Sonntag 15.11.2015, 16.30 Uhr Tafelhalle Wir steigen niemals in denselben Fluss Werke von Anton Webern, Gustav Mahler und Hans Zender Tenor – Christoph Prégardien Leitung – Guido Johannes Rumstadt Eine Veranstaltung in Zusammenarbeit mit der Tafelhalle. Das ensemble KONTRASTE wird gefördert durch die Stadt Nürnberg, den Bezirk Mittelfranken und den Freistaat Bayern. Anton Webern (1883–1945) Passacaglia op.1 (in der Bearbeitung von Henri Pousseur 1987) Gustav Mahler (1860–1911) Rückert-Lieder (in der Bearbeitung von Andreas Tarkmann 2008) Blicke mir nicht in die Lieder Liebst du um Schönheit Ich atmet’ einen linden Duft Um Mitternacht Ich bin der Welt abhanden gekommen - Pause - Hans Zender (geb. 1936) 33 Veränderungen über 33 Veränderungen (2010/2011) Tenor – Christoph Prégardien Leitung – Guido Johannes Rumstadt Dieses Konzert wird vom Bayerischen Rundfunk Studio Franken mitgeschnitten und auf BR-Klassik gesendet. Wir steigen niemals in denselben Fluss ... ... weil nicht nur der Fluss nicht derselbe bleibt, sondern weil auch wir nicht dieselben bleiben. Dies stellte der griechische Philosoph Heraklit vor zweieinhalbtausend Jahren fest: Nichts kann exakt wiederholt werden, denn alles verändert sich ständig. Mit „Wir steigen niemals in denselben Fluss“ überschrieb auch Hans Zender, Heraklit zitierend, seinen Essay zur Interpretation und Rezeption der Musik vergangener Epochen. Zender, einer der herausragenden Repräsentanten der musikalischen Avantgarde der Nachkriegszeit, sowohl als Dirigent wie auch als Komponist, setzt sich ein „für die Integration verschiedener Techniken zu einem mehrschichtig musikalischen Denken“, denn einen allgemeinverbindlichen „Stil“ könne es heute nicht mehr geben. Die beiden Pole, Avantgarde und Tradition – Zender nennt sie eine „gegenstrebige Fügung“ – bestimmen auch seine theoretischen Reflexionen über das Komponieren in der Gegenwart. Über unsere heutige Musikrezeption sagt er, wir seien zwar gewohnt, die Tonschöpfungen aus fünf Jahrhunderten und mehr präsent zu haben, doch machten wir uns im Allgemeinen nicht klar, dass wir die Musik der Vergangenheit niemals so hören werden wie die Zeitgenossen der Komponisten – einfach weil wir anders sind, in einer anderen Welt leben, von ganz anderen Höreindrücken geformt sind. Das Ereignis „Musik“ sei immer ein komplexer Wechselwirkungsprozess zwischen Notentext, ausführenden Künstlern und aufnehmendem Hörer. Diese Überlegungen führten ihn zu einem höchst produktiven Umgang mit Werken der Musikgeschichte, seine „Bearbeitungen“ klassischer Werke konstituieren geradezu eine neue musikalische Gattung. Von der Bearbeitung zur komponierten Interpretation Doch warum bearbeitet man überhaupt Musik? Die Bearbeitung, zu allen Zeiten gängige Praxis, folgt höchst unterschiedlichen Intentionen – beispielsweise dem Ziel, ein Musikstück für ein anderes Instrument als das original vorgesehene zu adaptieren; oder um ein Werk, das für großes Orchester geschrieben ist, für die Ausführung durch kleinere Ensembles einzurichten. Dieser Motivation entspringen die Bearbeitungen von Weberns Passacaglia und Mahlers Rückert-Liedern – wobei ein Nebeneffekt dieser „Reduzierung“ oft eine verbesserte Durchhörbarkeit der musikalischen Entwicklungslinien symphonischer Klang-Opulenz. ist, gegebenenfalls zu Lasten Eine Bearbeitung kann aber auch der Idee verpflichtet sein, ein Musikwerk „in die Gegenwart zu holen“, etwa um eine als wertvoll erkannte Komposition der Vergangenheit den jeweiligen Zeitgenossen näherzubringen. Ein