Umfrageergebnisse: Die Förderung für mein Kind

Umfrageergebnisse: Die Förderung für mein Kind
Leben mit Behinderung Hamburg Elternverein e.V.
Inklusion und Schule 2016
Mit einer kleinen Umfrage hatten wir zum Jahreswechsel Eltern im Verein nach ihrer Meinung zu
Inklusion und der Qualität schulischer Förderung gefragt. Die Auswertung der Elternstimmen liegt
nun vor. Die Antworten zur schulischen Förderung von Kindern mit sonderpädagogischen Bedarfen in
Hamburg sind höchst unterschiedlich ausgefallen. Von ausgezeichnet bis miserabel ist alles dabei.
Mit 35 Fragebogen-Antworten bieten wir natürlich kein statistisch repräsentatives Ergebnis. Die
unterschiedlichen Bewertungen bezogen auf die einzelnen Fragestellungen geben aber sehr wohl ein
klares Bild dazu, was Eltern bei der Förderung ihrer Kinder mit Behinderung wichtig ist und was sie
ablehnen. Antworten kamen von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern unseres
Elterngesprächskreises Inklusion/Integration, der sich regelmäßig im Südring trifft, und von weiteren
Eltern, deren Kinder sowohl Regelschulen als auch spezielle Sonderschulen besuchen. Gefragt war
nach der Förderungsqualität insgesamt, der Förderung der Kommunikationsfähigkeit, Lese- und
Rechenkompetenz und im pädagogischen Team, im Ganztag und zum Schluss, wie die Inklusion des
Kindes in der Freizeit gelingt.
Die Förderung meines Kindes in der
Schule insgesamt ist ...
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Wie steht es mit der Förderung der Kinder in der Schule insgesamt? Hier zeigt sich ein Bild aus
Elternsicht, das die allgemeine Schuldiskussion widerzuspiegeln scheint. Mehr als die Hälfte der
Antworten drückt Zustimmung aus, darunter Eltern, deren Kinder mit komplexen Behinderungen –
wie es auch die aktuelle Statistik der Schulbehörde nachweist – mehrheitlich spezielle Sonderschulen
besuchen. Zustimmend sind aber auch Eltern, die die besonderen Stärken ihrer Kinder in
Regelschulen gut gefördert sehen, z.B. bezogen auf das Autismus-Spektrum, wenn hier der
Unterricht den Bedarfen der Kinder entsprechend angepasst wird. 13 schwache Wertungen von „nur
ausreichend“ bis „miserabel“ weisen aber auch daraufhin, dass nicht alles klappt. Kommentare
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zeigen die Schwierigkeiten: „Wichtig: Therapie, Therapie, Therapie“ und „Eltern müssen fehlende
Angebote ersetzen“.
Die Schule fördert die
kommunikativen Fähigkeiten meines
Kindes ...
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Ein anderes Bild zeigt sich bei der Frage nach der Förderung der kommunikativen Fähigkeiten. Hier
bewegt sich das Ergebnis relativ gleichmäßig von Zustimmung mit 7mal prima bis zu 17 schwache
Bewertungen von „naja“ bis „miserabel“. Kein klares Bild. Planvolles Vorgehen der Schulen bei der
Förderung der individuellen kommunikativen Fähigkeiten der Kinder lässt sich nicht erkennen. Ein
Kommentar: „Förderung Kommunikation: Geringer Einsatz von Computern, anderes hat bei Lehrern
und Therapeuten Vorrang.“
Die Schule fördert Lesen Schreiben
Wortverständnis ...
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Von der Kommunikations-Antwort weicht das Ergebnis bei der Frage nach der Lese- und
Schreibkompetenz und dem Wortverständnis weicht ab. Die im Vergleich zur Kommunikation
deutlich positiveren Wertungen deuten darauf hin, dass Wort und Buchstabe tendenziell einen
Schwerpunkt im Rahmen der schulischen und auch der sozialpädagogischen Förderung einnehmen.
Das anerkennen die Eltern mit 17 positiven Wertungen von „ausgezeichnet“ bis „gut“ und 8mal
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„naja“, denen lediglich 10 schwache Wertungen gegenüberstehen. „Lesen konnte mein Kind schon
vor der Schule“ lautet eine enttäuschte Bemerkung.
Die Schule fördert mathematisches
Denken meines Kindes und
Verständnis für Geld ...
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Unzufriedenheit zeigt sich deutlicher im Bereich der mathematischen Förderung. Hier gibt es 18
ablehnende Wertungen von „verbesserungsbedürftig“ bis „miserabel“. Daneben stehen 15 positive
Wertungen. Eher als auf geeignete Förderung in den jeweiligen Schulen, deuten sie auf persönliche
Stärken der Kinder in diesem Bereich hin. Eltern scheinen eine gesicherte Qualität von planvoller
Förderung, die „den Fähigkeiten der Kinder entspricht“, zu vermissen. Wird an den Schulen
konsequent mit Förderplänen gearbeitet, in deren Erstellung und Umsetzung die Eltern auch jeweils
miteinbezogen sind? Das Ergebnis deutet an, dass hier ein deutlicher Verbesserungsbedarf besteht.
