So macht die Biene keine Stiche

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10.10.2007
11:55 Uhr
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Berufsimker Wolfgang Stöckmann
bevorzugt helle Kleidung,
einen Imkerhelm und Amischleier.
lich gestaltet ist die Verbindung zwischen
Blouson und Schleier. Profis schwören meist
auf Blusen mit Wulstkragen. Der Schleier lässt
sich so leicht abnehmen und wieder aufsetzen, ohne dass man am Bienenstand mühselig
mit Reißverschlüssen hantieren muss. Außerdem kann man Schleier und Oberteil unabhängig voneinander erwerben. Geht ein Teil
kaputt, muss man nicht nach Ersatzteilen forschen oder die ganze Kombi wegschmeißen.
Praktisch sind einige aufgesetzte Taschen. Besen, Stockmeißel und einen Stift sollte man
stets zur Hand haben und in diesen Taschen
verstauen können.
Helle Kleidung, dunkle Bären
SCHWERPUNKT ARBEITSSICHERHEIT
So macht die Biene
keine Stiche
Ein weißer Anzug und ein dampfender Smoker – Schutzkleidung gehört zum
Sinnbild des Imkers wie kein anderes Requisit. Viele Imkerprofis gehen am
liebsten „ohne alles“ an die Bienen. Anfänger haben oft gern ein dickes
Stück Stoff zwischen der eigenen Haut und den Stacheln ihrer Bienen. Welche Schutzkleidung ist sinnvoll? Wir fragten einige Experten um Rat.
D
ie meisten Blousons und Anzüge, die in
Deutschland auf dem Markt sind, werden
aus einem weißen Baumwollstoff mit einer Art Fischgrätstruktur gefertigt – sogenanntem Köperstoff. Absolut stichfest sind sie
nicht – aber das macht nichts, wenn die Kleidung locker und luftig am Körper liegt. Der
bequeme Sitz ist wichtig bei der Wahl der
Kleidung. Am häufigsten findet der Stachel an
Stellen, an denen der Anzug eng anliegen
muss, den Weg in die Haut. Die Ärmelbündchen sollten das Gelenk fest umschließen,
aber auch wiederum nicht so eng sein, dass
das Gummi das Blut abschnürt. Unterschied-
Über die Farbe der Imkerkleidung kursiert
manch imkerliche Mär. „Man sollte helle Kleidung tragen, weil Bären dunkel sind.“ „Tarnfarben sind am besten, dann wird man von den
Bienen nicht gesehen.“ Solche und ähnliche
Imkerweisheiten werden zitiert, sind aber nicht
bewiesen. Dennoch ist helle Schutzkleidung beliebt. Dafür spricht, so sagt Imkerexperte Karl
Nikolaus Spürgin, dass helle Stoffe das Licht
reflektieren und der Imker beim sommerlichen
Besuch am Bienenstand nicht so schnell ins
Schwitzen gerät. Weiß muss es nicht unbedingt
sein, denn dieser Ton verschmutzt sehr schnell,
wenn man Zargen trägt, gibt Spürgin zu bedenken. Berufsimker Wolfgang Stöckmann arbeitet
– wenn überhaupt in Schutzkleidung – in hellem
Anzug. Viele seiner Berufskollegen kauften aber
auch farbige Anzüge in Landwirtschafts-Fachgeschäften. Von gelber Farbe rät Stöckmann ab:
„Rapsglanzkäfer und andere Insekten werden
davon angezogen. Zur Rapsblüte sitzen Sie ganz
voller Käfer – das ist unangenehm“, berichtet
Stöckmann. „Rot, Grün, Blau, Weiß oder Beige –
ist alles gleich“, sagt Dr. Gerhard Liebig. Er besitzt in jeder dieser Farben eine Latzhose. Die
Zahl der Stiche, die er bei der Arbeit im jeweiligen Kleidungsstück erhielt, hat er sogar schon
einmal ausgewertet. Ergebnis: Den Bienen war
die Farbe einerlei. Auch Tarnfarben werden oft
genutzt. Auf den oliv gemusterten Stoffen sind
Verunreinigungen aus Wachs, Honig und Propolis nicht so schnell zu erkennen – was natürlich kein Freischein sein soll, die Anzüge nicht zu
waschen. Beim Kauf der Kleidung sollte man auf
Waschbarkeit achten. Stöckmanns Imkerkleidung wandert in der Hochsaison alle drei bis vier
Tage in die Waschmaschine. Die weißen Baumwollstoffe halten hohe Waschtemperaturen aus
und werden so wieder „blütenrein“.
