Grundfall: Die 28-‐jährige A geht seit einigen Jahren im Bereich der

Sommersemester 2015 Hausarbeit – Verwaltungsrecht II PD Dr. Friederike Wapler Grundfall: Die 28-­‐jährige A geht seit einigen Jahren im Bereich der Königsstraße in der hessischen kreisfreien Stadt Bad Kurheim (ca. 45 000 Einwohner) der Straßenprostitution nach. Ihrem Lebensgefährten, dem Stadtverordneten Z ist die Tätigkeit der A nicht nur bekannt, er gibt ihr auch vor, wann und wo sie arbeiten soll. A gibt Z die Hälfte ihres Verdienstes ab, was einen nicht unbedeutenden Teil seines eigenen Lebensunterhaltes darstellt. Eine Sperrbezirksverordnung bestand bisher in Bad Kurheim nicht. Nach ordnungsgemäßer Ladung berät die Stadtverordnetenversammlung von Bad Kurheim am 18.06.2015 über den Erlass einer Sperrbezirksverordnung für das gesamte Stadtgebiet. Es sind insgesamt 25 der Stadtverordneten anwesend, unter ihnen auch der Z. Bei den Beratungen wird deutlich, dass eine Mehrheit für ein umfassendes Verbot der Prostitution ist, auch in Gewerbegebieten, damit die Prostituierten nicht in diese Gebiete abwandern. Nach ausführlicher und emotionaler Diskussion an der sich auch der Z beteiligt, wird schließlich abgestimmt. Die Sperrbezirksverordnung wird mit 15 zu 5 Stimmen angenommen. Z stimmt gegen die Verordnung. Im Nachhinein stellt sich heraus, dass fünf Stadtverordnete die Versammlung während der Diskussion verlassen hatten und bei der Abstimmung nicht mehr zugegen waren. Trotzdem wird die Verordnung am 20.07.2015 ordnungsgemäß ausgefertigt und verkündet. Die „Verordnung über das Verbot der Prostitution“ lautet (in Auszügen): Aufgrund des Art. 297 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch vom 02. März 1974 und der Verordnung des hessischen Landestages vom 12.Dezember 2007 erlässt die Stadtverordnetenversammlung von Bad Kurheim folgende Verordnung: § 1 Verbot Die Prostitution ist im gesamten Stadtgebiet der Stadt Bad Kurheim auf allen öffentlichen Straßen, Wegen, Plätzen und Anlagen sowie an allen anderen Orten verboten. § 2 Zuwiderhandlungen Wer dem Verbot der Prostitution zuwiderhandelt, kann nach § 120 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten in der jeweils geltenden Fassung mit einer Geldbuße belegt werden. Wer dem Verbot der Prostitution beharrlich zuwiderhandelt, kann nach § 184f Strafgesetzbuch in der jeweils geltenden Fassung mit Freiheitsstrafe oder mit Geldstrafe bestraft werden. § 3 Schutzzwecke Grundlage der Sperrbezirksverordnung sind die Schutzzwecke des Art. 297 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch, namentlich der Schutz der Jugend und des öffentlichen Anstandes. 1 Sommersemester 2015 Hausarbeit – Verwaltungsrecht II PD Dr. Friederike Wapler Um Kinder, Jugendliche und Erwachsene vor einer unerwünschten Konfrontation mit Prostitution zu schützen sind alle Wohngebiete und Gebiete im Umkreis von Kindergärten, Schulen und ähnlichen Gebieten vom Verbot umfasst. Daneben werden auch alle Gewerbegebiete vom Verbot umfasst. Es besteht das Bedürfnis nach einem umfassenden Schutz, da ein Imageverlust Bad Kurheims und erhebliche Umsatzeinbußen drohen. § 4 SperrbezirksVO, In-­‐Kraft-­‐Treten Die Verordnung tritt am 01.01.2016 in Kraft. Sie tritt am 31.12.2025 außer Kraft. A ist empört, als ihr Z von dem Beschluss berichtet. Sie könne ja noch verstehen, wenn in Wohngebieten Prostitution verboten sei, aber gerade der Bereich Königsstraße liege in einem Gewerbegebiet, in welchem keine Schulen oder Kindergärten lägen (was zutrifft). Die Verordnung sei daher zumindest