeln gewidmet. O CONQUISTADOR CONQUISTADO führt vor, dass auch der unvergängliche Ruhm der Eroberung seine Tücken hat. Vorfilm: O CONQUISTADOR CONQUISTADO P 2012, Manoel de Oliveira, 14 Min, eOF 26.10., 20.30 h, Metro, Eric Pleskow Saal P/F/CH 1993, 189 Min, OmeU R: Manoel de Oliveira, D: Leonor Silveira, Cécile Sanz de Alba, Luís Miguel Cintra, Ruy de Carvalho («NO», OR THE VAIN GLORY OF COMMAND) Serge Daney schrieb ihm, einen französischen Regisseur hätte man für diesen Film ins Gefängnis gesteckt: «NON», OU A VÃ GLÓRIA DE MAN- VISITA OU MEMÓRIAS E CONFISSÕES (MEMORIES AND CONFESSIONS) P 1982/2015, 68 Min, OmeU R: Manoel de Oliveira VALE ABRAÃO (ABRAHAM’S VALLEY) «NON», OU A VÃ GLÓRIA DE MANDAR P/E/F 1990, 111 Min, OmeU R: Manoel de Oliveira, D: Luís Miguel Cintra, Diogo Dória, Miguel Guilherme, Luís Lucas so, als könne sich ihre Geschichte nur an den Ufern des Douro zutragen. Vorfilm: DOURO, FAINA FLUVIAL P 1931, Manoel de Oliveira, 17 Min, kein Dialog 30.10., 15 h, Metro, Eric Pleskow Saal Das Motiv des Wassers zieht sich vom Anfang bis zum Ende durch sein Werk; noch in seinem Trailer für die letztjährige Viennale betrachtet er geduldig dessen Fließen. De Oliveiras Erstling DOURO, FAINA FLUVIAL vollzieht diesen Kreisschluss bereits in seiner Struktur: Die lusitanische Interpretation der Großstadtfilme von Ruttman und Vertov folgt dem Fluss von der Küste in seine Heimatstadt Porto und strebt am Ende wieder hinaus zum Meer. Auch VALE ABRAÃO variiert eine ausländische Vorlage («Madame Bovary»), erzählt sie aber Manoel de Oliveira hatte auch Pläne für die Zeit nach seinem Tod geschmiedet: In einem Tresor der Kinemathek in Lissabon ließ er VISITA OU MEMÓRIAS E CONFISSÕES aufbewahren und verfügte, dieser Film solle zu seinen Lebzeiten nie gezeigt werden. Er drehte ihn 1981, nach dem Bankrott seiner Textilfabrik, und nimmt mit ihm Abschied von dem Haus, das er zu seiner Hochzeit nach eigenen Plänen bauen ließ. Nun darf das intime Vermächtnis geöffnet werden. Die Filmwelt hätte gern noch ein wenig länger abgewartet, bis de Oliveiras letztes Geheimnis gelüftet wird. Vorfilm: CINÉMATON #102 F/BRD 1981, Gérard Courant, 3 Min, stumm 31.10., 21 h, Stadtkino im Künstlerhaus 43 Tributes AUSGEWÄHLTE LIEBLINGSFILME VON MANOEL DE OLIVEIRA ÉL Mexiko 1952, 92 Min, OmeU R: Luis Buñuel, D: Arturo de Córdova, Delia Garcés, Aurora Walker, Carlos Martínez Baena Die Berührungspunkte zwischen de Oliveira und Luis Buñuel sind ungeheuer vielfältig – schon allein aus topografischen Gründen: Der Portugiese und der Spanier hadern ähnlich inbrünstig mit dem Katholizismus und der bürgerlichen Gesellschaft, sind gleichermaßen fasziniert von religiösen Ritualen. Für Catherine Deneuve, die in beiden filmischen Universen zu Gast war, liegt ihre Nähe in der Verbindung zwischen dem Fantastischen und dem Konkreten. Das Nebeneinander von Transparenz und Rätsel, das de Oliveira bereits am mexikanischen Frühwerk seines Kollegen faszinierte, tritt in diesem grotesken Melodram besonders zum Vorschein. 2.11., 13.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus GERTRUD Dänemark 1964, 116 Min, OmdU R: Carl Theodor Dreyer, D: Nina Pens Rode, Bendt Rothe, Ebbe Rode, Baard Owe THE INFORMER USA 1935, 91 Min, OF R: John Ford, D: Victor McLaglen, Heather Angel, Preston Foster, Margot Grahame 14.11., 20 h VALE ABRAÃO 1993, Manoel de Oliveira, 189 Min, OmeU Vorfilm: DOURO, FAINA FLUVIAL 1931, Manoel de Oliveira, 17 Min, kein Dialog 15.11., 16.30 h und 26.11., 18.30 h ANIKI BÓBÓ 1942, Manoel de Oliveira, 71 Min, OmeU Vorfilm: O PÃO 1959/64, Manoel de Oliveira, 24 Min, OmeU 15.11., 20.15 h JE RENTRE À LA MAISON Die großen Regisseure sind in der Regel auch große Kinogänger. Die selbstbewussten unter ihnen suchen dabei keine Vorbilder, sondern schätzen vielmehr die Gesellschaft von Geistesverwandten. THE INFORMER, für den John Ford 1935 seinen ersten Regie-Oscar erhielt, ist fast noch ein Stummfilm, hält heroisch fest an der Symbolsprache einer vergangenen Kinoepoche. Nicht nur die Einheit von Zeit und Raum gemahnt hier an die Bühnenherkunft des Films. Die dräuende Atmosphäre einer nächtlichen Stadt lassen Ford, sein Kameramann und sein Szenenbildner nur aus ein paar Lampen und wenigen Studiowänden entstehen. 4.11., 13.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus 2001, Manoel de Oliveira, 90 Min, OmeU Vorfilm: RENCONTRE UNIQUE 2007, Manoel de Oliveira, 3 Min, stumm 16.11., 18.30 h und 29.11., 18.30 h BELLE TOUJOURS 2006, Manoel de Oliveira, 68 Min, fOmdU 16.11., 20 h VISITA OU MEMÓRIAS E CONFISSÕES 1982/2015, Manoel de Oliveira, 68 Min, OmeU OLIVEIRA L’ARCHITECTE 1993, Paolo Rocha, 60 Min, OmeU Vorfilm: CINÉMATON #102 1981, Gérard Courant, 3 Min, stumm 18.11., 18.30 h und 29.11., 16.30 h VIAGEM AO PRINCÍPIO DO MUNDO 1997, Manoel de Oliveira, 95 Min, OmeU 18.11., 20.30 h O PASSADO E O PRESENTE 1972, Manoel de Oliveira, 116 Min, OmeU 19.11., 18.30 h Der Tumult, der im Inneren seiner Figuren tobt, entfaltet sich in Dramen von verstörender Lautlosigkeit. Die Wucht ihrer Emotionen enthüllt sich in der unfassbar nüchterner Diktion seiner Darsteller. Die Seele sichtbar werden zu lassen, war seine schönste Sorge. Er filmte nicht nur die Uhr, er zeigte die Zeit. Was sich über den katholisch erzogenen Portugiesen sagen lässt, gilt in gleicher Weise für den Lutheraner aus Dänemark … «In GERTRUD hat Dreyer das Kino der Zukunft präsentiert», schrieb de Oliveira 2001 in einer Eloge für die «Cahiers du cinéma», «denn er wagte es, das Wort zu filmen.» 25.10., 15.30 h, Metro, Eric Pleskow Saal Das Tribute ist Teil eines größeren, Manoel de Oliveira gewidmeten Programms, das die Viennale und das Österreichische Filmmuseum mit großzügiger Unterstützung der Cinemateca Portuguesa in diesem Herbst gemeinsam veranstalten. Im Anschluss an das Festival wird die von Pedro Costa für die Viennale getroffene Auswahl im Filmmuseum wiederholt und um weitere 8 Programme ergänzt. PROGRAMM FILMMUSEUM BENILDE OU A VIRGEM MÃE 1975, Manoel de Oliveira, 106 Min, OmeU 22.11., 14 h AMOR DE PERDIÇÃO 1978, Manoel de Oliveira, 261 Min, OmeU 23.11., 20.45 h O ESTRANHO CASO DE ANGÉLICA 2010, Manoel de Oliveira, 97 Min, OmeU Vorfilm: O PINTOR E A CIDADE 1956, Manoel de Oliveira, 27 Min, kein Dialog 25.11., 20 h FRANCISCA 13.11., 18.30 h und 25.11., 18.30 h 1981, Manoel de Oliveira, 167 Min, OmeU PORTO DA MINHA INFÂNCIA 27.11., 20.30 h 2001, Manoel de Oliveira, 60 Min, OmeU Am 13.11. mit einer Einführung von J. M. Costa. «NON», OU A VÃ GLÓRIA DE MANDAR 13.11., 20.30 h ACTO DA PRIMAVERA 1962, Manoel de Oliveira, 90 Min, OmeU Vorfilm: A CAÇA 1963, Manoel de Oliveira, 21 Min, OmeU 1990, Manoel de Oliveira, 111 Min, OmeU Vorfilm: O CONQUISTADOR CONQUISTADO 2012, Manoel de Oliveira, ca. 15 Min, eOF 30.11., 18.30 h CRISTÓVÃO COLOMBO – O ENIGMA 2007, Manoel de Oliveira, 78 Min, OmdU 14.11., 18.30 h und 28.11., 17 h SINGULARIDADES DE UMA RAPARIGA LOURA 2009, Manoel de Oliveira, 63 Min, OmdU Am 14.11. mit einer Einführung von J. M. Costa. 44 Tickets für diese Vorstellungen sind über das Filmmuseum zu beziehen. www.filmmuseum.at CHOREOGRAFIE DES BEGEHRENS widmeten Viennale-Retrospektive gezeigt (siehe ab S. 56). Am 30.10. in Anwesenheit von Tippi Hedren. 30. 10., 20.30 h, Filmmuseum 28. 11., 20.30 h, Filmmuseum Hommage an die Schauspielerin Tippi Hedren Als Alfred Hitchcock 1961 die damals 31-jährige Nathalie ‹Tippi› Hedren persönlich unter Vertrag nahm, war er einmal mehr auf der Suche nach dem von ihm bevorzugten Typ der kühlen Blondine. Allerdings war Hedren zu diesem Zeitpunkt keine Schauspielerin, sondern ein New Yorker ModeMannequin, das bislang lediglich in einigen Werbefilmen aufgetreten war. Doch nach einem erfolgreichen Screentest gab ihr Hitchcock in seinem Thriller THE BIRDS die Rolle der Melanie Daniels, die sich in einer nordkalifornischen Kleinstadt unerklärlichen Vogelangriffen erwehren muss. Ebenso kompetent konnte sie die Hauptrolle in Hitchcocks nächstem Film MARNIE ausfüllen: In dem düsteren Psychodrama verkörpert sie eine frigide Kleptomanin, deren seelische Störung Folge eines Kindheitstraumas ist. Während der Dreharbeiten kam es jedoch zum Zerwürfnis zwischen Hedren und Hitchcock, der ihr nach eigener Aussage aufdringlich nachstellte. Ihre Ablehnung nahm er offenbar zum Anlass, sie bis zum Auslaufen ihres Vertrages nicht weiter zu beschäftigen und alle an sie gerichteten Rollenangebote abzulehnen. Hedrens vielversprechend begonnene Karriere kam kurzfristig zum Erliegen. Dass die in langen Jahren von Tippi Hedren und ihrem damaligen Ehemann Noel Marshall mit zahlreichen Raubkatzen produzierte Abenteuerkomödie ROAR (1981) an den Kinokassen katastrophal floppte, erwies sich als weiterer Rückschlag. In den folgenden Jahren engagierte sich Hedren unter anderem aktiv für den Tierschutz und für wohltätige Zwecke und ist vor allem seit den 1990er-Jahren auch wieder konstant als Schauspielerin in Kino und Fernsehen aktiv. THE BIRDS USA 1963, 120 Min, OF R: Alfred Hitchcock, D: Tippi Hedren, Rod Taylor, Jessica Tandy, Suzanne Pleshette Einer der effektivsten Thriller Hitchcocks: In einem apokalyptischen Szenarium greifen ganz normale Vögel wie Spatzen, Möwen und Krähen die Bewohner der kleinen Küstenstadt Bodega Bay in Nordkalifornien an. Mittendrin: der Rechtsanwalt Mitch Brenner, seine Mutter und seine kleine Schwester sowie Melanie Daniels, eine junge Frau aus der Oberschicht, die Mitch gerade erst kennengelernt hat. Der Film funktioniert sowohl als verstörender Horrorfilm mit beeindruckender Tricktechnik und einer kongenialen, auf dem elektroakustischen Mixtur-Trautonium eingespielten Tonkulisse wie auch als Liebes- und Familienfilm mit überzeugenden Figuren: Dabei gewinnt die anfangs eher oberflächlich erscheinende Melanie zusehends nicht nur die Liebe Mitchs, sondern auch das Vertrauen seiner Mutter, die von Jessica Tandy in einer differenzierten Darstellung als eine jener typisch besitzergreifenden «Hitchcock-Mütter» verkörpert wird, die sich vor dem Verlust des Sohnes ängstigen. THE BIRDS wird im Rahmen der diesjährigen den Tieren im Film ge- MARNIE USA 1964, 130 Min, OF R: Alfred Hitchcock, D: Tippi Hedren, Sean Connery, Louise Latham, Martin Gabel Nach den Publikumserfolgen PSYCHO und THE BIRDS hatte man von Alfred Hitchcock vielleicht etwas Spektakuläreres erwartet als das Drama um die frigide Kleptomanin Marnie Edgar, deren durch ein schreckliches Kindheitserlebnis verursachte Probleme schließlich vermittels Psychoanalyse behoben werden. Als MARNIE 1964 in die Kinos kam, fiel der Film bei Publikum und Kritik zunächst durch. Dabei steht das Psychodrama ganz in der Tradition von Hitchcocks wichtigsten Themen: der fetischistischen, mit Demütigungen verbundenen Liebe sowie den stark neurotisch geprägten Familienbeziehungen mit all ihren daraus resultierenden Ängsten und Macken. Überzeugend ist in diesem Zusammenhang auch die Farbdramaturgie des Films: Der Gefühlskälte Marnies entsprechend schuf Kameramann Robert Burks eine farblose stahlgraue Welt, in die das Rot ihrer Alpträume in farbverfremdeten Sequenzen dann umso heftiger einbricht. Für Hedren ist MARNIE bis heute ihr Lieblingsfilm, da sie die Rolle der verstörten Diebin für ihre schauspielerisch anspruchsvollste hält. Galascreening in Anwesenheit von Tippi Hedren. 