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PRESSESPIEGEL WIR WAREN NIE WEG
23. / 24. / 25. / 26. und 30. / 31. Juli + 1. / 2. August 2015
München. Stadtraum / i-camp/neues theater münchen
Konzept, Recherche, Text und Regie: Christiane Mudra
Ausstattung: Julia Kopa
Video- / Audioinstallation: Peer Quednau
Regieassistenz: Sarah Schuchardt
Produktion: Anna Donderer, Rat & Tat Kulturbüro
PR: Knoll PR Kommunikation Architektur + Kultur
Schauspiel: Christina Baumer, Andrim Emini, Sebastian Gerasch, Berivan Kaya,
Murali Perumal
Musik: Michail Winnizkij, Leonid Khenkin, Boris Kupin
„Wir waren nie weg. Die Blaupause“ bildet den ersten Teil einer Trilogie.
Die Veranstaltung fand in Kooperation mit der Petra Kelly Stiftung und der FriedrichNaumann-Stiftung statt.
Das Projekt wird ermöglicht durch eine Projektförderung des Kulturreferates der
Landeshauptstadt München, mit freundlicher Unterstützung durch
i-camp/neues theater münchen.
PRESSESPIEGEL WIR WAREN NIE WEG
Ausstehende Berichterstattung
WDR (Feature), geplant für November 2015
Rezensionen
Bayerisches Fernsehen, 24. Juli 2015
nachtkritik.de, 24. Juli 2015
Sabah, 10. August 2015
Süddeutsche Zeitung, 24. Juli 2015
BR Zündfunk, 23. Juli 2015
Bayerische Staatszeitung, 31. Juli 2015
TAZ, 24. Juli 2015
Abendzeitung, 28. Juli 2015
junge Welt (Interview), 05./06. September 2015
theaterkritiken.com, 23. Juli 2015
junge Welt, 28. Juli 2015
Münchner Merkur, 24. Juli 2015
Radio Lora, 11. September 2015
Oberbayerisches Volksblatt, 24. Juli 2015
Ankündigungen
Seite 3
Seite 4
Seite 7
Seite 9
Seite 11
Seite 14
Seite 18
Seite 21
Seite 25
Seite 32
Seite 35
Seite 37
Seite 39
Seite 40
Seite 41- 69
SZ Kultur (Interview), 17. Juli 2015
NDR Kultur (Interview), 22. Juli 2015
B5 aktuell, 22. Juli 2015
B2 Kulturwelt (Interview), 21. Juli 2015
junge Welt, 15. Juli 2015
Spiegel online
faz.net
Welt kompakt, 22. Juli 2015
SZ Extra, 23. Juli 2015
TZ Kultur, 21. Juli 2015
nachtkritik.de
Applaus / iPunkt, Juli 2015
Radio Lora, 14. Juli 2015
Monatsprogramm München, Juli / August 2015
u.v.a.
Zuschauerzuschriften
Seite 70- 71
PRESSESPIEGEL WIR WAREN NIE WEG
WDR // Feature von Thomas Moser, geplant für November 2015
Bayerisches Fernsehen, Rundschau Magazin // 24. Juli 2015
Den Bericht von Rüdiger Kronthaler zum aktuellen Stand im NSU-Prozess machte das Rundschau
Magazin an diesem Tag mit Eindrücken von Wir waren nie weg auf.
PRESSESPIEGEL WIR WAREN NIE WEG
nachtkritik.de // Besprechung (Cornelia Fiedler) vom 24. Juli 2015
Wir waren nie weg – Christiane Mudra jagt in ihrem NSU-Projekt die Wahrheit quer
durch München
Das Schweigen der Sheriffs
von Cornelia Fiedler
München, 23. Juli 2015. Zwei Jahren läuft der NSU-Prozess in München. Wenn nicht
Beate Zschäpe und ihr Anwälte-Trio (mit dem bühnenreifen Namen Sturm, Stahl und
Heer) gerade wieder im Klinsch liegen, schafft es die rassistische Mordserie nur noch
sporadisch in die Schlagzeilen. Die Theater bleiben erstaunlich hartnäckig am Thema
– mit unterschiedlichem Ausgang: Lothar Kittstein hat jüngst für das Schauspiel
Frankfurt ein fahrlässiges Einzeltäter-Gothic-Märchen, Der weiße Wolf, verfasst,
Christine Umpfenbach dagegen konzentrierte sich in ihrem intensiven
dokumentarischen Stück Urteile am Residenztheater vor allem auf die Perspektive
der Angehörigen der Opfer. Ähnlich Nuran David Calis, der in Die Lücke Kölner
Bewohnerinnen der Keupstraße auf die Bühne holte, während Johan Simons an den
Kammerspielen Elfriede Jelineks Text Das schweigendem Mädchen jede politische
Schärfe austreibt – und das ist nur eine kleine Auswahl.
Münchner Schauplätze
Jetzt kontert die Regisseurin und Schauspielerin Christiane Mudra für das freie
Theater i-camp mit einem "heimattreuen Western", der direkt an den Schauplätzen
des rechten Terrors in München spielt: "Wir waren nie weg. Die Blaupause" setzt
genau da an, wo andere Projekte es bei Andeutungen und Kopfschütteln belassen:
bei den engen Verstrickungen zwischen der rechten Szene und den
Sicherheitsbehörden.
"Hau ab!", brüllt der jugendliche Held (Andrim Emini) in orangefarbenem Hemd,
Weste und dunkel glänzenden Reiterstiefeln in die Luft zwischen der Ampel, dem
Fahrradweg und der Häuserzeile im Münchner Westend. Eben hat er noch wortlos
Blumen niedergelegt, hier, wo am 15. Juni 2005 Theodoros Boulgarides, Inhaber
eines Schlüsseldienstes, ermordet wurde. Jetzt schreit er panisch, "schauen Sie ihn
bloß nicht an, den gibt es nämlich gar nicht!", und schlägt wild in die Luft.
Reale Phantome
Eine seltsame Form der Paranoia. Wir sollen jemanden nicht ansehen, den es nicht
gibt, weil es ihn ja nicht gibt? Dieses paradoxe Etwas entpuppt sich als Täter-Typus:
einer, der zu einem verzweigten rechten Terror-Netzwerk gehört. So etwas gibt es
nicht, zumindest nicht aus Sicht der Ermittlungsbehörden. Also beginnt die Jagd nach
diesem vorgeblichen Phantom. Sie führt quer durch die Stadt und durch die
Jahrzehnte: Zur ehemaligen Neonazi-WG, nur 100 Meter vom Tatort im Westend
entfernt; zum Ort des Oktoberfest-Attentats von 1980, das nur durch gezieltes
Vertuschen sämtlicher Spuren, die in die rechtsradikale Szene führten, zur Tat eines
PRESSESPIEGEL WIR WAREN NIE WEG
Einzelnen werden konnte. Zu einem langjährigen Nazitreffpunkt nahe der Münchner
Innenstadt.
Showdown im Western-Setting mit der schwarzbemantelten Kopfgeldjägerin (Berivan Kaya)
© Edward Beierle
Ermittelt wird in schnellen, flüchtigen Szenen: Plötzlich taucht eine selbsterklärte
Kopfgeldjägerin mit langem schwarzen Mantel, schwarzem Schlapphut und Fluppe
zwischen den Lippen auf. Berivan Kaya gibt – gegen Geld, versteht sich –
Informationshäppchen aus ihrem Job als "Quelle" in der Neonaziszene preis. Ja, sie
kannte sie alle, das untergetauchte NSU-Trio wollte sogar einmal bei ihr
übernachten. Das habe sie ihrem "Sheriff" gemeldet. Der riet ihr, abzulehnen, und tat
ansonsten: nichts.
Fakten auf Papier
Immer wieder kommt es zur Konfrontation zwischen den Akteuren. Wer wie die junge
Zeugin, gespielt von Christina Baumer, zu viel über deutsche Polizisten erzählt, die
dem Ku-Klux-Klan angehören, wird ohne viel Aufhebens hingerichtet. Wer mit
Ermittlungs-Akten davonrennt, den jagt ein irrer, wiehernder Sheriff auf dem Fahrrad
quer durch das abendsonnige Steppengras der Theresienwiese zu Tode. Immer
neue Beweise für die Existenz eines stabilen Netzwerks rund um den NSU werden in
Wort und Bild präsentiert, darunter die berühmte CD mit der Aufschrift NSU/NSDAP,
die seit 2005 unbeachtet beim "Sheriff" des V-Manns "Corelli" im Regal stand. Murali
Perumal zitiert als Proto-Faschist diverse Schriften, darunter die "TurnerTagebücher", einen Nazi-Kultroman, der offenbar als Blaupause für die Morde des
NSU diente.
Vieles, was einem im Laufe des fast dreistündigen Stadt-Spaziergangs mit KlezmerBegleitung an Fakten um die Ohren fliegt, hat man hier und da gehört oder gelesen.
Mudra und ihrem Team gelingt es aber, gerade durch die Einbettung in das skurrile
Krimi-Western-Setting, die ohnehin schon erschütternden einzelnen Tatsachen
zusammenzudenken. Fakten, die den Ermittlungsbehörden vorlagen, bevor man
anfing, einen lügenden oder schweigenden Neonazi nach dem anderen in den
Gerichtsstand zu rufen. Fakten, die gründlich geschreddert wurden, und zwar allen
Ernstes am 11.11.2011 in Köln, Alaaf.
PRESSESPIEGEL WIR WAREN NIE WEG
Lohnendes Projekt
Und, auch das formuliert "Wir waren nie weg" deutlich, Fakten für die es Zeugen gab,
die allerdings unter unwahrscheinlichen Umständen zu Tode kamen – etwa Florian
H., der sich selbst in seinem Auto verbrannt haben soll. Immer klarer wird in all dem
überzeichneten, pulverdampfenden Cowboy-Chaos auch die Mitschuld des
Verfassungsschutzes: Sebastian Gerasch wechselt als Sheriff je nach Tatort die
Dialekte, nie aber die Haltung.
Der Showdown im i-camp verlässt schließlich den Western-Rahmen. Hier wird noch
einmal in Büroatmosphäre vorgeführt, wie Vertuschung auf hohem Macht-Niveau
funktioniert, vielleicht einmal zu oft, nach dem Fakten-Flash der letzten Stunden.
Insgesamt bleibt es aber ein absolut lohnendes, mutiges Projekt, das den politischen
Skandal nicht zur eigenen Profilierung nutzt, sondern das ganz einfach und
zunehmend verzweifelt um die Wahrheit kämpft.
Wir waren nie weg. Die Blaupause Ein heimattreuer Western
Regie, Konzept, Text: Christiane Mudra, Produktion: Anna Donderer, Rat & Tat
Kulturbüro, Ausstattung: Julia Kopa, Video- und Audioinstallation: Peer Quednau,
Regieassistenz: Sarah Schuchardt. Mit: Christina Baumer, Andrim Emini, Sebastian
Gerasch, Berivan Kaya, Murali Perumal, Musik: Michail Winnizkij, Leonid Khenkin,
Boris Kupin Dauer: 2 Stunden 50 Minuten, keine Pause
www.i-camp-muenchen.de
PRESSESPIEGEL WIR WAREN NIE WEG
Sabah, Ausgabe Türkei // 10. August 2015
PRESSESPIEGEL WIR WAREN NIE WEG
Im vollen Wortlaut (Übersetzung)
Rechtsterror im Theater
Deutschland. In München wurde der Rechtsterrorismus im Theaterstück „Wir waren
nie weg“ behandelt. Christiane Mudra zeichnet für das Konzept, die Recherche, die
Textfassung und die Regie des Schauspiels verantwortlich, das Terrorakten von
Neonazis seit 1980 auf den Grund geht.
Das in Form eines Westerns inszenierte Stück thematisierte sowohl das
Oktoberfestattentat als auch die NSU Morde und bot dem Publikum die Gelegenheit,
sich unter freiem Himmel aktiv am Geschehen zu beteiligen. Das Stück griff die in der
rechtsextremen Szene fast heiligen Turner Tagebücher auf, deren Konzept des
führerlosen Widerstandes auch das NSU- Trio beeinflusst hatte. Unter die Zuschauer
mischte sich ein Rechtsextremist, dessen provokantes Verhalten für Unruhe und
Aufregung sorgte. Am Ende der Aufführung stellte sich heraus, dass er gezielt
eingeschleust worden war, um Reaktionen der Zuschauer zu provozieren. Zu Beginn
des dreieinhalbstündigen Abends wurden Blumen an den Gedenkstätten der NSUMorde und des Oktoberfestattentats niedergelegt.
