1 Nr. 1/2016 vom 27.01.2016 Liebe Leserinnen und Leser, der Januar ist auch Grüne-Woche-Zeit. Und er ist die Zeit für Demonstrationen. Seit einigen Jahren trommeln verschiedene Institutionen des „öko-industriellen Komplexes“ für die Demonstration „Wir haben es satt!“ 2015 waren es 25.000 Demonstranten, die da zusammenkamen. In diesem Jahr waren es 13.500: Eine bunte Demonstrationsfolklore aus Tier-, Natur- und Umweltschützern, Landwirten und Verbrauchern protestierte gegen Massentierhaltung, Gentechnik, das Freihandelsabkommen TTIP und Lebensmittelskandale. Auf der anderen Seite hat sich der Protest derjenigen Bahn gebrochen, die die Verteufelung der modernen Landwirtschaft nicht mehr widerspruchslos hinnehmen wollen. 2015 kam unter dem Slogan „Wir machen Euch satt!“ ca. 800 Bauern nach Berlin, um Position zu beziehen, in diesem Jahr waren es mehr als 1.500. Die Zahl der Demonstranten hat sich auf der einen Seite halbiert, auf der anderen Seite verdoppelt. Es lohnt sich also, gegen pauschale Verunglimpfungen öffentlich Gesicht zu zeigen. Einzutreten für eine fachliche, nicht emotionale Sicht auf die Landwirtschaft, für ökonomische Vernunft, die man mit ökologischen Anforderungen in Einklang bringen muss. Die Demonstrationen „leben“ übrigens weiter - nicht nur auf den S. 2-4 unseres Newsletters, sondern auch im Internet. Es lohnt sich, sie „im Nachhinein“ zu besuchen. Karl-Friedrich Kaufmann, Vorstandsvorsitzender des InnoPlanta e.V. Forschungsfreiheit in Frage gestellt Mit großer Verwunderung musste zur Kenntnis genommen werden, dass der Agrarminister von MecklenburgVorpommern, Till Backhaus, sich eindeutig in der Presse gegen die Grüne Gentechnik ausgesprochen hat ("Er plädiere für ein deutschlandweites Nein zur Grünen Gentechnik"). Bekannt ist, dass er vor geraumer Zeit anders argumentiert hat und zumindest die Forschung für die innovative Pflanzenzüchtung nicht in Frage gestellt hat. Ich stelle mir die Frage, woher dieser Sinneswandel kommt. Nur die persönliche Meinung nach angeblichen Mehrheiten in der Bevölkerung gegen die Grüne Gentechnik auszurichten hat mit weitsichtiger Agrar– und Umweltpolitik nichts zu tun. Es ist schon zu hinterfragen, warum viele Agrarminister in den Bundesländern in das gleiche Horn blasen. Ich halte diese Haltung für unverantwortlich und nicht zukunftsorientiert. Wir brauchen in Deutschland ein breit angelegtes Forschungsprogramm in der Pflanzenzüchtung um unsere Wettbe- werbsfähigkeit im großen Maßstab zu sichern. In den letzten Jahren wurden wir schon zunehmend mit dem beginnenden Klimawandel konfrontiert, die Biodiversität ist weiterhin rückläufig und die Reglementierungen im Pflanzenschutz nehmen zu. Allein aus diesen Gründen ist es notwendig, alle Facetten der Pflanzenzüchtung zu nutzen. Wir brauchen in Deutschland mehr Rektoren wie z.B. Prof Schareck (Uni Rostock), der für die Forschung an gentechnisch veränderten Pflanzen eintritt und die weltweite Bedeutung der Pflanzenbiotechnologie erkennt. Forschungsfreiheit war bislang in Deutschland eines der höchsten Güter und hat den Standort Deutschland auf vielen Gebieten weltweit zu hohem Ansehen geführt. Von einem Agrarminister ist zumindest zu erwarten, dass er schon deshalb ideologiefrei und sachbezogen reagiert. Es gibt schon zu denken, wenn wissenschaftliche Einrichtungen - auch in anderen Bundesländern - in Bezug auf Forschung und Ent- wicklung besonders in der Pflanzenzüchtung ausgebremst werden. Für mich steht fest, dass die Pflanzenbiotechnologie weltweit ihren Siegeszug fortsetzen wird. Weitere Reglementierungen durch deutsche Politiker wird die Forschung auf diesem Gebiet ins Abseits stellen bzw. aus Deutschland ganz vertreiben. Viele Landwirte schütteln den Kopf über ihre, in diesem Bereich