König an Bord

REPORT
SARDINIEN
König an Bord
Die Costa Smeralda ist seit ihrem Aufstieg zur JetSet-Küste in den 1960er Jahren berühmt. Doch die
Nordostküste Sardiniens zwischen der Isola Tavolara im Süden und dem Capo d’Orso im Norden hat
noch wesentlich mehr zu bieten.
Weithin sichtbar an der Nordostküste Sardiniens ist die mächtige
über 560 m hohe Isola Tavolara
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1. In der Marina von Porto Rotondo liegt eine Vielzahl topgepflegter Boote
2. Tonino Bertoleoni, der rüstige König der Isola Tavolara, auf einem seiner Schiffe
3. Wer den Inselberg besteigt, genießt eine herrliche Aussicht über die Costa Smeralda
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D
er König kommt gerade aus
der Imbissbude. Ob er einmal sein Flaggschiff zeigen
mag? »Certo – aber sicher«,
Toni lächelt freundlich.
Er ist 84 und noch topfit.
Tonino Bertoleoni, ein waschechter König, spaziert über die Kaimauer und klettert gelenkig an Bord der Invincibile. Sie
ist das Flaggschiff seiner kleinen Flotte.
Ein Kriegsschiff ist es freilich nicht. In
Tonis Königreich herrscht ja auch Ruhe
und Frieden. Der Re di Tavolara ist König
eines kleinen Inselparadieses. Es liegt
vor der Nordostküste Sardiniens – und
nicht, wie man vielleicht meinen könnte,
irgendwo in der Südsee. Die Isola Tavolara, das Reich von Toni ist aber kaum
weniger spektakulär: Glasklares Wasser
umspült hellen Sandstrand. Das Meer
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schimmert türkis, und senkrechte Felswände steigen in den tiefblauen Himmel. Wer Tonis Königreich einmal überblicken will, steigt am besten hinauf auf
die felsige Krone des Inselparadieses,
auf den höchsten Gipfel, den Punta Cannone. Der Ausblick ist gigantisch. Der
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ist die Besteigung des Inselberges ein
ausgewachsenes alpines Unternehmen.
564 Höhenmeter sind keine Kleinigkeit,
besonders nicht bei sommerlichen 28°C.
Da springt man liebend gerne in die Wellen, wenn man den Strand wieder glücklich erreicht hat.
Die reich gegliederte Küste mit
unzähligen Buchten, Inseln und Landzungen
ist ein spannendes Cruising-Revier.
König selbst hat ihn allerdings schon
länger nicht mehr genossen. »In meinem
Alter geht es nicht mehr so gut mit dem
Klettern«, bedauert Toni. Tatsächlich
Die Isola di Tavolara ist ein über sechs
Kilometer langes Bergmassiv, das vom
Meeresspiegel steil aufsteigt. Es gibt
wenig ebenes Gelände, das für die
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Landwirtschaft oder als Baugrund geeignet wäre. Früher sah man die Insel
wohl als unfruchtbaren, wertlosen Berg
an. So geschah es, dass König Carlo Alberto von Sardinien die Isola Tavolara
1836 an Paolo Bertolenoni verschenkte. Der Legende nach war Carlo Alberto
in jenem Jahr auf der Insel angelandet.
Paolo war ihm entgegengetreten und
begrüßte ihn mit den Worten: »Der König von Tavolara begrüßt den König von
Sardinien und wünscht ihm einen angenehmen Aufenthalt in seinem Reich!«
Das amüsierte den angesprochenen König so sehr, dass er Paolo tatsächlich
mit Brief und Siegel zum Inselkönig
ernannte. Seitdem darf sich ein Spross
der Familie Bertoleoni »König von Tavolara« nennen. Und heute hat Toni die
Königswürden inne.
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1. Vor der Küste sind Begegnungen mit Delphinen nicht selten
2. D
ie felsgesäumte Hafeneinfahrt von Poltu Quatu ist so schmal, dass sie von
See her leicht zu übersehen ist
3. A
n der Costa Smeralda wird der neosardische Baustil gepflegt, in Porto
Rotondo ...
4. ... genauso wie in Porto Cervo, einem der teuersten Liegeplätze überhaupt
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2
Der mächtige Felsrücken der Isola Tavolara ist weithin zu sehen. Er überragt die
vielen Halbinseln und Buchten und ist
eine der Perlen der nordöstlichen Küste
Sardiniens. Berühmt ist dieser Inselteil
vor allem aber durch die Costa Smeralda,
die smaragdene Küste. Sie gilt als eine
der schönsten im ganzen Mittelmeer.