29.10., 20 h, Gartenbaukino 45 In Focus GESCHICHTEN VOM NÜTZLICHEN LEBEN nen Kuratorenjob verliert, verleiht Kritiker Jellinek maximale Gravität. Nur das Kino kann helfen, als sein Leben auf den Kopf gestellt wird. 23.10., 18 h, Metro, Eric Pleskow Saal Der Filmemacher Federico Veiroj KURZFILMPROGRAMM (57 MIN) Oftmals bringt das uruguayische Kino Werke hervor, die vom Alltag ihrer Figuren in behutsamen, dabei experimentellen Narrationen erzählen. Dass Federico Veiroj, Jahrgang 1976, gerade an einer TV-Dokuserie mit dem Titel «First Person» gearbeitet hat, passt zum Werk des Regisseurs, der sich mit seinen Filmen ganz auf private Erfahrungsräume einlässt. Melancholie und Komödie, ausgebreitet in entspannt inszenierten, seriellen Miniaturen, bestimmen Veirojs Kino, in dem die Befindlichkeiten der urbanen Mittelklasse Montevideos beiläufig eingefangen werden. In ACNÉ erzählt er mit nonchalantem Witz von den Pubertätsnöten eines 13-Jährigen; in LA VIDA ÚTIL gewährt er einem Kinoprogrammierer einen fantastischen Entwicklungsmoment; in seinem jüngsten Film feiert er die Regression: EL APÓSTATA ist eine post-katholische Farce mit einem Credo, das nicht nur für den Protagonisten gilt: Man ist nie zu alt, um Kind zu sein. In Anwesenheit von Federico Veiroj. TOCAR, LIMAR, ACELERAR (TUNING UP, FILING, SPEEDING UP) ACNÉ Uruguay/Arg./E/Mexico 2008, 87 Min, OmeU D: Alejandro Tocar, Yoel Bercovici, Igal Label, Verónica Perrotta 46 BREGMAN, EL SIGUIENTE (AS FOLLOWS) Uruguay/E 2004, 13 Min, OmeU R: Federico Veiroj 6 DE ENERO (JANUARY, 6TH) Uruguay 2001, 14 Min, OmeU R: Federico Veiroj, Daniel Hendler LO QUE DEO MANDA (DEO’S ORDERS) E 2001, 10 Min, OmeU R: Federico Veiroj, Damien Huyghe TOO MUCH DIVING USA/Uruguay 1998, 3 Min, kein Dialog R: Federico Veiroj I JUST WANTED TO TASTE A REAL BURGUER USA/Uruguay 1998, 4 Min, OF R: Federico Veiroj, Omer Avarkan EL APÓSTATA (THE APOSTATE) (Siehe S. 7) 24.10., 15.30 h, Gartenbaukino 25.10., 13.30 h, Metro, Historischer Saal LA VIDA ÚTIL (A USEFUL LIFE) Bregmann ist 13, mit mehr Pickeln im Gesicht, als man sich als Teenager wünschen kann, die Bar Mitzwa eine Erinnerung auf Video, deren Schlüsselszene nur er erkennt: ein Tanz mit dem Mädchen, für das er schwärmt. Veiroj erzählt in Vignetten, die sich oft genug auf den Moment konzentrieren und den Eindruck schöner Flüchtigkeit erzeugen: Abschied von Freunden, erster Bordellbesuch, Pornohefte, Schultadel, Rauchen in der Toilette des Lyzeums, der erste Kuss, trotz der Aknesalbe, irgendwann. Gewidmet: «meiner Familie». 25.10., 18 h, Metro, Eric Pleskow Saal Uruguay 2013, 13 Min, OmeU R: Federico Veiroj Uruguay/E 2010, 67 Min, OmeU D: Jorge Jellinek, Manuel Martínez Carril, Paola Venditto «Diese Fiktion rekonstruiert weder die Geschichte der Cinemateca Uruguaya noch die ihrer Mitarbeiter»: Das ist der vorangestellte Disclaimer zu diesem meisterlich von der Selbsthypnose zum dynamischen Ausbruch wechselnden Film, der sich auf sein reales Setting (die schläfrige Kinemathek) und ihre Mitarbeiter konzentriert. Dem Mann, der nach 20 Jahren über Nacht sei- BREGMAN, EL SIGUIENTE Experimentelle Laboratorien, in denen Veirojs Spielfilme vorweggenommen und ergänzt werden. Wie diese kreisen sie ums Thema der hinausgezögerten Adoleszenz, um Sprachspiele junger Erwachsener und die Effekte, die sich aus der Überlagerung von Filmgeschichte mit dem eigenen Leben ergeben. Hier finden sich formalistische Dialoge, echte Supplemente, aber auch absurde Verlängerungen seiner eigenen Cinephilie. Zum Beispiel entdeckt das schräge Künstlerporträt LO QUE DEO MANDA einen greisen Do-it-yourselfReligionsgründer, der von großem Kino träumt: «El Pastor» heißt eines seiner unmöglichen Epen, das als Drehbuch in der Schublade liegt. Einen Apostel hat er schon: Veiroj betrachtet das leicht wahnhafte Projekt liebevoll, so, als wäre es sein eigenes: Making-of … eines Films, den es nie geben wird, gedreht im Zwielicht von Wunsch und Wirklichkeit. 26.10., 13.30 h, Metro, Historischer Saal FOTO © WIENTOURISMUS/CHRISTIAN SEMPER YOUR FIRST CONTACT FOR FILMING IN VIENNA WWW.VIENNAFILMCOMMISSION.AT VIENNA FILM COM MISSION Special Programs GRIECHENLAND – NOCH EINMAL MIT GEFÜHL Filme aus Griechenland 2005–2015 Dachten Sie, dass es sich bei den griechischen Filmen der letzten zehn Jahre größtenteils um direkte oder indirekte Kommentare zur sozialwirtschaftlichen Krise des Landes handelt? Oder glaubten Sie, dass zeitgenössisches griechisches Kino nur coole Neugestaltungen von Hipster-Markenzeichen wie leere und emotionslose Handlungen mit gezwungen wirkenden, seltsamen Dialogen und unheimlicher Körpersprache präsentiert? Nun ja, das ist nicht Ihre Schuld. Oder vielleicht doch. Unsere «Krise» ist fotogener als die meisten, unsere Hipster sind hipper als die meisten, und was den Export von griechischen Filmen betrifft, bekamen die Konsumenten eine ganze Weile das, was sie wollten. Trotz harter Zeiten war, ist und bleibt ein breites Spektrum griechischer Filme in der Lage, sich mit allen möglichen Themen und Formen zu befassen und jeder Kategorisierung zu trotzen. Das ist die Essenz dieses Viennale-Programms, das sowohl Festival-Hits als auch weniger bekannte Filme umfasst. Kein vollständiges Bild, aber zumindest ein erweitertes. Kuratiert von Vassily Bourikas. mosexuellen Slang), «Handbuch des tüchtigen Diebs», «Rebetische Lieder» sowie «Unterwelt und Karaghioze» – des Öfteren im Gefängnis; schließlich ging er ins Exil nach Frankreich. Seinem letzten Wunsch entsprechend wurde seine Asche in einen Abwasserkanal gestreut. Legakis Film dokumentiert Petropoulos’ faszinierende Lebensgeschichte bis zum letzten Paukenschlag. Vorfilm: KRIFO SCHOLIO (SECRET SCHOOL) Marina Gioti, GR 2009, 11 Min, OmeU In Anwesenheit von Marina Gioti. 27.10., 18.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus DEKEMVRIS 2008 ATHINA KE ALLOU LOUOMENOI (BATHERS) (DECEMBER 2008, ATHENS AND ELSEWHERE) GR 2009, 49 Min, OmeU R: Anonym Im Dezember 2008 zogen Ausschreitungen in Griechenland globales Medieninteresse auf sich. Dieses «Garagen-Video», das Originalaufnahmen mit found footage-Material verknüpft, wurde von einem anonymen Anti-Establishment-Aktivisten gedreht – möglicherweise im selben Alter wie der 15-jährige Schüler, dessen Tod der Auslöser der Unruhen war. In seiner jugendlichen Energie erinnert das Werk an ZÜRI BRÄNNT, doch zugleich handelt es sich um eine präzise und aufrichtig subjektive Reportage über die Geschehnisse. Es eine Weltpremiere zu nennen, wäre vermutlich eine Beleidigung für den Videomacher. Mit LOUOMENOI 30.10., 16 h, Stadtkino im Künstlerhaus 1.11., 23 h, Metro, Eric Pleskow Saal FORGET ME NOT GR 2014, 102 Min, OmeU R: Yannis Fagras, D: Aliki Danezi-Knutsen, Yannis Stankoglou, Altynay Burina, Elias Moraitis Großteils im Nordpazifik und im vereisten Beringmeer gedreht, ist FORGET ME NOT ein nautisches Roadmovie, eine 35mm-Studie der Meereslandschaft und eine irgendwo dazwischen lose eingewobene Lie48 besgeschichte. Die minimale Handlung scheint lediglich als Vehikel zu dienen, um uns auf diese Reise mitzunehmen; und obgleich das Narrativ gegen Ende einen ansprechenden Höhepunkt erreicht, auf die Erzählung stützt dieser Film sich nicht. Fagras, selbst ein erfahrener Seefahrer, weiß, wann es besser ist, zu schweigen und stattdessen nur zu schauen und zu fühlen. Und eben dies sollten wir hier auch tun. 1.11., 13.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus 3.11., 18 h, Metro, Eric Pleskow Saal ILIAS PETROPOULOS – ENAS KOSMOS YPOGEIOS (ELIAS PETROPOULOS – A WORLD UNDERGROUND) GR 2005, 61 Min, OmeU R: Kalliopi Legaki Petropoulos (1928–2003) war ein rastloser Schriftsteller, ein Feind des akademischen Betriebs und des Establishments sowie der erste Ethnograf in Griechenland, der sich mit sozialen Außenseitern befasste. Er landete wegen seiner Bücher – darunter «Kaliardà» (ein Wörterbuch des ho- GR 2008, 46 Min, OmeU R: Eva Stefani Während Jugendliche demonstrierten und in Griechenland die Hölle los war, beendete Eva Stefani die Arbeit an ihrem Dokumentarfilm über eine geschlossene Gemeinschaft fröhlicher, nackter Pensionisten, die sich schlammbedeckt in einem ländlichen Kurort vergnügen. Stefanis Œuvre ist einzigartig in Griechenland und ihre Fähigkeit, in ihren filmischen Beobachtungen mühelos mehrere Standpunkte darzulegen, zeigt sich auch in diesem Werk, in dem das gesellige Beisammensein der Badenden zwischen einer Feier des Lebens und Politik changiert. Mit DEKEMVRIS 2008 ATHINA KE ALLOU 30.10., 16 h, Stadtkino im Künstlerhaus 1.11., 23 h, Metro, Eric Pleskow Saal MAVRO LIVADI (BLACK FIELD) GR 2010, 104 Min, OmeU R: Vardis Marinakis, D: Sofia Georgovassili, Hristos Passalis, Despina Bebedelli, Maria Panouria Eine elementare und eindringliche Geschichte über verbotene Liebe und Gefangensein, die im Griechenland des 17. Jahrhunderts spielt. Ein verwundeter, attraktiver Janitschar findet Unterschlupf in einem Kloster und sorgt bei den Nonnen für emotionale Turbulenzen; dunkle Geheim- STRELLA nisse werden gelüftet. Da zur Zeit der Veröffentlichung von MAVRO LIVADI das Publikum eher nach Bildern und Reflexionen aktueller griechischer Probleme verlangte, bekam dieser hervorragend konzipierte und meisterhaft umgesetzte Kostümfilm nie die Aufmerksamkeit, die er verdient. 3.11., 16 h, Stadtkino im Künstlerhaus PROTI YLI (RAW MATERIAL) GR 2011, 78 Min, OmeU R: Hristos Karakepelis Dies ist keine Dokumentation über Altmetallsammler in Griechenland, sondern eine griechische Dokumentation über einen globalen Underground-Recycling-Handel sowie ein millionenschweres Geschäft basierend auf Korruption, Ausbeutung, Immigration und Armut. PROTI YLI wurde über einen Zeitraum von sechs Jahren gefilmt und Karakepelis gelingt es, die dubiosen Mechanismen des Recycling-Prozesses zu beleuchten, während er zugleich eine enge Beziehung mit einer kleinen Gruppe von Metallverkäufern – sowohl Immigranten als auch Griechen – aufbaut und deren Leben und Geschichten würdigt. 29.10., 20.30 h, Metro, Eric Pleskow Saal STO LYKO (TO THE WOLF) GR/GB 2013, 74 Min, OmeU R: Christina Koutsospyrou, Aran Hughes gemeinen gesellschaftlichen Zerfalls und sittlicher Verrohung unter dem Vorzeichen der Armut zu erarbeiten. 4.11., 20.30 h, Metro, Eric Pleskow Saal STRELLA (A WOMAN’S WAY) GR 2009, 113 Min, OmeU R: Panos H. Koutras, D: Mina Orfanou, Yiannis Kokkiasmenos, Minos Theoharis, Betty Vakalidou Die fast surreale Liebesgeschichte zwischen Strella, einer jungen, transsexuellen Prostituierten, und Yiorgos, einem harten Ex-Sträfling, der wiederkehrende Träume von Eichhörnchen hat. Angesiedelt in der realen Athener Szene der Homosexuellen und Drag Queens und gespielt von ebenso realen Personen, lädt uns STRELLA ein, Möglichkeiten von Akzeptanz und Vergebung zu ergründen, die weit über die Themen Gender und Sexualität sowie die Grenzen Griechenlands hinausreichen. Angesichts der schockierenden Entwicklung der Handlung ist es erstaunlich, wie leicht ihm das gelingt. flirten, liebt und beschützt seinen Kanarienvogel, kümmert sich um seinen älteren Nachbarn und hat beunruhigend viel Hunger. Schon bald könnte er obdachlos sein. Wer denkt, dies hätte mit der griechischen Krise zu tun, irrt sich. Der auf dem Roman «Hunger» des norwegischen Schriftstellers Knut Hamsun basierende Film erweist sich als ebenso psychologisch orientiert wie seine Vorlage und könnte überall spielen. Der Protagonist ist stets präsent und man möchte nicht aufhören, ihm durch Athen zu folgen – bis zum eloquenten Ende. 31.10., 20.30 h, Metro, Eric Pleskow Saal TO MIKRO PSARI (STRATOS) GR/CY/D 2014, 138 Min, OmeU R: Yannis Economides, D: Vangelis Mourikis, Petros Zervos, Vicky Papadopoulou, Yannis Tsortekis In Anwesenheit von Panos H. Koutras. 28.10., 23.