PRESSESPIEGEL WIR WAREN NIE WEG
Süddeutsche Zeitung, Bayern – Kultur // Kritik (Sabine Fischer) vom 23. Juli (Online)
und 24. Juli 2015 (Print)
Subtile Paranoia
Christiane Mudra führt an Tatorte rechter Gewalt
Von Sabine Fischer
An der Ecke zündet sich ein Mann eine Zigarette an, während eine alte Frau mit
Hund an ihm vorbeizuckelt. Auf der anderen Straßenseite bleibt ein Vater mit seinem
Kind stehen und sieht zu den beiden hinüber. An sich nichts Besonderes, doch ohne
es zu merken, wirft man ihnen plötzlich misstrauische Blicke zu: Was eben noch eine
unauffällige Alltagsszene war, wirkt mit einem Mal verdächtig. Schuld daran ist
Christiane Mudras experimenteller Theaterspaziergang "Wir waren nie weg. Die
PRESSESPIEGEL WIR WAREN NIE WEG
Blaupause." Denn das in den Straßen Münchens inszenierte Stück lebt von diesem
Gefühl der subtilen Paranoia.
Ein heimattreuer Western soll es sein, so steht es zumindest im Programmheft. Was
genau das bedeutet, kann man jedoch erst einmal nur vermuten. Irgendwas mit
Cowboys? Doch obwohl die einhellig auf Drahteseln durch die Szenerie reiten, geht
es eigentlich um etwas anderes: "Wir waren nie weg" entpuppt sich als Stück, das als
Western verkleidet eine ganze Reihe von Ungereimtheiten im Umgang der
deutschen Behörden mit rechtsextremen Gewalttaten aufdecken will. Klingt nach
gewagtem Spagat, doch der funktioniert. Nicht nur werden die oft in wahnwitzigem
Tempo heruntergeratterten Textberge soweit fiktionalisiert, dass sie nicht mehr als
Fakten gelten können. Subtil stellt Mudra damit auch die Strukturen gegenüber: das
von durchsichtigen Regeln geprägte System des wilden Westens auf der einen, und
das verstohlen korrupte Behördenlabyrinth Deutschlands auf der anderen Seite.
Zur Kulisse wird all das, was einst Tatort war: das Denkmal für die Opfer des
Oktoberfest-Attentats, die erste WG des Neonazis Martin Wiese, der symbolisch
nach München verlegte Schauplatz des Mordes an der Polizistin Michelle
Kiesewetter. All dem zu folgen fällt - nicht nur wegen des zweieinhalbstündigen
Fußmarsches durch die Stadt - schwer: Die Figuren, symbolhaft und oft ungreifbar,
verlesen widersprüchliche Auszüge aus Obduktionsberichten mysteriös verstorbener
Zeugen, Ausschnitte aus Polizeiakten und Stellungnahmen aus der Politik Sprachungetüme, die man vielleicht gar nicht verstehen soll. Am Ende verstärkt das
vor allem ein Gefühl der Verwirrung - und das ist der eigentliche Coup dieses
erhellenden Theaterexperiments.
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Bayerischer Rundfunk, Bayern 2 – Zündfunk // Bericht (Laura Freisberg) vom 23. Juli
2015
Im vollen Wortlaut
ZSP Trappentreu-Straße
Anmod.:
Mein Weg zur Arbeit führt mich regelmäßig an einem Gebäude vorbei, davor stehen immer
wieder Menschenschlangen, Fernsehteams haben ihre Kameras aufgebaut, gelegentlich
halten Demonstranten ihre Transparente hoch und wenn das alles so ist, dann weiß ich:
Heute ist wieder NSU- Prozess. Von den Menschen, die da auch schon drin waren weiß ich
allerdings: So ein Prozesstag kann unglaublich zäh sein. Und wer in dieses
Mammutverfahren nur mal so ein paar Stunden hineinschnuppert, der ist am Ende auch
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nicht viel schlauer. Stattdessen sollten diejenigen, die etwas über rechten Terror begreifen
wollen vielleicht ganz andere Orte besuchen, z.B. das Haus, in dem der Greiche Theodoros
Boulgarides von den Terroristen des NSU ermordet worden ist, denn vor genau jenem Haus
beginnt ab heute ein dokumentarisches Theaterstück der Regisseurin Christiane Mudra, bei
dem die Zuschauer nicht im Theatersaal sitzen, sondern mit den Schauspielern durch die
Stadt laufen. „Wir waren nie weg. Die Blaupause“ heißt es und Laura Freisberg war da bei
der Generalprobe.
O-Ton Stück: Drei Tage nach dem Mord an Theodoros Boulgarides haben die Nachbarn 2
Männer beobachtet, die hier herumgeschlichen sind. Aber nein, nein, nein, nein, der NSU
war zu keinem Zeitpunkt ein Netzwerk aus mehreren Zellen, sondern stets eine singuläre
Vereinigung aus 3 Personen. Das sagt die Anklageschrift der Bundesanwaltschaft
sonnenklar. Den gibt’s nicht.
MOD: Ein junger Mann in einfachen braunen Klamotten, Weste und Stiefeln, steckt eine
kleine gelbe Blume an die Steintafel, die im Münchner Westend an Theodoros Boulgarides
und die anderen NSU-Opfer erinnert. Dann erzählt er von der Neonazi-WG, die jahrelang
gleich ums Eck war. Von seltsamen Zufällen, die aber die Staatsanwaltschaft wohl nicht
interessieren. Es geht weiter durch die Stadt in Richtung Theresienwiese. In einiger
Entfernung laufen Leute mit schwarzen Mänteln herum, die Schlapphüte tief ins Gesicht
gezogen. Eine Klezmerband taucht auf und plötzlich stellt sich eine dieser düstern Figuren
den Zuschauern in den Weg.
O- Ton Stück:
Ich bin Tarif. Ich bin keinem Gesetz verpflichtet, ausser dem des Überlebens.
Ich war aktiv, ich war radikal, 1994 angeklagt wegen Bildung einer terroristischen
Vereinigung. Ich kannte Mundlos, Bönhardt, Zschäpe, ich kannte den Thüringer
Heimatschutz, ich hatte Zugang zu Waffen, ich war Mitglied in der FAP, der NPD, vor allem
aber war ich Quelle. Topquelle des Bundesamts von 1994 bis 2003. Damals, 1998, wurde ich
gefragt, ob das NSU- Trio bei mir pennen kann. Hab ich meinem Sheriff gemeldet. Der sagte,
ich solle ablehnen. Hab ich getan. Komische Kopfgeldjäger. Tja.
MOD: Hier prahlt ein Western-Ganove mit seinen Taten und doch sind es die Aussagen
eines Neonazis, der als V-Mann gearbeitet hat und sich über seinen Sheriff wundert. Die
Regisseurin Christiane Mudra bezeichnet ihre Inszenierung über den rechten Terror in
Deutschland als „heimattreuen Western“. Sie hat lange zu dem Thema recherchiert und
findet: Western passt:
ZSP Mudra: Es begann aus einem Bauchgefühl heraus, als ich an die Tatorte gefahren bin,
als ich an die Wohnorte gefahren bin. Das Motiv des Todes, das im Western ja ein ganz
wichtiges ist, wo man das Gefühl hat, da wird mit dem Tod relativ emotionslos umgegangen,
da werden Leute abgeknallt und das Leben geht weiter. Der Italowestern bietet in der Tat
einige Motive, die gut gepasst haben, also z.B. einen korrupten Sheriff, ein relativ trübes
Gesellschaftsgewebe...
MOD: Christiane Mudra behandelt in ihrem Stück aber nicht nur die Morde des NSU,
sondern stellt auch eine Verbindung zum Oktoberfest-Attentat im Jahr 1980 her. Am Eingang
der Theresienwiese, wo vor fast 35 Jahren eine Bombe explodierte, 13 Menschen tötete und
211 Menschen verletzte, steht heute ein Denkmal. Wirklich aufgeklärt ist das OktoberfestAttentat bis heute nicht. Aber jahrzehntelang haben die Behörden auf der Einzeltäter-Theorie
beharrt.
O- Ton Stück:
Einspielung Atmo/ Stimmen nach dem Oktoberfestattentat 1980
Meine Damen und Herren, ich verspreche ich Ihnen: Wir tun alles, um die
Morde aufzuklären, die Hintermänner aufzudecken und alle Täter ihrer gerechten Strafe
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zuzuführen.
MOD: Die Regisseurin Christiane Mudra lässt ihre Figuren zwischen den Jahrzehnten
springen, mal geht es um damals, mal um die Taten des NSU. Sie will Verbindungen
aufzeigen. Die Opfer des rechten Terrors tauchen als Figuren nicht extra auf. Die
Regisseurin Christiane Mudra hat sich entschieden, vor allem ein Stück über die Täter zu
machen:
ZSP Mudra
Weil ich wütend bin, weil ich sehe, was da an Ermittlungspannen passiert, was an
Vertuschungen passiert, was auch nach wie vor toleriert wird. Es ist kein massiver Wille zur
Aufklärung da.
MOD: Die Regisseurin schafft in ihrem „heimattreuen Western“ ziemlich düstere Bilder.
Während eine junge Frau von dem NSU-Mord an der Polizistin Michele Kiesewetter und den
Verbindungen der Heilbronner Polizei zum Ku-Klux-Klan erzählt,
ziehen drei der
Schauspieler weißen Kapuzen über und kommen langsam auf die Zuschauer zu. Den
Sherriff beeindruckt das nicht.
O-Ton Stück:
Nehmen wir z.B. die Heimattreue Deutsche Jugend, die HDJ:
Das ist ein Pfadfinderlager, die sticken Hakenkreuze auf Geschirrhandtücher. Das mag
höchst gruselig wirken, hat aber mit Gewalt nichts zu tun. Es gibt keine rechte Szene in
Heilbronn.
MOD: Christiane Mudra verbindet Fakten, Originalzitate von Behörden und Westernoptik so
raffiniert, dass es einem trotz sommerlicher Temperaturen immer wieder eiskalt den Rücken
herunterläuft. Ihr Stück ist manchmal auch nur schwer auszuhalten, denn es ist eben nicht
nur Theater, hier werden reale Morde verhandelt.
Die Premiere heute Abend ist schon ausverkauft, aber es gibt noch Karten für die
Folgevorstellungen bis zum 2. August.
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Bayerische Staatszeitung, Blickpunkte // Bericht (David Lohmann) vom 31. Juli 2015
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TAZ, Gesellschaft + Kultur // Kritik (Annette Wagner) vom 24. Juli 2015
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Straßentheaterstück „Wir waren nie weg“
Pokern mit enttarnten V-Männern
Zwischen NSU und Oktoberfest-Attentat: Die Regisseurin Christiane Mudra erkundet
in München Orte rechtsextremer Gewalt.
Von Annette Wagner
Mit Ku-Klux-Klan-Hauben: Szene aus dem Straßentheaterstück „Wir waren nie weg“.
Foto: Edward Beierle
Was will der Mann in Springerstiefeln? Einen schwarzen Hut tief ins Gesicht gezogen
und im wehender Mantel, streift er wie ein Cowboy die Straße entlang, studiert einen
Stadtplan von München, befragt Passanten. Ich stehe vor der Trappentreustraße 4,
München-Westend. Hier wurde Theodor Boulgarides erschossen, das siebte Opfer
des NSU. Und vorher ausspioniert. „Es gibt keine Netzwerke und es gibt ihn nicht, er
ist eine Fata Morgana. Kapiert?“, schreit mich der Verfolger des ersten Mannes an,
mit Hut und Reitstiefeln auffallend gekleidet. Das hier ist Straßentheater und
politische Erinnerung.
Der Schauspieler wischt sich den Schweiß aus dem Gesicht und winkt mich um die
Ecke. 50er-Jahre Bau, Landsberger Straße 103, links Dirndlladen, rechts Asiaimbiss,
vorbeirasende Autos, Asphaltwüste. „Hier lebte 2003 die WG des Rechtsterroristen
Martin Wiese, Nazigröße, Freies Netz Süd, kürzlich erst verboten. Sagt Ihnen das
was?“ Meine Antwort wartet er nicht ab. „Einzeltäter, Einzeltäter, Einzeltäter“, brüllt er
und marschiert davon. An einem Zeitungskasten bleibt er stehen, zieht eine Akte
heraus. „Es gab Videoaufzeichnungen“. Er hält mir ein körniges Bild von Mundlos
und Böhnhardt hin: „Hätten die das Video 2004 mal richtig ausgewertet.“
Wir müssen weiter und springen in die Straßenbahn, zwei Stationen. Vor uns liegt die
Wiesn. Bierzelte werden aufgebaut, Marstall, Schottenhammel, Bräurosl. Heile
Münchner Gemütlichkeit. Bis es 1980 damit vorbei war. Neben dem Eingang rostet
seitdem ein Denkmal für die Opfer des Oktoberfestattentats vor sich hin. Platzer,
Schiele, Vestner, zwölf Namen. Das beachtet sonst niemand, aber heute ist es
anders.
Denn genau das ist das Verdienst des Stücks „Wir waren nie weg“ der Regisseurin
Christiane Mudra: Zeitgeschichte an realen Orten zum Leben zu erwecken und den
Zuschauer so tiefer zu berühren, als es ein Medienbericht oder ein Buch können.
