ibr-online: IBR 2015, 607 Seite 1 von 1 IBR 2015, 607 Gemietetes Baugerüst ist gegen Diebstahl zu sichern! 1. Auf einen selbstständigen Gerüstvertrag sind werkvertragliche und mietvertragliche Elemente anwendbar. 2. Werden Gerüstteile nach dem vollständigen Aufbau gestohlen und kann der Auftraggeber sie deshalb nicht zurückgeben, steht dem Auftragnehmer ein Schadensersatzanspruch zu, wenn der Auftraggeber zumutbare Sicherungsmaßnahmen unterlassen hat. OLG Frankfurt, Urteil vom 01.08.2014 - 2 U 17/14 BGB § 275 Abs. 1, § 280 Abs. 1, 3, § 283 Satz 1, §§ 535, 546 Abs. 1 Problem/Sachverhalt Für Bauverträge gilt der allgemeine Grundsatz, dass der Auftragnehmer (AN) seine Leistung bis zur Abnahme vor Beschädigungen und Diebstahl schützen muss (vgl. VOB/B § 4 Abs. 5 Satz 1). Dieser Grundsatz führt immer wieder zu Streit, wenn vor der Abnahme bereits ausgeführte Leistungen beschädigt oder gestohlen werden. Für selbstständige Gerüstverträge, also für Verträge, die ausschließlich die Errichtung, den Umbau, die Vorhaltung und den Abbau von Gerüsten zum Gegenstand haben, gelten hierfür Besonderheiten. Im Fall des OLG Frankfurt wurden nach dem vollständigen Aufbau der Gerüste durch den AN Gerüstteile im Wert von über 34.000 Euro gestohlen. Der AN nimmt den Auftraggeber (AG) deswegen auf Schadensersatz in Anspruch. Entscheidung Ohne Erfolg! Auf die Verpflichtung zur Rückgabe des Gerüsts findet Mietvertragsrecht Anwendung. Der sog. "selbstständige Gerüstvertrag" ist ein typengemischter Vertrag, bei dem auf den Aufbau, den Umbau und den Abbau Werkvertragsrecht anzuwenden ist. Während der Vorhaltung richten sich die gegenseitigen Rechte und Pflichten jedoch nach Mietvertragsrecht. Durch den Diebstahl während der Vorhaltung konnte der AG seine Rückgabepflicht gemäß § 546 Abs. 1 BGB nicht erfüllen. Allerdings konnte der AG beweisen, dass ihn an der Entwendung kein Verschulden trifft. Der AG hatte dafür gesorgt, dass die Baustelle mit 2 m hohen Bauzaunelementen aus Stahlgittern gesichert war. Die Bauzaunelemente waren in Betonsockel gesteckt und mit Schellen verschraubt. An der Zufahrt zur Baustelle befand sich ein Tor, das mit einem Schloss versehen war. Auf weitergehende Sicherungsmaßnahmen, wie beispielsweise auf einen Wachdienst, eine Videoüberwachung oder auf den Einsatz sog. "Hochsicherheitsbauzaunklemmen", musste der AG nicht zurückgreifen. Zwar kommt es für die notwendigen, durch den AG zu ergreifenden Sicherheitsmaßnahmen immer auf den Einzelfall an. So ist es möglich, dass es gerade in Stadtteilen, in denen bekanntermaßen besonders häufig gestohlen wird, notwendig ist, besondere Sicherheitsmaßnahmen zu ergreifen (Schmidt, NJWSpezial 2011, 236). Vorliegend war eine solche Besonderheit jedoch nicht gegeben. Praxishinweis Die Entscheidung betrifft die Entwendung von Gerüstteilen während der Vorhaltung. Teilt der Auftraggeber dem Gerüstbauunternehmen mit, dass die Bauleistungen, für welche die Gerüste notwendig waren, abgeschlossen sind und die Gerüste nun abgebaut werden können (sog. "Freimeldung"), kann die Beurteilung anders ausfallen. Denn mit der Freimeldung beginnt die Abbauphase, auf die Werkvertragsrecht anwendbar ist. Und in diesem Fall ist der Auftragnehmer verpflichtet, die Gerüste vor Beschädigungen und vor Diebstahl zu schützen, so dass im Falle einer Entwendung nach der Freimeldung keine Schadensersatzansprüche bestehen (KG, IBR 2010, 673). Für Schadensersatzansprüche müssen der AN und dessen Berater zudem beachten, dass hierfür die kurze Verjährungsfrist von sechs Monaten gemäß § 548 Abs. 1 BGB gilt (LG Deggendorf, IBR 2011, 1231 - nur online). RA und FA für Bau- und Architektenrecht Volker Schmidt, Dresden © id Verlag http://www.ibr-online.de/print.php?SessionID=bb422c130df831f211dbdc3437713d97... 28.10.2015
© Copyright 2024 ExpyDoc