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus 29.10., 15.30 h, Metro, Historischer Saal TO AGORI TROEI TO FAGITO TOU POULIOU (BOY EATING THE BIRD’S FOOD) Irgendwo in den Bergen im Westen Griechenlands führen kleine Hirtenund Bauernfamilien ihr von der Wirtschaftskrise vom Kümmerlichen ins Elende getriebenes Dasein. Das letzte Geld geht für Alkohol und Zigaretten drauf, die Perspektive wird davon auch nicht rosiger. Das Langfilmdebüt der beiden jungen FilmemacherInnen Koutsospyrou und Hughes spielt kunstvoll mit den Konventionen des Dokumentarischen, um aus der scheinbar ausbeuterischen Aufzeichnung randständiger Depravation die negative Utopie eines all- GR 2012, 80 Min, OmeU R: Ektoras Lygizos, D: Yiannis Papadopoulos, Lila Mpaklesi, Vangelis Kommatas, Kharálampos Goyós Ein junger, ganz auf sich gestellter Mann. Er ist talentiert, höflich, kann Ein harter, düsterer Krimi über einen verschlossenen Attentäter – ein erstklassiger Film Noir, der sich an der Oberfläche mit griechischem Sozialrealismus befasst, sich im Kern als politischer Kommentar auf breiterer Basis erweist und im formalen Ansatz als kühn, ohne dabei laut zu sein. Er kann sicherlich auch als Anspielung auf die aktuelle Not des Landes verstanden werden, aber das ist nichts Neues. Denn Economides’ Filme beschäftigten sich stets mit der weniger fotogenen Gesellschaft Griechenlands, und zwar lange bevor die Krise eine «Gelegenheit» dazu bot. 2.11., 20.30 h, Metro, Eric Pleskow Saal 49 Special Programs KURZFILMPROGRAMM (81 MIN) I HOPE THAT THIS WON’T TAKE LONG BECAUSE I AM VERY BUSY TODAY AND HAVE VERY LITTLE TIME TO SPARE. I AM ONLY DOING THIS BECAUSE YOU GAVE ME RAKI, HONEY AND OLIVE OIL. GR 2011, 5 Min, OF R: Maria Theodoraki XXXIII GR 2012, 8 Min, OF R: Theofanis de Lezioso TI ORA INE? GR 2007, 26 Min, OmeU R: Eva Stefani THE HUNTER GR 2014, 8 Min, eOF R: Loukia Alavanou MINDFULNESS GR/Vietnam 2015, 9 Min, OmeU R: Poka-Yio THE 3 Rs Filme von Anne Charlotte Robertson, Mark Rappaport und Jean-Claude Rousseau Zusammengestellt wurde die Reihe unabhängigen kurzen Kinos, die an der Stelle von «Broken Sequence» im Vorjahr steht, vielleicht nach folgender Überlegung: Nehmen wir den klugen, in seinen Essay-Kollagen Filmgeschichte zur Begreifbarkeit verfremdenden Mark Rappaport. Daneben dessen extraordinäre US-Landsfrau Anne Charlotte Robertson (1949–2012), die in intimen Tagebuchfilmen ihre leidvolle persönliche Geschichte begreifbar macht. Und stellen wir als – in seinem Zugang der Alltagsbeobachtung – entfernten Verwandten Robertsons den Blick schärfenden Franzosen Jean-Claude Rousseau dazu. Gut möglich, dass viel weitschweifigere Überlegungen zu «The 3 Rs» geführt haben, jedenfalls brauchen die drei R ein geistig reges bzw. emotional reifes bzw. rücksichtsvolles Publikum. Vielleicht schauen Sie ja rein und überlegen selbst, wie sie zusammenpassen. In Anwesenheit von Mark Rappaport und Jean-Claude Rousseau. REQUIEM TO A SHIPWRECK GR/NL 2014, 11 Min, eOF R: Janis Rafa EPISTROFI STIN ODO AIOLOU GR 2013, 14 Min, OmeU R: Maria Kourkouta Ein Programm, das sich vor allem mit spezifisch griechischen Fragen der Politik auseinandersetzt, gebildet aus sieben Kurzfilmen, denen es gelingt, mit Mehrdeutigkeit, Ironie und oftmals mit einem Sinn für Humor an ihre Themen heranzugehen. Es sind seltene formale Experimente, die sich jedoch nicht an irgendwelchen zeitgenössischen Experimentalfilm-Rezepten orientieren. Der griechische Kurzfilm erlitt im Zuge der Krise den schwersten Schlag, und es waren bildende Künstler wie Maria Theodoraki, ANNE CHARLOTTE ROBERTSON SHORT FILMS (48 MIN) GOING TO WORK USA 1981, 7 Min, OF LOCOMOTION USA 1981, 7 Min, OF MAGAZINE MOUTH USA 1983, 7 Min, OF DEPRESSION FOCUS PLEASE USA 1984, 4 Min, OF APOLOGIES USA 1986/1990, 17 Min, OF MY CAT, MY GARDEN, 9/11 REQUIEM TO A SHIPWRECK Theofanis de Lezioso, Loukia Alavanou, Janis Rafa und Poka-Yio, die diese Lücke füllten. Die meisten von ihnen leben inzwischen im Ausland, darunter Maria Kourkouta, deren nostalgischer EPISTROFI STIN ODO AIOLOU dem aktuellen Stand der griechischen Kultur einen Spiegel vorhält. Und Eva Stefanis TI ORA INE?, eine ernste und poetische, beobachtende Dokumentation, vertritt eine Art von Kurzfilm, der in Griechenland heute praktisch ausgestorben ist. 5.11., 18.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus 50 USA 2001, 6 Min, OF In diesen Kurzfilmen verhandelt Robertson ähnliche Themen wie im FIVE YEAR DIARY. Sie schleppt sich zur Arbeit, wird wegen eines Nervenzusammenbruchs ins Spital eingeliefert, isst alles, was ihr unterkommt, entschuldigt sich für alles und denkt über die Ereignisse des 11. September nach. Einige der Filme erweitern ihre eher im Cinéma-vérité-Stil gehaltenen DIARY-Einträge experimentell: die Stop-Motion-Animation in MAGAZINE MOUTH beispielsweise oder das Re-enactment ihrer Erfahrungen in der Psychiatrie in LOCOMOTION. Wie Robertson erklärte, «funktioniert das Programm als Balanceakt LOCOMOTION zwischen Komödie und Tragödie. Mal ist das Lachen bittersüß, mal ironisch, aber es vermittelt Trost.» 24.10., 15.30 h, Metro, Eric Pleskow Saal DIARIES (80 MIN) FIVE YEAR DIARY REEL 22: A SHORT AFFAIR (AND) GOING CRAZY USA 1982, 26 Min, OF FIVE YEAR DIARY REEL 26: FIRST SEMESTER GRAD SCHOOL USA 1983, 27 Min, OF FIVE YEAR DIARY REEL 83 USA 1995–97, 27 Min, OF Robertsons Hauptwerk umfasst etwa 37 Stunden Filmmaterial aus den Jahren 1981–1997. REEL 22 des DIARY (23.8.–1.9.1982) wird von einer kommentierenden Tonaufnahme Robertsons begleitet, die in den 1990ern entstand – der Versuch, den Performance-Aspekt des DIARY für FIVE YEAR DIARY REEL 22 die Nachwelt festzuhalten: Robertson hätte ihren Film von einem Platz im Publikum aus erläutert. Als sie am Massachusetts College of Art zu studieren begann, hatte Robertson bereits zwei Jahre an ihrem DIARY gearbeitet. Das Audio von REEL 26 (28.2.–20.5.1983) ist eine Tonaufnahme der Diskussion ihres Abschlussfilms mit der Prüfungskommission. Dabei entstandene Ideen fanden später Eingang in die Präsentation von REEL 2. Endet ein Tagebuch je absichtlich oder verschwindet es schlicht allmählich? Nach dem unbetitelten, letzten REEL 83 des DIARY (24.12.1995–19.3.1997) entstanden zwar noch Aufnahmen für ein REEL 84, das aber Fragment blieb. Robertsons letzte Filme stammen aus 2001; 2012 starb sie an Krebs. 23.10., 13.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus Einführungen in die Programme von David Pendleton, Harvard Film Archive. JEAN-CLAUDE ROUSSEAU MAX & JAMES & DANIELLE auf die Welt gekommenen US-Star und THE VANITY TABLES OF DOUGLAS SIRK untersucht die vielfach lesbaren Spiegelungen im Werk des wegen seiner jüdischen Ehefrau aus Nazi-Deutschland emigrierten Detlef Sierck. Noch Fragen zur Klammer des Programms? 24.10., 18.30 h, Metro, Historischer Saal PROGRAMM 2 (64 MIN) BECOMING ANITA EKBERG USA/F 2015, 18 Min, OF OUR STARS MARK RAPPAPORT PROGRAMM 1 (70 MIN) THE VANITY TABLES OF DOUGLAS SIRK USA/F 2015, 11 Min, OF MAX & JAMES & DANIELLE USA/F 2015, 27 Min, OF THE CIRCLE CLOSES USA/F 2015, 19 Min, OF Gäbe es Gerechtigkeit, wäre der Trevi-Brunnen in La Fontana di Anita umbenannt worden. Von LA DOLCE VITA ausgehend erkundet Rappaport, wie aus dem Sexsymbol Anita bei Tashlin die Sexgöttin Ekberg bei Fellini wurde. Über die Chemie bewährter Star-Liebespärchen, zumal deren Schwundstufen attraktiver Energie im Lauf der Zeit, meditiert OUR STARS: von «bigger than life» quasi zu «tired of life». Nicht um Stars, sondern um zentrale Gegenstände kreist hingegen THE CIRCLE CLOSES. Nehmen Sie unbedingt teil an den Weltpremieren dieser essay- USA/F 2015, 17 Min, OF JOHN GARFIELD USA/F 2002, 9 Min, OF I, DALIO – OR THE RULES OF THE GAME USA/F 2015, 33 Min, OF Marcel Dalio, 1900 in Paris als Israel Moshe Blauschild geboren, war in seinen französischen Filmen der dreißiger Jahre zumeist «der Jude». Nach der Flucht vor den Nazis war er in seinen Hollywood-Auftritten «der Franzose». Rappaport fingiert einen Karriererückblick Dalios und gelangt in einer Melange aus Fakt und Fiktion zu einer möglichen Wahrheit. Einen gemeinsamen Auftritt von Danielle Darrieux und James Mason in einem Film des jüdischen Regisseurs Max Ophüls imaginiert MAX & JAMES & DANIELLE. JOHN GARFIELD porträtiert den als Jacob Julius Garfinkle OUR STARS istischen Exkursionen in die Filmgeschichte! Rappaports Videocollagen sind unterhaltsam und bildend, wohlrecherchiert, kreativ, reflexionsreich und bestehen – neben erstaunlich detaillierten Querverweisen – aus den schönsten Ausschnitten essenzieller Filme, die Sie je gesehen oder nicht gesehen haben. 26.10., 18.30 h, Metro, Historischer Saal KURZFILME (70 MIN) UN AUTRE JOUR F 2014, 3 Min, kein Dialog PARTAGE DES EAUX F 2014, 10 Min, kein Dialog PASSION F 2015, 7 Min, kein Dialog FANTASTIQUE F 2014, 6 Min, kein Dialog L'AIR D'ÊTRE LÀ (SEEMING TO BE THERE) F 2013, 2 Min, OmeU REMEMBERING WAVELENGTH F 2014, 2 Min, kein Dialog SOUS UN CIEL CHANGEANT F 2013, 12 Min, kein Dialog EAUX PROFONDES F 2012, 2 Min, kein Dialog TERRASSE AVEC VUE F 2014, 26 Min, kein Dialog UN AUTRE JOUR Die Filme von Rousseau, seit Jahren regelmäßig bei der Viennale zu Gast, wirken auf den ersten Blick wie rasch entworfene Skizzen. Sie sind Momentaufnahmen in unterschiedlichen Situationen und an unterschiedlichen Orten, in diesem aus neun Miniaturen bestehenden Programm etwa in Hotelzimmern und Parkanlagen, an einem Seeufer oder auf einer Restaurantterrasse. Rousseaus Beobachtungen des Alltags sind jedoch keine der Kontemplation, sondern der Präzision. Mit jeder Minute schärfen sie den Blick des beobachtenden und wartenden Außenseiters für den Augenblick der Überraschung – und sei es ein Sprung ins Wasser oder ein riesiges Christuskreuz. 1.11., 20.30 h, Metro, Eric Pleskow Saal 2.11., 11 h, Metro, Historischer Saal 51 Special Programs AUS FLEISCH UND BLUT ungebrochen aktuell und maximal ungemütlich. 31.10., 21 h, Metro, Historischer Saal Austrian Pulp: Genre-Kino aus Wien und anderswo Während in Italien, Japan oder den USA die weitläufige eigene B-Movie-Historie längst aufgearbeitet wird, harrt das jahrzehntelang naserümpfend verschmähte deutschsprachige Genre- und Exploitationkino seiner Entdeckung. Für das Förder- und Autorenkino zu wild, ungestüm und unanständig, für das rein kommerzielle Kino oft zu künstlerisch, experimentierfreudig und eigensinnig, begründet sich gerade in diesem Stiefkindstatus eine ungeahnte erzählerische und formale Freiheit, die viele Filmemacher inspirierte. Eng sind dabei die personellen Verflechtungen zwischen BRD und Österreich, reich das Repertoire an aufregenden, mit Sex & Crime, Zwielicht und Nervenkitzel gewürzten Geschichten. Bislang nur von unabhängigen Liebhaberveranstaltungen wie dem psychotronischen Besonders-wertlos-Festival in Köln, dem cinephilen Hofbauer-Kongress in Nürnberg oder Kultspielstätten wie dem Münchner Werkstattkino gewürdigt, versucht die große Schau sich erstmals in Wien diesem unerhörten, anderen österreichischen Kino umfassend anzunähern. 14 der insgesamt 41 Programme von «Aus Fleisch und Blut» sind im Rahmen der Viennale zu sehen. Eine Filmschau von Filmarchiv Austria, Institut Schamlos und Viennale. Kuratiert von Paul Poet. ABENTEUER IN WIEN A 1952, 89 Min, OF R: Emile Edwin Reinert, D: Gustav Fröhlich, Cornell Borchers, Franz Lederer, Egon von Jordan Toni, Taxifahrer, vom Krieg um alles gebracht. Karin, Ehefrau eines reichen Despoten, entmündigt. John Milton, Amerikaner, Jugendfreund von Karin, tot auf dem Rücksitz von Tonis Taxi, ermordet von Karins Gatten. Und der Pass des Toten, den Toni an sich nimmt. Eine ganz mutwillig hitchcockianische Konstellation ist das, in der Reinerts amerikanisch koproduzierter Thriller selbstbewusst über regennassglänzendes Kopfsteinpflaster lustwandelt. Erst viele Jahre später, bei Eddy Saller und Frits Fronz, hat wieder so viel nokturner Genrefilm-Existenzialismus eben dieses Kopfsteinpflaster benetzt. 1.11., 18.30 h, Metro, Eric Pleskow Saal ASPHALT A 1951, 85 Min, OmfU R: Harald Röbbeling, D: Hannerl Matz, Heinzi Farda, Elfriede Garden, Kurt Vittek Fünf Minderjährigen-Schicksale inmitten der Nachkriegstrümmer, geborgen aus Polizeiberichten. Drei naive Mädchen, deren unbekümmerter Leichtsinn sie auf moralische Abwege führt. Zwei verlorene Burschen, die sich des Diebstahls und Totschlags schuldig machen. Aufgezäumt als rasant improvisierte Halbstarken-Kolportage, vollgesogen mit Atmosphäre und Gestalten des 52 Milieus. Ungemein reizvoll gerade im klassischen Widerspruch, einerseits mahnende Erzählung von sittlichem Verfall und drohenden Verführungen zu sein, andererseits lustvoll energiegeladenes Dokument eines ungebändigten Lebenshungers. 26.10., 18 h, Metro, Eric Pleskow Saal DIE ERBEN A 1983, 95 Min, OF R: Walter Bannert, D: Nikolas Vogel, Roger Schauer, Annelise Stöckl-Eberhard, Klaus Novak Lange unter Verschluss gehalten, nun als einmalige Aufführung zu sehen. Wie kaum ein anderes Werk liefert DIE ERBEN die ungeschönte, bisweilen krass ausgemalte Innenansicht einer Neonazi-Organisation. Statt simple Erklärungsmuster zu bemühen, wird die erschreckende Zufälligkeit betont, mit der zwei ganz verschiedene Jugendliche in rechte Umtriebe geraten und sich dort mehr Lebenssinn und Gemeinschaftsgefühl als im gesellschaftlichen Überlebenskampf erhoffen. Während quer durch Europa rechtspopulistische Kräfte erstarken, ist Bannerts Film EXIT … NUR KEINE PANIK A/BRD 1980, 105 Min, OF R: Franz Novotny, D: Hanno Pöschl, Isolde Barth, Paulus Manker, Eddie Constantine Der Sommer liegt schwer über der Peripherie von Wien, es ist nichts los. Kirchhoff und Plachinger sind Kumpel, aber eigentlich kämpft jeder nur für sich – um Mädchen, Geld, Träume. Was sie begehren, nehmen sie sich, und was sie nicht achten, demolieren sie. Deus ex machina ist hier die Langeweile selbst – die ungeahnten kreativen Kräfte, die sie mitunter freisetzt, kultiviert, nein: zelebriert Novotny in seinem genießerisch rotzigen Vorstadtpanorama, das Aggression und Verletzlichkeit einen halsbrecherischen Tanz auf Messers Schneide vollführen lässt. 