berühmtes Beispiel dieser Art ist Mozarts Bearbeitung von Händels Messias (am 29. November 2015 in der Meistersingerhalle unter der Leitung des Dirigenten des heutigen Konzerts). Noch einen Schritt weiter gehen Bearbeitungen, die das Originalwerk einer kompositorischen Reflexion unterziehen, die gewissermaßen mit musikalischen Mitteln über das Original nachdenken, mit dem Rüstzeug eines heutigen Komponisten und dem Bewusstseinsstand unserer Zeit – womit wir wieder bei Hans Zender wären. Er hat eine Reihe solcher Bearbeitungen erstellt, die bekannteste wohl von Schuberts Winterreise, er nennt sie „komponierte Interpretationen“. Naturgemäß geht diese Art von Bearbeitung relativ frei mit der Originalkomposition um, die Intention ist eine andere, als das Original möglichst notengetreu wiederzugeben. Weberns Passacaglia – ein spätromantisches Gesellenstück Es gibt Namens- und Begriffsverbindungen, die sich dem Musikfreund fast automatisch aufdrängen. Beispiel: Zweite Wiener Schule – Schönberg – Berg – Webern – Zwölftonmusik – Atonalität. Doch diese Schlagwörter würden hier in die Irre führen, denn bei Weberns Passacaglia handelt es sich um eine weitgehend spätromantische Komposition. Der Lehrer Weberns, Arnold Schönberg, Ideengeber und Initiator des Aufbruchs zu neuen Kompositionsprinzipien, war nicht nur ein ausgewiesener Meister klassischer Musikformen, er verlangte auch von seinen Schülern die solide Beherrschung des klassischen Rüstzeugs eines Komponisten. So ist es kein Widerspruch, dass sein Schüler Anton Webern mit seinem „Gesellenstück“, der Passacaglia für Orchester, sein Debüt noch voll und ganz auf dem Boden tradierter Kompositionsregeln gab – die er wenig später radikal verließ. Weberns Biograph Wildgans charakterisierte die Passacaglia als „mit großem Verantwortungsbewusstsein, mit Liebe, bereits sehr gereifter und an klassischen Vorbildern geschulter Technik geschrieben, mit großer Sorgfalt disponiert und ausgearbeitet.“ Spätromantik auf barockem Fundament Auch die Form des Werks steht in der Tradition, denn die Passacaglia war eine der beliebtesten musikalischen Formen des Barock: eine Abfolge von Variationen über einer gleichbleibenden Linie von Tönen, dem „cantus firmus“. Ihn hören wir bei Webern gleich am Anfang, als eine klar strukturierte Folge von Pizzicato-Tönen, die auch die Tonart d-Moll der Komposition festlegen – mit der allerdings im Lauf des Stücks sehr frei umgegangen wird. Die Auflösung der Tonartenfixierung, hin zu freier Chromatik, lag damals quasi in der Luft. Die Reihe der unterschiedlichen, höchst farbigen und expressiven Variationen zeigen den Komponisten als Meister der Instrumentierung. Laut Weberns eigener Analyse besteht das Werk aus 23 Variationen und einer ausgedehnten Coda: „Die erste Variation bringt die grundlegende Harmonisierung des Hauptthemas und ein Gegenthema. Damit sind die beiden Grundgestalten des Stückes gegeben. Alles was folgt, ist von diesem abgeleitet.“ Allerdings ist es schwierig, dies in der komplexen Komposition auf Anhieb zu hören, zumal sich im Lauf des Stücks das anfangs klare Ostinato aufzulösen beginnt und einer schwebenden Klanglandschaft Platz macht. In gewisser Weise deutet sich in diesem „Abgesang auf die Spätromantik“ der spätere, ganz und gar andere Webern an, die Musikwissenschaft hat die Passacaglia dementsprechend analysierend hin und her gewendet. Henri Pousseur – der Bearbeiter Der belgische Komponist (1929-2009) Henri Pousseur gehörte stilistisch zur Avantgarde der Nachkriegszeit. Serielle