Mudra hat für den Text aufwändig recherchiert. Das Ergebnis ist eine Collage aus
Zitaten aus dem NSU-Prozess und Untersuchungsausschüssen, Veröffentlichungen
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von Staats- und Verfassungsschützern und Auszügen aus rechtsextremen
Propagandaschriften und Fanzines.
Bavarian Law and Order
Ein Bote drückt mir eine Zeitung in die Hand. „Gundolf Köhler, Anhänger der
Wehrsportgruppe Hoffmann: Einzeltäter oder Massenmörder?“ Schon beschwichtigt
der Sheriff. Dickes Grinsen, Stoppelbart, Sonnenbrille, Cowboystiefel – Bavarian Law
and Order. „Die Darstellung, der bayerische Innenminister habe ein Verbot der
Wehrsportgruppe Hoffmann nicht gewollt, ist völlig unzutreffend“, parodiert er
Strippenzieher Langemann, zentrale Figur im bayerischen Machtzentrum zur Zeit des
Anschlags.
Ein Flugblatt wird mir in die Hand gedrückt: Die Bundesanwaltschaft hat im
Dezember 2014 die Ermittlungen wieder aufgenommen. Da war Langemann schon
zehn Jahre tot.Ich habe keine Zeit zum Lesen, sondern muss den schwarzen
Männern hinterher, die sich auf dunkle Fahrräder schwingen. Zwei Radfahrer, wie sie
eine Zeugin nach dem Mord an Ismail Ya ș ar 2005 in Nürnberg in der Nähe seines
Dönerladens sah. Lange glaubte ihr keiner. Und wieder schwäbelt der Sheriff alle
Untersuchungspannen weg: allenfalls „Verschwörungstheorien, Hirngespinste.“ Und
schiebt die fatale Fehleinschätzung des Verfassungsschutzes von 2004 hinterher:
Feierabendterorristen allenfalls, aber keine rechtsterroristischen Strukturen.
Sheriff schwadroniert sich in Rage
Weiter geht die Tour zu Fuß. Eintritt in eine Ladenwohnung in der Herzog-HeinrichStraße. „Hereinspaziert“, kreischt eine dekolletierte Wirtin im breiten Bayerisch. Eine
Holztheke und ein Tisch mit vier Stühlen. Die Thekenfrau ledert los: „Der Ewald hat
mich manchmal mit ins P1 genommen.“ Wir sitzen in dem Raum, in dem Ewald
Althans, berüchtigter Rechtsextremist, Anfang der 1990er-Jahre zwei Jahre lang mit
der neonazistischen AVÖ, Amt für Volksaufklärung und Öffentlichkeitsarbeit, hetzte
und Personen wie den Nazi Ernst Zündel und den Holocaust-Leugner David Irving
um sich scharte.
Eine Frau legt am Tisch ein Pokerspiel. Auf jeder Karte ein enttarnter NSU-V-Mann:
Treppe, Tobago, Tassilo, Küche, Tristan. „Staatsmacht, Staatssicherheit,
Sssstswohl ...“ , schwadroniert sich der Sheriff in Strauß-Stoibe r ’scher Manier in
Rage: „Dieser Staatswohlgedanke führt dazu, dass die Preisgabe von Namen
verweigert wird.“ Die Kartenspielfrau beginnt zu singen, auf türkisch. Es ist die
Melodie der deutschen Nationalhymne.
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Abendzeitung, Kultur // Kritik (Michael Stadler) vom 28. Juli 2015
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junge Welt, Wochenendbeilage „Kunst und Kampf“ 05./06. September 2015
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Der Ku-Klux-Klan auf der Münchner Theresienwiese: Drei Schauspieler in »Wir waren nie weg. Die Blaupause«
im Sommer 2015. Foto: Edward Beierle
Im vollen Wortlaut
»Die Realität hat uns eingeholt«
Von der Schwierigkeit zu überspitzen und der künstlerischen Freiheit, Fragen
aufzuwerfen: Rechtsterrorismus als Theaterstück im öffentlichen Raum. Ein
Gespräch mit Christiane Mudra.
Christiane Mudra ist Schauspielerin, Autorin und Theaterregisseurin. In ihren
Stücken verarbeitet sie Themen wie Krieg und Medien, Überwachung,
Rechtsterrorismus und Geheimdienstskandale. Ihr neuestes Werk »Wir
waren nie weg. Die Blaupause« wurde in diesem Sommer als »heimattreuer
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Western« an Originalschauplätzen im öffentlichen Raum Münchens
aufgeführt. Es war als erster Teil einer Trilogie angekündigt. Eine aktualisierte
Fassung von Teil eins soll es 2016 geben.
Die Idee zu einem Theaterstück über Rechtsterrorismus und staatliche
Verstrickungen kam Ihnen als Zuhörerin im NSU-Prozess vor dem
Oberlandesgericht München. Das Ergebnis handelt aber nicht nur vom
»Nationalsozialistischen Untergrund«. Wann haben Sie beschlossen, einen
Bogen vom Oktoberfest-Attentat 1980 dorthin zu schlagen?
Die Parallelen zum Oktoberfest-Attentat habe ich eigentlich schon recht früh
gesehen, aber bei dem Kinofilm »Der blinde Fleck«, der auf den Recherchen Ulrich
Chaussys zu diesem Terroranschlag beruht, ist mir dann so richtig das Blut
gefroren. Gerade beim Stichwort »Einzeltäter«, denn der NSU wurde immer wieder
als isolierte Kleingruppe und abgeschottetes Trio dargestellt. Die Idee, all das zu
bündeln, ist also etwa eineinhalb Jahre alt.
»Wir waren nie weg« spielte größtenteils nicht im Theater, sondern führte als
Abendspaziergang mit Westernfiguren und Klezmer-Band zu
Originalschauplätzen in München – etwa zum Mahnmal für die Toten des
Oktoberfest-Attentats auf der Theresienwiese und zum Tatort des Mordes an
Theodoros Boulgarides, der 2005 erschossen wurde. Gab es Reaktionen von
Opferangehörigen, die das Stück gesehen haben?
Yvonne Boulgarides, die als Witwe Nebenklägerin im NSU-Prozess ist, hat es
gesehen und fand es sehr gut. Ob Überlebende des Oktoberfest-Anschlags im
Publikum waren, weiß ich nicht, da hat sich mir niemand zu erkennen gegeben.
Allerdings gab es jede Menge begeisterten Zuspruch von Migranten aus den
Communities der NSU-Mordopfer. Einige haben sich gerade darüber gefreut, dass
mal diese Orte aufgesucht wurden – mit all der Wut, die dahintersteht. Es gab viele
positive Reaktionen von Menschen, die sich schon länger mit diesem Thema
beschäftigen und es gut fanden, auch mal Durchschnittsbürger dorthin zu führen.
Und das macht ja etwas mit den Zuschauern, das habe ich an den vielen, zum Teil
sehr ausführlichen E-Mails im Nachgang gemerkt. Die Leute wollten uns ihre
Gedanken dazu mitteilen oder sich einfach bedanken. Das ist ungewöhnlich für ein
Theaterstück.
Wie hat das Zufallspublikum auf der Route durch München reagiert, das den
Showdown im Theater nicht gebucht hatte?
Sehr unterschiedlich. Es gab einige Leute – auch schon während der Proben –, die
lange stehengeblieben sind, um zuzuhören; und auch lange Wegstrecken an der
Theresienwiese mitgelaufen sind. Es gab aber auch die eine oder andere
irritierende Reaktion – zum Beispiel von Leuten, die mich ansprachen und meinten,
wir sollten doch jetzt bitte mal die Leichen im Keller ruhen lassen und uns lieber um
die linke oder die islamistische Gefahr kümmern, die sei doch im Moment viel
evidenter. Rechtslastige Leute fühlten sich von uns gestört. Jemand aus der
Nachbarschaft des ehemaligen Neonazitreffs in der Herzog-Heinrich-Straße, den
wir als Schauplatz hergerichtet hatten, sprach uns sogar mehrmals an. Er meinte,
wir sollten da doch mal Gras drüber wachsen lassen, das sei doch eh alles vom
Verfassungsschutz inszeniert gewesen.
Zum Teil war es das ja auch – und genau das haben Sie thematisiert.
Eben. Das habe ich ihm auch gesagt. Aber er war trotzdem der Meinung, wir sollten
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die Leichen im Keller lassen.
Statt dessen schlüpften Schauspieler in die Rollen von V-Leuten aus der
Neonaziszene, deren Lebensläufe bekannt sind. Sie haben aber zusätzlich die
Hypothese in den Raum gestellt, dass auch die Hauptangeklagte im NSUProzess V-Frau gewesen sein könnte: Der Sheriff kommt mit erhobenem
Zeigefinger, als Beate Zschäpe auspacken will. Wurden Sie dafür als
Verschwörungstheoretikerin beschimpft?
Das haben wir quasi vorweggenommen, indem wir dieses Wort in dem Stück so
inflationär benutzt haben. Darauf wurden wir dann nicht mehr ernsthaft
angesprochen, das war eher ein Running Gag. Das Stück besteht ja zu großen
Teilen aus Originalzitaten, die in Untersuchungsausschüssen gefallen oder bei den
Ermittlern aktenkundig geworden sind. Beate Zschäpe wurde von Polizeibeamten
mit den Worten zitiert, sie sei niemand, der nicht zu seinen Taten steht. Und im
Prozess schweigt sie seit mehr als zwei Jahren. Da gibt es eben einfach ein paar
Fragezeichen. Es geht darum, diese Fragen – zum Beispiel, ob sie V-Frau war –
auf den Tisch zu bringen, bis es eine Antwort darauf gibt. Mehr will ich ja gar nicht.
Neonazis und V-Leute wurden zum Teil von Schauspielern mit
Migrationshintergrund dargestellt. Wie wirkte das auf Ihr Publikum und
speziell auf die Communities?
Eigentlich kam es durch die Bank sehr gut an. Das Experiment, gerade sie das
spielen zu lassen, war auch eine Chance, sich mit solchem Propagandamaterial
auseinanderzusetzen. Diese Aussagen sind ihnen am Anfang natürlich ein bisschen
im Hals steckengeblieben. Wie ich sehen konnte, hatte es dann aber auch eine
befreiende Wirkung. Außerdem waren dadurch auch sehr laute Äußerungen auf der
Straße möglich, bei denen ich sonst Bedenken gehabt hätte. Allerdings scheint es
manchen Leuten völlig egal zu sein, wer solche Parolen verbreitet: Als Murali
Perumal in der Rolle des Neonazi-Gangsters sehr lautstark Michael Kühnen rezitiert
hat, kam plötzlich jemand vorbei und hat den Hitlergruß gezeigt.
Am Anfang hatte ich aber noch gar nicht darüber nachgedacht, wer wen spielt. Ich
wollte gute Schauspieler und habe – wie immer – darauf geachtet, dass es ein
deutsch-migrantisches Ensemble wird, ungefähr fifty-fifty. Aber bei der konkreten
Rollenbesetzung hat das eine Bedeutung bekommen. Es war ja auch eine
Anspielung auf die Fehlbeschuldigungen, die es während der NSU-Mordserie
gegeben hatte. Die Täter wurden ja zuerst im migrantischen Milieu gesucht.
Sie haben die Schauspieler während der Proben mit in den Gerichtssaal
genommen. Wie haben sie auf das NSU-Prozessgeschehen reagiert?
Der Schock war groß. Wir haben auch einen Tag erwischt, an dem der
Verfassungsschützer Andreas Temme da war, der angeblich am Tatort eines
Mordes nichts gehört und nichts gesehen hat. Es sind auch Begriffe im Gerichtssaal
gefallen, die die Schauspieler aus dem Stück kannten. Es wurde laut von
Verschwörungstheorien gesprochen, es fiel auch der Begriff »Omertà«. Das
mafiose Schweigegebot hatte ich eher provokant in dem Stück erwähnt. An
manchen Stellen wollte ich etwas überspitzen, aber die Realität hat uns eingeholt:
So war es ja mit den Ermittlungen gegen Journalisten wegen Landesverrats, die
nach unserer ersten Spielwoche in München bekannt wurden. In der zweiten hat es
die Zuschauer wirklich gerissen. Wir haben den Unterschied bei den
entsprechenden Szenen gemerkt, da gab es entgleiste Gesichter. Vorher hatten
mich die Schauspieler gefragt, warum ich das denn reinschreibe, ob das nicht
PRESSESPIEGEL WIR WAREN NIE WEG
etwas überzogen ist.
Sind Sie mit Blick auf den NSU-Prozess froh, keine Journalistin zu sein, weil
Sie die Möglichkeit haben, Informationen zu bündeln und künstlerisch zu
verdichten, statt tagesaktuell über eine Verhandlung zu berichten, die ständig
zwischen den Tatkomplexen hin und her springt?