25.10., 16 h, Metro, Historischer Saal FRAU DOROTHYS BEKENNTNIS A 1921, 61 Min, eZT R: Michael Kertesz, D: Lucy Doraine, Alfons Fryland, Otto Tressler, Kurt von Lessen Mord in einem Vorstadthotel: Die aus der britischen Upperclass stammende Dorothy wird angeklagt, sich ihres Gatten entledigt zu haben. Ihre Erinnerung enthüllt nach und nach, was der Verzweiflungstat vorausging. Dreiste Täuschungsmanöver ermöglichten dem Hochstapler ein ergaunertes Leben in Saus und Braus mit orgiastischen Partys, Glücksspiel, Pferde- und Autorennen. Ein fatalistisches StummfilmMelo als rastloser Kolportage-Kintopp der tragischen Verwicklungen entfaltet sich unter der Leitung des späteren CASABLANCA-Regisseurs Michael Kertesz (Curtiz). Restauriert vom Filmarchiv Austria. Vorfilm: OUTER SPACE A 1999, Peter Tscherkassky, 10 Min, kein Dialog In Anwesenheit von Peter Tscherkassky. 2.11., 18.30 h, Metro, Historischer Saal DAS GOLD DER LIEBE BRD 1983, 86 Min, OF R: Eckhart Schmidt, D: Alexandra Curtis, Marie Colbin, Allegra Curtis, André Heller Das selten gezeigte, somnambul entrückte Zentralwerk aus Eckhart Schmidts von Punk, New Wave und urbaner Neon-Ästhetik inspirierter 80er-Kinophase: kühl und geheimnisvoll oszillierend zwischen lockendem Schein und gähnendem Abgrund, verträumter adoleszenter Neugier und blutigem Erwachen. Die junge Patricia irrlichtert darin durch eine Wiener Nacht voller Liebeshunger, Drogen- und Gewaltvisionen, gleißendem Konzerttaumel und dunklen Gassen – das GOLD DER LIEBE im unschuldigen Herzen, die Musik der Neuen Deutschen Welle im Ohr: mit DAF, Blümchen Blau und Wanderlust bis ans Ende der Nacht. 3.11., 23 h, Metro, Eric Pleskow Saal DER KILLER VON WIEN I/E 1971, 98 Min, dF R: Sergio Martino, D: George Hilton, Edwige Fenech, Christina Airoldi, Manuel Gil DAS MÄDCHEN MIT DEM MINI A 1964, 66 Min, OF R: Paul Milan, D: Karin Field, Frank Roberts, Judith Roth, Tamara Tiomkin Stolz möchte Biggi ihren neuen «Minikini» in den Wiener Badeanstalten vorführen, zum großen Leidwesen ihres Liebsten Frank, der verzweifelt auf einen Musenkuss wartet: Ein neuer Schlager muss geschrieben werden! An derlei geistige Genüsse ist jedoch nicht zu denken, denn Biggis freizügige modische Errungenschaft erhitzt die Gemüter und stellt Kunst und Liebesglück auf eine schwere Probe. – Österreichs erster Nudistenfilm ist ein liebenswert tollpatschiges, buntes Mirakel aus der Bonbonniere, das ungeduldig seiner längst überfälligen Wiederentdeckung harrt. 28.10., 23 h, Metro, Eric Pleskow Saal RAT RACE Giallo a Vienna: Glamour Girl Edwige Fenech in einem Netz aus Mord, S/M-Fantasien und Intrigen. Die Abgründe der Austro-Metropole als fruchtbarer Sumpf, auf dem die genüsslich zelebrierten Stilisierungen des Italo-Psychothrillers prachtvoll gedeihen. Nackte Brüste, schwarze Lederhandschuhe und funkelnde Rasiermesser. Fetischkino der subkutanen Vibrationen und sinnlichen Oberflächen, an denen sich die Kamera satt frisst und ins Taumeln gerät. Der versierte Handwerker Martino schwelgt in Stil und Mode, in Accessoires und Dekors des Zeitgeists, dazu Dies irae von Nora Orlandi auf dem treibenden Soundtrack. 23.10., 21 h, Metro, Historischer Saal A 1998, 60 Min, kein Dialog R: Valentin Hitz, D: Haymon Maria Buttinger, Proschat Madani, Roman Kaminski Wien in der nahen Zukunft ist ein gesellschaftlich marodierender Moloch, in dem Drogen- und Organhandel das große Geschäft bedeuten, dem kein Gesetz mehr einen Riegel vorschiebt. Der Glücksspieler Kater hält sich über Wasser, indem er mit Gehirnen handelt – und mit Erinnerungen. Aber: Sind Erinnerungen synonym mit der Persönlichkeit eines Menschen? Als Katers Ex-Freundin Maria droht, selbst als Ware unter dem Messer zu landen, gewinnt die Antwort auf diese Frage für ihn eine ganz neue Bedeutung. Vorfilm: THE SHAMAN A/J 2015, Marco Kalantari, 18 Min, eF 4.11., 23 h, Metro, Eric Pleskow Saal SCHAMLOS A 1968, 78 Min, OF R: Eddy Saller, D: Udo Kier, Rolf Eden, Marina Paal, Gino Baldini Mit einem Beat-Paukenschlag holt Eddy Saller 20 versäumte österreichische Schundfilmjahre auf, und anders als kontemporäre westdeutsche Milieu-Reißer trägt seine wilde Feier der Kolportage im Titel nicht die Taten, sondern die Attitüde seiner Figuren: Schamlos sind hier die, die nur im Exzess spüren, dass sie am Leben sind. Schamlos sind die, die Lust verkaufen, ohne sie zu leben. Schamlos sind die, die vergessen haben, was Liebe ist. Ein rohes Sündentraktat in metallisch klirrendem Schwarzweiß, dessen Nihilismus und schmierige Dekadenz noch heute schwer zu fassen sind. 30.10., 23 h, Metro, Eric Pleskow Saal DIE TOTEN FISCHE A 1989, 83 Min, OmeU R: Michael Synek, D: Erwin Leder, Johannes Weidinger, Gebhard Swoboda, Lisa Luginbühl Surrealer Existenzialismus in einer obrigkeitskritischen Parabel zwischen Kafka und Tarkowskij, basierend auf einer Kurzgeschichte von Boris Vian. In trüben Gewässern fischt der kleine Untergebene täglich nach Briefmarken. Dann geht es mit der Beute vorbei an U-Bahn-Kontrolleuren, über steile Treppen und durch die stinkende Kanalisation, um vom Chef mit einem Hungerlohn abgespeist und in perfider Abhängigkeit gehalten zu werden. Eine lange verschmähte, nun endlich restaurierte Wiederentdeckung über autoritäre Willkür und Schmerzensreisen ohne Erlösung, gefasst in expressives Schwarzweiß. 29.10., 21 h, Metro, Historischer Saal UNSICHTBARE GEGNER A 1933, 87 Min, OF R: Rudolf Katscher, D: Paul Hartmann, Gerda Maurus, Oskar Homolka, Peter Lorre Mit einem veralteten Gutachten versucht der Chef eines Ölkonzerns Käufer für seine versiegten Felder in Südamerika zu locken. Zwei Bieter konkurrieren erbittert, doch jener Ingenieur, der einst das Gutachten erstellte, bekommt Wind von der Sache und mischt sich ein. Der kurz nach diesem Film nach London emigrierte und dort in den 50ern als TV-Regisseur reüssierende Wiener Jude Rudolf Katscher inszenierte diese frühe Auseinandersetzung mit internatio53 Special Programs naler Wirtschaftskriminalität als düsteren Noir-Krimi, dessen fulminantes Finale ganz dem denkwürdigen Schurkengespann Oskar Homolka und Peter Lorre gehört. Vorfilm: COPY SHOP A 2001, Virgil Widrich, 12 Min, kein Dialog 5.11., 16 h, Metro, Historischer Saal DIE WÖLFIN VOM TEUFELSMOOR A 1978, 85 Min, OF R: Helmut Pfandler, D: John Phillip Law, Florinda Bolkan, Siegfried Wischnewski Auf den Äckern nahe eines niederösterreichischen Dorfs soll eine Fabrik erbaut werden. Der zur Landvermessung entsendete Ingenieur sticht bei seiner Ankunft in ein Wespennest aus Hass und okkulten Praktiken, deren Wirksamkeit er bald mit zunehmendem Schrecken bestaunt … Fortschritt und Aberglaube, Romantik und Didaktik prallen unversöhnlich aufeinander in diesem verschrobenen Heimathorrorfilm, den Helmut Pfandler einer Erzählung seines Vaters Josef entlehnt hat. In der Titelrolle als Druidin: die katzenhafte Florinda Bolkan, ein Berggewächs, gegen das einzig das Kraut der Liebe gewachsen ist. 24.10., 23 h, Metro, Eric Pleskow Saal HARD, FAST AND BEAUTIFUL Die Produzentin und Regisseurin Ida Lupino Bevor Ida Lupino 1949 ihre eigene Produktionsfirma gründete und eine Karriere als Regisseurin begann, war sie ein bedeutender Filmstar. Seit 1933 in Hollywood, prägten vor allem Porträts taffer Gangsterbräute und Halbweltdamen in Warner-Filmen wie THEY DRIVE BY NIGHT (1940) und HIGH SIERRA (1941) das Image der 1918 als Tochter eines Schauspielerpaares in London, England, geborenen Mimin. Mit der Starkarriere eher unzufrieden, begann sie sich Ende der Vierziger Jahre für die produktionstechnische Seite des Filmemachens zu interessieren: Von 1949 bis 1953 produzierte/inszenierte Lupino mit geringen Budgets und realistischem, unsentimentalem Ansatz sechs B-Filme mit vergleichsweise ungewöhnlichen Themen und behauptete als Filmemacherin in Hollywood eine Ausnahmerolle. Als ihre Produktionsgesellschaft 1953 zerbrach, hatte sie sich als Mitbegründerin der Fernsehfirma Four Stars bereits ein neues Standbein geschaffen und drehte in den Fünfziger und Sechziger Jahren Episoden erfolgreicher TV-Serien. Ida Lupino verstarb 1995 in Burbank, Kalifornien. THE BIGAMIST USA 1953, 79 Min, OF D: Edmond O’Brien, Joan Fontaine, Ida Lupino, Edmund Gwenn ZERSCHOSSENE TRÄUME A/BRD/F 1976, 99 Min, OF R: Peter Patzak, D: Yves Beneyton, Raymond Pellegrin, Mathieu Carrière, Christine Böhm Ein angehender Polizist strauchelt in einem Geflecht erdrückender Abhängigkeiten. Einerseits Lustobjekt eines in Unterweltaktivitäten verwickelten schwulen Nachtclub-Besitzers, andererseits einer eiskalt berechnenden, nymphomanen Geschäftsfrau zu Diensten, werden seine eigenen Wünsche und Bedürfnisse so lange unterdrückt, bis nur noch ein explosiver Befreiungsschlag als letzter Ausweg bleibt. Die sozialkritisch gewürzte Genre-Fabulierlust gebiert in Patzaks brodelnder, greller Milieustudie ein Pulverfass von glühenden Begierden, scheuen Sehnsüchten und rücksichtslosen Exzessen. 27.10., 18.30 h, Metro, Historischer Saal 54 In die Ehe von Harry und Eve hat sich Entfremdung eingeschlichen – dass die beiden mit ihrer Firma Kühlaggregate vertreiben, kommt kaum von ungefähr. Wärme und Zuneigung sucht Harry nun bei Phyllis, und als diese ein Kind erwartet, wird er zum Bigamisten. Lupino beweist hier nicht allein, wie gut und effizient sie mit kargen Budgets umgehen kann, sondern vermeidet auch jede melodramatische Falle, die der Stoff bietet. Stattdessen versucht der Film bei einem offenen Ende Verständnis für alle beteiligten Personen zu erwecken. 23.10., 23 h, Metro, Eric Pleskow Saal 30.10., 11 h, Gartenbaukino HARD, FAST AND BEAUTIFUL USA 1951, 76 Min, OF D: Sally Forrest, Claire Trevor, Kenneth Patterson, Robert Clarke «Remember: Whoever wins, it’s only a game.» Der Vater der talentierten Tennisspielerin Florence nimmt das Spiel mit dem rechten Sportsgeist. Für die ambitionierte Mutter hingegen sind die Tenniskünste der Tochter das Mittel zum sozialen Aufstieg, der mit Macht betrieben wird. Interessant sind neben den Konfrontationen der durchtriebenen Mutter mit ihrer Tochter vor allem die in viele, mitunter ungewöhnliche Kameraeinstellungen aufgelösten Aufnahmen der Matches – was natürlich auch ein wenig kaschiert, dass keine Profis auf dem Platz stehen. 28.10., 16 h, Metro, Historischer Saal THE HITCH-HIKER USA 1953, 71 Min, OF D: Edmond O’Brien, Frank Lovejoy, William Talman, José Torvay Über weite Strecken eher ein düsteres Psycho-Kammerspiel in karger Landschaft als ein Polizei-Verfolgungsthriller, profitiert der Film um zwei Freunde auf dem Weg zu einem Angeltrip in Mexiko, die einen psychopathischen Mörder als Anhalter mitnehmen, von drei überzeugenden Hauptdarstellern, der guten Kameraarbeit von Nicholas Musuraca und einigen ungewöhnlichen Ideen: So kann der Killer beispielsweise aufgrund einer Deformation seines Augenlids mit einem offenen Auge schlafen. Wie viele von Lupinos Filmen beruht auch dieser auf einer tatsächlichen Begebenheit. 26.10., 21 h, Metro, Historischer Saal 29.10., 23 h, Metro, Eric Pleskow Saal der Arbeit vergewaltigt wird. Das Getuschel der Leute in der Kleinstadt und das Gefühl, beschmutzt zu sein, lässt sie flüchten. Erst ein pragmatischer Priester, den sie auf einer Obstplantage trifft, überzeugt sie davon, sich dem Leben wieder zu stellen. Die noch jugendliche Mala Powers ist hervorragend in diesem Drama, das aus der Vergewaltigungsszene, die nicht gezeigt wird, einen deutlich vom Film noir beeinflussten Moment des ausweglosen Terrors macht. 24.10., 13.