Musik, Aleatorik und Zwölftontechnik sind wichtige Stichworte für sein Werk, das in hohem Maße Anton Webern verpflichtet ist. Pousseur sah in Harmonik und Textur der Passacaglia die Vorbilder Wagner, Reger, Strauss und den frühen Schönberg, doch sei bei Webern der Akzent auf die Konzentration, auf die Klarheit und sogar auf die Strenge des Plans gelegt. Pousseur dünnt die Besetzung von Weberns Komposition kräftig aus: Holzbläser sind nur noch einfach besetzt, an Blech verbleiben nur ein Horn und eine Posaune, die zweite Violine streicht er ganz. Neu werden Xylophon, Vibraphon und Synthesizer eingeführt, letzterer hauptsächlich anstelle der Harfe. In summa entsteht, ohne Weberns Werk zu verfälschen, ein neues reizvolles Klangbild. Gustav Mahler – „Rückert-Lieder“ Friedrich Rückerts oft vertonte Lyrik Friedrich Rückert ist neben Jean Paul die bedeutendste literarische Persönlichkeit, die Franken hervorgebracht hat. Das vielseitige literarische Genie ist neben Goethe, Heine und Eichendorff einer der am häufigsten in Musik gesetzten deutschen Dichter. Komponisten griffen gerne zu seinen Texten – es gibt geschätzte 2000 Vertonungen von rund 800 Komponisten. Rückerts Vielfalt an Themen und lyrischen Ausdrucksformen mag dabei eine Rolle gespielt haben, auch, dass die Texte inhaltlich wie sprachlich nicht überfrachtet sind – sie lassen der Musik noch Raum zu Eigenem. Der Liedkomponist Gustav Mahler Auch wenn die Zahl seiner etwa vierzig Lieder eher gering scheint, so gehören sie doch zu den großartigsten Liedschöpfungen der Zeitenwende von der Spätromantik zum 20. Jahrhundert. Erstaunen hat schon immer die Textwahl Mahlers ausgelöst, denn den meisten seiner Lieder liegen die manchmal recht „schlicht anmutenden“ Texte aus Des Knaben Wunderhorn zugrunde. Rückert ist der einzige ernstzunehmende Dichter, den Mahler vertonte, sieht man von Vokalsätzen in etlichen Symphonien und dem Lied von der Erde einmal ab. In den Gedichten Rückerts fand er offensichtlich den oben erwähnten „Raum für Musik“, und Mahler bekannte, die Verse gingen ihm so nahe, dass er zuweilen glaube, sie selbst gedichtet zu haben. Mahlers Rückert-Lieder Fünf der Rückert-Vertonungen Mahlers gehören zum geschlossenen Zyklus der Kindertotenlieder, die übrigen fünf, zwischen 1901 und 1902 komponiert, erklingen heute. Die Gedichte zeigen Rückerts Bandbreite an Stimmungen, Stilen und sprachlicher Virtuosität. Und Mahler machte musikalische Meisterwerke daraus, die Grundstimmung meist zart und intim, nur einmal klanggewaltig aufrauschend, in Um Mitternacht. Um das Geheimnis des künstlerischen Schaffensprozesses geht es in Blicke mir nicht in die Lieder. Das kurze, lebhafte und schlicht daherkommende Lied war, wie man heute weiß, durchaus ein Produkt mühevoller Arbeit. Emotional tiefer wird es beim Lied Liebst du um Schönheit, von Mahler als „Privatissimum“ bezeichnet, ein Geburtstagsgeschenk an seine Gattin Alma. Denn in Text und Musik ist die problembeladene und stets gefährdete Beziehung zwischen den beiden spürbar, etwa in der plötzlichen Moll-Wendung bei „Liebst du um Jugend, o nicht mich liebe“ – Mahler war neunzehn Jahre älter als Alma. Oder in der beinahe insistierenden Umkreisung des Wortes „Liebe“, so als müsste sich hier jemand ihrer zweifelnd versichern. Im Lied Ich atmet einen linden Luft ist die ganze Musikalität der Sprache Rückerts zu hören, er spielt nicht nur mit den hellen Vokalen e und i, sondern auch mit Gleichklang, „linden Duft“ wird zu „Lindenduft“. Das zarte, lyrisch-empfindsame Lied ist Bild eines