Manchmal habe ich es bedauert, keine Journalistin zu sein, weil man da einfach
schneller ist und auch schneller sein muss. Das ist wieder die Kehrseite der
Medaille. Inzwischen genieße ich es, dass ich über einen längeren Zeitraum an
dem Thema arbeiten kann. Es sind journalistenähnliche Recherchen, aber die
Kunstfreiheit lerne ich gerade sehr zu schätzen, weil man wirklich andere Dinge
darf.
Reich werden Sie von einem Stück mit so viel Vorarbeit sicher eher nicht.
Haben Sie dabei draufgezahlt?
Dieses Stück war mit einer realistischen Förderung durch das Kulturreferat der
Stadt München bedacht, da haben alle halbwegs normal verdient. Allerdings
während der Produktionsszeit. Die monatelangen Recherchen waren mein
Privatvergnügen.
Was denken Sie über die Frage, ob Theater grundsätzlich politisch sein soll?
Leichte Unterhaltung hat schon ihre Existenzberechtigung. Daran beteilige ich mich
als Schauspielerin auch ab und zu. Im Grunde steckt in sehr vielen Stücken Politik,
das wird nur oft weginszeniert. Aber was ich selber schreibe und inszeniere, ist
bewusst politisch. Da habe ich zur Zeit auf nichts anderes Lust. Ich genieße es
auch, beim Recherchevorlauf selbst etwas dazuzulernen.
Christiane Mudra ist Schauspielerin, Autorin und Theaterregisseurin. In ihren Stücken
verarbeitet sie Themen wie Krieg und Medien, Überwachung, Rechtsterrorismus und
Geheimdienstskandale. Ihr neuestes Werk »Wir waren nie weg. Die Blaupause« wurde in
diesem Sommer als »heimattreuer Western« an Originalschauplätzen im öffentlichen
Raum Münchens aufgeführt. Es war als erster Teil einer Trilogie angekündigt. Eine
aktualisierte Fassung von Teil eins soll es 2016 geben. Die Förderung ist noch ungewiss.
Die Idee zu einem Theaterstück über Rechtsterrorismus und staatliche
Verstrickungen kam Ihnen als Zuhörerin im NSU-Prozess vor dem
Oberlandesgericht München. Das Ergebnis handelt aber nicht nur vom
»Nationalsozialistischen Untergrund«. Wann haben Sie beschlossen, einen
Bogen vom Oktoberfest-Attentat 1980 dorthin zu schlagen?
Die Parallelen zum Oktoberfest-Attentat habe ich eigentlich schon recht früh gesehen,
aber bei dem Kinofilm »Der blinde Fleck«, der auf den Recherchen Ulrich Chaussys zu
diesem Terroranschlag beruht, ist mir dann so richtig das Blut gefroren. Gerade beim
Stichwort »Einzeltäter«, denn der NSU wurde immer wieder als isolierte Kleingruppe und
abgeschottetes Trio dargestellt. Die Idee, all das zu bündeln, ist also etwa eineinhalb
Jahre alt.
»Wir waren nie weg« spielte größtenteils nicht im Theater, sondern führte als
Abendspaziergang mit Westernfiguren und Klezmer-Band zu
Originalschauplätzen in München – etwa zum Mahnmal für die Toten des
Oktoberfest-Attentats auf der Theresienwiese und zum Tatort des Mordes an
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Theodoros Boulgarides, der 2005 erschossen wurde. Gab es Reaktionen von
Opferangehörigen, die das Stück gesehen haben?
Yvonne Boulgarides, die als Witwe Nebenklägerin im NSU-Prozess ist, hat es gesehen und
fand es sehr gut. Ob Überlebende des Oktoberfest-Anschlags im Publikum waren, weiß
ich nicht, da hat sich mir niemand zu erkennen gegeben. Allerdings gab es jede Menge
begeisterten Zuspruch von Migranten aus den Communities der NSU-Mordopfer. Einige
haben sich gerade darüber gefreut, dass mal diese Orte aufgesucht wurden – mit all der
Wut, die dahintersteht. Es gab viele positive Reaktionen von Menschen, die sich schon
länger mit diesem Thema beschäftigen und es gut fanden, auch mal Durchschnittsbürger
dorthin zu führen. Und das macht ja etwas mit den Zuschauern, das habe ich an den
vielen, zum Teil sehr ausführlichen E-Mails im Nachgang gemerkt. Die Leute wollten uns
ihre Gedanken dazu mitteilen oder sich einfach bedanken. Das ist ungewöhnlich für ein
Theaterstück.
Wie hat das Zufallspublikum auf der Route durch München reagiert, das den
Showdown im Theater nicht gebucht hatte?
Sehr unterschiedlich. Es gab einige Leute – auch schon während der Proben –, die lange
stehengeblieben sind, um zuzuhören; und auch lange Wegstrecken an der
Theresienwiese mitgelaufen sind. Es gab aber auch die eine oder andere irritierende
Reaktion – zum Beispiel von Leuten, die mich ansprachen und meinten, wir sollten doch
jetzt bitte mal die Leichen im Keller ruhen lassen und uns lieber um die linke oder die
islamistische Gefahr kümmern, die sei doch im Moment viel evidenter. Rechtslastige
Leute fühlten sich von uns gestört. Jemand aus der Nachbarschaft des ehemaligen
Neonazitreffs in der Herzog-Heinrich-Straße, den wir als Schauplatz hergerichtet hatten,
sprach uns sogar mehrmals an. Er meinte, wir sollten da doch mal Gras drüber wachsen
lassen, das sei doch eh alles vom Verfassungsschutz inszeniert gewesen.
Zum Teil war es das ja auch – und genau das haben Sie thematisiert.
Eben. Das habe ich ihm auch gesagt. Aber er war trotzdem der Meinung, wir sollten die
Leichen im Keller lassen.
Statt dessen schlüpften Schauspieler in die Rollen von V-Leuten aus der
Neonaziszene, deren Lebensläufe bekannt sind. Sie haben aber zusätzlich die
Hypothese in den Raum gestellt, dass auch die Hauptangeklagte im NSUProzess V-Frau gewesen sein könnte: Der Sheriff kommt mit erhobenem
Zeigefinger, als Beate Zschäpe auspacken will. Wurden Sie dafür als
Verschwörungstheoretikerin beschimpft?
Das haben wir quasi vorweggenommen, indem wir dieses Wort in dem Stück so
inflationär benutzt haben. Darauf wurden wir dann nicht mehr ernsthaft angesprochen,
das war eher ein Running Gag. Das Stück besteht ja zu großen Teilen aus Originalzitaten,
die in Untersuchungsausschüssen gefallen oder bei den Ermittlern aktenkundig geworden
sind. Beate Zschäpe wurde von Polizeibeamten mit den Worten zitiert, sie sei niemand,
der nicht zu seinen Taten steht. Und im Prozess schweigt sie seit mehr als zwei Jahren.
Da gibt es eben einfach ein paar Fragezeichen. Es geht darum, diese Fragen – zum
Beispiel, ob sie V-Frau war – auf den Tisch zu bringen, bis es eine Antwort darauf gibt.
Mehr will ich ja gar nicht.
Neonazis und V-Leute wurden zum Teil von Schauspielern mit
Migrationshintergrund dargestellt. Wie wirkte das auf Ihr Publikum und speziell
auf die Communities?
Eigentlich kam es durch die Bank sehr gut an. Das Experiment, gerade sie das spielen zu
lassen, war auch eine Chance, sich mit solchem Propagandamaterial
PRESSESPIEGEL WIR WAREN NIE WEG
auseinanderzusetzen. Diese Aussagen sind ihnen am Anfang natürlich ein bisschen im
Hals steckengeblieben. Wie ich sehen konnte, hatte es dann aber auch eine befreiende
Wirkung. Außerdem waren dadurch auch sehr laute Äußerungen auf der Straße möglich,
bei denen ich sonst Bedenken gehabt hätte. Allerdings scheint es manchen Leuten völlig
egal zu sein, wer solche Parolen verbreitet: Als Murali Perumal in der Rolle des
Neonazigangsters sehr lautstark Michael Kühnen rezitiert hat, kam plötzlich jemand
vorbei und hat den Hitlergruß gezeigt.
Am Anfang hatte ich aber noch gar nicht darüber nachgedacht, wer wen spielt. Ich wollte
gute Schauspieler und habe – wie immer – darauf geachtet, dass es ein deutschmigrantisches Ensemble wird, ungefähr fifty-fifty. Aber bei der konkreten Rollenbesetzung
hat das eine Bedeutung bekommen. Es war ja auch eine Anspielung auf die
Fehlbeschuldigungen, die es während der NSU-Mordserie gegeben hatte. Die Täter
wurden ja zuerst im migrantischen Milieu gesucht.
Sie haben die Schauspieler während der Proben mit in den Gerichtssaal
genommen. Wie haben sie auf das NSU-Prozessgeschehen reagiert?
Der Schock war groß. Wir haben auch einen Tag erwischt, an dem der
Verfassungsschützer Andreas Temme da war, der angeblich am Tatort eines Mordes nichts
gehört und nichts gesehen hat. Es sind auch Begriffe im Gerichtssaal gefallen, die die
Schauspieler aus dem Stück kannten. Es wurde laut von Verschwörungstheorien
gesprochen, es fiel auch der Begriff »Omertà«. Das mafiose Schweigegebot hatte ich
eher provokant in dem Stück erwähnt. An manchen Stellen wollte ich etwas überspitzen,
aber die Realität hat uns eingeholt: So war es ja mit den Ermittlungen gegen Journalisten
wegen Landesverrats, die nach unserer ersten Spielwoche in München bekannt wurden.
In der zweiten hat es die Zuschauer wirklich gerissen. Wir haben den Unterschied bei den
entsprechenden Szenen gemerkt, da gab es entgleiste Gesichter. Vorher hatten mich die
Schauspieler gefragt, warum ich das denn reinschreibe, ob das nicht etwas überzogen ist.
Sind Sie mit Blick auf den NSU-Prozess froh, keine Journalistin zu sein, weil Sie
die Möglichkeit haben, Informationen zu bündeln und künstlerisch zu
verdichten, statt tagesaktuell über eine Verhandlung zu berichten, die ständig
zwischen den Tatkomplexen hin und her springt?
Manchmal habe ich es bedauert, keine Journalistin zu sein, weil man da einfach schneller
ist und auch schneller sein muss. Das ist wieder die Kehrseite der Medaille. Inzwischen
genieße ich es, dass ich über einen längeren Zeitraum an dem Thema arbeiten kann. Es
sind journalistenähnliche Recherchen, aber die Kunstfreiheit lerne ich gerade sehr zu
schätzen, weil man wirklich andere Dinge darf.
Reich werden Sie von einem Stück mit so viel Vorarbeit sicher eher nicht. Haben
Sie dabei draufgezahlt?
Dieses Stück war mit einer realistischen Förderung durch das Kulturreferat der Stadt
München bedacht, da haben alle halbwegs normal verdient. Allerdings während der
Produktionsszeit. Die monatelangen Recherchen waren mein Privatvergnügen.
Was denken Sie über die Frage, ob Theater grundsätzlich politisch sein soll?
Leichte Unterhaltung hat schon ihre Existenzberechtigung. Daran beteilige ich mich als
Schauspielerin auch ab und zu. Im Grunde steckt in sehr vielen Stücken Politik, das wird
nur oft weginszeniert. Aber was ich selber schreibe und inszeniere, ist bewusst politisch.
Da habe ich zur Zeit auf nichts anderes Lust. Ich genieße es auch, beim Recherchevorlauf
selbst etwas dazuzulernen.
www.christianemudra.de
PRESSESPIEGEL WIR WAREN NIE WEG
theaterkritken.com // Kritik (Christa Meier) vom 23. Juli 2015
Die zwei Seiten einer Medaille
… oder auch, wenn die Selbstherrlichkeit die Herrschaft übernommen hat und folglich
staatliche Akten mit dem Vermerk „ungültig“ abgestempelt und willkürlich geschreddert
werden können, konsequenzlos. Es sind die „Dienstleister für Demokratie“, 2800
Mitarbeiter, die im Schatten für ihre Vorstellung von Ordnung sorgen. „Ich bin das Amt …
Ich bin das Amt …“ und ihnen gegenüber die „Ich bin keinem Gesetz verpflichtet, außer
dem des Überlebens.“ Wären da nicht die vielen vielen Berichte in den Medien, die wie
Blaupausen an die Öffentlichkeit gelangen, so bliebe alles im Dunkel der Macht. Recht,
Recht haben, sich im Recht fühlen, … und letztlich Rechts vor Links. Darin gründen die
Ansichten und die daraus resultierenden Beweggründe für die zwei Parteien, die ein
Spiel spielen.
Tief verwurzelt im Volk, im Gemüt und in der Sorge um ein wenig Sicherheit und ruhigen
Schlaf im Chaos des Daseins, ist die Jahrhunderte alte Erfahrung von militärischer
Aufstellung, Wachsamkeit und Schlachtordnung. In ihr manifestiert sich eine Vorstellung
von Ordnung, von Bürgschaft für Bürgerschaft. Doch mit der Regulierung wächst auch
die Phobie, sie ist, wie die Sehnsucht nach Freiheit, Teil der Natur, damit auch der Natur
des Menschen und findet sich auf beiden Seiten. Sie zu erkennen und zu überwinden,
könnte den Weg frei machen für eine zivilisierte humanistische Gesellschaft. Doch ist
das überhaupt gewollt, möglich?