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus 2.11., 18 h, Metro, Eric Pleskow Saal NEVER FEAR USA 1949, 81 Min, OF D: Sally Forrest, Keefe Brasselle, Hugh O’Brian, Eve Miller Gerade als Carol und ihr Verlobter vor dem Durchbruch als Tanzpaar stehen, erkrankt Carol an Kinderlähmung. Mühsam muss sie sich ihren Lebensmut und ihre physische Gesundheit zurückerobern – doch professionell tanzen wird sie nie mehr. In ihrer ersten offiziellen Regiearbeit bringt Lupino den Glitter des Showbiz und die dokumentarische Realität einer harten Polio-Reha mühelos unter einen Hut: Auch die Patienten im Rollstuhl tanzen Square-Dance. 25.10., 23 h, Metro, Eric Pleskow Saal NOT WANTED USA 1949, 91 Min, OF R: Elmer Clifton, D: Sally Forrest, Keefe Brasselle, Leo Penn, Dorothy Adams Der erste Film von Lupinos unabhängiger Produktionsgesellschaft erzählt mit viel Sympathie von der ledigen Sally, die von ihrem Ex ein Kind erwartet. Gesellschaftliches Unverständnis und Sallys emotionale Konfusion sorgen für Aufregung. Da Regisseur Clifton kurz nach Drehbeginn einen Herzinfarkt erlitt, übernahm Ko-Produzentin und Ko-Autorin Lupino die Regie. In den Credits ist sie nicht genannt, nicht zuletzt, weil sie sich, wie sie später erzählte, alle paar Minuten am Telefon Ratschläge von Clifton und von Cutter William Ziegler einholen musste. THE TROUBLE WITH ANGELS USA 1966, 111 Min, OF D: Hayley Mills, Rosalind Russell, Binnie Barnes, June Harding Lupinos letzte Kino-Regie; eine routinierte Komödie aus einer Zeit, als rauchende weibliche Teenager als Gipfel der Rebellion galten und die Gesellschaft katholische Internate noch für eine gute Sache hielt. Die aufsässige Mary und ihre Freundinnen spielen den Nonnen an der St. Francis Academy harmlose Streiche und halten sich für clever – doch viel weiser ist natürlich die sympathische Mutter Oberin. Vermutlich der einzige Nonnenfilm mit einem – züchtigen! – Auftritt einer veritablen Burlesque-Tänzerin (Gypsy Rose Lee). 5.11., 21 h, Stadtkino im Künstlerhaus ICH EERZ ICH ERZÄHLE RZÄÄHLE HLE EUCH EU CH M MEINE EINE GESCHICHTE GESCHI GE SCHIC CHTE HTE NICHT, WEIL NICHT, WEEIL WE IL SSIE IE EINZIGARTIG EINZIGART EI NZIGARTTTIG IG IS IST. T. SONDERN, SONDE SO NDERN, EERN ER N N, WEIL SSIE WEIL IIEE ES ES NICHT N ICHT IST. IST. Vom Regisseur von WAITING FOR SUPERMAN ® und Oscar Gewinner von EINE UNBEQUEME WAHRHEIT EIN KIND, EIN LEHRER, EIN B BUCH UCH UND EIN STIFTT KÖNNEN DIE WELT WELT LT VERÄNDERN. VERÄNDERN. WHAT BECKONING GHOST? USA 1961, 50 Min, OF D: Judith Evelyn, Tom Helmore, Adele Mara, Frank Wilcox Die von Lupino inszenierte Episode der Fernsehserie THRILLER (1960–62) erzählt, wie der Ehemann und die jüngere Schwester einer Konzertpianistin diese mit makabren Inszenierungen in den Herztod treiben und letztlich eine Überraschung erleben. Formal auffallend ist, wie Lupino mittels kreiselnder 1.11., 21 h, Metro, Historischer Saal OUTRAGE USA 1950, 75 Min, OF D: Mala Powers, Tod Andrews, Robert Clarke, Raymond Bond Das Glück der kurz vor ihrer Hochzeit stehenden Ann findet ein jähes Ende, als sie auf dem Heimweg von und schwankender Kamerabewegungen Verwirrung und Trunkenheit erfahrbar macht. 28.10., 16 h, Stadtkino im Künstlerhaus www.Malala-derFilm.de Das Buch bei /20thCenturyFoxAustria A AB B 23. 23. OKTOBER OKTTOBER N NUR UR IIM M KINO! KINO! EIGEN EIGENTUM TUM VON FOX. N NUR UR ZUM ZUM GEBRAUCH GEBRAUCH IN DER WERBUNG. WERBUNG. VERKAUF, VERKAUF, VER VERVIELFÄLTIGUNG VIELFÄL LTIGUNG TIGUNG ODER WEITERGABE TIGUNG WEITERGABE STRENG STRENG VERBOTEN. VERBOTEN. /FoxKino Retrospektive ANIMALS Eine kleine Zoologie des Kinos Die Darstellung von Tieren auf der Leinwand kommt einer Bändigung gleich, dem Festhalten einer dem Menschen im Grunde fremden Welt. Nicht zufällig spricht man vom sogenannten Tierreich: einem Reich, das es auch im Kino seit mehr als hundert Jahren zu erkunden, zu erforschen und zu erobern gilt. Vom «Tier im Film» zu sprechen, bedeutet also zunächst, den Blick auf das Fremde zu richten, so vertraut es auch scheinen mag. Robert Bressons AU HAZARD BALTHAZAR ist deshalb einer der schönsten und zugleich poetischsten Tierfilme, weil er das Vertraute im Fremden offenbart. Er zeigt, wie der Mensch allen anderen Lebewesen Schaden zufügt und sie sich zunutze macht, doch wie er gleichzeitig zu Mitleid und Empathie fähig ist. Im Umgang mit den Tieren ist für den Menschen noch nicht alles verloren, und gerne mag manches Tier – vornehmlich der Hund – als des Menschen bester Freund gelten, doch im Kino bildet es den buchstäblich natürlichen Gegenpart zur Zivilisation. Und so rührt das Tier auf der Leinwand vornehmlich an unsere Ängste und unsere Sehnsüchte. Das Tier ist Projektionsfläche und Spiegelbild zugleich. A ZED & TWO NOUGHTS GB/NL 1985, 115 Min, eOmdU R: Peter Greenaway, D: Brian Deacon, Eric Deacon, Andréa Ferréol, Frances Barber Bei einem Unfall kommen die Frauen der Zoologen und Zwillingsbrüder Oscar und Oswald ums Leben, die daraufhin eine seltsame Obsession mit Verfallsprozessen entwickeln. Durchzogen von Doppelungen und Spiegelungen, Parallelen und Symmetrien, sowie mit Anspielungen und Zitaten geradezu gespickt, wartet diese Greenaway’sche Extravaganz mit einer ganzen Reihe höchst spannender Zeitrafferaufnahmen auf. Untermalt von Michael Nymans Minimal Music verschimmeln Obst und Gemüse, verwesen immer größere Tiere, greifen die Brüder schließlich nach sich selbst. Und gleichmütig bremsen die Nacktschnecken ihren wissenschaftlichen Furor aus. Vorfilm: TIERE OHNE FEIND UND FURCHT 1953, Michael Grzimek, 10 Min gen Frau. Mit böser Ironie schildert Abraham nun, wie das einfache Volk und seine ebenso abergläubischen Anführer aus der höchsten Kaste der Brahmanen den armen Esel zunächst verteufeln und anschließend zum Heilsbringer ausrufen. Gegen die Ignoranz und Verkrustung des Kastensystems hilft wohl allein, so legt das Ende nahe, das reinigende Feuer einer Revolution. Vorfilm: THE CORRIDOR 2010, Sarah Vanagt, 7 Min 2. 11., 18.30 h, Filmmuseum THE ANIMALS FILM GB 1981, 136 Min, OF R: Victor Schonfeld, Myriam Alaux (EIN ESEL IM BRAHMANEN-DORF) Indien 1978, 96 Min, tamilOmdU R: John Abraham, D: M. B. Dreenivasan, S. Gopal, Sri Lalitha, Swathi Ein Philosophieprofessor erntet Spott und Häme, als er sich eines kleinen, verwaisten Esels annimmt. Auf Druck seiner Kollegen bringt er das «unreine» Tier in sein Heimatdorf und in die Obhut einer ebenfalls Ausgestoßenen, einer stummen jun56 ein Satz, der auch heute nichts von seiner Gültigkeit verloren hat und uns zum Handeln provozieren sollte. Vorfilm: DAS BOXENDE KÄNGURUH 1895, Max Skladanowsky, 20 Sek 23. 10., 16 h, Filmmuseum 30. 11., 20 h, Filmmuseum AU HASARD BALTHAZAR F 1966, 94 Min, OmeU R: Robert Bresson, D: Anne Wiazemsky, François Lafarge, Philippe Asselin, Nathalie Joyaut Durch die Passionsgeschichte des Esels Balthazar als der geschundenen Kreatur schlechthin kündet dieser unendlich traurige, mystisch anmutende Film von der Tragik des Lebens auf dieser Erde. Die Schicksale der Menschen – des Bauernmädchens Marie, ihrer Kindheitsliebe Jacques und des halbstarken Gérard – sind gleichnishaft episodisch eingewoben in die Erzählung, in der Balthazar stellvertretend für uns alle leidet an der Gewalt, an dem Unrecht und an der Lieblosigkeit der Welt. Die herzzerreißende Schlussszene ist unser aller Tränen wert. 23. 10., 18.30 h, Filmmuseum 22. 11., 18.45 h, Filmmuseum BABE: PIG IN THE CITY 30. 10., 16 h, Filmmuseum 21. 11., 20.45 h, Filmmuseum AGRAHARATHIL KAZHUTHAI 16. Oktober – 30. November Die Ausstrahlung dieser Dokumentation im britischen Fernsehen löste seinerzeit eine Schockwelle aus. Die krassen Bilder vom brutalen, ausbeuterischen Umgang der «Krone der Schöpfung» mit seinen Mittieren auf allen Ebenen, seien es Jagd, Tierhaltung, Pelze oder Forschung, machten das Wegsehen unmöglich. Doch was ist seitdem passiert? Auf dem Plakat zum Film ist zu lesen «it’s not about them, it’s about us» – Australien 1998, 96 Min, OF R: George Miller, D: James Cromwell, Magda Szubanski, Mickey Rooney, Mary Stein Diesmal ist das Schweinchen in der «großen Stadt» unterwegs, einem skurrilen Konglomerat sämtlicher europäischer Metropolen. Dort rettet das selbstlose Ferkel bei der Erstürmung des von Tieren bewohnten Hotels seinem ärgsten Feind, dem wütenden Pitbull, das Leben und erkennt fortan die Eintracht der Welt als seine Mission. Mit rasantem Actioneinsatz werden nun die Verdammten dieser Erde – herrenlose Hunde, singende Katzen, tanzende Mäuse, eine Gruppe arbeitsloser Varieté-Affen, ein Goldfisch – ein- PHASE IV gesammelt und finden ein neues Zuhause auf der Farm. 31. 10., 18.30 h, Filmmuseum BAMBI USA 1942, 70 Min, OF R: David Hand Selten wurde der Begriff «mutterseelenallein» so anrührend ins Bild gesetzt wie in BAMBI, als die Mutter des Hirschkalbs einem Jäger zum Opfer fällt und sein Ruf unerwidert in der frostigen Dämmerung verhallt. Eines der ewig gültigen Meisterwerke des Zeichentrickfilms, in Multiplan-Kameratechnik geradezu zärtlich animiert, erzählt vom Wald und seinen tierischen Bewohnern. Immer wieder schließt sich, im Wechsel der Jahreszeiten, der Kreis: heranwachsen, sich bewähren, den Fortbestand der Ordnung sicherstellen. Was den Zauber von BAMBI ausmacht, ist die Liebe und ist der Respekt, die in ihn eingeflossen sind, die sich in ihm ausdrücken und die uns ergreifen. Vorfilm: THE PRIVATE LIFE OF A CAT 1945/46, Alexander Hammid, Maya Deren, 29 Min 18. 10., 18.30 h, Filmmuseum 31. 10., 16 h, Filmmuseum die lebendigen Skulpturen, die Tür, der Spiegel – alles gehorcht dem Herrscher des Hauses, dem hässlichen, leidenden Tiermenschen, der aber so sanft ist zu der «Schönen». Ihre Blicke durchdringen sein abstoßendes Äußeres, versengen ihn fast. Von ihr allein erhofft er sich die Erlösung durch die Liebe – die das Märchen ihm, wie wir es erhoffen, am Ende auch gewährt. Vorfilm: RED HOT RIDING HOOD 1943, Tex Avery, 7 Min 21. 10., 18.30 h, Filmmuseum 28. 11., 18.30 h, Filmmuseum BEST IN SHOW USA 2000, 90 Min, OF R: Christopher Guest, D: Jay Brazeau, Parker Posey, Michael Hitchcock, Catherine O’Hara BATAILLE SUR LE GRAND FLEUVE F 1951, 35 Min, OmeU R: Jean Rouch Vier Monate lang hat Jean Rouch im Niger ethnografisch registrierend eine Flusspferdjagd begleitet. Rituale leiten sie ein – die Bitte an die Götter, die Flusspferde töten zu dürfen –, erst dann machen sich die Jäger auf einer übergroßen Piroge auf den Weg. Es folgen zähe, blutige Kämpfe, nicht alle werden gewonnen: Der größte Flusspferdbulle entkommt wie Moby Dick gespickt mit Lanzen, und die Jäger lagern erschöpft, geschlagen und gedemütigt am Ufer des Flusses. Mit LE COCHON und LE SANG DES BÊTES 2. 11., 21 h, Filmmuseum LA BELLE ET LA BÊTE F 1946, 94 Min, OmdU R: Jean Cocteau, D: Jean Marais, Josette Day, Marcel André, Mila Parély Schöner, atmosphärischer, fantastischer als es Jean Cocteau vor nahezu 70 Jahren gelungen ist, lässt sich ein Märchen nicht ins Bild setzen. Alles im Schloss des «Tieres» ist beseelt, Die Mayflower Kennel Club Dog Show – unter leicht geändertem Namen die größte Hundeshow der USA – ist das Traumziel der stolzen, mehr oder weniger abstrusen BesitzerInnen mehr oder weniger abstruser Hunde, die der Film pseudo-dokumentarisch begleitet. Dabei laufen die DarstellerInnen in den teils improvisierten Dialogen und «Vorher – Nachher»-Interviews zu realsatirischer Hochform auf, getoppt nur noch vom britisch-amerikanischen Kommentatoren-Team, das aus den gängigen nationalen Klischees skrupellos hochkomischen Gewinn schlägt. Vorfilm: QUEER PETS 1912, Percy Smith, 5 Min 1. 11., 16 h, Filmmuseum 27. 11., 18.30 h, Filmmuseum THE BIRDS USA 1963, 120 Min, OF R: Alfred Hitchcock, D: Tippi Hedren, Rod Taylor, Suzanne Pleshette, Jessica Tandy (Siehe S. 45) Am 30.10. in Anwesenheit von Tippi Hedren. Vorfilm: GLIMPSES OF BIRD LIFE 1910, Oliver Pike, 7 Min 30. 10., 20.30 h, Filmmuseum 28. 11., 20.30 h, Filmmuseum BRINGING UP BABY USA 1938, 102 Min, OF R: Howard Hawks, D: Katharine Hepburn, Cary Grant, Charlie Ruggles, Walter Catlett In Hawks’ Klassiker ist Cary Grant als ungelenker Paläontologe wehrlos einer nachgerade gemeingefährlich unbeirrbaren Katharine Hepburn und ihren Wortkaskaden mit gefühlt 200 wpm (words-per-minute) ausgeliefert, während unser Zwerchfell eine ähnliche Gagdichte verkraften muss. Wären da nicht die tierischen Protagonisten, der Brontosaurus und sein entscheidender Cameo-Aufbzw. Abtritt, der Leopard in einer Doppelrolle à la Jekyll-und-Hyde und der hinreißende Hundestar Asta als unermüdlich buddelnder George – wie sollten die zwei Menschen je zueinander finden? Vorfilm: GARE! LES LIONS! 