Augenblicks tief empfundener Liebe, denn den Lindenzweig hat die Geliebte ins Zimmer gebracht. Pathetisch und beinahe lastend ist der Text von Um Mitternacht, zweifellos sah Mahler darin einen Grundton seines eigenen Schaffens angesprochen: Das ernsthafte Ringen, zunächst Leiden, Einsamkeit und Resignation – aber am Schluss auch strahlende Zuversicht. Die Musik setzt dies „vom Dunkel zum Licht“ in expressiver Weise um: Erst düsteres Dreitonmotiv und absteigende Tonleiter, dann rauschhafter Glanz. In Ich bin der Welt abhanden gekommen geht es um Einsamkeit, um den bewussten Rückzug von Weltgetriebe und Äußerlichkeit, hin zur Verinnerlichung. Mahler beginnt mit einer pentatonischen Melodie, die er allmählich ausweitet, um „aus einem einzigen Motiv, in dem der Keim zu allem, was einst sein wird, enthalten ist, ein größeres Tongebäude“ zu entwickeln, wie er sagte. Mit polyphoner Stimmführung erreicht Mahler den modalen Klangcharakter, der dies Lied so unverkennbar macht. Als er sein Werk beendet hatte, bekannte er: „Das bin ich selbst!" Die Stimmung aus Weltflucht und Resignation passt nur zu gut zu dem oft mit sich und der Welt ringenden Symphoniker Mahler. Andreas Tarkmann – der Bearbeiter Tarkmann (geb. 1956) gilt als einer der kreativsten deutschen Arrangeure. Als vielseitiger Komponist ist er in den verschiedensten musikalischen Gattungen erfolgreich, von Konzerten über Jugendopern bis hin zum Chanson. Als Arrangeur schrieb er im Auftrag von Rundfunksendern und renommierten Ensembles zahlreiche Bläserfassungen und Harmoniemusiken, diejenige von Mendelssohns Sommernachtstraum gewann den Musikpreis Echo Klassik. Die Rückert-Lieder Gustav Mahlers hat Tarkmann gleich zweimal für Kammerensemble eingerichtet, neben der heute zu hörenden Fassung gibt es noch eine Bearbeitung für Violine und Kammerensemble. Tarkmann reduziert vor allem die Zahl der Blechbläser, er ersetzt auch die Harfe, neu kommt bei ihm ein Harmonium dazu. Musik über Musik – Hans Zenders 33 Veränderungen über 33 Veränderungen Beethovens Diabelli-Variationen Anton Diabelli (1781-1858), eine interessante und wichtige Persönlichkeit des musikalischen Wiens zu Beginn des 19. Jahrhunderts, kennt man als Musikverleger, der etwa Beethoven und Schubert drucken ließ. Doch Diabelli hatte auch kompositorische Ambitionen, manche seiner Klavieretüden oder Werke für klassische Gitarre erfreuen sich heute noch einer gewissen Beliebtheit. Im Jahre 1819 hatte Diabelli eine originelle Idee: Er schickte einen von ihm selbst komponierten kleinen Walzer an fünfzig Komponisten Österreichs, darunter Schubert und der junge Liszt, und selbstverständlich auch Beethoven, mit der Bitte, je eine Variation seines Walzerthemas zu komponieren. Das Ergebnis sollte als Sammelwerk veröffentlicht werden. Nun waren für Beethoven Variationen immer ein wichtiger Teil seines Komponierens, das Analysieren, Entfalten und Verwandeln einer musikalischen Gestalt ist geradezu ein Grundprinzip seines Schaffens. Doch er hatte keine Lust, einen „Schusterfleck“ abzuliefern. Stattdessen schuf er im Verlauf einiger Jahre die neben Bachs Goldberg-Variationen vielleicht bedeutendste Variationen-Komposition der Musikgeschichte – die 33 Veränderungen über einen Walzer von Anton Diabelli Opus 120 – sein letztes großes Klavierwerk. Beethoven sprach bewusst von „Veränderungen“, nicht von Variationen, und das aus gutem Grund: Die klassische Variation hatte das vorgegebene Thema zwar figurativ umspielt und rhythmisch oder tonartentechnisch verändert, doch es blieb