Der Todesmarsch Helmbrechts - Schwarzenbach an der

Der Todesmarsch
Helmbrechts - Schwarzenbach an der Saale
Fahrtdauer: 2 1/2 Stunden
Anreise: Die Radtour beginnt am Helmbrechtser Bahnhof. Helmbrechts ist von Münchberg aus mit der
Eisenbahn erreichbar.
Abkürzungen: In Seulbitz und Förbau hält der Zug nach Schwarzenbach an der Saale.
Rückreise: Ab Schwarzenbach an der Saale Bahnhof. Alternativ kann man auf dem Saaleradweg zurück nach Hof fahren. Dazu folgt man in Schwarzenbach der Frankenstraße und ab dem Kreisverkehr
der Schlachthofstraße parallel zur Eisenbahnstrecke bis zur Unterführung, durchfährt diese links und
biegt sofort nach der Unterführung rechts ab. Man passiert den Felsen „Frosch“ und befindet sich ab
hier auf dem Saaleradweg, der über Fattigau und Oberkotzau in einer knappen Stunde in die Hofer
Innenstadt führt.
Zur Einführung: In der Stadt Hof und in mehreren Orten des heutigen Landkreises Hof befanden sich
während des Zweiten Weltkriegs Lager von Fremdarbeitern. Es kann vielfach nicht mehr geklärt werden, ob es sich bei deren Insassen um Zwangsarbeiter handelte (was meist der Fall war), oder ob die
Menschen mehr oder weniger freiwillig hier arbeiteten (was es in Einzelfällen auch gab). Man darf
sich diese Lager meist nicht im wörtlichen Sinne als „Lager“ (mit Baracken und Zäunen) vorstellen,
sondern als primitive „Massenunterkunft“. Sie befanden sich teilweise direkt bei den Betrieben, in
denen gearbeitet wurde, und teilweise in Häusern, die leer standen und über ein Minimum an Infrastruktur (Sanitäranlagen, Schlafräume, eventuell Räume zum Einnehmen der Mahlzeiten) verfügten,
zum Beispiel in Gastwirtschaften. Die Fremdarbeiter wurden in verschiedenen Arbeitsbereichen eingesetzt: in der Rüstungsproduktion, die in ehemalige Textil- und Porzellanbetriebe eingezogen war, in
kriegswichtigen Betrieben, zum Beispiel bei der Reichsbahn, und generell überall da, wo der Mangel
deutscher Arbeitskräfte ausgeglichen werden sollte.
Es gab aber in der Hofer Region auch Konzentrationslager, die Außenlager des Konzentrationslagers
Flossenbürg bei Weiden waren: eines im Hofer Stadtteil Moschendorf bei der Porzellanfabrik und
eines in Helmbrechts. In Moschendorf waren Männer untergebracht, in Helmbrechts Frauen. Diese
Lager bestanden aus notdürftigen Baracken, waren eingezäunt und streng bewacht, die Insassen wurden menschenunwürdig behandelt, geschlagen und ermordet. Auch wenn es sich nicht um „Vernichtungslager“ (wie Auschwitz-Birkenau) handelte, kam der Arbeitseinsatz der Insassen einer „Vernichtung auf Raten“ gleich. Der Evakuierungsmarsch des Helmbrechtser Lagers am Ende des Zweiten
Weltkriegs ist in der hiesigen Öffentlichkeit dank der Veröffentlichungen Klaus Rauhs aus Helmbrechts, des Amerikaners Daniel Goldhagen und einiger anderer als „Todesmarsch“ mehrfach in Ausstellungen und Schriften gewürdigt worden. Die Verhältnisse im Helmbrechtser Lager und während
des Todesmarsches sind typisch für viele ähnliche Lager und Evakuierungsmärsche im nationalsozialistischen Herrschaftsgebiet.