1912, Lux, 5 Min 24. 10., 18.30 h, Filmmuseum 7. 11., 18.30 h, Filmmuseum 57 Retrospektive CANE TOADS: AN UNNATURAL HISTORY © NFSAA/Arthur Mostead Australien 1988, 47 Min, OF R: Mark Lewis Natürliche Schädlingsbekämpfung – klingt doch gut! Dachten sich auch diejenigen, die 1935 gut 100 Riesenkröten nach Australien importierten, um dem Käfer den Garaus zu machen, der die Zuckerrohrplantagen verwüstete. Die Kröten freilich – so weiß diese höchst instruktive und zugleich vergnügliche Dokumentation zu berichten – konnten weder, noch mochten sie das Insekt vertilgen und machten sich stattdessen dank ungeheurer Fruchtbarkeit und in Ermangelung natürlicher Feinde die australische Erde untertan. Mit UNE FÉE ... PAS COMME LES AUTRES 26. 10., 18.30 h, Filmmuseum CHANG: A DRAMA OF THE WILDERNESS USA 1927, 69 Min, eZT R: Merian C. Cooper, Ernest B. Schoedsack Der ethnografische, halbdokumentarische Abenteuerfilm CHANG erzählt von der Familie eines Reisbauern im unwirtlichen Dschungel von Nordsiam, dem heutigen Thailand, und ihrem täglichen Kampf ums Überleben. Als ein Leopard ihre Ziege, ein Tiger ihren Wasserbüffel reißt und Elefanten die Reisernte vernichten, ruft das ganze Dorf zu einer spektakulär inszenierten Jagd. Dank Bimbo, dem Hausäffchen, das als Mittler zwischen der Welt der Menschen und jener der Wildtiere fungiert, fehlt dem Dokudrama aber auch das Komödiantische nicht. Mit CLASH OF THE WOLVES Klavierbegleitung: Gerhard Gruber 26. 10., 15.30 h, Filmmuseum CLASH OF THE WOLVES USA 1925, 74 Min, eZT R: Noel M. Smith, D: Rin Tin Tin, Nanette, Charles Farrell, June Marlowe Unvergesslich die Geschichte von Loyalität und Freundschaft zwischen Dave, dem unerfahrenen Mineraliensucher, und Lobo, dem Wolfshund. Es verschlägt einem den Atem, wenn 58 der Hund majestätisch auf einem Felsbrocken thront oder über die Wüste fegt, und es zerreißt einem das Herz, wenn er, mit einem Kaktusdorn in der Pfote, fliehen muss. Gespielt wird Lobo von Rin Tin Tin, einem Schäferhund, der 1918 von einem amerikanischen Soldaten aus Frankreich in die USA gebracht wurde, der dort dann als Filmheld reussierte und einmal sogar für einen Schauspiel-Oscar nominiert wurde. Mit CHANG: A DRAMA OF THE WILDERNESS Klavierbegleitung: Gerhard Gruber 26. 10., 15.30 h, Filmmuseum LE COCHON F 1970, 52 Min, OF R: Jean Eustache, Jean-Michel Barjol Auf einem Bauernhof in Frankreich filmen Eustache und Barjol den Tag, an dem eine Sau geschlachtet wird. Das nüchtern-sachliche Protokoll beginnt mit dem Frühstück der Bauern und kurzem Blick auf das fressende Schwein und geht über die Tötung, das Häuten und Ausnehmen bis zur Verarbeitung zu Wurst. Nichts wird vergeudet dabei, alles findet Verwendung; ein Zeichen der Achtung für das getötete Tier, wie sie die industrielle Viehwirtschaft nicht mehr kennt. Mit BATAILLE SUR LE GRAND FLEUVE und LE SANG DES BÊTES FANTASTIC MR. FOX USA 2009, 87 Min, OF R: Wes Anderson Seiner Frau hat er versprochen, der Kinder wegen ehrlich zu bleiben, doch eines Tages ist die Versuchung zu groß … Mr. Fox ist eben ein Fuchs. Also stiehlt er die Hühner (und Schinken und Cider) der Herren Boggis, Bunce und Bean und bringt damit nicht nur seine Familie in Gefahr, sondern alle Tiere, die in dem Hügel wohnen, auf dem er seinen Bau, Pardon, sein Baumhaus hat. Anderson setzt Roald Dahls berühmtes Kinderbuch als Stop-MotionAnimation in Szene und erzählt schwungvoll – mal in flächigen 2. 11., 21 h, Filmmuseum Panoramen, mal in puppenstubenhafter Detailverliebtheit – die Geschichte vom Fuchs, der gar nicht so schlau, dafür aber umso optimistischer ist. Vorfilm: EN KLUVEN VÄRLD (A DIVIDED WORLD) 1948, Arne Sucksdorff, 9 Min 18. 10., 20.30 h, Filmmuseum L’ENFANT SAUVAGE THE FLY F 1970, 84 Min, OmeU R: François Truffaut, D: Jean-Pierre Cargol, François Truffaut, Françoise Seigner, Jean Dasté In luzidem Schwarzweiß erzählt Truffaut die Geschichte vom «Wilden von Aveyron» als Parabel einer Menschwerdung. 1798 wird ein tierähnlich und isoliert im Wald lebender Junge gefunden und zunächst als «Irrer» klassifiziert, damit im Wert landläufig unter einem Tier. Der aufgeklärte Gehörlosenpädagoge Dr. Itard nimmt sich seiner an, und es gelingt ihm, Victor, wie er ihn nennt, gewissermaßen nachzuentwickeln; dabei führt er uns vor Augen, dass das hilfloseste aller Tiere, der Mensch, noch scheinbar Naturgegebenes wie Hören und Sehen nur im Sozialen entfaltet. USA/GB/Kanada 1986, 94 Min, OF R: David Cronenberg, D: Jeff Goldblum, Geena Davis, John Getz, Joy Boushel Am Ende steht die Brundlefly, ein Mischwesen aus Mad Scientist Seth Brundle und der Fliege, die sich mit im Teletransporter befindet, als der Wissenschaftler den von ihm entwickelten Apparat im Selbstversuch testet. Eine Erfindung also, deren erster Schuss grandios nach hinten losgeht, auch wenn es zunächst danach aussieht, als würde das Tier im Menschen die Fähigkeiten des Letzteren erweitern. Cronenberg dringt mit THE FLY in Dimensionen des Körperhorrors vor, die die Welt so noch nicht gesehen hat und lässt Kurt Neumanns Original von 1958 tatsächlich ein wenig alt aussehen. Vorfilme: CHEESE MITES 1903, Charles Urban, 3 Min / THE UNCLEAN WORLD 1903, Percy Stow, 2 Min / THE STRENGTH AND AGILITY OF INSECTS 1911, Percy Smith, 4 Min / LES MOUCHES 1913, Eclipse-Urbanora, 6 Min 17. 10., 20.30 h, Filmmuseum 15. 11., 18.30 h, Filmmuseum 26. 10., 21 h, Filmmuseum GAAV (DIE KUH) Iran 1969, 104 Min, OmeU R: Dariush Mehrjui, D: Ezzatolah Entezami, Mahin Shahabi, Ali Nassirian, Jamshid Mashayekhi Betörend schön, inspiriert von Neorealismus und Nouvelle Vague, erzählt Mehrjui vom kargen Leben in einem armen persischen Dorf und vom Bauern Hasan und seiner geliebten Kuh. Er führt sie spazieren wie andere Leute ihren Hund, er verehrt sie, wäscht sie und schläft bei ihr im Stall, liebkost sie im Tanz. Als die Kuh unerwartet stirbt, begräbt die Dorfgemeinschaft das Tier und lässt Hasan in dem Glauben, sein Ein und Alles sei davongelaufen. Doch der Verlust löst Hasans Identität auf und stürzt ein ganzes Dorf in Schuld und Katastrophe. 25. 10., 18.30 h, Filmmuseum GOJIRA (GODZILLA) Japan 1954, 96 Min, japOmeU R: Ishiro Honda, D: Akira Takarada, Momoko Kochi, Haruo Nakajima, Katsumi Tetsuka Fakt ist, dass ein erwachsener Mann in einem aus Gummi gefertigten Monsteranzug in einer Modelllandschaft herumtrampelt und im Laufe dieser Aktion ziemlich viele Dinge zu Bruch gehen. Fakt ist aber auch, dass Gojira Tokyo in Folge eines unterirdischen Atombombenversuchs verwüstet und dass die Zerstörungssequenzen an die Vernichtung von Hiroshima und Nagasaki gemahnen. Gojira ist die Nemesis des japanischen Volkes, die Verkörperung eines Traumas, dessen wesentliche Veränderung über die Jahre – vom Zerstörer Tokyos zum Verteidiger Nippons – auch den Eingang des Atombombenschreckens in die Erinnerung des Landes widerspiegelt, den Übergang von Geschichte in Mythologie. Vorfilm: MYSTERIES OF THE DEEP 1959, Ben Sharpsteen/Disney, 24 Min 25. 10., 21 h, Filmmuseum 9. 11., 20.45 h, Filmmuseum GONE TO EARTH GB 1950, 110 Min, OF R: Michael Powell, Emeric Pressburger, D: Jennifer Jones, David Farrar, Cyril Cusack, Sybil Thorndike Gnadenlos hetzt die Jagdgesellschaft mit ihrer Meute über die Hügel von Shropshire, und Hazel kann ihr liebstes Wesen, ihren zahmen Fuchs, gerade noch retten. Die nicht-domestizierbare, naturverwurzelte junge Frau findet keinen Platz in der vermeintlich zivilisierten englischen Gesellschaft um 1900, sie wird zerrieben zwischen ihrer Vernunftehe mit dem aufrichtigen Baptistenprediger und ihrer Leidenschaft für den skrupellosen Gutsherrn. Am Ende wiederholt sich der Jagdruf des Anfangs: «Gone to earth!» (d. h. «Der Fuchs ist im Bau!») mit bitterer Doppeldeutigkeit. 2. 11., 16 h, Filmmuseum 23. 11., 18.30 h, Filmmuseum GOOD-BYE, MY LADY USA 1956, 95 Min, OF R: William A. Wellman, D: Brandon De Wilde, Walter Brennan, Phil Harris, Sidney Poitier In der bizarren Natur der Mississippi-Sümpfe, in denen er mit dem alten Uncle Jesse ein genügsames Leben führt, findet der Junge Skeeter einen kuriosen Vierbeiner: einen Hund, der nicht bellt und der sich putzt wie eine Katze. Skeeter zähmt die Hündin – einen seltenen afrikanischen Basenji – nennt sie Lady, vertraut ihr, gewinnt Vertrauen, und eine innige Freundschaft entsteht. Doch das Erwachsenwerden, das mit der Verantwortung für das Tier begann, verlangt nun eine erste grausame Entscheidung: Soll Skeeter Lady ihren rechtmäßigen Besitzern zurückgeben? Mit LASSIE COME HOME 25. 10., 15 h, Filmmuseum 7. 11., 15 h, Filmmuseum liebte die Grizzly Bären. So sehr, dass er seine Sommer bei ihnen im Katmai National Park, Alaska, verbrachte. 13 Jahre lang, bis 2003, als sie ihn schließlich eines Nachts fraßen. Zurück blieben hunderte Stunden Material, Reflexionen eines Besessenen im Stil einer TV-Naturdoku. Aus diesem Nachlass präpariert nun Herzog das Porträt eines Mannes, der sich in der Grenzziehung zwischen Tier und Mensch fatal vertut. Welten prallen aufeinander – Treadwell, der Grizzly mit Teddy verwechselt, und Herzog, dem die «grausame Indifferenz der Natur» Axiom jeglicher Erkenntnis ist –, doch in beiden lebt eine große Leidenschaft. 21. 10., 20.30 h, Filmmuseum I DO NOT KNOW WHAT IT IS I AM LIKE USA 1986, 89 Min, OF R: Bill Viola Der enigmatisch anmutende Titel aus den indischen Veden benennt eine existenzielle Frage des Daseins, um die sich dieses Video, mal zentral, mal peripher, bewegt. In langsamen, meditativen Einstellungen erkundet Bill Viola, wo der Mensch sich verortet in der, mit der, gegenüber der Natur, und wo in all dem der Künstler seinen Platz findet. Bilder von arrangierten Stilleben (nature morte) und die zentrale Emblematik der spiegelnden Pupille – eines Büffels, eines Fischs, eines Vogels – markieren die Übergänge zwischen Innen und Außen und zwischen Mensch und Tier. Vorfilm: LE CINÉMA LENT ET LES MOVEMENTS RAPIDES DES ANIMAUX 1915, Pathé, 6 Min 11. 11., 18.30 h, Filmmuseum INDIA, MATRI BHUMI I/F 1957–59, 90 Min, iOmdU R: Roberto Rossellini GRIZZLY MAN USA 2005, 103 Min, OF R: Werner Herzog Timothy Treadwell, selbsternannter Tierschützer und Amateur-Filmer, Mit einer Kamera, die ständig in Bewegung ist, die keinen Stillstand kennt, versucht Rossellini sein Gefühl von Indien filmisch umzusetzen, den scharfen Kontrast zu vermitteln zwischen dem Leben in der Metropole Bombay und dem 59 Retrospektive geruhsamen, kargen Leben auf dem Land. INDIA, MATRI BHUMI ist weder Spiel- noch Dokumentarfilm, vielmehr ein filmisches Poem, eine Meditation, die die schwere Arbeit der Elefanten zeigt, die Bedrohtheit des Tigers und in einer der berührendsten Szenen ein dressiertes Äffchen, das versucht, seinen sterbenden Besitzer vor den lauernden Geiern zu beschützen. Vorfilm: PASTORI DI ORGOSOLO 1958, Vittorio De Seta, 10 Min 19. 10., 18.30 h, Filmmuseum KES © Park Circus GB 1969, 110 Min, OmdU R: Ken Loach, D: David Bradley, Colin Welland, Lynne Perrie, Freddie Fletcher Mit KES ist Ken Loach eine scharf beobachtete wie atmosphärisch dichte und psychologisch einfühlsame Sozialstudie über das harte Milieu eines Kohlereviers im Norden Englands gelungen. Der 15-jährige Billy, ein mutiger, neugieriger Einzelgänger, wird in der Schule gehänselt und ungerecht bestraft, im Dorf verachtet und von seinem Bruder geprügelt. Eines Tages findet er einen jungen Falken und richtet ihn ab. Der Kontrast dieser beglückenden Begegnung zwischen Billy und seinem fliegenden Freund zu der brutalen Lebensrealität und trostlosen Zukunftsperspektive des Jungen könnte größer und bitterer kaum sein. 5. 11., 18.30 h, Filmmuseum 21. 11., 18.30 h, Filmmuseum puppen Willis O’Brien. Entsetzt und hysterisch beschrien von Fay Wray, der ersten würdigen Scream-Queen. KING KONG, ein altersloser Film voll ikonischer Momente, in dem die ganze Poesie des handgemachten Kinos aufgehoben ist wie in einer Schneekugel. Handle with care. 16. 10., 20.30 h, Filmmuseum 14. 