unverhältnismäßig. Die Gewerbetreibenden in diesem Gebiet begrüßen die Verordnung. Die Prostitution im Gebiet sei unerträglich und äußerst umsatzschädigend geworden. Die „Anbahnung und Verrichtung des Geschäfts“ finde nicht nur in den Abend-­‐ bzw. Nachtstunden statt, sondern auch tagsüber. Die Freier ließen ihren Müll überall liegen. Dagegen helfe es auch nicht, wenn man die Straßenprostitution auf bestimmte Tageszeiten begrenze. Außerdem franse Prostitution immer mehr in die Anwohnerbereiche und Wohngebiete aus. Straßenprostitution gehöre nicht in die „beschauliche Kleinstadt“, die Prostituierten könnten ja in der nahegelegen Großstadt F arbeiten. Dort gebe es schließlich keine Sperrbezirksverordnung (was ebenfalls zutrifft). A möchte gegen die Sperrbezirksverordnung vorgehen. Schließlich sei Prostitution inzwischen als erlaubtes Gewerbe anerkannt. Es müsse daher auch in einer Kleinstadt wie Bad Kurheim möglich sein, diesen Beruf auszuüben. Auf überkommene spießbürgerliche Ansichten könne in einem Rechtsstaat ja wohl keine Rücksicht genommen werden. Die Bürgerinitiative „Für ein weltoffenes und tolerantes Bad Kurheim“ (B), ein Zusammenschluss verschiedener Bürger und Bürgerinnen aus Bad Kurheim und Umgebung, möchte ebenfalls gerichtlich gegen die Verordnung vorgehen. Sie befürworte keineswegs die Straßenprostitution, aber man könne die Prostituierten auch nicht in die Illegalität drängen. Außerdem sei da jawohl was schief gelaufen in der Stadtverordnetenversammlung. Prüfen die sie Erfolgsaussichten der Anträge von A und der B. 2 Sommersemester 2015 Hausarbeit – Verwaltungsrecht II PD Dr. Friederike Wapler Abwandlung: Eine rechtmäßige Sperrbezirksverordnung ist zwischenzeitlich in Kraft getreten. Die politischen Verhältnisse in der Stadtverordnetenversammlung haben sich jedoch aufgrund von Neuwahlen geändert und es ist absehbar, dass die Sperrbezirksverordnung wieder komplett aufgehoben werden wird. Für den Termin der nächsten Stadtverordnetenversammlung (Ende des kommenden Monats) liegt bereits eine entsprechende Beschlussvorlage der Mehrheitsfraktionen vor. A geht der Straßenprostitution innerhalb des Sperrbezirks nach. Eine Polizeistreife wird auf die A aufmerksam. Die Beamten erteilen ihr ein Aufenthaltsverbot für drei Monate in einem genau bezeichneten Bereich. Ihr Verhalten sei schließlich strafbar. Die Sperrbezirks-­‐
verordnung sei weiterhin in Kraft und sie, als Beamte, dürften sich nicht einfach über die Gesetze stellen, eine Nichtanwendung komme daher nicht in Betracht. Die Beamten ordnen zudem schriftlich die sofortige Vollziehbarkeit des Aufenthaltsverbotes an. Die sofortige Vollziehbarkeit wird damit begründet, dass polizeiliche Erkenntnisse über A vorliegen, welche eine Wiederholungsgefahr nahelegen. Zum Schutz der Jugend sei es auch besonders dringend diese Maßnahme sofort zu vollziehen. Zudem bestehe ein Nachahmungseffekt, würde nicht auch gegen einzelne Prostituierte vorgegangen. Trotz lautstarker Proteste der A lassen sich die Beamten nicht von der Erteilung des Aufenthaltsverbots und der sofortigen Vollziehung abbringen. A hält das Vorgehen der Beamten für rechtswidrig und möchte möglichst schnell gerichtlich gegen die polizeiliche Maßnahme vorgehen. Es müsse ja wohl beachtet werden, dass die Stadtverordnetenversammlung in einem Monat tage und eine erneute Rechtsänderung in Form der Aufhebung der Sperrbezirksverordnung plane. Wäre ein solches gerichtliches Vorgehen der A zulässig und begründet? Widerspruch hat die A bisher nicht eingelegt. Sollten die Bearbeiter_innen zu dem