Eine Radtour, die den Helmbrechtser Todesmarsch nachfährt, kann die schrecklichen Geschehnisse
auch nicht annähernd nachempfinden lassen, aber vielleicht dazu beitragen, dass sie nicht verdrängt
und vergessen werden. Heute genießt man von der Strecke aus schöne Blicke in den Frankenwald und
auf den Fichtelgebirgs-Nordkamm, eine Sichtweise, die den Empfindungen der damaligen Teilnehmerinnen diametral entgegensteht.
Streckenbeschreibung:
Am Helmbrechtser Bahnhofsgebäude hält man sich links und fährt die Ringstraße gemäß der Ausschilderung des Radwegs HO 1 („Von See zu See“) bis zur Kreuzung mit der Kulmbacher Straße.
Konzentrationslager Helmbrechts: Das Lager Helmbrechts wurde im August 1944 eingerichtet, zunächst als Außenlager des Frauen-Konzentrationslagers Ravensbrück; dann wurde es Teil des Lagerkomplexes von Flossenbürg. Man baute primitive Holzbaracken in Helmbrechts an der südwestlichen
Seite der Kulmbacher Straße (heute ungefähr: Ecke Kulmbacher Straße/Ringstraße). In dem Lager
wurden bis zu 700 Insassen untergebracht. Von ihm sind im Ortsbild keine Spuren mehr zu entdecken.
Von hier aus biegt man rechts ab in die Kulmbacher Straße, nach ca. 400 Metern bei der Turnhalle
rechts in die Jahnstraße und nach 50 Metern links in die Moltkestraße. Es geht vorbei an der Hauptschule bis zur Kreuzung mit der Jean-Paul-Straße. Hinter der Ecke von Moltkestraße und Jean-PaulStraße befinden sich alte Fabrikgebäude. Hier mussten die Frauen in 12-Stunden-Schichten arbeiten.
Ehemaliges Gelände von Witt/Weiden: Das Lager wurde errichtet, um die Munitionsfabrik Neumeyer
aus Nürnberg, die in Hallen der im Zweiten Weltkrieg stillgelegten Textilfirma Witt/Weiden produzierte, mit Arbeitern zu versorgen. Auf ihren täglichen Gängen zwischen Lager und Betrieb konnten
die Helmbrechtser die Insassinnen in Augenschein nehmen und feststellen, wie sich ihr Gesundheitszustand verschlechterte.
Man fährt links durch die Jean-Paul-Straße, hinter der Feuerwehr links durch die J.-Witt-Straße und
rechts durch die Ottengrüner Straße und in ihrer Verlängerung die verkehrsberuhigte Luitpoldstraße
zum Rathaus. Hinter dem Rathaus geht es halblinks in Richtung Hof über die Hofer Straße und nach
wenigen Metern links den Berg hoch die Schwarzenbacher Straße bis zum Friedhof, der sich nach ca.
300 Metern auf der rechten Seite befindet.
Friedhofseingang: Ein Gedenkstein erinnert seit 1998 an die Opfer des Konzentrationslagers, die in
einem Massengrab auf dem Helmbrechtser Friedhof bestattet worden waren.
Gedenktafel auf dem Friedhof Helmbrechts
Vom Friedhof zurück in Richtung Rathaus. Am Kreisverkehr der Schlachthofstraße abwärts folgen.
Nach 50 Metern rechts durch den kurzen Gasweg zur Münchberger Straße, links durch die Münchber-
ger Straße bis zur Umgehungsstraße, dort rechts in Richtung Münchberg sowie nach ca. 600 Metern
links unter der Umgehungsstraße durch und ab nach Haide. In Haide gegenüber dem Wirtshaus links
zum Kompostplatz mit Bauschuttdeponie. Diese Einrichtungen befinden sich im ehemaligen Haider
Steinbruch.
ehemaliger Haider Steinbruch: Hier wurden, nachdem der Platz auf dem Helmbrechtser Friedhof belegt war, Insassen aus dem Lager verscharrt, manchmal bei lebendigem Leibe. Nach dem Ende des
Zweiten Weltkriegs zwang die amerikanische Besatzungsmacht Helmbrechtser Bürger, die Leichen
auszugraben, um sie richtig zu bestatten.