Etwa 12 Seemeilen nördlich der Isola
Tavolara erstreckt sie sich über rund 10
Seemeilen bis ans nordöstlichste Eck
Sardiniens. Durch Karim Aga Khan, dem
milliardenschweren religiösen Oberhaupt
der Ismaeliten, wurde diese Küste in
den 1960ern und 1970ern zu einem
Tummelplatz der Schönen und Reichen
dieser Welt. 1962 kaufte Aga Khan 236
Quadratkilometer des damals noch völlig
unberührten Landstrichs. Seine Idee:
Die felsige Küste mit ihren traumhaften
Sandbuchten vor einem unkontrollierten
Ausbau zu schützen und zu verhindern,
dass sie in Beton gegossen würde. Stattdessen wollte er idyllische Luxushotels
schaffen, deren Architektur mediterranes
Flair verströmen sollte. Damit beauftragte er französische Stararchitekten wie
Jacques Couelle. Als erstes wurde das
berühmte Cala di Volpe erbaut. Das war
der Anfang des sogenannten neosardischen Stils. Im Hafenörtchen Porto Cervo
wurde er am spektakulärsten umgesetzt.
Die Superyacht manövriert vorsichtig
und wendet ganz langsam. Zwei junge
Männer werfen im warmen Licht der
Abendsonne ihre Angelruten aus. Sie
haben sich ein gemütliches Plätzchen
an den Küstenfelsen gesucht. Im Hintergrund schmiegt sich das in warmen
Farben gestrichene Architekturensemble
von Porto Cervo an einen sanft ansteigenden Hang, davor die teuersten Liegeplätze für Superyachten an der gesamten Costa Smeralda. Die Gebühren sind
so astronomisch, dass der kleine Hafen
auch weltweit zu den kostspieligsten Anlegestellen zählt. In Porto Cervo bleibt
wenig dem Zufall überlassen. Dass der
Putz an der einen oder anderen Ecke
abblättert, ist wahrscheinlich durchaus
gewollt, damit der Ort wirklich wie ein
originales Fischerdorf wirkt. Hinter den
Mauern der verwinkelten Häuser mit den
unregelmäßigen Fenstern, Bögen und
dekorativen Simsen sind natürlich keine
Fischer zu Hause, sondern Multimillionäre. Das heißt, wenn sie mal da sind.
Die exklusiven Feriendomizile mit Quadratmeterpreisen von bis zu 300.000
Euro stehen wohl den meisten Teil des
Jahres leer. In den schmalen Gassen und
auf den kleinen Plätzen gibt es zahlreiche Geschäfte mit Luxusartikeln der einschlägigen internationalen Marken. Die
gestylten Verkäuferinnen langweilen sich
zwischen teuren Handtaschen, Schmuck
und Uhren, für die es an einem lauschigen Septemberabend weit und breit keinen Kaufinteressenten gibt. Trotzdem –
schön anzuschauen ist diese eigenartige
Kunstwelt schon.
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1. E
in besonders schöner Tauchplatz ist
Spiaggia di Cala Corticcio an der Ostküste der Insel Caprera
2. Im September ist in Porto Rotondo nicht
viel los, die meisten Yachten liegen an
den Kais
3. Rostrote Granitfelsen und türkises
Wasser – die Farben der Costa Smeralda
4. Paola Pegoraro von Orso Diving kennt
die besten Divesites an der Küste
5. Die Zackenbarsche erreichen eine
beeindruckende Größe
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Rund neun Seemeilen weiter südlich
liegt ein weiterer neosardischer Kunstort, das Hafendörfchen Porto Rotondo,
ebenfalls ein exklusives Reichenghetto. Hinter Mauern und blickdichter Bepflanzung liegen kameraüberwachte
Anwesen mit weitläufigen Gärten. Auch
hier ist Ende September nicht viel los,
obwohl der große Yachthafen gut gefüllt
ist. Am Horizont erheben sich markanten
Berggipfel. Der Hafen und der Golfo di
Cugnana bieten einen herrlichen Blick
auf die reich gegliederte Küste mit den
rund 300 m hohen Bergen, die unweit
der Küste die Landschaft prägen. Unter
einer strahlenden Sonne erscheinen im
Gegenlicht Felszacken, Hügel und Strände in verschiedensten Blautönen. Ein
laues Lüftchen und sachte Wellen rühren
kaum an dem tiefblauen Wasser. Der Bug
schneidet geschmeidig durch diese friedliche Meereslandschaft in Cyan.