11., 16.30 h, Filmmuseum KOI YA KOI NASUNA KOI (THE MAD FOX) Japan 1962, 109 Min, OmeU R: Tomu Uchida, D: Okawa Hashizo, Saga Michiko, Usami Yunya, Kensaku Hara Der über den Verlust seiner Liebsten irre herumirrende Yasuna wird von einem weiblichen Fuchsgeist aufgenommen, der die Gestalt der geliebten Frau annimmt, sich in ihn verliebt und schließlich sogar einen Sohn gebärt. Doch ein Happy End kann eine solche Grenzüberschreitung zwischen animalischer und menschlicher Welt nicht haben. Im Gegensatz zum Film, der sie erzählt und der zwischen dem Theaterhaften, dem Malerischen und den filmischen Mitteln eine glückliche Harmonie herstellt. Dergestalt, dass der Grad an Abstraktion, den dieses Meisterwerk erreicht, der emotionalen Wucht der Geschichte in keinem Moment im Wege steht. Am Ende bricht einem schier das Herz. 1. 11., 18.30 h, Filmmuseum KOKO, LE GORILLE QUI PARLE (KOKO, A TALKING GORILLA) F 1978, 85 Min, eOmdU R: Barbet Schroeder KING KONG USA 1933, 101 Min, OmdU R: Merian C. Cooper, Ernest B. Schoedsack, D: Fay Wray, Robert Armstrong, Bruce Cabot, Frank Reicher King Kong, Herrscher über Skull Island, Riesenaffe, Vater aller Monstertiere. King Kong, der Unglücklichste unter den Gorillas, der der Versuchung der weißen Frau nicht widerstand und der nun auf alle Zeit vom Empire State Building herabwinkt. In Stop-Motion-Technik animiert vom Großmeister kleinwüchsiger Glieder60 Lange vertrauten wir Menschen selbstgerecht darauf, die Differenz zwischen uns und anderen Primaten sei qualitativ, ein Sprung, gekennzeichnet vor allem durch die Alleinstellungsmerkmale Bewusstsein und Sprache. Nach dieser Dokumentation über die Arbeit der Forscherin Penny Patterson mit Gorillafrau Koko, die sich in Gebärdensprache mitteilt und unterhält, dabei sogar kreativ neue Begriffe entwickelt, dürften noch die hartnäckigsten «Humanisten» ihre Arroganz ablegen und unsere Mitprimaten als eigenständige Persönlichkeiten anerkennen. Vorfilm: LAST LOST 1996, Eve Heller, 13 Min In Anwesenheit von Eve Heller. 29. 10., 21 h, Filmmuseum LASSIE COME HOME USA 1943, 89 Min, OF R: Fred M. Wilcox, D: Roddy McDowall, Donald Crisp, Elsa Lanchester, Elizabeth Taylor Lassie, das erfolgreichste Tier der Filmgeschichte, hat wohl überall auf der Welt mannigfach Kindheitsträume genährt. Die erste Verfilmung des erfolgreichen Jugendbuches, LASSIE COME HOME, nimmt ihren Ausgang in einer verarmten Familie, die Lassie verkaufen muss, weil der Vater die Arbeit verloren hat und das Geld fehlt. Es folgt die lange Flucht des treuen und klugen Collies nach Hause, von Schottland bis nach Yorkshire, lebensgefährliche Flussüberquerung und stuntdogmäßiger Sprung durchs Fenster inklusive. Und als I-Tüpfelchen: Elizabeth Taylor als Kinderstar in ihrer ersten großen Rolle. Mit GOOD-BYE, MY LADY 25. 10., 15 h, Filmmuseum 7. 11., 15 h, Filmmuseum THE LAST HUNT USA 1956, 103 Min, Omd/fU R: Richard Brooks, D: Robert Taylor, Stewart Granger, Lloyd Nolan, Debra Paget Der Völkermord an den Ureinwohnern Amerikas wurde begleitet von einem weiteren Massenmord, von dem THE LAST HUNT erzählt. Aufnahmen einer Ausdünnung noch vorhandener Herden aus dem Entstehungsjahr des Films illustrieren drastisch die kaltblütige Brutalität, mit der der amerikanische Bison nahezu ausgerottet wurde. Die Figur des psychopathischen Exsoldaten und Bisonjägers Gilson, dessen Lust am Töten mit seinem Indianerhass perfekt zusammengeht, zwingt uns zu einem Blick in den dunklen Spiegel der Kolonisierung und «Zivilisierung» Nordamerikas. Vorfilm: CHASSE AUX PHOQUES DANS LA MER DE LA TASMANIE (SEEHUNDJAGD IN TASMANIEN) 1910, Pathé, ca. 5 Min 24. 10., 16 h, Filmmuseum 9. 11., 18.30 h, Filmmuseum LEVIATHAN USA/GB/F 2012, 87 Min, eOF R: Lucien Castaing-Taylor, Véréna Paravel Ein Fischkutter, der vor der Küste von New Bedford, Massachusetts, seiner Arbeit nachgeht. Gedreht mit kleinen, mitten ins Geschehen geworfenen Digitalkameras. Ein gewaltiger Strudel aus Bildern und Tönen, der sich sehr allmählich erst zu etwas ordnet, das die Brutalität der kommerziellen Fischerei ist und zugleich ein mythischer Raum. Müdigkeit und Erschöpfung, Kälte und Nässe. Ödnis. Das mechanische Töten und das massenhafte Sterben. Fressen und Gefressenwerden. Aus all dem entsteht schließlich ein atmender Organismus: das biblische Seemonster, das den Ozean durchpflügt und alles Leben mit sich reißt. In Anwesenheit von Véréna Paravel. Vorfilme: VISVANGST MET AALSCHOLVERS IN NEDERLANDS INDIË (FISCHFANG MIT KORMORANEN) 1925, 3 Min / PESCHERECCI 1958, Vittorio De Seta, 11 Min 4. 11., 21 h, Filmmuseum MOBY DICK USA 1956, 115 Min, OF R: John Huston, D: Gregory Peck, Richard Basehart, Leo Genn, Friedrich von Ledebur Die Geschichte vom weißen Wal, Moby Dick, und Käpt’n Ahab, dem er das Bein nahm. Der ihn so aus dem Gleichgewicht brachte und im Innersten verwundete. Sodass Ahab ihn jagen muss, wie besessen jagen, Moby Dick, das Riesentier, das sich ihm nicht untertan machen will. In dem Ahab das Böse erkennt und den Auftrag zur Demut verkennt. Braun, rosa, grau leuchtet das Meer in Technicolor, blau, rot und grün strahlt der Himmel. Und als Moby Dick schließlich auftaucht, da ist seine Haut nicht weiß, sondern mannigfach gezeichnet von den Spuren des Kampfes, der sein Leben ist. Er kommt, um Ahab zu holen, der große weiße Gott, und dessen Hybris zu enden. Vorfilm: VIVE LA BALEINE 1972, Chris Marker, Mario Ruspoli, 17 Min 19. 10., 20.30 h, Filmmuseum 21. 11., 16 h, Filmmuseum MOGAMBO USA 1953, 116 Min, OF R: John Ford, D: Clark Gable, Ava Gardner, Grace Kelly, Donald Sinden Nur kurz geraten die vorbestimmten Konstellationen durcheinander – der raue Wildtierfänger und der abgebrühte Vamp, der brave Forscher und seine noch britisch-bravere Ehefrau sind nach einigen Verirrungen wieder an ihrem Platz. Ohnehin tritt ihre Geschichte in den Hintergrund angesichts der Weite und der Tierwelt der afrikanischen Savanne und des Dschungels, durch den wir zum heimlichen Höhepunkt des Films vordringen: Aufnahmen einer BerggorillaFamilie, die sich mit leinwandsprengender Kraft und Urgewalt jede menschliche Zudringlichkeit verbittet. Vorfilm: EIN FABELTIER FLIEGT NACH DEUTSCHLAND 1954, Michael Grzimek, 11 Min erzählt vom Schrecken, der vom offenbar intelligenten und in feindseliger Absicht koordinierten Verhalten einer Masse von Winzlingen ausgehen kann, denen der Mensch sich überlegen glaubte, was wie üblich ein Fehler war. Astronomische Phänomene seien schuld, wird behelfserklärt. Zentral aber ist die Erkenntnis der jederzeitigen Möglichkeit totaler humaner Ohnmacht. Vorfilme: LA CHENILLE DE LA CAROTTE 1911, Pathé, 9 Min / LA PEINE DU TALION 1906, Gaston Velle, 6 Min 24. 10., 21 h, Filmmuseum 6. 11., 18.30 h, Filmmuseum PLANET OF THE APES USA 1968, 112 Min, OF R: Franklin J. Schaffner, D: Charlton Heston, Roddy McDowall, Kim Hunter, Maurice Evans 29. 10., 16 h, Filmmuseum 26. 11., 20.30 h, Filmmuseum MON ONCLE D’AMERIQUE F 1980, 126 Min, OmeU R: Alain Resnais, D: Gérard Depardieu, Nicole Garcia, Roger Pierre, Henri Laborit Ein Bauernsohn, eine Arbeitertochter, ein Bourgeois sind die drei Hauptcharaktere dieses essayistisch-fiktionalen Experiments. Der Clou des Films aber ist der vierte Protagonist, der Verhaltensforscher Henri Laborit. Seine Erkenntnisse zu Evolution und sozialer Konditionierung, gewonnen aus Versuchen mit Ratten, stehen als Kommentar im Dialog mit den drei Geschichten und verhelfen uns, vereint mit Resnais’ teils skurillwitzigen, stets erhellenden Bildassoziationen, zu zwei Stunden angeregtem Nachdenken über die Frage, wie sehr der «freie Wille» uns Menschen von den Laborratten des Forschers tatsächlich unterscheidet. Vorfilm: L’HIPPOCAMPE, OU «CHEVAL MARIN» 1934, Jean Painlevé, 14 Min 22. 10., 20.30 h, Filmmuseum 7. 11., 20.45 h, Filmmuseum PLANET OF THE APES nutzt geschickt den Topos der «verkehrten Welt», um Absurditäten und Verbrechen der eigenen Gesellschaft zu entlarven. Der nach über tausendjährigem Flug im Staat der Affen gelandete Astronaut Taylor findet sich unversehens als Käfigtier wieder. Erst die letzte Einstellung enthüllt ihm (und uns) die grausame Ursache für diesen Aufstieg des einen Primaten auf Kosten des anderen. Dieser Klassiker des Science-Fiction kam noch ohne digitale special effects aus und erntete zurecht Bewunderung für die verblüffend lebensechten Affenmasken. Vorfilm: RAT LIFE AND DIET IN NORTH AMERICA 1968, Joyce Wieland, 16 Min 31. 10., 21 h, Filmmuseum 22. 11., 20.30 h, Filmmuseum PHASE IV PRIMATE GB/USA 1974, 84 Min, OF R: Saul Bass, D: Nigel Davenport, Michael Murphy, Lynne Frederick, Alan Gifford Sechs Beine am Körper! Fühler am Kopf!! Zangen im Gesicht!!! Schaut man sich die Ameise aus der Nähe an, dann wirkt sie doch sehr befremdlich, um nicht zu sagen beunruhigend, wenn nicht gar bedrohlich. Der einzige Spielfilm des für seine Filmvorspänne berühmten Saul Bass USA 1974, 106 Min, OF R: Frederick Wiseman Wir befinden uns mit Wisemans gnadenlos registrierender Kamera in einem primate research center, in dem Primaten – kleinste Äffchen, Schimpansen, Orang-Utans – in engen Käfigen darauf warten, beobachtet, gemessen, seziert zu werden von anderen Primaten, Wissenschaftlern, deren Empathielosigkeit mit unseren 61 Retrospektive Stolz auf ihre Geschicklichkeit und ihre harte und gefährliche Arbeit. Mit BATAILLE SUR LE GRAND FLEUVE und LE COCHON 2. 11., 21 h, Filmmuseum mühelos die Herzen des Publikums erobert. 18. 10., 16.30 h, Filmmuseum 8. 11., 18.30 h, Filmmuseum TIERISCHE LIEBE SEN TO CHIHIRO NO KAMIKAKUSHI (CHIHIROS REISE INS ZAUBERLAND) nächsten Verwandten den Atem verschlägt. Jede Forschung sei schon irgendwann sinnvoll, so die Rechtfertigung für ihr Tun. Der Begriff «Primat» leitet sich übrigens von lat. «primus», «der erste, der beste», her, und bezog sich einst auf den Menschen als «Krone der Schöpfung». Vorfilm: GRIGIO 1957, Ermanno Olmi, Pier Paolo Pasolini, 11 Min 28. 10., 21 h, Filmmuseum Japan 2001, 124 Min, OmdU R: Hayao Miyazaki Angesichts des Bilder-Wirbelsturms, der da hereinbricht, ist es für die Zuschauer nicht immer einfach, einen klaren Kopf zu bewahren. Zumal die Geschichte, die mittels seiner erzählt wird, nicht minder komplex ist. Chihiro, die kleine Heldin, muss ihre Eltern erlösen, die unbedacht von der Götter Speise gekostet haben und zur Strafe in Schweine verwandelt RED RIVER USA 1948, 132 Min, OF R: Howard Hawks, D: John Wayne, Montgomery Clift, Joanne Dru, Walter Brennan Mit 9000 Rindern sind Rancher Thomas Dunson (Wayne) und sein Adoptivsohn Matt Garth (Clift) von Texas nach Missouri unterwegs. Das ist an sich schon strapaziös, wird aber noch viel schlimmer, als Vater und Sohn massiv aneinandergeraten. Clift’sches Method Acting trifft auf Duke’sche Grobgroßkunst, doch alles verblasst, als dem Koch die Töpfe zu Boden gehen und das Vieh, aufgeschreckt, sich in Bewegung setzt. Die Stampede in RED RIVER ist ein Ereignis. Eine Naturgewalt, die über die Leinwand brettert, die entfesselt sich Bahn bricht und einen staubbedeckt und atemlos zurücklässt. Sodann geht’s weiter mit der Handlung. 6. 11., 20.30 h, Filmmuseum 29. 11., 20 h, Filmmuseum LE SANG DES BÊTES F 1949, 22 Min, OmeU R: Georges Franju Schauplatz von LE SANG DES BÊTES sind die Schlachthäuser an der Peripherie von Paris, in denen Pferde, Kühe, Schafe für die hungrigen Mägen der Großstadt zu Tausenden ihr Leben lassen. Ohne das Schwarzweiß wäre der Film, so Franju, unerträglich, und überdies gewiss ungeeignet als Illustration des zentralen Baudelaire-Zitats: «Töten ohne Wut und ohne Hass, wie ein Metzger». Die Helden dieses Films sind die Schlachter, sie präsentieren sich mit 62 A 1995, 111 Min, dOF R: Ulrich Seidl Wer sich auf die Kadrierung dieses Films einlässt, sieht, wie sehr Einsamkeit die Menschen zu ihren Tieren hintreibt. Die Menschen, das sind hier die Ausgestoßenen und Verlassenen, Gestrauchelte unserer Gesellschaft. Die Tiere – den Menschen, so der Tierbestatter, von Gott gesandt – die Hunde, Katzen, Frettchen, Hasen werden von ihren Herrchen und Frauchen gestreichelt, gehätschelt, vergöttert, gedrillt und bis zum Missbrauch geliebt. Als Objekte des Verlangens lassen sie die Begehrlichkeiten der Vereinsamten scheinbar unbeteiligt über sich ergehen. Vorfilm: MADAME BABYLAS AIME LES ANIMAUX 1911, Alfred Machin, ca. 8 Min 5. 