immer erkennbar. Nicht so bei Beethoven: Er durchdringt die Struktur des Themas oder seiner Teile, verkürzt, lässt weg, verdoppelt, im Grunde ist ihm das Thema Diabellis nur Ausgangspunkt für ausschweifende eigene, meist kurze aber gewichtige musikalische Reisen. Der Pianist Alfred Brendel hat dies so formuliert: „Diabellis Walzer wird von Beethoven kommentiert, kritisiert, verbessert, parodiert, verlacht, ad absurdum geführt, missachtet, verzaubert, veredelt, beklagt, beweint, zerstampft und schließlich humoristisch verklärt.“ Der Dirigent Hans von Bülow sah in dem Werk sogar „ein Abbild der ganzen Tonwelt im Auszuge“, denn es scheint, als wollte Beethoven in 33 Klavierstücken eine Summe des musikalisch Möglichen schreiben, mit Elementen der Vergangenheit und Reflexion seiner eigenen Gegenwart, aber auch mit Blick auf künftige musikalische Denkbarkeiten – „Nahrung für musikalische Hirne ganzer Generationen“, wie Hans von Bülow meinte. 33 Veränderungen über 33 Veränderungen Dieser zeitübergreifende Aspekt des Beethoven´schen Werkes inspirierte Hans Zender zu seiner „komponierten Interpretation“. Der Komponist sagt zu seiner 2011 uraufgeführten, Alfred Brendel gewidmeten Komposition: „Sie ist der Versuch, Beethoven von unserer Zeit her zu sehen. Das utopische Ziel, etwas Vergangenes unmittelbar präsent zu machen, kann nur erreicht werden durch die direkte Mitwirkung der eigenen schöpferischen Kraft und des eigenen Lebensgefühls. Das ist die Idee meiner komponierten Interpretationen. Das Original wird zwar immer wieder als historische Präsenz beschworen, aber in einem anderen Sinn ... Ich versuche, die performativen Eigenheiten dieses Stücks, die es an manchen Stellen wie ein musikalisches Theaterstück erscheinen lassen, zu Impulsen für neue musikalische Formen werden zu lassen.“ Hans Zender weist auch auf die große Mehrdeutigkeit von Beethovens Komposition hin. Man könne die Verformung, die er mit Diabellis Thema betreibt, als parodistisch-komisch deuten – so hat es Alfred Brendel in hohem Maße gesehen – aber auch als tragisch-existenzialistisch oder einfach analytisch, als ein Werk, das in paradoxer Weise gleichzeitig rückwärts und voraus blicke. Hans Zender: „Mit dieser Mehrdeutigkeit musste ich mich als heutiger Komponist auseinandersetzen. Sie gehört zu den wesentlichen Neuerungen der Neuen Musik, aber sie findet sich schon beim späten Beethoven." Zenders „Bearbeitung“ der Variationen Beethovens reicht von einfacher Instrumentierung über intensive Klangfarbenspiele bis zu Abschnitten, in denen beim ersten Hören das Original vielleicht gar nicht mehr erkennbar ist. Nur ein Beispiel für Zenders je nach Variation völlig unterschiedlicher Vorgehensweise: In der 22. Variation zitiert Beethoven die Arie Leporellos aus Mozarts Don Giovanni: „Notte e giorno faticar“ (Keine Ruh' bei Tag und Nacht). Zender legt die Musik des Auftritts des Komturs im letzten Akt darüber, also der Szene, in der Don Giovanni am Schluss zur Hölle fährt. Einfach ist diese Musik nicht, Hans Zender sagt dazu: „Neue Musik ist kompliziert und schwierig, weil unsere Zeit kompliziert und schwierig ist – die moderne Physik oder Medizin sind es auch.“ M. und R. Felscher Christoph Prégardien „Christoph Prégardien vollbringt wahre Wunderdinge, und wer einmal seine verzehrende, absolut intonationsreine Deutung von Schuberts Nacht und Träume gehört hat, wird nicht mehr widerstehen können.