Ein paar Seemeilen weiter präsentiert
die Costa Smeralda ein ganz anderes
Farbspiel in Rot, Orange und Rostbraun
– den typischen Farben des Rosa-Sardo-
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Granits, der als Bau- und Kunststein
weltweit begehrt ist. Nordwärts um das
Kap von Punta Capoccia herum bilden
zerfurchte Granitklippen eine wilde
Küstenkulisse. Der Granit türmt sich in
rundlich verwitterten Felsskulpturen aufeinander. Wind und Wetter schlugen Furchen in das Gestein. Darüber ein grüner
Flaum aus Macchia. Hier und da widersteht eine in die Jahre gekommene Kie-
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fer den Ansturm des Mistral, manchmal
schon halb entwurzelt und windschief.
Unter Wasser setzt sich die Felslandschaft fort. Höhlen und Nischen, Licht
und Schatten, Fels- und Sandgrund
bilden einen abwechslungsreichen Lebensraum. Zackenbarsche, Brassen,
Adlerfische, Stachelrochen, Moränen,
Aale und Hummer tummeln sich. Zahlreiche Tauchplätze laden ein, die bunte
Unterwasserwelt zu entdecken. Paola
Pegoraro kennt die besten Spots: »Mein
Lieblingsplatz zum Schnorcheln ist die
Ostküste von Caprera, der östlichen
Hauptinsel des Archipels von La Maddalena. Dort gibt es tolle Strände, und
im Wasser sieht man eine Vielzahl von
Fischen. Gerätetaucher finden rund um
La Maddalena, auf der Iles Lavezzi vor
Korsika und bei der Isola Tavolara tolle
Plätze. In 15 bis 30 Metern Tiefe gibt es
dort große Fische, ein artenreiches Meeresleben und wunderbar farbige Gorgonien und Schwämme.«
Eine schmale leicht zu übersehende Einfahrt führt in den bestens geschützten
Hafen von Poltu Quatu. Paola arbeitet
dort für Orso Diving, einer Tauchbasis
mit Geräteverleih. Der Hafen ist voller
Segelboote und Motoryachten. Am östlichen Kai haben auch ein paar Superyachten festgemacht. Viel rührt sich
nicht in dem kleinen Ort. Auch hier ist
Ende September eher eine ruhige Zeit.
»Am meisten los ist normalerweise im
August«, erzählt Paola, »dann kommen
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1. A
m Golfo di Cugnana laden die Felsgipfel
zu einer Klettertour ein
2. Klein, aber sehr fein – die Marina von
Poltu Quatu
3. Liebevoll werden die Details gepflegt –
selbst das Straßenpflaster wird zur Kunst
REPORT
REISEINFOS
ANREISE UND REISEZEIT
die Eigner und cruisen mit ihren Booten zu den verschiedenen Inseln vor der
Küste, rund um La Maddalena und bis
hinüber nach Korsika.« Das Arcipelago di La Maddalena ist das nördlichste
Highlight der Nordostküste Sardiniens
und ein ganz besonders reizvolles Ziel
(siehe Skipper-Ausgabe 6/2014).
Als Carlo Alberto Anfang des 19. Jahrhunderts die Isola Tavolara an Toni Bertolenonis Vorfahren verschenkte, hätte er
sich sicher nicht träumen lassen, dass
der raue, menschenleere Küstenstreifen
der heutigen Costa Smeralda sich 150
Jahre später einmal zum Tummelplatz
von Prinzen und Prinzessinnen entwi-
ckeln sollte. Denn königlich ist die Costa
Smeralda wahrlich. Besonders Mitglieder der englischen Königsfamilie besuchten auf Einladung von Aga Khan die
Küste. Auch Lady Di war dabei. Einen
Tag vor ihrem tragischen Tod in Paris dinierte sie an der Costa Smeralda zusammen mit Dodi Al Fayette auf der Jonikal,
einer luxuriösen 63-Meter-Yacht.
Ihre Majestät bester Spion war auch
hier: James Bond. In »Der Spion, der
mich liebte« besuchte Roger Moore das
legendäre Cala di Volpe. Und auch die
Fabulous Four aus Liverpool folgten dem
Ruf von Aga Khan. Die Beatles besuchten 1969 die Costa Smeralda.