mutlosen, Agrarpolitiker. Forschungsfreiheit darf nicht in Frage gestellt werden, damit sich auch die Pflanzenzüchtung mit all ihren Methoden entfalten kann. Man muss auch den Mut haben, neben dem Forschungsbereich Labor und Gewächshaus auch die Erprobung der neuen Sorten im Freisetzungsversuch zu fordern. Nicht Gebote und Verbote sind die Signale der Stunde sondern Mut und sachliche Aufklärung. Karl-Friedrich Kaufmann http://www.svz.de/mv-uebersicht/unirostock-forscht-an-gentechnikid12349726.html 2 Wir machen Euch satt! Leistungen der Bauern: Trotz einer wachsenden Weltbevölkerung sinkt die Zahl der Unterernährten und steigt die Lebenserwartung Von den Medien wenig beachtet ist die Zahl der unterernährten Menschen in den letzten Jahrzehnten immer weiter zurückgegangen. War es im Jahr 1991 noch fast jeder Vierte, der unter Unterernährung leiden musste, so waren es im Jahr 2013 nur noch 13%. Dieser Rückgang ist um so bemerkenswerter, wenn man bedenkt, dass im gleichen Zeitraum die Weltbevölkerung von 5,3 Mrd. auf 7,2 Mrd. angewachsen ist. Die landwirtschaftlich genutzte Fläche ist im gleichen Zeitraum weltweit nahezu konstant geblieben. Folglich sind pro Hektar jedes Jahr mehr Kalorien erzeugt worden. Eine bessere Versorgung mit Kalorien, eine höhere Nahrungsmittelqualität und andere Faktoren haben auch zu einem deutlichen Anstieg der Lebenserwartung geführt. Der Weltbürger wurde im Jahr 1991 nur rund 65 Jahre alt, heute liegt dieser Wert bei rund 71 Jahren. Es sind also rund 6 Jahre mehr, die die weiter wachsende Weltbevölkerung mit Nahrung versorgt wird. Bei einem durchschnittlichen Kalorienverbrauch von rund 2.900 Kcal pro Tag macht dies für einen Bürger in einem Jahr exakt 1,06 Mio. Kalorien, die zusätzlich erzeugt wurden. Nach: www.bauerwilli.com/ die-erfolge-der-bauern/ Die gesellschaftliche AusLebensmittel erzeugt wercher Basis sachlich diskueinandersetzung um die den. Radikale Randgruppen tieren, denn eine Skandali"richtige" Landwirtschaft ist nutzten dieses Unwissen, sierung bringt uns nicht weizu einem ideologischen um mit ihren Bildern ihre ter." Dauerstreit geworden, in Ideologien medial zu verder die Landwirtschaft in markten. Die Initiative "Wir machen „böse“ und „gut“ eingeteilt Euch satt" erklärte, dass wird. Das sieht man regional verschiedene insbesondere im UmAktionen durchgeführt feld der Grünen Wowurden. Am Kreishaus che, wenn kurz nachin Meppen gab es eine einander DemonstranKundgebung, wo rund ten unter den Slogans 150 Landwirte mit den „Wir haben es satt!“ Schleppern anreisten. und „Wir machen Euch Titel der Facebookseite der Initiative In Cloppenburg waren satt!“ öffentlich gegen es über 300 Landwirte, „Wir machen Euch satt!“ und für die moderne die mit ihren Traktoren Landwirtschaft laut und ver- Schlagwörter wie zum Marktplatz kamen, um "Massentierhalter" und nehmlich protestieren. dort zu demonstrieren. In "Agrarindustrie" erzeugten Göttingen gab es einen InDie Art und Weise der Kritik unklare Feindbilder in der fostand in der Stadt. Dort an konventioneller LandBevölkerung und stigmatiwaren 150 Landwirte dabei, wirtschaft sei dabei völlig sieren jeden modernen Fa- die mit den Verbrauchern außer Kontrolle geraten und milienbetrieb. Dazu Holtköt- ins Gespräch kamen, getreffe viele Familienbetriebe ter weiter: "Wir wollen eine nau wie in Bremen, Bremerund die Menschen in der vorurteilsfreie Betrachtung haven, Braunschweig, Landwirtschaft bis ins Herz. der modernen LandwirtNienburg, Kaevelar, Osna"Bauernkinder werden in schaft, eine sachliche Disbrück und in vielen weiteren der Schule gemobbt, man- kussion in der LandwirtStädten. Landwirte in Bache müssen sogar ihre schaft, frei von Ideologie. den-Württemberg, Hessen Schule wechseln", so Mar- Wir können aber nicht mit und