11., 20.45 h, Filmmuseum UCCELLACCI E UCCELLINI wurden. Sie ersucht um Arbeit in Hexe Jubabas Badehaus, verpfändet ihren Namen und macht sich an ein Werk, an dessen Ende sie sich nicht nur vom schmollenden Kind zum selbstbewussten Mädchen entwickelt, sondern auch den sie umgebenden magischen Wesen eine ganze Menge beigebracht haben wird: zum Beispiel Mitgefühl. 8. 11., 16 h, Filmmuseum (GROSSE VÖGEL – KLEINE VÖGEL) I 1966, 89 Min, OmeU R: Pier Paolo Pasolini, D: Totò, Ninetto Davoli, Femi Benussi, Umberto Bevilacqua TARZAN THE APE MAN USA 1932, 100 Min, Omf/nlU R: W. S. Van Dyke, D: Johnny Weissmuller, Maureen O’Sullivan, Neil Hamilton, C. Aubrey Smith Die berühmteste Tarzan-Interpretation der Filmgeschichte geht auf das Konto des mehrfachen SchwimmOlympiasiegers Johnny Weissmuller. Tarzan schnappt sich Jane, Tochter eines englischen Großwildjägers, die sich nach anfänglichem Schrecken tatsächlich mit ihrem Entführer anfreundet. Der von Affen erzogene, mit den wilden Tieren des Urwalds eng verbundene Naturmensch wehrt Angriffe von Leoparden, Löwen, Krokodilen und Elefanten ab und rettet Janes Landsleute aus tödlicher Gefahr. Komplettiert wird das Dschungelmärchen von der Schimpansin Cheeta, die auch heute noch Ein sprechender Rabe – aus dem Land «Ideologie», wie er sagt – versucht, einen unbedarft und unbekümmert durchs römische Umland wandernden Mann (der große italienische Komiker Totò) und dessen Sohn auf die ungerechte soziale Ordnung aufmerksam zu machen. Dazu erzählt er ihnen auch die Legende vom heiligen Franziskus und regt sie an, den Falken und den Spatzen das Evangelium zu predigen. Ungeachtet jahreszeitlicher Unbilden gelingt es Totò, erst die Falken, dann die Spatzen zu bekehren. Doch dann stürzt sich ein Falke auf einen Spatzen … Vorfilm: DE VOGELTJESVANGER (DER VÖGLEINFÄNGER) 1925, N.V. Orion Filmfabriek, ca. 6 Min 16. 10., 18.30 h, Filmmuseum 8. 11., 20.30 h, Filmmuseum UMBERTO D. I 1952, 88 Min, OmdU R: Vittorio De Sica, D: Carlo Battisti, Maria Pia Casilio, Lina Gennari, Ileana Simova Ja, Tiere können einen Menschen im Leben halten – so demonstriert es De Sica eindrücklich in UMBERTO D. In einer Zeit, in der gesellschaftliche Kälte und Egoismus die Reaktion auf das Elend der Welt bestimmen, sei dieses neorealistische Meisterwerk als Spiegel und Erinnerungshilfe empfohlen. Einzig menschlicher Lichtblick in dieser herzbewegend traurigen Geschichte aus der italienischen Nachkriegszeit ist der treue und lebensfrohe Hund Flike, der den verarmten, vereinsamten, lebensmüde gewordenen Umberto vorm Suizid bewahrt. Vorfilm: CANI DIETRO LE SBARRE 1955, Gillo Pontecorvo, 12 Min 17. 10., 18.30 h, Filmmuseum UNE FÉE ... PAS COMME LES AUTRES F/I 1957, 61 Min, fOmeU R: Jean Tourane Eine Fee vergisst ihren Zauberstab, ein böser Geist bekommt ihn in die Finger, ein Team von Helden entreißt ihn ihm wieder – soweit die simple Märchenstory. Doch die Handlung ist hier reine Nebensache. Denn wir bekommen ein Spielzeugdorf vorgeführt, das ausschließlich von echten(!) Tieren bevölkert ist. Kaninchen spielen Billard, ein Hund schmeißt die Kneipe, eine Ente fährt Post aus, und als Höhepunkt dieser bezaubernden Absurditäten wäscht ein Fuchs im Friseursalon einem Huhn den Kopf! Mit CANE TOADS: AN UNNATURAL HISTORY 26. 10., 18.30 h, Filmmuseum VASE DE NOCES Belgien 1974, 82 Min, kein Dialog R: Thierry Zéno, D: Dominique Garny Zartbesaitete seien gewarnt: Der Film hält in Sachen Drastik alles, was sein Ruf im cineastischen Untergrund verspricht. Auf einem, so scheint es, postapokalyptischen Bauernhof beschäftigt sich ein Mann, der letzte seiner Art, in autistischer Weise mit den Tieren, mit sich selbst, seinen Ausscheidungen und seiner Geliebten, einem Schwein. Jenseits des reinen Tabubruchs ist VASE DE NOCES mit seinem beklemmend groben Schwarzweiß und seinem radikalen Soundtrack ein so verstörendes wie sehenswertes Zeugnis experimenteller Subversivität im Film der 1970er Jahre. Vorfilm: DE POES (DIE KATZE) 1968, Johan van der Keuken, 6 Min 1. 11., 21 h, Filmmuseum VIDAS SECAS (TROCKENES LEBEN) Brasilien 1963, 100 Min, OmdU R: Nelson Pereira dos Santos, D: Átila Iório, Maria Ribeiro, Orlando Macedo, Joffre Soares In eindringlichen, dokumentarisch anmutenden Bildern wird hier vom Überlebenskampf einer Familie von Viehtreibern erzählt. Anhaltende Dürre zwingt sie, durch den unwirtlichen, von Großgrundbesitzern beherrschten Nordosten Brasiliens zu ziehen, begleitet von ihrem treuen und selbstlosen Hütehund. Er sichert das Überleben der bitterarmen Familie, indem er die erjagten Mäuse mit ihnen teilt, er schlägt Alarm, als ein Junge unbemerkt erschöpft zurückbleibt. Am Ende aber reicht auch seine Kraft nicht für diese Pilgerschaft durch ein nicht endendes Fegefeuer. 28. 10., 16 h, Filmmuseum 12. 11., 18.30 h, Filmmuseum WHITE DOG USA 1982, 89 Min, OF R: Samuel Fuller, D: Kristy McNichol, Paul Winfield, Burl Ives, Jameson Parker Sam Fullers radikal antirassistischer Thriller WHITE DOG ist ebenso bittere Anklage wie überzeugende Parabel und führt vor, dass niemand als Rassist geboren wird, sondern man erst zum Rassisten gemacht wird. Als die Schauspielerin Julie den von ihr angefahrenen weißen Schäferhund bei sich aufnimmt, ahnt sie nicht, dass der als sogenannter white dog schon als Welpe abgerichtet wurde, »Schwarze» anzugreifen und zu töten. Ausgerechnet der afroamerikanische Tiertrainer Keys nimmt die aussichtslos scheinende Herausforderung an, diesen Hund «umzuprogrammieren». Vorfilm: SID 1998, Jeffrey Scher, 3 Min 23. 10., 21 h, Filmmuseum KURZFILMPROGRAMME ANIMALI | CRIMINALI (CA. 80 MIN) DAS ERBE 1935, Carl Hartmann, 11 Min ELECTROCUTING AN ELEPHANT 1903, Edison Manufacturing Co., ca. 1 Min CHASSE À LA PANTHÈRE 1909, Alfred Machin, ca. 7 Min UNSERE AFRIKAREISE 1966, Peter Kubelka, 13 Min DER LETZTE SCHREI DES DSCHUNGELS [Trailer] 1975, 3 Min ANIMALI CRIMINALI 1994, Yervant Gianikian, Angela Ricci Lucchi, 7 Min FÜTTERUNG VON RIESENSCHLANGEN 1911, Komet-Film, 3 Min CAT FISHIN’ 1947, William Hanna, Joseph Barbera, 7 Min GALLODROME 1989, Romuald Karmakar, 13 Min BULLY FOR BUGS 1953, Chuck Jones, 7 Min BATTLE AT KRUGER 2004/07, David Budzinski, Jason Schlosberg, 8 Min BULLY FOR BUGS Projektionen: Unsere liebste Fehlwahrnehmung der Tiere, das beweist BATTLE AT KRUGER, ist der Anthropomorphismus – wie schön, wenn sich «die armen Büffel» gegen «die bösen Löwen» zusammentun! Der paradoxe Titel ANIMALI CRIMINALI verweist auf eine «Kriminalisierung» der Tierwelt durch ideologische Verzweckung. Das sozialdarwinistische Potenzial des Bildmaterials vom «natürlichen Überlebenskampf» des Hirschkäfers nutzt DAS ERBE propagandistisch für den faschistischen Rassenwahn. 28. 10., 18.30 h, Filmmuseum ANIMATED ANIMALS (CA. 75 MIN) MEST’ KINEMATOGRAFICHESKOGO OPERATORA (DIE RACHE DES KAMERAMANNS) 1911/12, Ladislas Starewitch, 14 Min HOW A MOSQUITO OPERATES 1912, Winsor McCay, ca. 6 Min AFRICA BEFORE DARK 1928, Walt Disney, ca. 7 Min SLAP HAPPY LION 1947, Tex Avery, 7 Min L’ANITRA FAMOSA 1954, Jószef Misik, Geesink Studio, 3 Min «FLAMINGO» SMART EXPORT ca. 1959, Geesink Studio, 1 Min BY WORD OF MOUSE 1954, Fritz Freleng, 8 Min WHOA, BE-GONE! 1958, Chuck Jones, 6 Min 63 Retrospektive YOZHIK V TUMANE (IGEL IM NEBE L/HEDGEHOG IN THE FOG) 1975, Jurij Norstein, 10 Min CREATURE COMFORTS 1989, Nick Park, 5 Min FOR THE BIRDS 2000, Ralph Eggleston, 3 Min SHADOW CUTS 2010, Martin Arnold, 5 Min CARELESS REEF PART 4 die Unterwasserwelten von CARELESS REEF auf. Brian Enos Soundtrack verschränkt sich in BERLIN HORSE mit abstrahierten Aufnahmen eines Pferdes. Duke Ellington beschwingt Painlevés VAMPIR beim Auslöffeln eines Meerschweinchens und Markers SLON, russisch für Elefant, lässt sich durch Strawinskys Tango zum Tanz verführen. 29. 10., 18.30 h, Filmmuseum HUND & KATZ & GROMIT: 130 JAHRE KINO (CA. 92 MIN) LA CHRONOPHOTOGRAPHIE SUR PELLICULE/ LA CHUTE DU CHAT SHADOW CUTS dürfen ebensowenig fehlen wie moderne Computeranimation aus dem Hause Pixar (FOR THE BIRDS). 30. 10., 18.30 h, Filmmuseum DER GESANG DER TIERE (96 MIN) [GUS VISSER AND HIS SINGING DUCK] 1925, Theodor Case, 2 Min LE VAMPIRE 1939–45, Jean Painlevé, 9 Min HURDY-GURDY HARE 1950, Robert McKimson, 6 Min ONE FROGGY EVENING 1955, Chuck Jones, 7 Min BERLIN HORSE 1970, Malcolm LeGrice, 7 Min VREMENA GODA / TARVA YEGHANAKNER (DIE JAHRESZEITEN) 1975, Artavazd Pelešjan, 29 Min BOUNDIN’ 2003, Bud Luckey, 5 Min SLON TANGO 1993, Chris Marker, 4 Min C’MON BABE (DANKE SCHÖN) 1988, Sharon Sandusky, 12 Min CARELESS REEF PART 4: MARSA ABU GALAWA 2004, Gerard Holthuis, 12 Min 1888–94, Étienne-Jules Marey, 9 Min RAUMZEITHUND 2010, Nikolaus Eckhard, 6 Min MEISSNER PORZELLAN! TIER- UND MENSCHENGÄRTEN (CA. 96 MIN) PLACKEREI FREUDE-LEID ODER LICHT UND SCHATTEN AUF DER FARM DES ZIRKUS BOSTOCK 1911, ca. 4 Min CREATURE COMFORTS 1989, Nick Park, 5 Min THE NEW ARCHITECTURE OF THE LONDON ZOO 1936–38, László Moholy-Nagy, 16 Min CAROUSEL – ANIMAL OPERA ca. 1938/1970, Joseph Cornell, Fertigstellung: Lawrence Jordan, 6 Min ZOO 1962, Bert Haanstra, 12 Min MICROCULTURAL INCIDENTS AT 10 ZOOS 1971, Ray L. Birdwhistell, 33 Min NASHÖRNER 1987, Karl Kels, 9 Min LA NUIT TOMBE SUR LA MÉNAGERIE 2010, Nicolas Philibert, 11 Min [Fragment] 1912–14, Gaumont, ca. 1 Min DÉJEUNER DU CHAT 1896, Cinématographe Lumière, ca. 1 Min Kader © Georg Wasner Die flüssigen Bewegungen in Starewitchs frühem Stop-Motion-Film gebieten Respekt; reduziert wirkt dagegen der aus Umrisszeichnungen animierte Film MacKays. Eine Episode aus der ewigen Jagd des Koyoten auf den Roadrunner und ein Tex Avery Klassiker teilen sich das Motto: kleine Ursache, große Wirkung! Die expressiven Bilder eines klassischen Animationsfilms russischer Schule (YOZHIK V TUMANE) alchemistisch neu zusammengesetzt (CAT’S CRADLE). Dann kommt der Film auf den Hund (DOG DUET); und Knettiere erobern die Leinwand (A CLOSE SHAVE). Während eine Katze auf der Tastatur eines elektronischen Klaviers liegt und sich trauriger Musik hinzugeben scheint (CHAT ÉCOUTANT LA MUSIQUE). 22. 10., 18.30 h, Filmmuseum FAMILLE DE JEUNES CHIENS 1912, Gaumont, ca. 4 Min LES CHIENS SAVANTS 1907, Pathé Frères, ca. 5 Min DOG FACTORY 1904, Edwin S. Porter, ca. 4 Min A LITTLE HERO 1913, George Nichols/Keystone, ca. 4 Min KING-SIZE CANARY 1947, Tex Avery, 8 Min CAT’S CRADLE 1959, Stan Brakhage, 6 Min SPELLING LESSON und DOG DUET 1973–76, William Wegman, 4 Min DOG BASEBALL 1986, William Wegman, 3 Min A CLOSE SHAVE 1995, Nick Park, 31 Min NINE LIVES: THE ETERNAL MOMENT OF NOW 2001, Jay Rosenblatt, 1 Min CHAT ÉCOUTANT LA MUSIQUE 1990, Chris Marker, 3 Min CONVULSION (PIRKUS) TRASH CAT 2015, Kelsey Goldych, 2 Min 1998, Chen Sheinberg, 3 Min Tier – Mensch – Musik: Im Spiel mit den Bildern vom Leben armenischer Hirten verlieren Vivaldis JAHRESZEITEN ihre Gefälligkeit. Der ägyptische Sänger Abdel Basset Hamoud mischt Ein tierischer Streifzug durchs Filmuniversum: Die Bewegungen einer fallenden Katze, erforscht mithilfe einer frühen Form von Fotomotor (LA CHUTE DU CHAT); Aufnahmen von Menschen, Katzen, Objekten, NASHÖRNER Wie fühlen sich die Tiere eigentlich hinter Gittern? CREATURE COMFORTS gibt Antworten. Die ebenso stilvollen wie zweckmäßigen Domizile des Londoner Tierparks porträtiert Moholy-Nagy. Haanstras mit versteckter Kamera gedrehter ZOO lenkt den Fokus auf die menschlichen Besucher: Wer beobachtet, wer imitiert wen? MICROCULTURAL … geht den konsequenten Schritt weiter und betrachtet nur noch die Besucher. Irgendwann sind sie dann endlich alle gegangen und DIE NACHT BRICHT ÜBER DEN ZOO HEREIN … 4. 11., 18.30 h, Filmmuseum FÜR DEN INHALT VERANTWORTLICH Alexandra Seitz, Paolo Calamita TEXTE Paul Ertl, Hans Hurch, Thomas Mießgang, Alexandra Seitz, Stephan Settele, Roman Scheiber (Kurzfilme), Olaf Möller (Perrone), Gerhard Midding (de Oliveira), Lars Penning (Hedren/Lupino), Robert Weixlbaumer (Veiroj), Vassily Bourikas (Griechenland), Andreas Beilharz & Christoph Draxtra (Aus Fleisch & Blut), Barbara Kronsfoth & Maria Marchetta (Retrospektive) REDAKTIONELLE MITARBEIT & LEKTORAT Roland Faltlhansl, Hellmut Goebl GRAFIK Rainer Dempf, Gabi Adébisi-Schuster ANZEIGENVERKAUF Barbara Heumesser, Michael Zeindlinger ABBILDUNGSNACHWEIS Produktionsfirmen; Regisseure; Verleiher; Weltvertriebe; Filmdokumentationszentrum Filmarchiv Austria; Österreichisches Filmmuseum; Filmbild Fundus, Herbert Klemens 64
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