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Mittlerweile sind die glamourösen Zeiten vorbei. Die Königlichen lassen sich
seltener blicken. Doch die wahre Königin der Costa Smeralda ist sowieso uritalienisch und wird ewig bleiben – ihre
Majestät Mare Mediterraneo. Ihre Kronjuwelen sind außerordentlich klein, aber
zahlreicher als die Sterne am Nachthimmel, perfekt geschliffen und großzügig
an den Stränden der Costa Smeralda
verteilt: Der Sand, diese winzigen Edelsteine verhelfen den Wellen im flachen
Wasser zu ihrer ganz besonders leuchtenden Smaragdfarbe.
Text: Eduard Goßner
Fotos: Ulrike Eriksen & Eduard Goßner (13), Orso Diving (4)
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Von Deutschland gibt es zahlreiche Direktflüge nach Olbia, z. B. mit Air Berlin, Germanwings und Lufthansa von
Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg und München. Von
dort sind die Hafenorte schnell erreicht. Die Costa Smeralda ist nach wie vor eher ein teures Pflaster ohne BilligMassentourismus. Dennoch ist in der Hochsaison ziemlich
viel los, und man staunt über die Massen an Booten, die
überall vor Anker liegen. Schöner ist es nach Mitte September, wenn die Sommerurlauber wieder verschwunden
sind. Dann ist das Wetter oft noch sehr schön und die Temperaturen warm bis heiß. Selbst die berühmtesten Buchten teilt man sich dann nur mit wenigen anderen Booten.
Im August dagegen sind es nicht selten viele Dutzend. Das
Frühjahr als Vorsaison-Alternative ist weniger zu empfehlen. Da spielt das Wetter oftmals nicht mit.
CRUISINGTIPPS
Drei große trichterförmige Buchten – von den Italienern
Golfo genannt – gliedern die nordöstliche Küste Sardiniens
und schneiden rund 10 Kilometer ins Land: im Süden bei
Olbia, im Norden bei Arzachena und dazwischen der Golfo
Congianus. Dazu gibt es unzählige kleinere Buchten, Halbinseln und Inseln. Die abwechslungsreiche Küste bietet
Ankerplätze ohne Ende.
Nicht verpassen sollte man die Isola Tavolara. In der ruhigen Nachsaison ein Traum! Am Westende der Insel gibt
es im Schutz der etwa einen Kilometer langen Landzunge
Spalmatore gute Ankerplätze und einen herrlichen Sandstrand. Unbedingt zu beachten sind die militärische Sperrzone im Nordosten der Insel und die besonderen Schutz-
bestimmungen des umgebenden Meeresschutzgebietes
Tavolara Capo Coda Cavallo.
Knapp vier Seemeilen von Porto Rotondo entfernt liegen
die unbewohnten Inseln Mortorio und Soffi. Weiße Sandstrände säumen die Küsten – ideal zum Schwimmen und
Schnorcheln. Hier ist das Anlegen und Ankern über Nacht
allerdings verboten.
Und natürlich bietet sich ein Abstecher zum Arcipelago di
La Maddalena an (siehe auch SKIPPER 6/2014). Die über
60 Inseln des Archipels gehören mit dem umliegenden
Meeresgebiet zum Parco Nazionale dell‘Arcipelago di La
Maddalena. An den 180 Küstenkilometern ist die Auswahl an Buchten und Stränden riesig. Besonders schön
ist die Ostküste der Isola Caprera.
CHARTERMÖGLICHKEITEN
Zu Chartern gibt es an der Costa Smeralda alles, was
man sich vorstellen kann, vom 5-m-RIB bis zur Superyacht. Vergleichsweise günstig sind die RIBs mit bis zu
10 Metern Länge, mit denen man auch dicht an die Sandbuchten heranfahren kann. Hier eine Auswahl an Chartermöglichkeiten:
• Zenit Nautica: San Teodoro
www.zenitnautica.it, [email protected]
• MedioMare Marine Services: San Teodoro
www.mediomare.com, [email protected]
• Sotto Sopra: Marina di Porto Rotondo
www.sottosopraescursioni.it
[email protected]
• Poltu Quatu Charter: Poltu Quatu
www.poltuquatucharter.com, [email protected]
• Rent SM: Porto Cervo und Baja Sardinia
www.noleggioportocervo.it, [email protected]
HAFENINFOS
Porto Cervo: www.marinadiportocervo.com
Porto Rotondo: www.marinadiportorotondo.it
Porto Poltu Quatu: http://marina.poltuquatu.com
Olbia: www.marinadiolbia.it
TAUCHBASEN
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• O
rso Diving: Poltu Quatu
www.orsodiving.com, [email protected]
• Blu Infinito Diving Center
Villaggio Porto Coda Cavallo
San Teodoro
www.bluinfinito.it, [email protected]
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