Man schreibt das Jahr 2015. In München läuft ein Prozess gegen eine Zelle der
rechtsextremen Szene - zwei Jahre, 83.000 beschriebene Blätter Papier, ein Richter, ein
Staatsanwalt, drei Pflichtverteidiger und eine Angeklagte. Ein Aufsehen in dem immer
wieder Verflechtungen und Aktionen beider Seiten offen gelegt werden. Ausgang …
Christiane Mudra hat sich des zeitlos hochaktuellen Themas angenommen und
konzipierte, nach akribischer Recherche, die Performance „Wir waren nie weg. Die
Blaupause“. Sie inszenierte darin sowohl eine Reise durch München und Deutschland,
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als auch eine Reise durch die Zeit. Von der Gedenktafel für ein Anschlagsopfer, der
scheinbar zufällig in der Nähe des ehemaligen Unterschlupfs eines Aktivisten zu Tode
kam, über das Attentat auf dem Oktoberfest 1980, bis zum Prozess 2015 zog sich der
braune Faden. Wer ihm folgte, der fand ein Netz aus kleinen braunen Zellen erkennbar.
Braun wie die Erde, mit der Mensch sich verbunden fühlt, die seinem Herzen Heimat ist.
Für die einen erwächst daraus völkische Tradition, für die anderen Anlass zu Kampf.
Was ist Wahrheit, was Illusion, was Realität?
Vor der Gedenktafel an der Trappentreustraße begann die Erfahrung. Andrim Emini
moderierte das Vergangene und nahm zugleich auch den Kampf gegen plötzlich sichtbar
gewordenen Geister auf. Vergeblich versuchte er sie zu vertreiben. Die Darsteller trugen
die Kleidung des klassischen Western. Diese Maskierung ist ein gewohntes Synonym für
freie individuelle Auseinandersetzung und das Recht des Gesetzestreuen, des
Stärkeren, des Schnelleren, des Skrupelloseren, des … findet hierin seinen adäquaten
Ausdruck. Mit im Winde fliegenden Mänteln, großen Hüten und dem Colt im Halfter
hoben sich die Darsteller auffällig im Alltagsgeschehen ab. Dann ging es mit der
modernen Postkutsche, der Trambahn, an die Theresienwiese zum Denkmal. Hier
standen die Beteiligten am Attentat im Mittelpunkt und mit den Zitaten der damals
festgehaltenen Aussagen beschworen sie die unterschiedlichen Ansichten hervor.
Sebastian Gerasch verkörperte selbstgefällig den maßgeblichen Sheriff. Dieser hatte
sich mit dem Versuch der Aufklärung goldene Sporen verdient. Und zudem ein Buch
über den „echten Einzeltäter“ mit 383 Seiten Umfang verfasst, welches er auch signierte.
Die Schauspieler breiten erzählend, sowie die Figuren wechselnd darstellend, die
Geschehnisse und Hintergründe vor dem Publikum aus. Berivan Kaya gab aufrecht klar
den Top-Quellen der Szene Gestalt und Stimme. Während Christina Baumer empathisch
mit „Es war einmal ein kleines Nest im Thüringer Wald …“ weitere braune Fäden
zwischen den Seiten der Medaille verknüpfte. Murali Perumal schaute als Aktivist,
zutiefst vom Ernst und der Bedeutung seiner Aufgabe überzeugt, unter der Hutkrempe
hervor – kraftvoll stechend der Blick, siegessicher. Einmal waren wichtige Akten
entwendet worden und der Sheriff machte mit dem Fahrrad Jagd auf den Dieb, verfolgte
ihn über die Theresienwiese. „… ein Sheriff sollte Mut haben und etwas Ehre im Leib …“
Was als absolut skurriles Bild herüberkam, veranschaulichte durchaus humorvoll die
Skurrilität einer solchen realen Situation. Und eine Portion Humor braucht es
zweifelsohne, wenn man sich mit dem Thema auseinandersetzt. Am Kaiser-Ludwig-Platz
in München heulte die echte Polizeisirene, während in der Aufführung die Figuren der
Schattenpolizei den Wohnwagen mit den Leichen von zwei Männern vor einer
Spurensicherung sicherten und abtransportieren ließen. Wohin?
Der Faden der Geschichte führte weiter gesponnen in einen Saloon und endete
schließlich im virtuellen Heute im Theater i-camp. Ein leitender Beamter (überzeugend
taktierend Sebastian Gerasch), der schwitzend den „Staatswohlgedanken“ vertrat und
ein Aktivist (unbeirrbar aggressiv Murali Perumal) „schlag das System mit seinen
Waffen“, saßen sich in verschiedenen Räumen gegenüber. Verbindung und Ähnlichkeit
wurden von weißem Nebel überdeckt, in dem auch die Worte und Phrasen aufgingen, zu
verdunsten schienen auf den zwei Projektionsflächen, den Bildschirmen, den aktuellen
Kampfarenen. Dieser Akt der Auflösung bildete zweifelsohne einen Höhepunkt in dieser
dokumentarisch, künstlerisch hervorragenden Inszenierung.
„Bevölkerungsgruppen ohne Lobby“, wie das Publikum beispielsweise, die dem Spiele
zu folgen verdammt sind und die sich bestenfalls die Stellen an denen sie Applaus
spenden aussuchen können, bilden eine unüberschaubare Mehrheit. Für Jene, die
daraus hervortreten wollen, war die gelungene Zusammenfassung von Geschichte eine
wahrhaftig aufklärende. Eine Teilhabe kann in jedem Fall nur empfohlen werden.
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PRESSESPIEGEL WIR WAREN NIE WEG
junge Welt, Innenpolitik // Bericht (Claudia Wangerin) vom 28. Juli 2015
Gesetzlos durch München
Hochpolitisches Straßentheater: Geschichte des Rechtsterrorismus wird als
»heimattreuer Western« in Bayerns Landeshauptstadt aufgeführt
Von Claudia Wangerin
Nur ein Trio, bloß kein Netzwerk: Schauspielerin Berivan Kaya mit Originalphantombildern,
die nach dem Polizistinnenmord in Heilbronn erstellt wurden, auf der Münchner Theresienwiese
Foto: Edward Beierle
Wildwest ist ein Synonym für Gesetzlosigkeit und Faustrecht, der Sheriff ist eines für
Law and Order. Dem Vernehmen nach »westliche Werte« wie Demokratie und
Rechtsstaatlichkeit sind im Western fehl am Platz, weil all die starken Männer sonst
erklären müssten, was ihnen eigentlich einfällt. Das könnte einer der Gründe sein,
warum Christiane Mudras Theaterexperiment »Wir waren nie weg – die Blaupause«
aufgeht und die Zuschauer berührt – obwohl das Konzept auf den ersten Blick schrill
klingt: Staatliche Verstrickungen in den Rechtsterrorismus werden hier als
»heimattreuer Western« an Originalschauplätzen im öffentlichen Raum aufgeführt.
Hier hätte viel schiefgehen können, ist es aber bisher nicht.
Die Bühne heißt München, das Publikum ist mittendrin – und nicht alle Schauspieler
sind so auffällig kostümiert, dass die Zuschauer immer gleich wissen, wer
dazugehört: Ist es ein neugieriger Passant, oder wird der Tatort ausgespäht?
Manchmal entdeckt man einen Darsteller erst, wenn ein anderer »Hau ab, dich gibt
es gar nicht!« ruft.
Am 23. Juli hatte das Stück Premiere, bis zum 2. August ist es noch viermal zu
sehen. Lediglich der Showdown findet in den Räumen des i-camp-Theaters statt. Der
actionreiche Abendspaziergang beginnt an der dichtbefahrenen Trappentreustraße,
Hausnummer 4, wo Theodoros Boulgarides am 15. Juni 2005 mit drei Kopfschüssen
getötet wurde – zwei Wochen, nachdem er in dem Ladenlokal einen Schlüsseldienst
eröffnet hatte. Durch die Glaswand der Bushaltestelle kann man die Gedenktafel
sehen. Keine halbe Fußminute entfernt befand sich eine Wohngemeinschaft, in der
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zeitweise der Neonazi Martin Wiese gelebt hatte, der 2003 wegen eines geplanten
Anschlags auf das jüdische Gemeindezentrum verhaftet und nur sechs Wochen vor
dem Mord an Boulgarides verurteilt worden war. Einer der engsten Kameraden
Wieses war zuvor wegen gefährlicher Körperverletzung dran, das Opfer war – wie
Boulgarides – griechischer Herkunft. Einen Zusammenhang wollte die Polizei damals
nicht prüfen und suchte statt dessen nach einem Motiv in der Familie. Ende 2011
wurde der Mord dem »Nationalsozialistischen Untergrund« zugeordnet, der
angeblich nur aus drei ostdeutschen Neonazis bestand. »Ich wurde damals gefragt,
ob das Trio bei mir pennen kann«, sagt der V-Mann »Tarif« im Straßentheater. »Hab’
ich meinem Sheriff gemeldet. Er hat gesagt, ich soll ablehnen.« Abgesehen vom
Westernjargon stimmt der Sachverhalt: Der Verfassungsschutz hatte offenbar kein
Interesse an einer Festnahme der drei »Bombenbastler« aus Jena.
»Die Blaupause« steht für die wiederkehrende Einzeltäterthese: An der
Theresienwiese taucht nicht nur der mutmaßliche Oktoberfestattentäter Gundolf
Köhler auf, der bei dem Anschlag am 26. September 1980 selbst ums Leben kam.
Am Mahnmal, das an den Bombenanschlag mit insgesamt 13 Toten erinnert, lobt
sich der bayerische Verfassungsschützer Hans Langemann, der seinerzeit die
Ermittlungen sabotierte, selbst für seine Doktorarbeit »Das Attentat«. Andere
Schauspieler werden zu Zeugen, die Köhler in Tatortnähe mit weiteren Personen
gesehen hatten – ihre Aussagen wurden bis zur Wiederaufnahme der Ermittlungen
2014 konsequent ignoriert. Auch tote Zeugen spielen auf der Münchner
Theresienwiese eine Rolle, die symbolisch zur Heilbronner Theresienwiese wird, als
es um den Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter und den Ku-Klux-Klan geht.
Der Sheriff mit der verspiegelten Sonnenbrille ist mal Langemann, mal der aktuelle
Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, mal der
langjährige Vizepräsident der Behörde, Klaus-Dieter Fritsche, der im
Untersuchungsausschuss im Bundestag erklärt hat: »Es dürfen keine
Staatsgeheimnisse bekannt werden, die ein Regierungshandeln unterminieren.«
Fritsche ist heute Staatssekretär im Kanzleramt und Beauftragter für die
Nachrichtendienste.
Der Text solcher Figuren besteht hauptsächlich aus Originalzitaten – und sie werden
von einem weißen Mann (Sebastian Gerasch) dargestellt, während das Stück sonst
viel auf Verfremdungseffekte setzt: Neonazis und V-Leute wechseln mitunter
Geschlecht, Herkunft und Hautfarbe. Beate Zschäpe wird von Berivan Kaya gespielt,
die einen kurdischen Vater hat. Den Chef der rechtsextremen »Wehrsportgruppe
Hoffmann« und einen V-Mann mit Hakenkreuztattoos gibt Murali Perumal, ein
Schauspieler indischer Abstammung – so überzeugend, dass es aus dem
Zufallspublikum auch schon gruselige Zustimmung in Form eines Hitlergrußes gab.
Neben den Leistungen sämtlicher Schauspieler steckt eine beachtliche
Organisationsleistung in dem Stück, das an der Mehrzahl der Schauplätze von einer
Klezmer-Band begleitet wird und in einem früheren Neonazitreff in der HerzogHeinrich-Straße zum Umtrunk beim »Dienstleister der Demokratie« einlädt. In
glockenhellem Bayerisch erzählt Christina Baumer an der Theke einen Schwank aus
den wilden Neunzigern, in denen der zeitweilige V-Mann Bela Ewald Althans hier
internationale Gäste aus der Holocaustleugnerszene empfing und Antifaschisten vor
der Tür protestierten. Nicht alle Anwohner werden gerne an diese Zeit erinnert, aber
auch negative Reaktionen sind einkalkuliert.
www.i-camp-muenchen.de
PRESSESPIEGEL WIR WAREN NIE WEG
Münchner Merkur, Kultur // Kritik (Katrin Hildebrand) vom 24. Juli 2015
PRESSESPIEGEL WIR WAREN NIE WEG
PRESSESPIEGEL WIR WAREN NIE WEG
Radio Lora, Kulturkritik München // Nachbericht (Sabine Heckmann) vom 11.