Wir sehen hier einen Hinweis auf die Kritik, die wir aus zahlreichen Elterngesprächen kennen, dass an
den Fähigkeiten der Kinder entwickelte individuelle Förderpläne noch nicht genügend zum Einsatz
kommen und Eltern wohl auch nicht oder wenig bei der Erstellung und Umsetzung dieses
Förderinstruments einbezogen sind.
Die Förderung meines Kindes erfolgt
im pädagogischen Team ...
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Kinder mit Behinderung sollen keine Spezialaufgabe für Sonderpädagogen oder Schulbegleiter sein.
In Schulsystemen, die sich inklusiv entwickeln, ist die Förderung der Kinder nach ihren individuellen
Bedarfen ein Thema für das gesamte Team der Pädagogen. In unserem Ergebnis erhalten diese
Teams teilweise sehr gute Wertungen mit 7mal „ausgezeichnet“ und 5mal „sehr gut“, einmal
kommentiert: „…weil es eine Sonderschule mit viel Erfahrung ist“. Das Zusammenwirken der Lehrer
und Erzieher ist jedoch nicht kennzeichnend für alle Schulen, wie 16 Eltern in unserem Ergebnis
deutlich beklagen.
Die Förderung meines Kindes im
Ganztag klappt ...
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Wie steht es mit der Qualität im Ganztag? Hier gehen die Meinungen im Ergebnis am deutlichsten
auseinander mit 9mal „ausgezeichnet“ und 9mal „miserabel“. Allzu oft findet der Ganztag gar nicht
statt, „Ganztag gibt es nicht“, oder nicht geeignet für das Kind: „schlechte Qualität“. Hier besteht
dringender Handlungsbedarf.
Mein Kind erlebt Inklusion in seiner
Freizeit ...
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Bei der Schlussfrage nach Inklusion in der Freizeit zeigt sich deutlich, wie wichtig das gemeinsame
Lernen und die Begegnung mit nichtbehinderten Kindern im Schulalltag sind. Viele Kinder haben nur
hier die Möglichkeit, positive Erfahrungen mit Peers zu machen. Die Schwere ihrer Diagnose wirkt
außerhalb der Schule stark ausgrenzend, wie die Bemerkungen „keine Sportangebote für Kinder, die
keine Kopfkontrolle haben“ und „kaum Inklusion ohne Geschwister“ zeigen.
Zusammenfassend zeigt sich: Die Eltern nehmen ihre Verantwortung ernst. Bei der Beurteilung der
Förderung ihrer Kinder scheren sie nicht alles über einen Kamm, sondern schauen genau hin. Aus
ihren Antworten spricht deutlich die Ungeduld, dass Schulen und Schulbehörde nun im Jahr 7 der
UN-Behindertenrechtskonvention ihren Kindern mit Behinderung auf der Basis geeigneter Standards
und Konzepte qualitätsvolle Förderung gewährleisten müssen. Es lässt sich erkennen, dass Eltern viel
von dem auffangen, was in den Systemen zur Förderung von Kindern mitspeziellem
sonderpädagogischem Förderbedarf erst noch entwickelt werden muss. Eltern sind für das Gelingen
schulischer Weiterentwicklung wichtige Partner der Schulen und der Schulbehörde. Sie sind in die
Weiterentwicklung einzubeziehen, damit der Hamburger Weg mehr und mehr zum Gewinn für
Kinder mit Behinderung werden kann.
Die Ergebnisse unserer kleinen Umfrage bestätigen unseren Elterngesprächskreis
Inklusion/Integration in seinen Forderungen: Die Antworten zu Kommunikation, mathematischem
Denken und pädagogischem Teamzeigen, dass Gemeinsames Lernen und Inklusion
selbstverständliche, verpflichtende Element pädagogischer Aus- und Weiterbildung werden sollen.
Die Unzufriedenheit bei den fachlichen Schwerpunkten vieler Eltern hebt außerdem das Erfordernis
hervor, individuelle Förderplanungen für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf zu
gewährleisten und Eltern bei deren Erstellung und Umsetzung einzubinden. Schließlich spiegelt das
Bild beim Ganztag wider, wie wichtig es ist, Ganztagsförderungen noch besser für Kinder mit
Behinderung zu sichern und ihre Qualität weiterzuentwickeln.
Kerrin Stumpf
Hamburg im Februar 2016
Der Elterngesprächskreis Inklusion/Integration trifft sich am Montag, den 02. Mai 2016, 19.30 Uhr
bei Leben mit Behinderung Hamburg, Südring 36, 22303 Hamburg.
„In der 4. Klasse klappte es dann endlich mit der Förderung und mein Sohn erlebte Schule, wie
andere Kinder auch. Aber in der 5. Klasse in der neuen Schule fing alles wieder von vorn an. Wir
Eltern mussten wieder Entwicklungshelfer sein.“
Wir Eltern fordern in Hamburg für unsere Kinder eine Schullandschaft, die verbindlich und fachlich
mit Qualität Kinder mit und ohne Behinderungen gemeinsam fördert. Wir merken: Ohne uns Eltern
geht es nicht. Im Elternverein weisen wir auf die konkreten Probleme hin. Hier kommen wir in den
Austausch mit Schulpolitikern, Lehrenden und der Schulbehörde und können die Entwicklung so
gemeinsam beeinflussen.
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