Interview mit Prof. Dr. H. Lukesch, Darum lügen Politiker (pdf, 400

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Politik
Zum Tage
Siemens und BMW (S. 3/S. 14)
Die ManagerVerdrossenheit
ie treuesten Helfer von
D
Oskar Lafontaine heißen Zumwinkel und Klein-
feld. Die besten Linkspartei-Unterstützer sitzen in
den Hauptquartieren von
Nokia und BMW. Die täglich
einschlagenden Meldungen über die Selbstbedienungsmentalitat von Managern oder über die Menschenverachtung globalisierter Konzerne zerstören
das Vertrauen in unsere
soziale Marktwirtschaft –
und treiben den linken Populisten die Menschen zu.
Zwar ahnen wohl auch die
Links-Wähler, dass selbst
eine neue Mauer Deutschland nicht vor Heuschrecken-Fonds und Stellenver-
Freitag, 29. Februar 2008
l
Lügen in der Politik
Das uralte Spiel
mit den Träumen
or der Wahl, während
V
des Krieges und nach
der Jagd: Nie wird öfter ge-
lagerungen in BilliglohnLänder schützen könnte.
Doch die Angst, Manövriermasse anonymer Konzerne
zu werden, und die Furcht
vor dem Absturz in Hartz IV
sucht sich ein Ventil.
Auf die Politiker-Verdrossenheit folgt die ManagerVerdrossenheit – unsere
Demokratie und unsere
Marktwirtschaft stecken in
einer Krise, die nicht allein
die Parteien lösen können!
Die Unternehmer müssen
einen „Aufstand der Anständigen“ starten, um die
Marktwirtschaft vor dem
Brutal-Kapitalismus zu retten – und damit unsere Demokratie vor linken oder
rechten Radikalen.
Klaus Rimpel
logen. So alt Bismarcks
Satz auch ist, so wahr ist er
bis heute. Überrascht zeigen sich neben zahlreichen
Wählern und politischen
Gegnern auch SPD-Aktive
jetzt nur, wie schnell das mit
dem Wortbruch heute geht:
Kaum waren die Stimmen
in Hessen ausgezählt, war
das Tabu von einer Zusammenarbeit mit der Linken
von vor der Wahl schon gefallen. Die Empörung darüber ist nachvollziehbar – wie
auch naiv.
Wir erleben nur erneut das
uralte Spiel: Wer Politik
macht, will regieren. Wer
„Hier stehe ich, ich kann nicht anders!“
unbedingt an die Spitze der
Macht schreiten will, muss
einiges mit Füßen treten –
zuweilen auch eigene
Grundsätze. Und wenn gerade in Hessen eine Agenda-Kritikerin die SPD anführt, ist eine wie auch immer geartete Zusammenarbeit mit den aus der
Schröder-Kritik entwachsenen Linken nur naheliegend.
Die Politik setzt oft darauf,
dass wir auch belogen werden wollen: Doch Träumereien über blühende Landschaften, einen finanzierten Transrapid oder Steuersenkungen sind etwas anderes als Becks klare Ansage, etwas nicht zu tun.
Walther Schneeweiß
tz-Zeichnung: Haitzinger +++ Der SPD-Streit um die „Wahl-Lüge“ von Hessen +++
Wutbrief
gegen Beck
tz Berlin/Wiesbaden
Kurt Beck liegt noch bis zum Sonntag mit
Grippe im Bett. Deshalb hat Hamburgs
SPD-Spitzenkandidat Michael Naumann dem SPD-Chef seinen Frust
nun schriftlich zukommen lassen: In einem Wutbrief wirft er
Beck vor, dessen Spekulationen
über mögliche Bündnisse mit
der Linkspartei hätten die
Hamburger SPD bei der Wahl
mindestens drei Prozentpunkte gekostet!
In dem Brandbrief rechnet
Naumann laut „stern.de“ auf
drei eng beschriebenen Seiten
mit Becks „Geisterfahrt“ ab.
Schützenhilfe bekommt Naumann dabei vom SPD-Finanzminister: In der „Passauer Neuen Presse“ räumte
Michael NauPeer Steinbrück Verständmann ist sauer
nis für den Lügen-Vorwurf
auf den „Geisein: „Der Fehler ist nicht
terfahrer“ Beck
gewesen, dass man sich in
Foto: ddp
Hessen mit verschiedenen
Optionen beschäftigt hat,
Umfaller und Blackouts: Die Lüge in der deutschen Politik
Der damalige FDP-Chef
Erich Mende ging 1961 mit
dem Versprechen in die
Bundestagswahl, die FDP
werde auf keinen Fall Konrad Adenauer zum Kanzler
mitwählen. Nach der Wahl
ging die FDP trotzdem eine
Koalition mit der CDU ein
und wählte brav Adenauer.