“ Fono Forum Es sind seine klare und präzise Stimmführung sowie seine intelligente Deutung und Diktion, gepaart mit der Fähigkeit, sich in den psychologi schen Kern einer Rolle zu begeben, die Christoph Prégardien zu einem der bedeutendsten lyrischen Tenöre unserer Zeit machen. Ganz besonders geschätzt ist sein Schaffen als Liedsänger. In der laufenden Saison konzertiert er an der Tonhalle Düsseldorf, der Wigmore Hall London, am Mozarteum Salzburg, am Wiener Konzerthaus, am De Singel Antwerpen, am La Monnaie de Christoph Prégardien © Marco Borggreve Munt Brüssel, am Auditorio Nacional de Música Madrid sowie der Toppan Hall in Tokio. Als regelmäßiger Gast ist er erneut im Rahmen der Schubertiade Schwarzenberg-Hohenems, des Oxford Lieder Festivals und der Schwetzinger SWR Festspiele zu hören. Anknüpfend an den internationalen Erfolg seines Dirigierdebüts, bei dem er 2012 und 2013 Bachs Johannespassion mit dem Ensemble Le Concert Lorrain und dem Nederlands Kamerkoor leitete, gastierte er 2015 mit Le Concert Lorrain und dem Balthasar-Neumann Chor mit der Matthäuspas sion u.a. in Luxembourg, Paris, Luzern, Oslo, Antwerpen und Metz. Auch bei großen Orchestern ist Christoph Prégardien häufig zu Gast. So konzertierte er mit den Berliner und Wiener Philharmonikern, dem Sym phonieorchester des Bayerischen Rundfunks, dem Concertgebouworkest Amsterdam, der Staatskapelle Dresden, dem Gewandhausorchester Leip zig, dem Orquesta y Coro Nacional de España Madrid, dem Philharmonia Orchestra London, dem Orchestre Philharmonique de Radio France sowie dem Boston und San Francisco Symphony Orchestras. Zu seinem Orches terrepertoire zählen neben den großen Oratorien und Passionen aus Ba rock, Klassik und Romantik auch Werke des 17. (Monteverdi, Purcell, Schütz) und 20. Jahrhunderts (Britten, Killmayer, Rihm, Strawinsky), die er mit Dirigenten wie Barenboim, Chailly, Gardiner, Harnoncourt, Herre weghe, Luisi, Metzmacher, Nagano und Thielemann aufführt. An großen europäischen Opernhäusern sang er Fachrollen wie Tamino, Almaviva (Der Barbier von Sevilla), Fenton (Falstaff), Don Ottavio, Titus (La clemenza di Tito) und Monteverdis Ulisse (Il ritorno d’Ulisse in patria). Einen Großteil seines Repertoires hat der Sänger auf inzwischen über 130 Tonträgern bei den Labels BMG, EMI, DG, Philips, Sony, Erato und Teldec dokumentiert. Seine zahlreichen Aufnahmen des deutschen romantischen Liedes wurden mit Preisen wie dem Orphée d’Or der Académie du Disque Lyrique, dem Preis der deutschen Schallplattenkritik, dem Edison Award, dem Cannes Classical Award und dem Diapason d’or ausgezeichnet. Eine langfristig angelegte Zusammenarbeit verbindet Christoph Prégardien mit dem niederländischen Label Challenge Classics: Als erste CDs erschienen Schuberts Die schöne Müllerin mit Michael Gees und Schwanengesang mit Andreas Staier. Die Müllerin wurde mit hervorragenden Rezensionen und Auszeichnungen überhäuft (u.a. Gramophone, Editor‘s Choice und „Record of the Year Award“ - MIDEM 2009). Weitere Produktionen sind Hugo Wolfs Italienisches Liederbuch (Julia Kleiter, Hilko Dumno), Between Life and Death (Michael Gees) und Wanderer (ensembleKONTRASTE). Kürzlich spielte er mit Michael Gees Schuberts Winterreise neu ein und erhielt dafür eine Nominierung für den Grammy. 2014 wurde Father and Son mit seinem Sohn Julian veröffentlicht, erneut mit Michael Gees am Klavier. Ab Herbst 2015 wird das neue Schubert-Album mit dem Pianisten Julius Drake erhältlich sein. Ein wichtiger Aspekt im musikalischen Leben Christoph Prégardiens ist die intensive pädagogische Arbeit. Neben seiner Konzerttätigkeit unter richtet er weltweit in Meisterkursen junge Sänger und Sängerinnen. 