Call for Abstracts Ad-hoc-Gruppe (ID: 71) auf dem 38. DGS Kongress in Bamberg Risikogesellschaft und ökologische Kommunikation: Krieg als mit Absicht ” hervorgerufene ökologische Katastrophe“ Organisator/innen: Christian Büscher, Anita Engels, Matthias Groß 24. März 2016 Zwei Werke haben vor 30 Jahren die deutsche Umweltsoziologie (mit) begründet und (mit)bestimmt: Ulrich Becks Risikogesellschaft (1986) und Niklas Luhmanns Ökologische Kommunikation (1986). Beide Autoren haben das Thema Umwelt als Teil einer Theorie moderner Gesellschaften behandelt, nämlich als Selbstgefährdung menschlicher Lebensgrundlagen ausgelöst durch wissenschaftlich-industriell-ökonomisch motivierte Aktivitäten. Politik stand und steht den Entwicklungen hilflos gegenüber, folgt man dem Argument einer polyzentrischen, funktional differenzierten Gesellschaft ohne zentrale Steuerungsmöglichkeiten (Luhmann) oder Politik entzieht sich der Verantwortung, folgt man dem Argument der organisierten Unverantwortlichkeit (Beck). Angesichts jüngster Entwicklungen in der arabischen Welt, in Nordafrika etc. zeigt sich, dass Politik durch bewaffnete Auseinandersetzungen aktiv Auslöser von ökologischen Katastrophen sein kann: verminte Landstriche, brennende Ölquellen, zerstörte Städte mitsamt ihren Infrastrukturen, radioaktive Kontaminierung durch den Einsatz von uranhaltiger, panzerbrechender Munition, Verseuchung von Grundwasser usw. In den 1980er Jahren wurde oft davor gewarnt, dass ein nuklearer Krieg eine globale Klimakatastrophe hervorrufen könnte (Sagan 1983) – aber auch begrenzte konventionelle Kriege haben drastische Konsequenzen für menschliche Populationen: Verletzungen und Verstümmelungen, Krankheiten, Hunger und den Tod. Als weitere Konsequenz kommt es zu Flucht und Vertreibung. 1 Beck und Luhmann haben in den Jahren nach ihren wichtigen Büchern immer wieder an ökologische Probleme angeknüpft. Luhmann sprach in seinem Werk Die Gesellschaft der Gesellschaft von Krieg als mit Absicht hervorgerufene ökologische Katastrophe: Ökologische Katastrophen ohne Sie” ger und Verlierer“(Luhmann 1997: 1053), ebenso von Flüchtlingsströmen von Süd nach Nord aufgrund eines drastischen Reichtumsgefälles: Riesige, ” durch ökonomische Ungleichgewichte erzeugte Wanderungsbewegungen sind in Gang gebracht oder stehen bevor“(Luhmann 1997: 1055). Das alles sah er im Zusammenhang mit regionalen Differenzen politischer Art: Nationalstaaten verteidigen die geographischen, legislativen, ökonomischen Grenzen mit Macht und Gewalt in der Weltgesellschaft. Vor diesen Grenzen machen ökologische Konsequenzen höherer Ordnung – so Flucht und Vertreibung als solche einzuschätzen wären – hingegen nicht halt. Beck konstatierte in seinem Werk Weltrisikogesellschaft. Auf der Suche nach der verlorenen Sicherheit gleichsam eine Sozialstruktur moderner Art in der Weltgesellschaft, nämlich eine Kluft zwischen Machthabern und den Zwangskonsumenten der Gefahren“. Damit beschwor er einen Klassen” kampf neuerer Art herauf, der eben nicht nur die Zentren der Moderne umfasst (mit ihren Zivilisationsdefekten), sondern die ganze Welt: Risikogeber” Länder“und Risikonehmer-Länder“(Beck 2007: 350). ” Trotz der gepflogenen Rede von Klimaflüchtlingen oder militärischen Auseinandersetzungen als ökologische Problemfaktoren hat die Soziologie allgemein, aber auch die Umweltsoziologie im Besonderen, wenig eigene Beiträge zu diesem Thema geliefert – zumindest im deutschsprachigen Raum. Dies ist umso erstaunlicher als sowohl Beck als auch Luhmann zu diesen Themen immer wieder Stellung bezogen haben. Ziele der Ad-hoc-Gruppe Diese Ad-hoc-Gruppe will die Fruchtbarkeit der beiden prominenten Ansätze, insbesondere anhand der klassischen Werke aus dem Jahr 1986, auf den Prüfstand stellen. Vor dem Hintergrund des Konferenzthemas sollen Reaktionen der geschlossenen Gesellschaften“auf ökologische Rückbetroffenheit ” durch die (Flüchtlings)-Krisen diskutiert werden. Dazu lässt sich fragen, ob die aktuellen Entwicklungen eher Ausdruck der Reflexivität der Moderne (Beck) oder der Funktionssystem spezifischen Resonanz (Luhmann) sind: Grenzen schließen bzw. wieder verschieben (mit ökonomisch ganz anderen Folgen, nämlich der Einschränkung des Warenverkehrs etc.). 2 Weitere Ziele und Themen der Ad-hoc-Gruppe: • Eine kritische Bestandsaufnahme der Tauglichkeit der Konzepte der (Welt-) Risikogesellschaft und der ökologischen Kommunikation für die Analyse aktueller Problemlagen der ökologischen Selbstgefährdung (bezogen z. B. auf die Ubiquität von Krieg und von Flüchtlingsströmen). • Eine Gegenüberstellung dieser klassischen Werke mit alternativen Theorieentwürfen, wie sie z. B. durch Bruno Latours Beschäftigung mit Gaia und dem Leben im Anthropozän vorliegen. • Eine Fortsetzung der Überlegungen einer 2014 in Trier durchgeführten Ad-hoc-Gruppe zum Thema Die neue Rolle der Soziologie im Klima” wandel“. Bereits zugesagt sind Beiträge von: Karl-Werner Brand (München), Roland Lippuner (Bremen), Anita Engels (Hamburg). Für die Ad-hoc-Gruppe wünschen wir uns neben den Beiträgen der bereits eingeladenen Vortragenden weitere originelle Beiträge aus der Soziologie. Bitte schicken Sie abstracts im Umfang von einer Seite bis zum 24. April 2016 an Christian Büscher ([email protected]). Literatur Beck, U., 1986: Risikogesellschaft: auf dem Weg in eine andere Moderne; Frankfurt am Main: Suhrkamp. Beck, U., 2007: Die Weltrisikogesellschaft: auf der Suche nach der verlorenen Sicherheit; Frankfurt am Main: Suhrkamp. Luhmann, N., 1986: Ökologische Kommunikation. Kann die moderne Gesellschaft sich auf ökologische Gefährdungen einstellen?; Opladen: Westdeutscher Verlag. Luhmann, N., 1997: Die Gesellschaft der Gesellschaft - Band 2; Frankfurt am Main: Suhrkamp. Sagan, C., 1983: Nuclear War and Climatic Catastrophe: Some Policy Implications; Foreign Affairs: Winter Issue. 3
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