«Schreiende Babys – erschöpfte Eltern» Erste Hilfe beim Stress am

Pflegesymposium Pediatric Care Luzern
«Schreiende Babys –
erschöpfte Eltern»
Erste Hilfe beim Stress am
Lebensanfang
Dr. phil. Elisabeth Kurth, mit Inputs Irène Roth, EEH
Hebammen-Netzwerk FamilyStart beider Basel,
Institut für Hebammen, Zürcher Hochschule für
Angewandte Wissenschaften
Schweizerisches Tropen- und Public Health Institut, Basel
Jacqueline, 1. Kind, 6 Wo alt
(Pseudonym)
Es hat einem so leid getan wenn sie
schrie, so richtig schmerzverzehrt,
Stunden am Stück. Da sind wir beide
wirklich über unsere Grenzen
gekommen.
Da bin ich froh gewesen zu zweit zu
sein, […] wenn man selber am Abend
so schon trunken ist vor Müdigkeit, ja,
das ist dann hart.
Schreien
Autonomes Nervensystem
Sympaticus:
-Aktivität
-Erregung
-Stress
Elisabeth Kurth
Parasympaticus:
-Entspannung
-Verdauen
-Regeneration
27.10.2015
Säuglingsschreien aktiviert
viele Hirnregionen
•
•
•
•
•
Auditiv-sensorische Verarbeitung
Emotionale Reaktionen
Emphatische Prozesse
Besorgnis-Angst-Aktivierung
Hormonelle Steuerung
• STRESSREAKTION
Reaktion
‚Es macht mich
nervös‘
‚Es geht mir auf
die Nerven‘
Stressreaktion beim Kind
Man merkt, dass sie in einer Schlaufe
drin ist, wo sie sich irgendwie nicht
mehr beruhigen kann. Und dann läuft
man und trägt sie und hält sie und sie
biegt sich auf alle Seiten durch - und
du singst ein bisschen, probierst
einfach alles, aber es nützt nichts,
nützt nichts!
(Jacqueline, 1. Kind)
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Pflegesymposium Pediatric Care Luzern
Stressreaktion bei Eltern
27.10.2015
Schreikurve
Nach 2 Stunden bist du immer noch
am Laufen. Dann kommt mir wirklich
das Heulen, dann mag ich einfach
nicht mehr…
Es ist dann wirklich Zeit zum abgeben,
weil sonst (Pause) man wird einfach
ärgerlich, man wird ärgerlich auf das
Kind, habe ich gemerkt. Das ist noch
verrückt.
(Jacqueline, 1. Kind)
Schreien im Tagesverlauf
Schreimuster
Herpertz-Dahlmann et al., 2008
Definition
Exzessives Schreien
Dreier – Regel
(nach Wessel,1954)
Kind schreit mindenstens
• 3 Stunden am Tag
• 3 Tagen pro Woche
• Über mindestens 3 Wochen
Elisabeth Kurth
Herpertz-Dahlmann et al., 2008
Diagnostische Trias
Schreiproblematik
nach Papoušek, 2004:
Exzessives Schreien
des Kindes
Überlastungssyndrom
Eltern
Dysfunktinale
Kommunikation
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Risikofaktoren Schreiproblematik
Umfeld
Kind
Nikotinabusus
Psychische Probleme
Partnerschaftskonflikte
Armut
Migration
Erwerbstätigkeit
Mutter
< 16 Wochen
postpartum
• Dysfunktionale ElternKind Interaktion
•
•
•
•
•
•
Hohe Irritierbarkeit
Tiefes Geburtsgewicht
Gastro-intestinal / Reflux
Darmflora?
Schmerzen?
KISS
(Kopfgelenksblockierung)?
• Emotionales Trauma?
• Neuro-behaviorale
Entwicklung
Pathogenese unklar
•
•
•
•
•
•
Elterliche Erfahrung
Beim ersten Kind ist man sehr oft auch
unsicher. […] Beim Zweiten ist das schon
weniger, und beim Dritten, da ist man
wirklich ruhiger in vielen Situationen. Man
erschrickt nicht mehr so schnell. Und wenn
das Kind lauthals schreit und nicht gleich
aufhört […] da ist man dann nicht mehr
gleich so nervös.
(Ariane, 3 Kinder)
Wie können Fachpersonen
unterstützen?
27.10.2015
Schutzfaktoren
• Multiparität - Erfahrung
• Soziale Unterstützung
Was bedeutet es,
wenn ein Baby weint?