Bayern haben bereits cus Holtkötter, Schweineradikalen Tierrechtlern ge- in der letzten Woche ihre halter und Ackerbauer aus meinsam auf eine Demo Ställe geöffnet und BesuNRW. Die Verbraucher wis- gehen. Und wir müssen cher durch die Ställe gesen seiner Meinung nach Problemfelder der Landwirt- führt. immer weniger, wie heute schaft auf wissenschaftl- 3 Wir machen Euch satt! - Rede von Daniel Bohl Daniel Bohl ist Landwirt und stellv. Vorsitzender der Wariner Pflanzenbau eG. Die Agrargenossenschaft bewirtschaftet 2.500 ha, hält 1.300 Mutterschafe, betreibt eine Biogasanlage: „Wir betreiben bodenständige Landwirtschaft, sind mit den Dörfern und Gemeinden in denen wir wirtschaften eng verbunden. Unser Motto lautet: Landwirtschaft zeigt Gesicht. Wenn ich den interessierten Mitmenschen über moderne Dünge- und Pflanzenschutztechnik berichte, bekommen viele große Augen. Und häufig ist die Reaktion: „ Aber früher …“ Das ist der Punkt, an dem wir Landwirte die Verbraucher, unsere Nachbarn in den Dörfern, abholen müssen. Wir müssen vielmehr erklären. Denn früher war einmal und gibt es nicht mehr. Eine gut ausgestattete Treckerkabine ist kein Luxus. Gut die Hälfte der Arbeitszeit meiner Kollegen auf ihren Maschinen ist sitzende Tätigkeit. Wer 1.000 Stunden im Jahr in so einer Kabine verbringt, der muss auch einen anständigen Arbeitsplatz haben. Im Büro z.B. wäre das kein Thema. meinten Subventionen, keine unwirtschaftlichen Betriebe und Strukturen auf Dauer am Leben halten. Das können und machen nur wir Landwirte! Um unDer Stickstoffbilanzübersere Betriebe zukunftsfähig schuss, wir Landwirte müs- aufstellen zu können, brausen jedes Jahr eine Stickchen wir unternehmerische stoffbilanz aufstellen, den Freiheiten. Dann bleibt eine wir auf unseren Flächen vielfältige Landwirtschaft haben dürfen, wurde in den erhalten, weil wir Landwirte letzten 10 Jahren von 90 vielfältig sind. kg / ha über 80, 70 und 60 kg / ha auf zukünftig 50 kg / Allein an uns Rednern könha gesenkt. Da haben die nen Sie erkennen, wie vielLandwirte schon gewaltige fältig die Landwirtschaft in Anstrengungen erbracht. Deutschland ist, und dass Wer biologische und chemi- Landwirte sehr respektvoll sche Prozesse kennt, weiß miteinander umgehen könauch, dass ihre Wirkung nen. Wir Landwirte sind sich nicht immer von heute bereit zum Dialog. Menauf morgen bemerkbar schen, mit denen man remacht. den will, kippt man keinen Mist vor die Tür, die lädt Für das, was wir Landwirte man ein. in relativ kurzer Zeit dort Frag doch mal den Landgeleistet haben, wünsche ich mir mehr Anerkennung. wirt, lassen Sie sich Die Politik oder die Verbän- Landwirtschaft von denjede lassen keine Pflanzen nigen erklären, die sie wachsen, sie füttern keine betreiben. Redet mit uns Tiere und können mit noch – nicht über uns. Unsere Höfe sind offen.“ so vielen Regelungen und Vorschriften, Hoffen und Zusammengestellt nach Wünschen und mit gutgewww.topagrar.com Die Rede von Daniel Bohl und auch die anderen Reden sind online verfügbar: http://www.topagrar.com/ foto_video/Wir-machen-euch -satt-2-0-Daniel-Bohl2657652.html Aktuell informiert bleiben: Nutzen Sie den Hashtag #wirmacheneuchsatt bei Twitter. (in das Suchfeld bei www.twitter.com eingeben) 4 Eindrücke von der Demo „Wir haben es satt“ - 16.1.2016 Kontakt/ Impressum InnoPlanta e.V. Am Schwabeplan 1b OT Gatersleben 06466 Stadt Seeland Ansprechpartner Karl-Friedrich Kaufmann Vorstandsvorsitzender Tel.: 039482-79170 Fax.: 039482-79172 E-Mail: [email protected] Lesetipp: Christoph Seils: ProtestOrganisation Campact. Die Empörungsmaschine, in: CICERO, 30.09.2015, online abrufbar via www.cicero.de/kapital/ protest-organisationcampact-dieempoerungsmaschine/ 59918 Am Samstag hatte ich mir die Zeit genommen um die große Demonstration