September 2015
Der 30-minütige Beitrag liegt vor und kann bei Interesse gerne übersandt werden.
PRESSESPIEGEL WIR WAREN NIE WEG
Oberbayerisches Volksblatt, Kultur // 24. Juli 2015 (Zweitverwertung Münchner
Merkur)
Wie im Italo-Western
Die Inszenierung „Wir waren nie weg“ zeichnet die NSU-Morde nach. Von
Katrin Hildebrand.
Raffinierter Kunstgriff: Das Oktoberfestattentat (im Hintergrund das Mahnmal am
Eingang zur Theresienwiese) wird in der Ästhetik von Italo-Western verhandelt. Foto:
edward beierle
Der Schock sitzt tief. Vom großen Residenztheater bis zum kleinen Privattheater
Werkmünchen haben sich bereits die verschiedensten Bühnen der bayerischen
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Landeshauptstadt dem Thema NSU gewidmet. Ein Wunder ist das nicht: In München
ermordeten die Neonazis zwei Menschen, in München findet seit 2013 der Prozess
statt. Zudem birgt das Oktoberfestattentat von 1980 zahlreiche Parallelen zum Fall
NSU – vor allem, wenn es um Ermittlungsfehler, die Blindheit der Behörden
gegenüber rechtem Terrorismus und die dubiose Rolle des Verfassungsschutzes
geht.
Die Schauspielerin und Regisseurin Christiane Mudra rückt nun in ihrer
dokumentarischen Theaterperformance „Wir waren nie weg“, die sie für das i-camp
entwickelt hat, genau diese Aspekte ins Zentrum. Das Besondere daran: Statt im
Theater auf Stühlen zu sitzen und das Bühnengeschehen statisch ertragen zu
müssen, begibt sich das Publikum mit den Schauspielern auf eine Reise durch die
Stadt und erkundet so viele kaum bekannte Orte rechtsradikaler Umtriebe vor und
neben unseren Haustüren.
Zahlreiche Texte sind Originalzitate von Polizei, V-Leuten, Neonazis, Zeugen und
Behörden. Dass Mudra deren Worte nun Figuren in den Mund legt, die aus den ItaloWestern Sergio Leones oder Sergio Corbuccis stammen könnten, ist ein raffinierter
Kunstgriff, der eine fast schon ironisch-absurde Distanz zum Gesagten herstellt und
die Drastik der Morde, aber auch die teils skandalöse Rolle der Staatsschützer
verdeutlicht. Bedingt durch die kühne Italo-Optik gelingen vor allem an der
Theresienwiese, der als Schauplatz des Oktoberfestattentats eine besondere Rolle
zukommt, atemberaubende Bilder. Schwarze Gestalten mit breiten Hüten im hohen
Gras, die Mäntel flattern im Wind, daneben die Silhouetten der Revolver. Hinter den
Figuren breiten sich Asphaltpisten aus. Die Skelette halb aufgebauter Wiesn-Zelte
stehen verloren herum.
Eigentlich ist alles perfekt. Die Recherche erreicht eine beeindruckende Tiefe. Die
Darsteller spielen zum Niederknien intensiv. Die Szenen sind klug und gewitzt
arrangiert. Doch ausgerechnet zum Ende hin, kurz vor dem ersehnten hymnischen
Beifall, bricht alles zusammen. Statt eines großen Finales im i-camp erwartet den
Zuschauer dort nur quälende Redundanz. Schade.
Weitere Vorstellungen
Heute sowie am 25., 26., 30., 31. Juli und am 1., 2. August; Anmeldung via E-Mail an
[email protected]
PRESSESPIEGEL WIR WAREN NIE WEG
Süddeutsche Zeitung, München // Vorbericht (Margaretha Gallersdörfer) vom 16. Juli
(Online-Ausgabe) und 17. Juli 2015 (Print-Ausgabe)
Im vollen Wortlaut
Unheimliche Heimat
In ihrem Doku-Stück "Wir waren nie weg" führt Christiane Mudra zu den Schauplätzen und
Bezugsorten des Oktoberfest-Attentats und der NSU-Morde. Theater muss politisch sein,
sagt die Regisseurin
Interview von Margarethe Gallersdörfer
Christiane Mudra ist Schauspielerin und Regisseurin. Ihr neues Stück "Wir waren nie weg"
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wird nicht auf der Bühne aufgeführt: Die Schauspieler, verkleidet als Westernfiguren, führen
ihr Publikum durch München. Es ist Doku-Theater auf den Spuren der NSU-Morde und
des Oktoberfest-Attentats.
SZ: Frau Mudra, in Ihrem Stück "Wir waren nie weg" verarbeiten Sie das Oktoberfestattentat
und die NSU-Morde. Wie sind Sie auf das Thema gekommen?
Christiane Mudra: Angefangen hat es mit meinen ersten Besuchen im NSU-Prozess im Jahr
2013. Das hat mich sehr erschüttert. Ich bin immer wieder hingegangen, habe begonnen,
mich in die Hintergründe einzuarbeiten. Ich habe dann auch die Untersuchungsausschüsse
besucht. Es war, als guckte ich einen Krimi. Dabei habe ich die ganze Zeit O-Töne
gesammelt.
Was haben die NSU-Morde mit dem Oktoberfest-Attentat gemeinsam?
Aus meiner Sicht: Das Versagen der Ermittlungsbehörden, das in beiden Fällen massiv war
und ist. So massiv, dass man sich vielleicht fragen muss, welche größeren Interessen es
gibt, die Existenz von rechten Netzwerken in Deutschland zu verschleiern, als daran,
Kapitalverbrechen aufzuklären. Im Stück zeigen wir das besonders an einem Motiv, das sich
ständig wiederholt - der Einzeltäter-These. Es ist auffällig: Bei linksradikalen Straftaten wird
schnell von "Netzwerken" gesprochen. Bei rechtsextremen Straftaten sind es dagegen immer
erst mal Einzeltäter.
Warum verarbeiten Sie diesen Komplex in einem Theaterstück?
Ich will einen Überblick schaffen. Ich habe Angst, dass die Menschen bei dem ganzen Wust
an ungeordneten Informationen und Ermittlungsschnipseln, die während des NSU-Prozesses
über uns hereinbrechen, irgendwann das Interesse verlieren. Das sehe ich als große Gefahr.
Deshalb versuche ich in meinem Stück, diese Massen von Fakten so weit zu bündeln, dass
der Komplex zum einen fundiert ist und zum anderen durch fiktive Figuren leichter
zugänglich. Die O-Töne, die ich gesammelt habe, sind zum Teil so unglaublich, dass ich sie
gar nicht bearbeiten wollte.
Westernfiguren sollen dem Publikum des Theaterstücks
"Wir waren nie weg" den Zugang erleichtern:
Es geht um den NSU und das Oktoberfest-Attentat. (Foto: Edward Beierle)
PRESSESPIEGEL WIR WAREN NIE WEG
Diese O-Töne werden von Westernfiguren vorgetragen. Wie kam es zu dieser erzählerischen
Entscheidung?
Diese Westernfiguren sind Scherenschnittfiguren für bestimmte Funktionen in dem Ganzen.
Es gibt einen Sheriff, der die Sicherheitsbehörden repräsentiert, einen Gangster, der die
neonazistischen Akteure repräsentiert, oder eine Kopfgeldjägerin, die für die V-Leute steht.
Das sind sehr klare Schwarz-Weiß-Figuren, in denen aber über verschiedene Zeiten diese
Texte nacheinander durchlaufen. Einem Zitat der Sicherheitsbehörden aus der Zeit des
Oktoberfest-Attentats folgt dann zum Beispiel ein Zitat eines Behördenvertreters aus dem
Untersuchungsausschuss Baden-Württemberg. So wollen wir die Muster zeigen, die sich
immer wieder wiederholen im Umgang mit diesen Taten.
Was erwartet die Zuschauer, die mitgehen wollen?
Das Stück fängt an der Trappentreustraße an, dem Tatort des Mordes an Theodoros
Boulgarides, dessen Tod sich jetzt zum zehnten Mal jährt. Von dort aus geht es mit der
Straßenbahn zur Theresienwiese, an den Ort des Oktoberfest-Attentats. Der Zuschauer läuft
mit den Schauspielern den Bavaria-Ring entlang, da wird gerade schon das Oktoberfest
aufgebaut - ein tolles Bühnenbild. Wir besuchen verschiedene Orte in München, die für die
Existenz eines rechten Netzwerks in Deutschland stehen. Mir geht es darum, das Thema in
die direkte Nachbarschaft zu holen. Ich bin selbst Münchnerin, ich bin vorher auch nie
einfach mal so zum Oktoberfest gegangen, um mich da vor das Mahnmal zu stellen. Oder zu
den NSU-Tatorten. Ich möchte gerne, dass die Leute einen Bezug zu sich selber herstellen.
Erklären Sie bitte den Untertitel Ihres Stücks: "Die Blaupause. Ein heimattreuer Western".
"Heimattreuer" Western spielt ganz klar mit rechter Sprache, es ist ein ironischer Bezug auf
rechtsextreme Gruppen, die sich selbst so bezeichnen. Andererseits soll das Wort auch dafür
stehen, dass das Stück in München spielt.
Und wofür steht "Die Blaupause"?
Der Begriff steht für die sich immer wiederholenden Motive, die wir im Stück herausarbeiten.
Dieses Muster ist für mich die Gemeinsamkeit zwischen den NSU-Morden und dem
Oktoberfest-Attentat: tote Täter, die angeblich "Einzeltäter" waren, tote Zeugen und die
immer gleichen, nahezu identischen Reaktionen der Behörden.
Im Herbst spielt Schauspielerin Christiane Mudra
in Ibsens "Der Volksfeind". (Foto: Jeanne Degraa)
PRESSESPIEGEL WIR WAREN NIE WEG
Vor "Wir waren nie weg" haben Sie ein Stück über Überwachung gemacht. Ist es wichtig, im
Theater politische Themen zu bearbeiten?
Wahnsinnig wichtig. So hat das Theater ja auch angefangen: Im alten Griechenland wurden
auf der Bühne aktuelle gesellschaftliche Themen verhandelt. Dieser Aspekt fällt heute viel zu
oft unter den Tisch. Ich habe das Gefühl, wir leben in einer Zeit, in der einerseits wahnsinnig
viel passiert, während sich die Gesellschaft andererseits immer stärker entpolitisiert. Da ist
es mir ein ganz starkes Bedürfnis, das Theater wieder in seinem Ur-Sinn zu benutzen: Als
Sprachrohr, das Dinge noch einmal anders schildern kann, als es Medien können.
Was kann das Theater in dieser Hinsicht leisten?
Jede Form der Übermittlung ist eine Chance ist, die unbedingt genutzt werden muss. Das
Theater darf Dinge, die die Medien nicht machen können und andersherum. Im Theater kann
man auch mal einen bestimmten Aspekt in die erste Reihe holen, Zuschauerkontakt
herstellen. Theater ist ein Erlebnis, und ein Erlebnis merkt man sich viel länger als etwas,
das man gelesen hat.
Karten für die Vorstellungen am 23.-26./30./31. Juli und 1./2. August, jeweils 19 Uhr, sind nur
über Reservierung unter [email protected] erhältlich (16 Euro/ ermäßigt 10 Euro).
Am Freitag, 24. Juli, 22 Uhr, findet im i-camp, Entenbachstraße 37, eine Podiumsdiskussion
statt. Teilnehmer sind Hajo Funke (Autor von "Staatsaffäre NSU"), Yavuz Narin
(Nebenklägervertreter im NSU- Prozess), Werner Dietrich (Anwalt der Geschädigten des
Oktoberfest-Attentats) und Ulrich Chaussy (Autor von "Oktoberfest - das Attentat", Spielfilm
"Der blinde Fleck"). Der Eintritt ist frei.
PRESSESPIEGEL WIR WAREN NIE WEG
NDR Kultur, Focus Kultur // Interview, Ausstrahlung am 22. Juli 2015
Der fünfminütige Beitrag liegt vor und kann bei Interesse gerne zur internen Information übersandt
werden.
PRESSESPIEGEL WIR WAREN NIE WEG
INTERVIEW
Stand: 21.07.2015 19:18 Uhr
Rechter Terror: Was für ein Theater
Rechtsextremistischer Terror auf der Theaterbühne und das auch noch als Western?
Christiane Mudras Stück "Wie waren nie weg“ thematisiert die Kontinuität
organisierten rechten Terrors vom Münchner Oktoberfestattentat 1980 bis zur
Mordserie des NSU in ungewöhnlicher Form. Gespielt wird "Wir waren nie weg. Eine
Blaupause“ nicht etwa im Theater, sondern an Originalschauplätzen in München. Der
Zuschauer ist hautnah dabei. Wir haben mit der Dramaturgin und Regisseurin
Christiane Mudra über ihre dokumentarische Theaterperformance gesprochen.
Frau Mudra, was hat man sich unter einem "heimattreuem Western" vorzustellen?