Am 6. März 1945 trafen zusätzlich zu den fast 700 Insassen des Helmbrechtser Lagers weitere 621
Häftlinge ein, Jüdinnen, die in einem wochenlangen Fußmarsch aus dem Konzentrationslager Grünberg in Schlesien evakuiert worden waren. Die ohnehin miserablen Verhältnisse im Lager wurden nun
katastrophal. Die Jüdinnen wurden nicht in der Rüstungsproduktion eingesetzt, weil diese keine weiteren Arbeitskräfte benötigte; sie erhielten im Lager eine noch schlechtere Behandlung als die anderen
Insassen, noch weniger Nahrung und keinerlei ärztliche Versorgung.
Da die amerikanischen Truppen näher rückten, wurde das überfüllte Lager am 13. April 1945 evakuiert: Die Insassen wurden auf einen Marsch geschickt, der sie nach Wallern (Tschechien) bringen sollte, das weit von den alliierten Truppen entfernt lag. Nicht gehfähige Frauen wurden auf einem LKW,
später auf Fuhrwerken, die bei Bauern beschlagnahmt wurden, transportiert. Um ihre Zahl gering zu
halten, machte der Kommandant einen „Test“: Er bedrohte die Frauen mit der Pistole; wer nicht mehr
mitgehen könne, werde erschossen. Nur wer diesen „Test“ „bestand“, wurde gefahren! Da die Frauen
krank und unterernährt waren, war der Marsch eine Tortur. Wer unterwegs nicht mitkam, musste damit rechnen, ermordet zu werden. In der Sprache der Nationalsozialisten wurden diese Frauen „auf der
Flucht erschossen“. Auf der ersten Etappe von Helmbrechts nach Schwarzenbach an der Saale und
auch in Schwarzenbach gab es nichts zu essen oder zu trinken; Schuhwerk war nicht für alle vorhanden, die Frauen wickelten stattdessen Lumpen um ihre Füße. Der Marsch umging größere Ortschaften,
wo immer möglich, um kein Aufsehen bei den Einheimischen zu erregen; Leichen wurden versteckt.
Die Aufseher waren sich durchaus bewusst, dass sie Verbrechen begingen. Anwohner, die Hilfe anboten (zum Beispiel Nahrung), wurden weggescheucht und bedroht.
Weiter durch Haide und nach Meierhof, am Ortseingang von Meierhof links über Schwarzholzwinkel
in Richtung Ahornberg. Etwa 20 Meter, nachdem die Autobahn durchfahren wurde, zweigt links ein
Waldweg ab.
Waldweg an der Autobahn: Eine Frau, die vor Schwäche nicht weiter konnte, wurde von Wachtposten
erschlagen. Ihre Leiche wurde in den Wald gebracht und dort liegen gelassen. Bauern, die sie einige
Tage später fanden, begruben sie auf dem Ahornberger Friedhof.
Wir halten uns geradeaus und folgen nicht der abknickenden Vorfahrt. Hinter Gottschalk erreichen wir
Ahornberg. Hier geht es geradeaus nach Reuthlas und weiter geradeaus über Modlitz nach Wölbersbach. Der lange Anstieg zur Anhöhe bei Wölbersbach kostete fünf Frauen das Leben.
Wäldchen „Liegenholz“ kurz vor den ersten Häusern von Modlitz (Straßen-Kilometer 8,0) auf der
linken Seite: Zwei Frauen, die zu schwach zum Weitergehen waren, wurden von Wachtposten in das
Wäldchen geführt und erschossen.
Modlitz heute
Weiter in Richtung Wölbersbach.
