noch einen Artikel über die Rösas

Bunte Blumenpracht für
Chalandamarz
Dass der Frühling nicht mehr weit ist, weiss man in den tieferen Lagen schon
eine Weile. Da blühen in den Gärten bereits die Schneeglöckchen und
Märzenbecher. Und die Narzissen, Hyazinthen und Muscari strecken schon
ihre Köpfe aus dem Erdreich. Davon kann man im Engadin nur träumen,
auch wenn dieses Jahr der Winter nicht so streng ist wie auch schon.
AVONPLATEN
Dass dieser bald vorbei ist, künden indessen die Schüler am 1. März beim traditionellen ChalandamarzBrauch an. Mit Glocken und Plumpas (Kuhglocken) vertreiben sie die kalte Jahreszeit. Und spätestens seit
derVerfilmung der Geschichte vom «Schellen-Ursli» von Selina Chönz ist die Tradition der
räteromanischen Täler Graubündens landesweit bekannt.
Neben den blauen Kutteli, lauten Schellen und Peitschen fällt beim Umzug der Chalandamarz-Züge in den
verschiedenen Dörfern der bunte Blumenschmuck auf Hüten und Plumpas auf. In allen Farben leuchten sie
und künden den Frühling prachtvoll an. Gerne hätte ich gewusst, wo diese schönen «Rösas» herkommen,
wer sie macht und vor allem wie! Im Schellen-Ursli-Film kommen sie nicht vor. Und auf alten Bildern
konnte ich sie auch nicht finden. Ich sprach darauf hin mit verschiedenen Frauen alt eingesessener
Engadiner Familien, um mich genauer zu erkundigen. Wer den Brauch der Rösas in die Täler und Dörfer
gebracht hat, habe ich leider nicht herausbekommen. Dafür jede Menge anderes.
Rösas bekommen schon die ganz Kleinen: pro Lebensjahr eine! Wichtig werden sie dann in der Schule.
Dort basteln die Mädchen ihrem Schulschatz, dem Marus, die Rösas aus Seidenpapier (Oberengadin) oder
Krepppapier (Unterengadin) und begleiten ihn am Abend auf den Chalandamarz-Ball. Wie viele Rösas der
Marus bekommt, darf er selbst wünschen. Das kann ganz schön viel Arbeit machen – aber davon später.
Wie das allerdings gehandhabt wird, ist von Dorf zu Dorf verschieden. In St. Moritz sind auch die
Mädchen beim Umzug dabei und tragen selbst Rösas, in Samedan dagegen bestreiten die Jungs den Umzug
allein. In Celerina gehen die Marus zuvor bei ihrer Marusa zum Mittagessen und «bestellen» bei der Mutter
ihres Blumenmädchens die Rösas. Bever hat sogar «Richtlinien für den Chalandamarz-Brauch“» und für
die Rösas:
«Die Patrunas und die Patruns (Abschlussklasse mit Hilfe der 2. Real-, Sekundar- oder Gymnasialklasse)
machen ‚Rösas’ für den Wagen bzw. Schlitten und schmücken diesen gemeinsam. Die ‚Rösas’ werden aus
Seidenpapier gemacht. Dazu treffen sie sich einige Wochen vorher im Schulhaus. Die genauen Zeiten
werden von der Schulleiterin oder von einer Lehrperson bekannt gegeben. Den Patruns steht während
dieser Zeit ein Raum zur Verfügung. Die Patrunas und Patruns werden während der Vorbereitungszeit
sporadisch von Lehrpersonen, Schulleitung und einem Mitglied des Schulrats beaufsichtigt. Auch für die
‚Rössli’ machen die Patruns den Hutschmuck. Die Patrunas machen die ‚Rösas’ für ihre Patruns aus rotem
und weissem Seidenpapier (auf das ‚richtige Rot’ muss geachtet werden) und überreichen die Hüte am
Morgen des 1. März ihren Patruns, wenn diese sie wecken.»
So weit, so gut. Nun wollte ich aber selbst ein paar dieser schönen Blumen ins Haus holen. Nur wie? Zum
Glück hatte ich vor einem Jahr von einer Freundin eine Rösa geschenkt bekommen, die ich nun
genauestens untersuchte, um dem Bastelrezept auf die Spur zu kommen. Und natürlich habe ich nun auch
jede Menge Tipps und Tricks von erfahrenen und echten Engadinerinnen bekommen, die meinen Ehrgeiz
weckten, selbst zur Chalandamarz-Floristin zu werden. Aus Seidenpapier stellt man sogenannte «Blätter»
her. Indem man runde oder viereckige Stücke von Papier auf 1/8 Grösse faltet und dann rund, oval oder als
Blattform ausschneidet (siehe Foto: rotes Beispiel). Wenn man das Seidenpapier dann wieder auffaltet, hat
man ein «Blatt» mit acht Blättchen (Foto: blaues Beispiel). Jedes der Blättchen wird einmal gedreht und
festgedrückt (Foto: grünes Beispiel). Die Blätter werden dann auf einen Blumendraht aufgezogen. Am
Ende des Drahtes spiesst man ein Stück Gummi (am besten vom festen Gummiband der Spragel) oder
Korken auf und umwickelt diesen mit etwas Seidenpapier. Je mehr Blätter, desto voller und schöner die
Rösa. Ich habe es mit 15 bis 20 Blätter ausprobiert – mit schönem Ergebnis. Damit die Blätter
zusammenhalten, schliesst man mit einem Stück Gummi oder Korken ab.
Bei den Farben gibt es keine Regeln – ausser in Bever! Da kann man es der Natur gleich tun und seiner
Fantasie und Kreativität freien Lauf lassen. Geduld muss man allerdings mitbringen, wie beim Warten auf
die ersten warmen Frühlingstage!
In Tarasp wird sogar ein kleiner Rösas-Kurs angeboten: 25. Februar 2016, 17 bis 18 Uhr.
Wer sich das bunte Treiben nur anschauen möchte, läuft am 1. März den grossen Geläut der Glocken und
Plumpas hinterher. In St. Moritz ist um 10.30 Uhr der grosse Umzug im Dorfzentrum mit
Gesangsvorträgen vor dem Gemeindehaus sowie um 16.40 Uhr der Umzug vom Plazza Rosatsch im Bad.