gegen moderne Landwirtschaft anzuschauen. Dabei fielen mir drei Punkte auf. 1) Der Demonstrationszug begann mit einer Kavalkade von Traktoren - von meist großen oder sehr großen (agrarindustriellen?) und ein paar kleinen. Unter den großen Traktoren viele von Öko-Betrieben. An der Spitze ein Traktor der AbL. Ich hatte aus den Erklärungen der Veranstalter aus früheren Jahren immer den Eindruck gehabt, da hätten sich auch ein paar Bauern (AbL oder Ökos) beteiligt. So einfach ist das aber offenbar nicht. Dazu waren es zu viele. Man hätte zählen müssen, wie viele dieser meist sehr großen (laut Presseberichten 80 oder 100) Traktoren von Ökobetrieben kamen. Ein paar kleine schnuckelige museumsreife Fahrzeuge waren auch dabei, aber eben nur ganz wenige. 2) Ich habe Fotos gemacht und dann die Parolen der Demonstranten notiert. Dabei fiel mir auf, dass die meisten dieser Parolen nicht neu waren. Sie schwirren seit Jahren durch die Medien und durch das Internet. Eigentlich hatte ich damit gerechnet, dass kräftig gegen Glyphosat gehetzt würde. Aber außer der Erwähnung Monsantos zusammen mit einem Totenkopf war eigentlich kaum etwas dabei. Dafür immer wieder die Ablehnung von Gentechnik, als ob auf unseren Äckern ständig solche schlimmen Pflanzen angebaut würden. Es war nirgends differenziert zwischen Anbau und Fütterung. Bei einigen Teilnehmern hieß es zwar "Wir arbeiten ohne Gentechnik", aber das sagt ja noch nicht so viel. Mit Parolen gegen Gentechnik kommt man bei einem breiteren Publikum natürlich gut an. Im Nachhinein hatte ich den Eindruck, dass die Teilnehmer, sowohl die mit Traktoren wie die in dem langen Fußgängerschwarm einfach die vorhandenen Schilder und Transparente aus den vergangenen Jahren aus dem Lager hervorgeholt und den Staub abgewischt hätten. Ich konnte auch keine Parolen gegen neue Züchtungstechniken wie CRISPR-Cas entdecken. 3) Unter den Zu-Fuß Demonstranten (oft von viel Lärm begleitet, aber das ist bei solchen Demos üblich) dominierte ganz auffallend die Farbe Lila: Das waren die Fähnchen von Campact mit gängigen Parolen wie "Bauernhöfe statt Massentierhaltung". Ich fürchte, da kommt noch einiges auf uns zu. Hat Campact (siehe Lesetipp) doch in Brandenburg ein Volksbegehren gegen Massentierhaltung auf den Weg gebracht und stolz verkündet, dass sie bis zum Schlusstermin am 14.01.2016 mehr als die erforderlichen 100.000 Unterschriften gesammelt hatten (www.volksbegehrenmassentierhaltung.de). Und das unter der Firma "Aktionsbündnis Agrarwende Berlin-Brandenburg". Das hört sich natürlich besser an als einfach "Campact". Da darf man gespannt sein, was weiter passiert, etwa bei einer Volksabstimmung in Brandenburg, oder bei weiteren Aktionen dieses Typs z.B. in Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen oder NRW. Peter Langelüddeke Parolen und Spruchbänder gegen moderne Landwirtschaft Wir haben es satt! Nein zu Gentechnik, Tierfabriken und Dumping-Exporten“ Wir haben es satt! Bauernhöfe statt Agrarindustrie CAMPACT Gegen Gift und Gentechnik Genmais stoppen! Bauernhöfe statt Massentierhaltung GENTECHNIK Züchter, Bauern, Imker und Verbraucher fordern: Saatgut muss gentechnikfrei bleiben Genmanipuliert, patentiert, abkassiert? Mit uns nicht! AbL Wir füttern ohne Gentechnik - Demeter Wir arbeiten ohne Gentechnik (mehrere Teilnehmer) Naturland - Wir arbeiten ohne Gentechnik Gentechnikfreie Region BerlinBrandenburg NACHBAU Saatgutsouveränität - Nachbau ist Bauernrecht HUNGER Hunger wird gemacht Für das Menschenrecht auf Nahrung TIERPRODUKTION Nitratbelastung senken - Fleischproduktion gefährdet Trinkwasser und Ökosysteme BIODIVERSITÄT Für biologische Vielfalt, regional, fair, gentechnikfrei HETZE Monsanto mit Totenkopf
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