Das Bild als „UmfallerPartei“ wurde die FDP
seitdem nie mehr los.
„Niemand hat
die Absicht, eine
Mauer zu errichten“, erklärte der
DDR-Staatsratsvorsitzende Walter Ulbricht am 15.
Juni 1961. Zwei
Monate später
beginnt in Berlin
der Mauerbau.
Im Untersuchungsausschuss zur illegalen Parteienfinanzierung durch
Friedrich Karl Flick
konnte sich Kanzler Helmut Kohl 1984 nicht an die
Millionen-Spenden des
Großunternehmers erinnern. CDU-Generalsekretär Heiner Geißler
entschuldigte dies später
mit einem „Blackout“.
Ende 2002 nimmt der „Lügenausschuss“ seine Arbeit
auf. Der Vorwurf: Gerhard
Schröder habe vor der Bundestagswahl
2002
über das
wahre
Ausmaß
derHaushaltslöcher Bescheid
gewusst, dies aber
aus
wahltaktischen Gründen
verschwiegen.
„2% Merkelsteuer auf alles!
Deutschland
kann sich CDU/
CSU nicht leisten“, so plakatierte die SPD im
Bundestagswahlkampf
2005. Franz
Münteferings Versprechen, die Mehrwertsteuer
auf keinen Fall zu erhöhen, entpuppte sich als Lüge: Der SPDChef sattelte sogar eins drauf
und trug eine dreiprozentige
Mehrwertsteuererhöhung
in
der Großen Koalition mit.
Zu: SPD und Linke
Becks Unfähigkeit
Gerät in der eigenen Partei unter Druck: SPD-Chef Kurt Beck
nach einem in der Tat sehr schwierigen Wahlergebnis. Der entscheidende Punkt ist, dass sich alle entscheidenden Persönlichkeiten vor
der Wahl eindeutig geäußert haben
und nun ein Strategiewechsel zumindest nicht definitiv ausgeschlossen ist.“ Glaubwürdigkeit sei
ein sehr hohes Gut in der Politik,
so Steinbrück. „Ohne Glaubwürdigkeit ist man nicht strategie- und
kommunikationsfähig. Insofern
befindet sich die SPD derzeit in
einer sehr schwierigen Lage.“
Der Sprecher des konservativen
Seeheimer Kreises in der SPD, Johannes Kahrs, geht davon aus, dass
drei Viertel seiner Parteifreunde
die Öffnung zur Linkspartei für
Foto: AP
falsch hielten. Es sei Parteilinie gewesen, bis 2009 in den westlichen
Ländern und im Bund nicht mit der
Linken
zusammenzuarbeiten:
„Jetzt hat Beck das mal eben anders entschieden. Aber darüber
hat es nie eine Diskussion in unserer Partei gegeben“, schimpfte
Kahrs.
Derweil geht bei der Regierungsbildung in Hessen nichts voran. Immer-noch-CDU-Ministerpräsident Roland Koch bot erstmals den Grünen eine JamaikaKoalition mit der FDP an, Hessens
SPD-Spitzenkandidatin Andrea
Ypsilanti appellierte an die FDP,
sich einer Ampel-Koalition nicht
zu verschließen.
Experte: Darum lügen Politiker
Was ist eine Lüge?
Prof. Helmut Lukesch: Eine
Aussage, bei der Wahrheitsgehalt gegen die eigenen Überzeugungen spricht. Wenn ich zum
Beispiel Mittagessen gehe und
anderen gegenüber
behaupte, wegen meiner Diät nur gefrühstückt zu haben, ist das
eine Lüge.
Und wenn Frau Ypsilanti in Hessen jetzt
gerne entgegen ihrer
Wahlversprechen sogar mit den Linken Essen geht?
Lukesch: Hier sieht die Situation schwieriger aus. Ihr Nein
von vor der Wahl war vermutlich
auch ernst gemeint, allein um
eine
Abwanderung
ihrer
Wählerklientel nach links zu
verhindern. Das hat nur dummerweise nicht funktioniert.
Wer einen guten Grund hat,
kann aber sein widersprüchliches Verhalten rechtfertigen.
Ypsilanti hat jetzt verschiedene
Möglichkeiten: Sie kann die
Schuld an ihrer Meinungsänderung anderen geben. Entweder
indem sie sagt, sie müsse sich
dem Willen der Wähler insgesamt beugen. Oder sie kann die
Schuld verlagern und sagen:
„Wir würden ja lieber mit der
FDP koalieren statt von der Linken toleriert zu werden, aber das
wollen die Liberalen ja nicht.“
Vor Wahlen versprechen alle
Parteien immer das Gute, Reiche, Schöne. Sind Wahlversprechen an sich schon Lügen?