Christiane Mudra ist überzeugt, dass gerade Originaltöne einen anderen Blick auf rechten
Terror und die entsprechenden Ermittlungen eröffnen.
Für "Wir waren nie weg“ - dem ersten Teil einer Trilogie - habe ich die Form des ItaloWesterns gewählt. Zum einen gibt es in dem Stück Actionszenen, die immer wieder von
Momenten langer Stille unterbrochen werden. Es gibt sehr konzentrierte, informationsreiche
Szenen, und dann wieder Passagen, in denen der Zuschauer geht, zum Teil musikalisch
begleitet von einer dreiköpfigen Klezmer-Band. Ein Hauptmotiv sind die
scherenschnittartigen Charaktere, die ich gewählt habe: den Sheriff, der für die
Sicherheitsbehörden steht, oder den Gangster, der die neonazistischen Akteure
repräsentiert. Diese Figuren in dem Western haben allerdings Texte, die reine Original-Töne
sind. Wir beginnen mit Tönen von 1980 und darunter werden Töne aus den jetzigen
Untersuchungsausschüssen zum jetzigen NSU geschnitten.
Das Stück wird an Originalschauplätzen in München gespielt und endet im Theater.
Warum haben Sie sich für diese Spielorte entschieden?
Die Tour startet am Tatort des Mordes an Theodoros Boulgarides an der Trappentreustraße,
führt dann weiter am Oktoberfestdenkmal vorbei, wo 1980 der Bombenanschlag stattfand, an
dem Büro der AVÖ, das war ein Neonazitreff Anfang der 90er-Jahre, vorbei und führt dann
schließlich ins Theater, wo es dann den Showdown gibt. Die Zuschauer gehen zu Fuß und
benutzen zum Teil auch öffentliche Verkehrsmittel. Das Ganze ist - mit einem leichten
ironischen Augenzwinkern - ein Abendspaziergang.
PRESSESPIEGEL WIR WAREN NIE WEG
Was möchten Sie mit Ihrem Stück erreichen? Was ist das Ziel der Trilogie?
Motive und Form des Stückes sind bewusst an Italo-Western angelehnt.
Ich möchte zum einen diese ganzen Originalzitate, die teilweise so unglaublich sind, dass ich
sie gar nicht bearbeiten möchte, den Zuschauern näher bringen. Ich glaube, wenn man
Original-Töne hört, kann man Fakten und Entwicklungen noch einmal ganz anders bewerten
als wenn man eine Zusammenfassung in der Zeitung liest. Das hat mir auch viel gegeben,
bei diesen Ausschüssen und im Münchener Prozess dabei zu sein, weil ich mir dadurch ein
ganz anderes Bild von Aussagen machen kann. Ich möchte auch diesen Wust an Fakten ein
bisschen bündeln, damit die Leute einen Überblick haben. Ich habe mich natürlich für
bestimmte Taten und Aspekte entscheiden müssen, aber dass man an einzelnen,
exemplarischen Fällen einen Blick in die Problematik bekommt, das ist mein Ziel.
Sie ziehen eine Kontinuität zwischen dem Attentat während des Oktoberfestes 1980
hin zum heutigen NSU, nennen Ihr Stück im Titel auch "eine Blaupause". Besteht da
nicht die Gefahr der Vermischung zwischen zwei Ereignissen, die eigentlich keinen
direkten Zusammenhang haben.
Ich sehe da sehr wohl Zusammenhänge. Beides sind rechtsterroristische Attentate, die über
lange Zeit entweder nicht entdeckt oder nicht ausermittelt wurden. Es gibt in beiden Fällen
ganz viele Zeugenaussagen, die entweder nicht ernstgenommen oder nicht weiterverfolgt
wurden, es wurden in beiden Fällen oftmals keine Phantombilder erstellt, die man hätte
erstellen können. Es wird und wurde in beiden Fällen von Einzeltätern oder einer isolierten
Zelle gesprochen, die Netzwerke werden ausgeblendet. In beiden Fällen sind die Täter tot, in
beiden Fällen gibt es viele tote Zeugen, in beiden Fällen werden die Ermittlungen bis heute
massiv blockiert. Man argumentiert immer wieder mit dem Quellenschutz. Im Fall des
Oktoberfestattentats, das 35 Jahre zurück liegt, werden auch heute Informationen, die VLeute im Umfeld der Attentäter nicht offengelegt. Ich sehe da sehr viele Parallelen.
Wie ist die Resonanz auf das angekündigte Stück?
Die Resonanz ist sehr gut. Die Premiere und die zweite Vorstellung sind schon ausverkauft.
Und auch für die weiteren Vorstellungen gibt es schon zahlreiche Anmeldungen. Das
Interesse ist sehr groß.
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PRESSESPIEGEL WIR WAREN NIE WEG
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zeigt anhand des Falles des hessischen Verfassungsschützers Andreas T., wie Fiktionen zu Fakten werden.
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Dieses Thema im Programm:
NDR Kultur | 22.07.2015 | 16:20 Uhr
PRESSESPIEGEL WIR WAREN NIE WEG
Bayerischer Rundfunk, B5 aktuell – Kulturnachrichten // Kulturtipp (Sonja
Esmailzadeh) vom 22. Juli 2015
Der Beitrag (1:30 “) liegt vor und kann bei Interesse zur internen Information übersandt werden.
O- Ton Stück: „Nein, nein, nein, der NSU war zu keinem Zeitpunkt ein Netzwerk aus
mehrere Zellen sondern stets eine singuläre Vereinigung aus 3 Personen. Das sagt die
Anklageschrift der Bundesanwaltschaft sonnenklar.“
Mod.: Wie groß ist das rechte Netzwerk? Was wird in Ermittlungsbehörden vertuscht? Wieso
hält sich die Einzeltäterthese so hartnäckig aufrecht? 35 Jahre nach dem Oktoberfestattentat
bleiben im NSU Prozess die gleichen Fragen offen sagt Christiane Mudra, die Regisseurin
des Theaterstücks „Wir waren nie weg“.
Mudra: … und die toten Täter, die eine Aufklärung immer wieder erschweren oder unmöglich
machen und die vielen toten Zeugen. Aber eine Wiederholung ist auch das relativ
unveränderte Verhalten der Sicherheitsbehörden, die Devise Quellenschutz vor Aufklärung
bei Kapitalverbrechen, was ich ein absolutes Unding finde, das sind Dinge, die sich über
Jahrzehnte wiederholen.
Mod.: Die Handlung ihres Stücks hat Mudra nach Süddeutschland gelegt, dorthin wo 5 NSUMorde verübt worden sind. Rechte Gewalt also nicht als rein ostdeutsches Phänomen,
sondern als heimattreuer Western, wie der Untertitel verrät. Bei ihr repräsentiert ein Gangster
die rechte Szene, eine Kopfgeldjägerin die V-Leute, ein Sheriff die korrupten Behörden.
Christiane Mudra macht aus ihrem Theaterstück einen Abendspaziergang und spielt damit
ironisch auf die Pegida- Bewegung an. Es beginnt in der Münchner Trappentreustrasse an
dem Tatort, an dem der Schlüsseldienstinhaber Theodoros Boulgarides durch den NSU
ermordet wurde, setzt sich am Denkmal des Oktoberfestattentats fort und führt zu einem
ehemaligen Neonazi- Treff in der Herzog- Heinrich- Strasse.
Das Stück „Wir waren nie weg“ fordert die Zuschauer auf, Schauplätze rechter Mordtaten
wahrzunehmen und den Wunsch nach Aufklärung nicht aufzugeben.
PRESSESPIEGEL WIR WAREN NIE WEG
Bayerischer Rundfunk, Bayern 2 – Kulturwelt // Vorbericht (Christoph Leibold) vom
21. Juli 2015
Der siebenminütige Beitrag liegt vor und kann bei Interesse zur internen Information übersandt
werden. Der Beitrag ist für begrenzte Zeit online verfügbar und kann hier nachgehört werden:
http://www.br.de/radio/bayern2/kultur/kulturwelt/wir-waren-nie-weg-i-camp-102.html
Im vollen Wortlaut
BR: Das schweigende Mädchen heißt ein Stück von Elfriede Jelinek über die
aussageunwillige Beate Zschäpe, das im vergangenen Herbst an den Münchner
Kammerspielen uraufgeführt wurde.
PRESSESPIEGEL WIR WAREN NIE WEG
Und das Residenztheater brachte mit „Urteile“ ein Projekt von Christine Umpfenbach zum
NSU- Terror auf die Bühne des Marstalls.
Übermorgen nun zeigt Christiane Mudra ihr neues Stück „Wir waren nie weg“ eine
dokumentarische Theaterperformance über die Kontinuität des Rechsterrorismus.
Heute Morgen ist sie zu Gast bei uns im Studio, herzlich Willkommen.
Bevor wir darüber reden was Sie formal vorhaben erstmal zum Thema.
Sie recherchieren seit 2013 intensiv zum NSU Komplex, WWNW holt aber viel weiter aus,
schlägt den Bogen bis hin zum Oktoberfestattentat von 1980. Was ist die Idee dahinter?
CM: Die Idee ist, dass mir im Laufe der Recherche immer mehr aufgefallen ist, dass einige
Akteure im rechtsextremen Bereich ihre Wurzeln schon deutlich früher haben. Auch das NSU
Trio hat sich schon Mitte der 90er Jahre zusammengefunden und wenn man jetzt das
Oktoberfestattentat betrachtet, dann hat man sich wiederholende Motive über die ganze Zeit.
Also ganz konkret immer wieder tote Täter, die eine Aufklärung immer wieder massiv
erschweren, dann ein doch etwas verwunderliches Zeugensterben, dann auch die immer
wieder formulierte Einzeltätertheorie, die die Sicherheitsbehörden bis heute, bis in die
Anklageschrift im NSU Prozess mehr oder weniger durchziehen.
BR: Also es gibt so etwas wie eine Blindheit auf dem rechten Auge bei den ermittelnden
Behörden?
CM: Ich denke bei den ermittelnden Behörden und Beamten, durchaus aber auch in der
Gesellschaft, aber das bedingt sich natürlich gegenseitig. Was ganz massiv und skandalös
noch immer vorhanden ist, ist einfach, dass man trotz eines Falles wie dem NSU, dass trotz
der ganzen Erkenntnisse, die wir jetzt haben, noch immer so gemauert wird im Bereich der
Ermittlungen- das ist der Grund für dieses Stück.
BR: Im Fall vom NSU war ja lange die Rede von den Döner- Morden, man hat also die
Türkenmafia in Verdacht, wie ich es schon angesprochen habe, Blindheit auf dem rechten
Auge, da kann man nun fragen, ist das nun einfältig, naiv oder inwieweit steckt da System
dahinter, also bewusstes Verleugnen, Verdrängen bis hin zur Verstrickung von Behörden und
Tätern. Zu welchem Schluss kommen Sie?
CM: Ich bin mir ganz sicher, dass es kein großes Interesse gibt in Deutschland
rechtsextremistische, rechtsterroristische Taten groß auf das Tablett zu bringen. Es ist ja nun
nicht so, dass es keinerlei Gedanken an einen rechtsextremistischen Hintergrund gab, das
ist ja inzwischen auch belegt. Es gab ja z.T. sogar Medienstrategien, die speziell 2006, als
die WM vor der Tür stand, eine solche Mutmaßung in den Medien unterbinden wollten.
BR: Was ist den Ihrer Meinung nach der Grund für dieses Verdrängen und Vertuschen?
Einfach weil man keine bad press brauchen kann? Wie z.B. 2006 vor dem
Sommermärchen?
CM: Das ist sicherlich ein Grund. Ich denke, da gibt es viele Gründe, die zusammenspielen.
Deutschland hat natürlich die Vergangenheit, die Deutschland hat und ich denke, da sind
viele Leute daran interessiert, dass man den rechten Bereich nicht mehr großartig
beleuchtet. Im Gegensatz z.B. zum Linksextremismus, da wird immer sehr schnell von
Netzwerken gesprochen. Bei rechtsextremen Tätern ist man immer wieder mit der
Einzeltätertheorie konfrontiert und das ist einfach nicht wahr.
PRESSESPIEGEL WIR WAREN NIE WEG
BR: Kommen wir mal zur Umsetzung. Die Rede ist von einer Performance, was ja eine
bisschen schwammiger Sammelbegriff ist für alle Formen von Theater, wo nicht jetzt Figuren
auftreten, die in Dialogen, in eine Handlung verstrickt sind. Wie sieht das bei Ihnen aus?
CM: Das Grundsetting ist ein Westernsetting, d.h. Es wird scherenschnittartige, relativ
klischeeartig gezeichnete Figuren geben, die aber so eine Art Durchlauferhitzer für die
dokumentarischen Texte sind. D.h. Es gibt z.B. einen Sheriff, der die Sicherheitsbehörden
repräsentiert, und der Texte hat, die sich zusammensetzen aus O-Tönen aus den 80er
Jahren, aus der Zeit des Oktoberfestattentats, und reichen bis in die Jetzt-Zeit bis zu OTönen aus noch laufenden Untersuchungsausschüssen.
