Wider besseres Wissen hatte ich die beigefarbene Leinenjacke gekauft. Dabei stehen mir helle Sachen gar nicht. Nach einigen Wochen Schrankdasein ist daher Farbwechsel angesagt: Das Stück sieht ohnehin viel besser aus im heiß geliebten Schwarz. Pülverchen in die Waschmaschine, auf 60 Grad gestellt. Hauptwaschgang, spülen, schleudern, aufhängen. Ergebnis: kein Schwarz, aber annehmbares Anthrazit. Nicht eingeplant: Die Nähte sind nach wie vor hell, weil der Synthetikfaden keine Farbe angenommen hat. Doch besser als vorher allemal. Solche Fehlversuche muss man beim Färben zwangsläufig hinnehmen. Eigentlich kannte ich das schon: In den 70er Jahren war nichts vor meiner Farbwut sicher. Ständig dampfte der riesige, alte Waschzuber auf dem Herd. Ich zerbröselte die kleinen Farbwürfel in kochend heißem Wasser, goss pfundweise Salz hinzu, dann wurde mit großem Löffel umgerührt, und langweilig weiße Blusen, beigefarbene Handtücher, alte Bettwäsche und Omas Häkeldeckchen verschwanden in der dampfenden, etwas unangenehm riechenden Suppe. Dass aus geplantem Dunkelviolett oft nur zartes Lila und statt dem erhofften Rot ein pinkiges Rosa herauskam oder wenn man nicht genug gerührt hatte - alles einen marmorierten Batik-Effekt (hier ein bisschen heller, da ein bisschen dunkler) bekam - wen scherte das in diesen flippigen Hippiezeiten. Hauptsache: Weiß raus, Farbe rein! Die zweite Stufe folgte: Färben in der Waschmaschine. Meine Mutter jammerte noch monatelang über das merkwürdig aussehende Waschpulverfach und die Gummidichtungen, die die Farbe besser angenommen hatten als die Kleidungsstücke. Inzwischen braucht die Farbe nicht mehr zuvor aufgelöst zu werden. Man legt den feuchten Stoff in die Waschmaschine, den aufgeschnittenen Farbbeutel darauf, schaltet die Maschine an, und die Pigmente landen gleichmäßig dort, wo sie hin sollen. Worauf man achten muss, wenn man mehr Farbe in sein Leben bringen will: Pflanzliche Fasern wie Baumwolle, Viskose und Leinen sowie tierische Fasern wie Seide und Wolle (zum Fixieren Essig benutzen!) eignen sich gut. Während sich Polyamid immerhin zart einfärben lässt, sollte man von Synthetikfasern wie Polyacryl und Polyester die Finger lassen. Auch Gore-Tex und Sympatex müssen so bleiben, wie sie sind. Bei Mischgeweben mit Synthetik sollte der Naturfaseranteil mindestens 50 Prozent betragen, die Farben werden allerdings nie kräftig. Zweitens muss man darauf achten, welche Temperaturen das Material zulässt. Am besten wird das Farbergebnis beim Kochen, was die wenigsten Stoffe vertragen. Faustregel: Je geringer die Temperatur, desto schwächer das Ergebnis. Neuerdings gibt es allerdings auch Farben, die bei 30 Grad gute Ergebnisse erzielen. Zuvor den Stoff auswiegen und entsprechend viel Farbpulver nehmen, sonst gibt es nur Pastelltöne. Das Ausgangsmaterial muss gewaschen sein, Flecken bleiben auch nach dem Färben sichtbar. Immer die Grundfarbe berücksichtigen: Die neue Farbe muss dunkler sein als das Original. So lässt sich Rot zwar in Bordeaux, Lila oder Braun umwandeln, aber nicht in Gelb. Oft ergeben sich auch überraschende Mischtöne, die man zwar nicht geplant hat, die dann aber doch interessant aussehen. Färben ist eine uralte Kunst, die seit Jahrtausenden in Ägypten, China und Indien praktiziert wird. Die Farbstoffe waren zunächst Krapp als roter und Indigo als blauer Farbstoff. Im 16. und 17. Jahrhundert trugen Adlige bevorzugt purpurfarbene Gewänder. Die Farbe wurde aus Schnecken gewonnen. Hundert Jahre später wurde mit Pikrin der erste synthetische Farbstoff entwickelt. Wer mal auf althergebrachte Art experimentieren möchte: Zerkleinerte Eicheln und Walnussschalen färben braun, Indigo ergibt jeansblau. Zwiebeln orangebraun und Maiglöckchen grün. In einen Beutel geben, mit reichlich Wasser aufgießen. Stoff oder Garn im Farbsud so lange kochen, bis der gewünschte Ton erreicht ist. Auch Kakao und Kaffee sowie Rosen, Tee, Paprika, Spinat und Johannisbeersaft eignen sich zum sanften Färben, stellten Oberschüler in einem Chemie-Experiment fest. Wichtig, wenn nicht Echtfarbe, sondern Natur- oder Textilfarbe genommen wurde: Die Kleidung später immer separat und maximal bei 40 Grad waschen. Sonst hat man unfreiwillig auch den Rest der Wäsche mitbehandelt. Und bei aller Lust auf Farbe: Wer mag schon babyrosa Socken?
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