2000 bis 2004 war er Dozent an der Hochschule für Musik und Theater Zürich; seit 2004 ist er Professor an der Musikhochschule Köln. In einer neuarti gen Kombination aus DVD und Buch in der Reihe Schott Master Class be leuchtet er Aspekte der Gesangstechnik und Interpretation in Wort, Bild und Ton. Guido Johannes Rumstadt stammt aus Heidelberg und studierte Dirigieren in Karlsruhe, Hamburg und Salzburg. Erste Stationen als Kapellmeister führten ihn ans Staatstheater Mainz, ans Badische Staatstheater Karlsruhe sowie als 1. Kapellmeister ans Staatstheater Wiesbaden und an die Frankfurter Oper. Während dieser Zeit gastierte er an zahlreichen Opernhäusern, wie der English National Opera, der New York City Opera, der Deutschen Oper Berlin, der Oper Köln und dem Théâtre La Monnaie, Brüssel. 1998 bis 2004 war Guido Johannes Rumstadt Generalmusikdirektor des Theater Regensburg. Ein Schwerpunkt seiner Arbeit lag in der Aufführung zeitgenössischer (Joseph Süß, Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung von Detlev Glanert) und vergessener Werke (UA von Walter Braunfels’ Oper Der Traum ein Leben). 2001 wurde er in der Fachzeitschrift Opernwelt als Dirigent des Jahres nominiert. 1983 gründete Guido Johannes Rumstadt die Schlossfestspiele Zwingenberg, denen er bis 2001 als Künstlerischer Leiter verbunden war. Auch hier setzte er sich für die konsequente Pflege von Opernraritäten ein. Zwischen 2004 und 2007 war er freischaffend tätig. Gastengagements führten ihn u.a. an die Opernhäuser von Nantes, Genf, Dublin und an die niederländische Reisopera. Seit der Spielzeit 2007/2008 ist er am Staatstheater Nürnberg als 1. Kapellmeister engagiert und dirigierte u.a. Orphée et Eurydice (Gluck), Eugen Onegin (Tschaikowsky), Benvenuto Cellini (Berlioz), La prova d’orchestra (Battistelli), Die Puritaner (Bellini), Moses und Pharao (Rossini), Samson und Dalila (Saint-Saëns), Macbeth (Verdi), Wilhelm Tell (Rossini) und Verdis Der Troubadour. Am Staatstheater Oldenburg und in den Niederlanden leitete er 2011/2012 den erfolgreichen Ballettabend „Airways“ von Guy Weizmann und Rony Haver. Im Herbst 2009 wurde Guido Johannes Rumstadt zum Professor für Orchester und Dirigieren an die Hochschule für Musik Nürnberg berufen und übernahm im Juli 2014 die Künstlerische Leitung des Hans-Sachs-Chores Nürnberg. Musikkontraste in Nürnberg – ensemble KONTRASTE für Nürnberg Die Musikszene der Metropolregion ist so vielschichtig wie ihre Bevölkerung, sie lebt von der Vielfalt des Angebots. In dieser lebendigen Musikszene hat sich seit einem Vierteljahrhundert das ensemble KONTRASTE (eK) als „dritte Kraft“ neben der Staatsphilharmonie und den Nürnberger Symphonikern etabliert – als wichtiger Impulsgeber mit eigenem Profil: unkonventionell, spartenübergreifend, mit kontrastreichen Programmen. KONTRASTE – Klassik in der Tafelhalle Die Magie des Orts, der „genius loci“, die spezielle Atmosphäre ist wichtig für jeden Künstler – unser Ort ist die Tafelhalle: Zeugnis des Untergangs der einstmals großen Nürnberger Schwerindustrie, von der Stadt wiederbelebt als Spielort der freien Kulturszene Nürnbergs, heute im Kulturleben der Stadt fest verankert. Und doch: Die Aura industrieller Geschichte, der Charme des Improvisierten blieb. Kein klassischer Mu sentempel, aber auch kein alternativer Schuppen. Die Assoziation „jung und frisch“ stellt sich ein, die Nähe (wörtlich, in Metern) zwischen Künst lern und Publikum ist ein unschätzbares Plus. Nur Äußerlichkeiten? Keineswegs. Kultur ist