Lebensmittelkontrolleure bei der Arbeit | Manuskript Lebensmittelkontrolleure bei der Arbeit Bericht: Jana Merkel Über ihren Besuch freut sich niemand. Sibylle Bießmann: „So Herr Holzapfel, da komme ich mal zu Ihnen hereinspaziert.“ Sibylle Bießmann nimmt einen Fleischerwagen in Erfurt ins Visier. Sibylle Bießmann: „Ich guck erst mal rum, wie es hier ausschaut, Herr Holzapfel." Den Argusaugen der Lebensmittelkontrolleurin entgeht nichts. Nach nur zwei Minuten hat sie das erste Problem entdeckt: Am Waschbecken läuft kein Wasser. Sibylle Bießmann: "Was ist los?" Fleischer: „Sie machen mich jetzt ganz verrückt jetzt hier." Kein fließendes Wasser zum Händewaschen - Ein schwerer Hygieneverstoß. Die gestrenge Kontrolleurin müsste den Wagen sofort dichtmachen. Fleischer: "Die Pumpe ist gerade abgegangen." Sibylle Bießmann: „Das wird nix, wenn sie hier kein Wasser haben." Fleischer: „Nee, das läuft. In zwei Sekunden läufts wieder." Sibylle Bießmann: "Und warum ist es jetzt nicht gelaufen? Fleischer: Weil eben die Pumpe abgegangen ist. Eben ist es noch gelaufen. Warten Sie zwei Sekunden, ich muss sie dranstecken wieder." Ein paar Handgriffe, dann fließt das Wasser. Das war knapp. Die Standpauke gibt es trotzdem. Sibylle Bießmann: "Wie kann das passieren? Das müssen sie immer, bevor es losgeht, frühs Herr Holzapfel." Fleischer: "Nein, das haben wir immer gehabt." Regelmäßig werden Fleischer in Thüringen unangekündigt kontrolliert. Bei knapp einem Viertel werden Verstöße festgestellt. Im Namen der Hygiene zückt die Kontrolleurin das Thermometer: Fleisch muss richtig heiß oder gut gekühlt sein. Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf nur für den privaten Gebrauch des Empfängers verwendet werden. Jede Verwertung ohne Zustimmung des Urheberberechtigten ist unzulässig. 1 Lebensmittelkontrolleure bei der Arbeit | Manuskript Sibylle Bießmann: „Ach du Schreck. Herr Holzapfel: Raus. Das geht raus und das können Sie heute nicht mehr mit anbieten. Ganz schnell weg.“ Dieses vorgegarte Fleisch ist nur noch lauwarm. Ein Paradies für Keime. Fleischer: „Schmeckt fantastisch!" Nein, das wird heute niemandem mehr schmecken, sondern wandert auf den Müll. Damit ist der Fleischer heute knapp an der Schließung vorbeigeschrammt. Sibylle Bießmann: „Hier in dem Fall werde ich nach einer Woche jetzt eine Nachkontrolle machen. Die ist kostenpflichtig. Jede Nachkontrolle ist in der Regel kostenpflichtig.“ Reporterin: Was kostet das so? Sibylle Bießmann: „Das kommt auf - Da haben wir dann einen Stundensatz, auch einen Kilometersatz, je nachdem wie lange es dauert. Also das kann über 100 Euro kosten, also gut und gerne.“ Kittel und Thermometer ordentlich im Koffer verstaut. Weiter geht’s zu Marktständen, Restaurants und Supermärkten. Sie überprüft jeden, der Lebensmittel verarbeitet oder verkauft. Reporterin: Beliebt machen Sie sich nicht, mit ihrem Job, oder? Sibylle Bießmann: Nein. (lacht) Aber das ist auch nicht unser Auftrag. Unser Auftrag ist, den Menschen das Lebensmittelrecht zu vermitteln und so das Sprachrohr des Gesetzes zu sein. Und wenn uns das gelingt, das ist so unsere Freude. Grund zur Freude hat sie hier nicht: ein indisches Restaurant. Vorn essen die Gäste, aber wer kocht? Sibylle Bießmann: Sie waren jetzt hier in der Küche, ja, also wollen sie jetzt hier kochen. Mann: „nicht verstanden" Sibylle Bießmann: Sie kochen jetzt hier. Sie sind der Koch heute hier. Mann: Chef! Sibylle Bießmann: Ja, aber wo ist der Chef? Der Chef ist nicht da. Aber Sibylle Bießmann kennt diese Küche schon - und ist überzeugt, dass der wortkarge Herr hier sehr wohl kocht. Sie lässt nicht locker. Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf nur für den privaten Gebrauch des Empfängers verwendet werden. Jede Verwertung ohne Zustimmung des Urheberberechtigten ist unzulässig. 2 Lebensmittelkontrolleure bei der Arbeit | Manuskript Sibylle Bießmann: "Wenn sie hier in der Küche sind, müssen sie Hygienekleidung haben. Kleidung, die ist schön sauber und die man bei 60 Grad waschen kann. Ja? Haben Sie irgendwo Hygienekleidung? In der Umkleide, im Umkleidebereich oder irgendwo? Hygienekleidung, weißes T-Shirt, weißen Kittel, haben Sie das irgendwo?" Mann: "Ja, ja, ja." Sibylle Bießmann: "Dann ziehen sie das jetzt an und kommen wieder her, ja?" Alles reden hilft nichts. Mit Straßenkleidung in der Küche, das gibt Ärger. Einen Gesundheitsausweis hat er auch nicht dabei - noch ein Verstoß. Im Kühlhaus lauert das nächste Übel. Sibylle Bießmann: „Ein Tuch einfach auf den Reis drauf machen, das darf man nicht machen. Das darf nicht sein. So ein schmutziges. Den müssen wir mal rausnehmen, den Reis, bitte.