Lukesch: Es erscheint nur so.
Umdeuten an. Ihr Problem ist:
Sie müssen nicht nur sich selbst
gegenüber, sondern auch ihren
Anhängern gegenüber den eigenen Selbstwert hochhalten.
Das funktioniert?
Lukesch: Ja. So hatte
US-Präsident Bush
doch mit seinen
Kriegsgründen
im
Irak auch gelogen.
Aber so richtig geProf. der Psychologie, Uni Regensburg schadet hat ihm das
nicht. Immerhin hat er
dort noch immer
Doch Lügen sind Wahlverspre- Bündnispartner.
chen noch nicht, sondern nur
Lügen Politiker öfter als der
Programme, die die Parteien normale Bürger?
vertreten und durchsetzen wolLukesch: Ja und nein. Sie komlen. Ein Versprechen wird aber men öfter in die Situation, Verdann zur Lüge, wenn ich von sprechen nicht erfüllen zu könvorne herein weiß, dass ich es gar nen. Politiker sollen und wollen
nicht durchsetzen kann.
ja die Welt verändern. Und das
Muss ein guter Politiker auch geht nur, wenn andere ihnen
besonders gut lügen können?
Macht geben und an sie glauLukesch: Sie lernen zwar nicht ben.
das Lügen, sich aber selbst gut
„Wer einmal lügt, dem glaubt
darzustellen. Bei Politikern hört man nicht.“ Warum wird dann
man sehr selten jemanden, der Politikern trotzdem immer wieSchuld anerkennt oder gar um der das Vertrauen geschenkt?
Verzeihung bittet. Im Gegenteil:
Lukesch: Zum einen, weil wir
Wenn ich einen Fehler zugebe, leicht vergessen. Und andererschwächt das meine Macht, an- seits, weil wir uns auch zwischen
dere zu beeinflussen, und auch zwei Übeln entscheiden müssen.
mein Ansehen. Deshalb wen- Schließlich ist auch die Demoden Politiker Techniken der so- kratie in Gefahr, wenn man die
genannten defensiven Selbst- Wahl einfach verweigert.
Interview: Walther Schneeweiß
darstellung wie Leugnen oder
-Interview mit
Prof. Helmut Lukesch
Sollte Kurt Beck wirklich grünes
Licht für diese Tolerierung in Hessen durch die Linke geben, dann
stellt er seine politische Unfähigkeit und Verlogenheit unter Beweis
und muss schleunigst aus der politischen Landschaft verbannt werden.
Martin Pohlenz, München
Machtgierige Politiker
Kurt Becks Aussage zur Tolerierung durch die Linke ist unappetitlich und abstoßend. Er will an die
Macht, egal auf welchem Weg! Das
passt auch auf Frau Ypsilanti. Herr
Naumann in Hamburg hat hoffentlich mehr Charakter!
Helga Haberl, München
Neuwahlen, und zwar jetzt!
Die hessische Bevölkerung ist
auf die Lügen von Frau Ypsilanti
hereingefallen – warum also keine
Neuwahlen? Die FDP, die dem
Fortschritt verpflichtet ist und inhaltlich weitgehend mit der CDU
übereinstimmt, kann gar keine
Ampel eingehen, noch dazu mit
den Grünen, die tausende Arbeitsplätze durch ihr Nein zur fünften
Startbahn im Rhein-Main-Gebiet
verhindern wollen. Diese Möchtegern-Ministerpräsidentin hat keine
Mehrheit, sondern 0,1 Prozent weniger Stimmen als die CDU und
somit keinerlei Legitimation.
Robert Ertelt, München
SPD leidet an Demenz
Ist Frau Ypsilanti an Alzheimer
erkrankt? Sie sollte doch mal einen
Arzt aufsuchen. Vor vier Wochen
hat sie mindestens viermal öffentlich gesagt, dass die Linken kein
Thema für sie seien und jetzt kann
sie sich an nichts erinnern. Traurig,
dass die SPD zur Partei der Demenzkranken mutiert.
Hans Krieg, München
Lafontaine wird verteufelt
Es war Lafontaine, der sagte, wir
können uns die deutsche Einheit
nicht leisten. Lafontaine war es
auch, der Schröder zur Kanzlerschaft verhalf. Heute, als Chef der
Linken, wird er verteufelt, dabei
hätte ihn die SPD als „gute Seele“
der Partei dringend selber gebraucht. Renate Hübner, München
n Leserbriefe geben nicht die Meinung der
Redaktion wieder. Bitte fassen Sie sich kurz,
weil wir möglichst viele Leser zu Wort kommen lassen wollen. Kürzungen behalten wir
uns vor.