BR: Diese Western- Genre, dessen Sie sich da bedienen, ist das jetzt nur ein Hilfs- Konstrukt
oder was hat das auch mit der Sache zu tun?
CM: Der Western bietet tatsächlich in seiner Überspitzung ein ganz interessantes
Grundsetting. Es geht speziell um einen Italo- Western und nicht um einen klassischen
Western und da gibt es so einige Grundmotive, wie z.B. eine moralisch verfallene
Gesellschaft, einen korrupten Sheriff, auch der Held ist im Italowestern ambivalent, weil er
genauso eiskalt tötet wie die anderen auch. Ein wichtiges Motiv ist auch das Töten, das zum
Alltag gehört, das Motiv des Todes, das sich auch optisch durch das Stück, aber auch durch
den Italowestern zieht.
BR: Nun findet das Ganze nicht nur im geschlossenen Theaterraum statt, sondern es
ebginnt als Abendspaziergang auf der Theresienwiese, einem Originalschauplatz wegen des
Oktoberfestattentats, welche Schauplätze werden denn noch begangen?
CM: Beginnen tut das Ganze am Tatort des Mordes an Theodoros Boulgarides in der
Trappentreustrasse, der jährt sich auch in diesem Jahr zum 10. Mal, von dort aus geht es
dann weiter an die Theresienwiese zum Denkmal des Oktoberfestattentats, dann geht das
Stück weiter zum Büro der AVÖ in der Herzog- Heinrich- Strasse, das existierte dort Anfang
der 90er Jahre, Althans Vertriebe und Öffentlichkeitsarbeit, das war ein nicht ganz
unwichtiger Neonazitreff mitten in München.
BR: Dieses Authentizitätsversprechen der Originalschauplätze löst sich das immer ein? Was
kann, was soll das leisten?
CM: Mich persönlich bewegt es sehr, an einem Originalschauplatz zu stehen und den mal
ganz bewusst wahrzunehmen. Ich habe das auch beobachtet, als ich mit den Schauspielern
die erste Ortsbegehung gemacht habe und ich erhoffe mir, dass das mit anderen Leuten
auch passiert.
Dass man das Thema einfach persönlicher nimmt.
BR: „Wir waren nie weg“ heisst die Theaterperformance von Christiane Mudra, die im
Münchner Westend beginnt und im I-camp in der Entenbachstrasse endet.
Premiere ist am Donnerstag um 19h, weitere Vorstellungen unter i-camp.de.
PRESSESPIEGEL WIR WAREN NIE WEG
junge Welt // Vorbericht (Claudia Wangerin) vom 14. Juli (Online) und 15. Juli 2015
(Print)
Im vollen Wortlaut
Aus: Ausgabe vom 15.07.2015, Seite 15 / Antifa
Showdown im Theater
Wieviel Staat steckt im Rechtsterrorismus? Dieser Frage nehmen sich auch Künstler
an. Ein provokanter »heimattreuer Western« hat demnächst in München Premiere.
Von Claudia Wangerin
PRESSESPIEGEL WIR WAREN NIE WEG
Die Schauspieler Christina Baumer, Murali Perumal, Sebastian Gerasch, Berivan Kaya und
Andrim Emini (v. l. n. r.) im Rahmen einer Probe für Christiane Mudras Theaterstück »Wir waren nie weg«
Foto: Edward Beierle
Christiane Mudra hat viele Tage im Saal A 101 des Oberlandesgerichts München
verbracht. Als gelernte Schauspielerin und Theaterregisseurin hat sie sich über die
Zeugenauftritte von Neonazis, Geheimdienstlern und V-Leuten im NSU-Prozess auch
ein fachliches Urteil gebildet. »Wenn mir Theater vorgespielt wird, dann erwarte ich,
dass es gut ist. Was uns hier vorgespielt wird, ist schlecht«, so einer ihrer
Kommentare im Pausengespräch. Aufschlussreich fand sie es dennoch. In ihrem
eigenen Stück »Wir waren nie weg. Die Blaupause« hat sie Zitate aus dem Prozess
ebenso verarbeitet wie solche aus Untersuchungsausschüssen, rechten Fanzines
und Propagandaschriften. Wie der Titel vermuten lässt, beschränkt sich das Stück,
das als politisch unkorrekter, »heimattreuer Western« angekündigt wird, nicht auf den
»Nationalsozialistischen Untergrund« (NSU), sondern will die Kontinuität
rechtsterroristischer Netzwerke und staatlicher Verstrickungen seit dem Münchner
Oktoberfestattentat 1980 aufzeigen.
»›Wir waren nie weg‹ untersucht wiederkehrende Phänomene wie tote Täter,
vernichtete Asservate und überraschend verstorbene Zeugen, die eine vollständige
Aufklärung erschweren. Dabei relativiert ›Wir waren nie weg‹ die verbreitete
Annahme, der Rechtsterrorismus sei vor allem ein Phänomen der neuen
Bundesländer, und benennt maßgebliche Strukturen in den alten Bundesländern«,
verspricht das i-camp / Neues Theater München in einem Pressetext. Das Stück, das
am 23. Juli Premiere hat, soll aber zum Großteil nicht in den Räumen des Theaters,
sondern im öffentlichen Raum aufgeführt werden. Es beginnt als
»Abendspaziergang« um 19 Uhr in der Trappentreustraße, wo am 15. Juni 2005 der
Schlüsseldienstinhaber Theodoros Boulgarides erschossen wurde, und führt unter
anderem zur Theresienwiese, wo am 26. September 1980 eine Bombe explodierte
und 13 Menschen in den Tod riss – darunter auch den mutmaßlichen Attentäter
selbst. Vor dem »Showdown« im Theater sollen die Zuschauer mehrere Stationen in
München, der einstigen »Hauptstadt der Bewegung«, passieren.
Das Konzept klingt gewagt: »Wie im Italo-Western korrespondiert dabei ein
PRESSESPIEGEL WIR WAREN NIE WEG
Wechselspiel von temporeichen Actionszenen und Momenten langer Stille mit den
Taten des NSU und anderer rechtsterroristischer Gruppierungen in Deutschland,
fortwährend begleitet von einer Klezmerband. Der Zuschauer ist die ganze Zeit über
hautnah am Geschehen«, heißt es im Pressetext.
Was mit diesen provokanten Mitteln erreicht werden soll? In einem künstlerischen
Statement, das zugleich hochpolitisch ist, spricht die Regisseurin von einer faktisch
längst vorhandenen Staatskrise, die nur noch nicht zu einem Aufschrei der breiten
Öffentlichkeit geführt hat: »Das Vertrauen in die entfesselten Sicherheitsbehörden ist
verloren. Und doch ist es still.« Jetzt liege es »an Zivilgesellschaft, Medien und
Künstlern, solange eine vollständige Aufklärung zu fordern, bis sie erfolgt«.
Letztendlich gehe es um die Frage »In welcher Gesellschaft wollen wir leben?«
Bei den Schauspielern habe sie einen Schockeffekt beobachtet, als sie sich erstmals
intensiver mit dem Stoff auseinandersetzten, sagte Mudra im Gespräch mit junge
Welt. »Da gab es sehr emotionale Reaktionen und viel Redebedarf.« Als fiktives
Drehbuch, da ist sie sicher, »wird so etwas abgelehnt«.
Reservierungen unter [email protected]
Ticketpreise: € 16.- / erm. € 10.Weitere Termine: www.i-camp-muenchen.de
spiegel.de , Nachrichten / Kultur – „Heute in den Feuilletons // 24. Juli 2015
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faz.net
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Welt kompakt, München // Ankündigung vom 21. Juli (Online) und 22. Juli 2015
(Print)
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TZ, Kultur – Drei Fragen an... Christiane Mudra // 20. Juli 2015
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Applaus, Freie Theater // Ankündigung, Ausgabe Juli 2015
iPunkt, Theater // Juli 2015
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Radio Lora, Portal Migration // Kulturtipp (Sadija Klepo) vom 14. Juli 2015
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Monatsprogramm München, Theater,
Sows & Musicals // Ausgaben Juli und August 2015
perlentaucher.de , Efeu – Die Kulturrundschau // 24. Juli 2015
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Monatsprogramm München, München im August (Vorwort) // Ausgaben August 2015
sueddeutsche.de // 23. Juli 2015
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Kulturreferat München // Newsletter vom 22. Juli 2015
Bayerischer Rundfunk, Bayern 2 – Kulturwelt // Ankündigung 16. Juli 2015 ff
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nachrichten-muenchen.com
muenchenbuehnen.de
muenchen-online.de
theaterkompass.de
twitter.com/muc_kultur
u.v.a.
Zuschauerzuschriften
Ich habe es Ihnen ja bereits persönlich gesagt: GENIAL. Nochmal vielen Dank!
Ich möchte mich jedoch auch noch bei den Schauspielern des Stücks bedanken.
Jeder von Ihnen hat mich echt umgehauen. So intensiv und kraftvoll wie alles
dargestellt wurde- einfach großartig. Ich hatte mehrmals Gänsehaut obwohl ich ja
alle Infos schon lange hatte.
Ein großartiges Stück besetzt, mit großartigen Darstellern.
Vielen Dank und meinen Respekt für Ihren Mut.
Großes Lob für Ihr tolles Stück, Ihre wunderbare Arbeit und die Leistung der
Darsteller! Vielen Dank noch einmal für den Abend.
Das war großartig, wirklich großartig.
Es war ganz ein wichtiger Abend. Großen Respekt!!!!
Ich habe am Sonntag Ihre Vorstellung besucht und ich möchte mich sehr herzlich
bedanken. Der Abend geht mir immer noch nach. Er hat mich für den Kontext, in
dem braunes Gedankengut blüht, sensibler gemacht und mich ganz konkret für
meine
eigene Arbeit inspiriert. Mein Kompliment für eine gelungene, unterhaltsame,
anregende Inszenierung - und weiterhin viel Erfolg!
Das Stück war wirklich super gemacht und gespielt. Ich gratuliere zu den Leistungen
der gesamten Truppe! Man merkt, wie sehr sich alle mit der ganzen Thematik
beschäftigt und identifiziert haben.
Gratulation zu diesem Abend! Wir waren sehr beeindruckt von dem Stück.
Unglaublich gut recherchiert. Die Idee, das Ganze an Originalschauplätzen spielen
zu lassen, fand ich auch sehr überzeugend. Es ist einem so unmittelbar
veranschaulicht worden, dass diese rechte Szene in unserem nächsten Umfeld ihr
Unwesen getrieben hat. Ein wirklich großartiger Abend!
Sehr, sehr gut und informativ, vieles wußte ich nicht und das kam auch bei der
Diskussion raus, daß man eben zu wenig weiß. Wieviel Zeit und Energie in diesem
Projekt steckt- mit so großem Erfolg. Wir sind immer noch am Staunen.
Ich war sehr beeindruckt vom Text, von der Zusammenstellung und der
Inszenierung und auch den SchauspielerInnen! Vielen Dank dafür. Den
Überwachungsrundgang vor zwei (?) Jahren hatte ich auch schon
mitgemacht. Sie haben ein bemerkenswertes Format für den Stadtraum entwickelt.
Ich möchte Ihnen hiermit nochmals ein ganz großes Kompliment für das Stück
machen. Es war sehr beeindruckend und bewegend. Ich selber verfolge das Thema
nun auch schon seit einigen Wochen, schaue mir diverse Reportagen &
Dokumentationen hierzu an und komme aus dem Kopfschütteln nicht mehr raus. Es
ist wunderbar, wenn sich Regisseure an so eine Thematik ran trauen.
Die Aufführung war sehr intensiv. Das Material, die Grundlage des Unternehmens
war beeindruckend. Es beschäftigt mich nachhaltig.
Die Logistik des Unternehmens und die Leidenschaft der Darsteller haben mich sehr
überzeugt.
Deshalb noch einmal meinen Glückwunsch für diese ungewöhnlich packende Arbeit.
Seit Samstag (Wir waren nie weg...) sind wir wieder sensibilisiert und merken wieder
wie das Thema NS(U) aktuell ist und noch lange nicht aufgearbeitet ist - SZ von
heute...
Danke für dieses "Real-Theater", bei dem das Ende noch nicht abzusehen ist.
Ich war gestern in Ihrer Vorstellung und möchte nochmal Rückmeldung gebe zu "Wir
waren nie weg".
Ich fand es fordernd, aufwühlend, intensiv, informativ, erhellend, trotz der
schweren Thematik sehr unterhaltsam. In einem Wort: gelungen! Mir war vorher
nicht klar, dass das "rechte Netz" so viele konkrete Knotenpunkte hat in
München. Zum Beispiel kannte ich den "Saloon" nicht. Mir gehen immer wieder
Sequenzen von "Wir waren nie weg" durch den Kopf. Und im Herbst will ich´s dann
auch endlich mal in den NSU-Prozess packen . . .