“ Raus und weg. Keine Gnade für den Reis. Sibylle Bießmann: "Das geht auch nicht. Die Behälter kann man nicht verwenden. Gucken sie, das hängt die Plaste noch drum herum. Das können wir so nicht nehmen.“ Diese "Soße" – kommt auch in Quarantäne. Gesamteindruck in dieser Küche: Unappetitlich. Wegen der vielen Mängel wird gegen den Betreiber ein Bußgeldverfahren eingeleitet. 200 bis 3600 Euro kann das kosten. Bei diesem Anblick vergeht auch der hartgesottenen Kontrolleurin der Appetit. Wieder an der frischen Luft, kurz durchatmen. Seit 12 Jahren arbeitet Sibylle Bießmann in der Lebensmittelüberwachung. Mehr als 350 Betriebe kontrolliert sie im Jahr. Ihr HygieneRöntgenblick bleibt auch nach Feierabend aktiv. Sibylle Bießmann: "Mitunter ist es meiner Familie auch schon passiert, dass sie leider schon bestellt hatten und ich die Gaststätte wieder verlassen wollte, auf Grund einiger Dinge, die mir nicht so ganz koscher erschienen. Und die mussten dann mit mir leiden und die nächste Gaststätte aufsuchen. Das ist leider auch schon passiert." Nächste Station: eine Kantine. „Guten Morgen, die jungen Damen und Lebensmittelüberwachung. Ist der Chef auch da?" Herren, die Frau Bießmann, Der Chef hat Stress. Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf nur für den privaten Gebrauch des Empfängers verwendet werden. Jede Verwertung ohne Zustimmung des Urheberberechtigten ist unzulässig. 3 Lebensmittelkontrolleure bei der Arbeit | Manuskript Michael Hladka: "Wir hatten Stromausfall bis jetzt. Ich konnte nicht ins Kühlhaus rein. Es ist jetzt gerade mehr wie ungünstig." Sibylle Bießmann: "Tja, aber das nützt ja nischt, gell? Kontrolle ist Kontrolle. Machen wir ja immer, ge? Jetzt schauen wir hier erstmal im Kühlhaus nach. Ach Leute, Leute, hm." Es ist zwar noch kalt genug im Kühlhaus. ABER: Sibylle Bießmann: "Aber, was mir absolut nicht gefällt, dass die Sachen nicht abgedeckt sind. Gucken Sie mal hier, hat einer mit dem Finger drin umher spaziert und einer probiert, raus mit! Das geht so nicht. Bei fünf Grad Kälte kommt Sibylle Bießman auf Betriebstemperatur. Sibylle Bießmann: "So, was ist hier unten falsch? Das geht so nicht. Raus. Sie dürfen nichts auf den Boden stellen. Das wissen Sie aber eigentlich auch schon. Wenn sie unten ne dünne Matte drunter legen, dann geht das ja. So, alles ohne Abdeckung raus." Kiloweise Essen fällt beim Hygienecheck durch. Der Koch braucht starke Nerven. Frage: Ist das jetzt ein schlimmer Fall? Sibylle Bießmann: "Ja, das ist schon ein schlimmer Fall, das ist schon sehr enttäuschend. Behälter dürfen nicht auf dem Boden gelagert werden. Wenn man diesen Eimer jetzt hinterher auf eine Arbeitsfläche stellt, sind natürlich die ganzen Fußbodenkeime dann auf der Arbeitsfläche." Gleich ist Mittagszeit, hunderte Gäste werden erwartet. Ausgerechnet jetzt inspiziert Sibylle Bießmann die Küche. Hektisches Treiben. Schnell wird noch aufgeräumt. Doch die Dame vom Amt sieht alles. Sibylle Bießmann: „Schauen Sie mal hier, schauen Sie mal kurz: Was ist'n hier falsch dran?" Kehrblech und Papier im Abfluss – Jedes Detail, eine Nervenprobe für den Chef. Er weiß, dass Widerrede zwecklos ist. Aus jahrelanger Erfahrung. Michael Hladka, Gastronom: "Wir treffen uns nur immer auf dem falschen Fuß. Wenn alles schick ist und alles gerade läuft, dann sehen wir uns nicht. Wir sehen uns immer nur an solchen Tagen. Aber es passt schon, es passt schon." Sibylle Bießmann: „Wichtig ist, dass wir kommunizieren und dass er dieses Einsehen auch hat. Dieser Wille ist ganz wichtig, von den Unternehmern. So, was haben wir hier Schönes?“ Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf nur für den privaten Gebrauch des Empfängers verwendet werden. Jede Verwertung ohne Zustimmung des Urheberberechtigten ist unzulässig. 4 Lebensmittelkontrolleure bei der Arbeit | Manuskript Michael Hladka ist seit 26 Jahren Gastronom. An dieser Küche hängen sein guter Ruf und seine Existenz. In der Ausgabetheke warten Soljanka und Co. auf die Kunden. Wenn die Temperatur nicht stimmt, muss die Kontrolleurin auch hier das Essen aus dem Verkehr ziehen. Sibylle Bießmann: „Hier hab ich schon mal vorgemessen. Die eine Suppe, die hat jetzt 72 Grad, das ist in Ordnung." Hladka: „Wenigstens was Erfreuliches" Sibylle Bießmann: „Ist wenigstens was. Da freu ich mich auch." Michael Hladka ist trotzdem froh, dass die Hygiene-Wächterin gleich den nächsten Kunden aufs Korn nimmt. Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf nur für den privaten Gebrauch des Empfängers verwendet werden. Jede Verwertung ohne Zustimmung des Urheberberechtigten ist unzulässig. 5
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