nicht nur das „Was“, sondern auch das „Wo“, das Ambiente, die schwer greifbare Stimmung unter „Gleichgesonnenen“ zu weilen: Das Publikum ist bunt gemischt, keiner Schicht und Altersgruppe zuordenbar, nur durch eines geeint: Offenheit für Unerwartetes und Neues, für alles, was nicht nur „Entertainment“ ist, was den geheimnisvollen „Mehrwert“ hat, der Kultur unverzichtbar macht. Mit konzeptionellen Konzerten, Puppenspiel, Stummfilm, Dichtercafé, durch die Zusammenarbeit mit kreativen Kultur-Schaffenden nimmt die eK-Reihe KONTRASTE – Klassik in der Tafelhalle eine herausragende Position im Angebot dieses Spielorts ein. Künstlerisches Niveau ist zwingend, aber etwas ist absolut verboten: gepflegte Kultur-Langeweile. ensemble KONTRASTE © Stephan Minx Liedtexte Gustav Mahler: Fünf Rückertlieder Blicke mir nicht in die Lieder Blicke mir nicht in die Lieder! Meine Augen schlag' ich nieder, Wie ertappt auf böser Tat; Selber darf ich nicht getrauen, Ihrem Wachsen zuzuschauen: Deine Neugier ist Verrat. Bienen, wenn sie Zellen bauen, Lassen auch nicht zu sich schauen, Schauen selber auch nicht zu. Wenn die reichen Honigwaben Sie zu Tag gefördert haben, Dann vor allen nasche du! Liebst du um Schönheit Liebst Du um Schönheit O nicht mich liebe! Liebe die Sonne, Sie trägt ein gold'nes Haar! Liebst du um Jugend, O nicht mich liebe! Liebe den Frühling, Der jung ist jedes Jahr! Liebst du um Schätze, O nicht mich liebe. Liebe die Meerfrau, Sie hat viel Perlen klar. Liebst du um Liebe, O ja, mich liebe! Liebe mich immer, Dich lieb' ich immerdar. Ich atmet' einen linden Duft Ich atmet' einen linden Duft! Im Zimmer stand Ein Zweig der Linde, Ein Angebinde Von lieber Hand. Wie lieblich war der Lindenduft! Wie lieblich ist der Lindenduft! Das Lindenreis Brachst du gelinde! Ich atme leis Im Duft der Linde Der Liebe linden Duft. Um Mitternacht Um Mitternacht Hab' ich gewacht Und aufgeblickt zum Himmel; Kein Stern vom Sterngewimmel Hat mir gelacht Um Mitternacht. Um Mitternacht Hab' ich gedacht Hinaus in dunkle Schranken. Es hat kein Lichtgedanken Mir Trost gebracht Um Mitternacht. Um Mitternacht Nahm ich in Acht Die Schläge meines Herzens; Ein einz'ger Puls des Schmerzens War angefacht Um Mitternacht. Um Mitternacht Kämpft' ich die Schlacht, O Menschheit, deiner Leiden; Nicht konnt' ich sie entscheiden Mit meiner Macht Um Mitternacht. Um Mitternacht Hab' ich die Macht In deine Hand gegeben! Herr über Tod und Leben Du hältst die Wacht Um Mitternacht! Ich bin der Welt abhanden gekommen Ich bin der Welt abhanden gekommen, Mit der ich sonst viele Zeit verdorben, Sie hat so lange nichts von mir vernommen, Sie mag wohl glauben, ich sei gestorben. Es ist mir auch gar nichts daran gelegen, Ob sie mich für gestorben hält, Ich kann auch gar nichts sagen dagegen, Denn wirklich bin ich gestorben der Welt. Ich bin gestorben dem Weltgetümmel, Und ruh' in einem stillen Gebiet. Ich leb' allein in meinem Himmel, In meinem Lieben, in meinem Lied. Konzertvorschau ensemble KONTRASTE Freitag, 20.11.2015 · 20 Uhr Samstag 21.11.2015 · 20 Uhr Sonntag 22.11.2015 · 17 Uhr Planetarium, Nürnberg Erik Satie Le fils des étoiles Musik unter gewissen Umständen VIDEOKLIPKLAVIERKONZERT Klavier Stefan Danhof Ambiente Roswitha Huber *** Samstag, 21.11.2015 · 20 Uhr St. Lorenz, Nürnberg Johannes Brahms Ein Deutsches Requiem op.45 Wolfgang Rihm „Das Lesen der Schrift“ (Vier Orchesterstücke, 2001) Bachchor St. Lorenz ensemble KONTRASTE Sopran Katja Stuber Bariton Christoph Prégardien Leitung Matthias Ank
© Copyright 2024 ExpyDoc