Vor der zweiten Häusergruppe von Modlitz (Straßen-Kilometer 8,5): Wieder wurden in einem kleinen
Wäldchen links der Straße zwei Frauen erschossen. Die eine war nicht sofort tot; sie weinte und jammerte noch Stunden. Es traute sich jedoch kein Anwohner zu ihr. Am nächsten Morgen war sie ebenfalls gestorben. Die Anwohner begruben die Frauen in der Nähe des Tatortes.
Weiter.
Vor der Höhe kurz vor Wölbersbach, rechts der Straße (auf der linken Seite der Straße zweigt ein
Waldweg ab): Hier wurde erneut eine Frau erschossen. Wölbersbacher Einwohner fanden sie am
nächsten Tag und begruben sie in der Nähe.
Schier endlos scheint der Anstieg von Reuthlas nach Wölbersbach.
Durch Wölbersbach nach Seulbitz.
Seulbitz: Ein Bauer beschwerte sich bei einer Aufseherin, sie solle mit dem Schlagen der Häftlinge
aufhören. Zur Strafe musste er den Zug durch das Dorf begleiten.
Der Todesmarsch folgte ab Seulbitz der alten Straße, die teils nördlich, teils südlich der heutigen Trasse der B 289 verlief. Den alten Weg kann man nicht mehr befahren. Stattdessen nimmt man den Saaleradweg über Förbau nach Schwarzenbach an der Saale.
Hinter Seulbitz im Hohlweg (alte Straße nach Schwarzenbach): Auch dieser kleine Anstieg wurde
mehreren Frauen zum Verhängnis. Hier wurden an verschiedenen Stellen insgesamt vier Häftlinge
erschossen. Ihre Leichen wurden unter Sträuchern versteckt. Einige Anwohner fanden sie und beerdigten sie.
Vor der Saalebrücke in Schwarzenbach verlassen wir den Saaleradweg und fahren die Bahnhofstraße
hoch. Kurz vor der Bahnschranke steht das evangelische Vereinshaus (CVJM), in dessen Garten damals eine Baracke für Fremdarbeiter stand, die leer war, als der Todesmarsch in Schwarzenbach ankam. Diese Baracke ist nicht mehr vorhanden.
Baracke am evangelischen Vereinshaus: Hier wurden die nicht mehr gehfähigen Frauen untergebracht.
In der Nacht starben fünf dieser Frauen, die auf dem Schwarzenbacher Friedhof begraben wurden. In
einem kleinen Gebäude im Garten ist die Gedenkstätte „Langer Gang“ eingerichtet worden, welche
Informationen und Kunstwerke zum Thema darbietet. (Öffnungszeiten: an jedem ersten Sonntag eines
Monats von 14 bis 16 Uhr oder nach Vereinbarung unter der Telefonnummer 0171/7413272.)
Jenseits der Bahnschranke zweigt links die Frankenstraße ab. Dort befand sich nach ca. 200 Metern
auf der rechten Straßenseite der Strößners-Garten, ein Obstgarten.
Strößners-Garten: Da der Bürgermeister von Schwarzenbach an der Saale den durchmarschierenden
Frauen keine Unterkunft anwies, mussten sie die Nacht im Freien in diesem Garten zubringen, der
eingezäunt war. Einigen Frauen gelang die Flucht, indem sie drei Zaunbretter herausbrachen. Sie verbrachten die Zeit bis zum Einmarsch der Amerikaner am 15. April in einem nahen Wald.
Am nächsten Morgen ging der Marsch über Rehau nach Neuhausen. Auch an diesem Tag wurden
Häftlinge erschossen. Von Neuhausen ging es über Asch und Zwodau bis nach Wallern und schließlich nach Prachatitz, wo sich der Marsch am 4. Mai nach einem Luftangriff der Amerikaner auflöste.
Am 6. Mai besetzten die Amerikaner das Gebiet, am 8. Mai kapitulierte das Deutsche Reich.
Die Gedenkstätte „Langer Gang“
(Foto: www.schwarzenbach-saale.de/langer-gang/foto.htm)