• Ausdruck seines körperlichen
Befindens
• Ausdruck seines seelischen Befinden
• Ruf nach Fürsorge
Kommunikation
• erzählen und gehört werden
Zuhören & Beobachten
• Körperliche Untersuchung Kind
KIND
• Familiensituation: Stressoren &
Ressourcen
ELTERN
• Schreianamnese: wann- wie lange?
• Handlungsweise Eltern erkunden &
BINDUNG
wertschätzen
Copyright Bilder bei Familystart beider Basel
Elisabeth Kurth
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27.10.2015
Intervention für Familien
mit irritierbarem Säugling
Autor Sample
Keefe et al. 164 2005
Familien USA
2‐6 Wo pp
Design
Intervention Ergebnis
Randomisiert
kontrollierte Studie
4 Hausbesuche
43 Familien post‐test
Effekt auf Schreidauer
Schreidauer pro Tag
Pflegefachfrau
REST‐
Programm
Schreien > 2.5 Std./Tag
Interventions‐
gruppe
1.3 Std./ Tag
Kontrollgruppe
3.0 Std./ Tag
P< 0.02
Interventionen
KIND
Wahrnehmen- trösten
• Rhythmus unterstützen
zyklischer Schlaf-Wach-Rhythmus
• Selbstregulierung stärken
Signale des Babys erkennen
• Struktur schaffen
vorhersagbares Abläufe
• Berühren
Körperkontakt, Haltepositionen, Tragen oder
Einwickeln
Elisabeth Kurth
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Interventionen
ELTERN
Stress lindern - Selbstfürsorge
• Ängste abbauen und informieren
Untersuchung & Schreimuster erläutern
• Elterliche Kompetenzen stärken
Fähigkeiten der Eltern anerkennen
• Erholung ermöglichen
Aufbau Supportnetzes
Time-out mind. 1 Std. pro Tag
• Empathie zeigen
Eltern Raum geben zum Erzählen
Elisabeth Kurth
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Bindungsförderung
• Elterlichen Stress mildern
BINDUNG
• Elterliche Entspannung fördern
• Fähigkeiten & Zeichen des Babys kennen
• Schöne Bindungsmomente erinnern
• Haut-zu-Haut Kontakt (Känguruh-Care)
Alles eine Frage von Verhalten &
Emotionen?
KIND
ELTERN
BINDUNG
Körperliche Behandlung?
• (Phyto-)Pharmakologische
Therapie
KIND
– Flatulex (Simethicone)
– Reflux: Säureblocker (Omeprazol)
– Bigaia (Lactobacillus reuteri)
– Kräuterextrakte (Kamille, Verveine,
Fenchel, Süssholz, Minze)
Körperliche Behandlung
• Manipulative Therapie
– Craniosacral-Therapie
– Chiropraktik
– Akupunktur
KIND
• Hypoallergene Ernährung
Elisabeth Kurth
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Jacquelines Strategien?
•
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•
•
•
•
•
Eigene Stressreaktion eindämmen
Sich mit Partner abwechseln
Unterstützung anfordern
Time-outs
Ruhepausen statt „Ämtliliste“
Austausch mit Partner/Freundinnen
Professionelle Unterstützung
Professionelle Hilfe
In diesen Heulphasen ist der Tag, wo ich
gewusst habe, jetzt kannst du zur
Mütterberatung, das ist wirklich ein bisschen
ein Fels gewesen! Ja, ein Fels.
Sie hat uns geholfen, beim Essen und Schlafen
einen Rhythmus zu finden mit Sophie, und hat
unsere Meinung dabei einbezogen.
Nach der Beratung sind wir ein bisschen
motivierter herausgekommen. Das ist eine
große Unterstützung gewesen.
Beruhigung
Autonomes Nervensystem
Sympaticus:
-Aktivität
-Erregung
-Stress
27.10.2015
Lärmschutz-Hörer
Dann sind wir zum Baumarkt gefahren und
haben die blauen Lärmschutz-Hörer gekauft.
Das ist super, weil dann ist der grelle
Piccoloton, den hört man nicht mehr. […] man
kann ihr gut zureden, aber es macht einem
selber nicht mehr weh, wenn man schon
gereizt ist, das ist super!
Der grelle, laute ton ist dann wenigstens ein
bisschen gedämpfter und das tut einem selber
(lacht) auch beruhigen.
Schreien
Autonomes Nervensystem
Sympaticus:
-Aktivität
-Erregung
-Stress
Parasympaticus:
-Entspannung
-Verdauen
-Regeneration
FAZIT: Kein Patentrezept
Individuelle Wege
Oasen der Ruhe & Begegnung
Parasympaticus:
-Entspannung
-Verdauen
-Regeneration
Copyright Bilder bei Familystart beider Basel
Elisabeth Kurth
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