Ergebnis kommen, dass der Antrag unzulässig ist, ist die Begründetheit hilfsgutachterlich zu prüfen. Bearbeitungsvermerk: Gehen sie davon aus, dass der Art. 297 EGStGB und § 184d StGB verfassungskonform sind. Europarechtliche, steuerrechtliche, arbeitsrechtliche, sozialversicherungsrechtliche, baurechtliche und gewerberechtliche Vorschriften, sowie das BImSchG sind nicht zu prüfen. Gehen Sie davon aus, dass in Bad Kurheim keine Wohnungs-­‐ und Bordellprostitution existiert. Der hessische Landesgesetzgeber hat am 12.Dezember 2007 folgende formell und materiell rechtmäßige (fiktive) Delegationsverordnung erlassen: Aufgrund: … 2. des Art. 297 Abs. 2 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch vom 2. März 1974 … 3 Sommersemester 2015 Hausarbeit – Verwaltungsrecht II PD Dr. Friederike Wapler verordnet die Landesregierung: … § 2 Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch Die Ermächtigung durch Rechtsverordnung nach Art. 297 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch zu verbieten, der Prostitution nachzugehen, und das Verbot auf bestimmte Tageszeiten zu beschränken, wird auf die Städte und Gemeinden übertragen, mit der Maßgabe, dass in Gemeinden unter 7500 Einwohner der Kreis zuständig ist. Hinweise für die ordnungsgemäße Abgabe und die Nutzung der Bibliothek im RuW: Der Umfang des Gutachtens darf 23 Seiten nicht überschreiten. Als Schriftart ist Times New Roman zu verwenden, im Text mit Schriftgröße 12 pt, Zeilenabstand 1,5; in den Fußnoten Größe 10 pt Der Rand darf links 6 cm, oben, rechts und unten je 1,5 cm nicht unterschreiten. Die Arbeit ist bis zum 30.09.2015 in Papierform abzugeben und elektronisch hochzuladen. Am letzten Tag der Frist, also am 30.09.2015, ist die Abgabe nur von 10.00 bis 13.00 Uhr in HZ 3 (Hörsaalzentrum Campus Westend) möglich. Vor diesem Termin kann die Arbeit auch im Sekretariat der Entlassungsprofessuren abgegeben werden, wobei die eingeschränkten Öffnungszeiten zu beachten sind. Adresse und Öffnungszeiten sind auf der Homepage zu finden (http://www.jura.uni-­‐frankfurt.de/49686208/Wapler). Ebenso besteht die Möglichkeit, die Arbeit per Post einzusenden (Postadresse: PD Dr. Friederike Wapler, Goethe-­‐Universität, Fachbereich Rechtswissenschaft, Theodor-­‐W.-­‐Adorno-­‐Platz 4 – Postfach 71, 60629 Frankfurt am Main); zur Terminwahrung genügt die rechtzeitige Aufgabe bei der Post (leserlicher Stempel spätestens vom Abgabetag; ggf. Nachweis; Rückscheine können aus organisatorischen Gründen leider nicht beantwortet werden). Darüber hinaus ist zwingend ein elektronisches Exemplar nur des Gutachtens als Word-­‐
Dokument über das E-­‐Center der Universität (http://www.jura.uni-­‐frankfurt.de/e-­‐center) bis einschließlich 24:00 Uhr am 30.09.2015 hochzuladen. Bitte beachten Sie vorher die Hinweise zum Upload. Liegen das elektronische Exemplar und das Druckexemplar nicht fristgerecht vor, kann die Bearbeitung nicht bewertet werden. Der Hausarbeit ist folgende unterschriebene Erklärung anzufügen: „Hiermit erkläre ich, dass die vorliegende Arbeit von mir selbstständig verfasst ist und ich alle benutzten Quellen und Hilfsmittel angegeben habe.“ Die Arbeiten werden auch einer Plagiatskontrolle unterworfen. Achten Sie daher auf das Einhalten wissenschaftlicher Standards, insbesondere auf eine sorgfältige Zitierweise. Bitte beachten Sie auch, dass auf in gedruckter Form eventuell nicht verfügbare Literatur häufig online zugegriffen werden kann (Datenbanken, E-­‐Journals etc.). Der Sachverhalt ist urheberrechtlich geschützt. Viel Erfolg! 4