Welcher Hut darf’s sein?
Links: Leder- oder Gummihandschuh? Letztendlich eine Geschmacksfrage. Rechts: Sheriff-Bienenkleidung ist teuer, aber sehr leicht
und luftig.
Fotos: Sabine Rübensaat
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Auch Profis tragen häufig einen Gesichtsschutz,
selbst wenn sie sonst auf Schutzkleidung verzichten. Bienen verfangen sich leicht in den
Haaren oder werden von blinkenden Augen irritiert. Manche Schleier lassen sich direkt durch
einen Reißverschluss mit der Jacke verbinden.
Allerdings zählen die Reißverschlüsse zu den
Teilen, die am ehesten kaputtgehen. Wer sich
für ein solches Modell entscheidet, sollte auf eine hochwertige Verarbeitung achten. Schnüre
DEUTSCHES BIENEN-JOURNAL 11/2007
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zum Zubinden des Schleiers sind bei erfahrenen
Imkern in der Regel eher unbeliebt. Als zu aufwendig bezeichnet sie Jens Radtke vom Bieneninstitut Hohen Neuendorf. „Damit stranguliert
man sich nur“, sagt Wolfgang Stöckmann. Häufig bevorzugt wird der Amischleier mit separatem Hut. Die Kombination kostet je nach Anbieter und Ausführung um die 30,00 Euro. Der
Hut aus luftdurchlässigem Flechtwerk ähnelt einem Tropenhelm. Nur das innen befestigte, größenverstellbare Band liegt direkt auf dem Kopf
auf. Die frische Brise kann direkt hindurchpfeifen und verhindert, dass der Imker allzusehr
ins Schwitzen gerät. Der viereckige Amischleier
ist aus einem feinen Drahtgeflecht gefertigt.
Stöckmann schätzt an diesem Modell die stabile
Form: „Vor allem für Brillenträger ist das gut. Der
Abstand zwischen Schleier und Auge verändert
sich nicht dauernd, sodass man beim Gucken
nicht irritiert wird“, sagt er. Einen weiteren Vorteil benennt Karl Nikolaus Spürgin: „Bei den einfachen Gazeschleiern liegt der Stoff am Hals an,
wenn man sich bückt. Dann können die Bienen
doch hindurchstechen“, so der Spezialist.
Sheriff-Kleidung im Ausland modern
Ein Modell, das in englischsprachigen Ländern
weit verbreitet ist, setzt sich in Deutschland
nur langsam durch. Der Imkeranzug der englischen Firma Sheriff ist aus extrem dünnem
und dennoch stichfestem Material gefertigt, einer Mischung aus Polyester und Baumwolle.
Den ovalen Imkerschleier verbindet man per
Reißverschluss mit dem Anzug. Der Hut kann
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nach hinten geklappt werden und faltet sich
wie eine Kapuze zusammen. „Der Anzug ist
teurer als die anderen Modelle, aber er ist extrem gut verarbeitet“, sagt eine Mitarbeiterin
der Firma Swienty, die das Modell vertreibt.
Vor allem der dünne Stoff trage sich sehr angenehm. Bei Berufsimkern erfreue sich das
Modell zunehmender Beliebtheit. Die Imkerkombi inklusive Schleier kostet bei Swienty
um die 180,00 Euro.
Brasiliens Bienen
fliegen auf Schwarz
Schwitzige Hände
Ein Körperteil, an dem die Bienen so manchen
Stich landen, sind die Hände. Gerade bei der
Arbeit am Volk ist Fingerspitzengefühl nötig,
weshalb die meisten Profis auf Handschuhe
verzichten. Wer den Stichschutz an den Fingern nicht missen möchte, hat die Wahl zwischen Gummi- und Lederhandschuhen. Für
Gummihandschuhe spricht die bessere Waschbarkeit. Vielen Imkern gefällt jedoch nicht,
dass man im luftundurchlässigen Material
leicht schwitzige Hände bekommt. An den
Lederhandschuhen bemängeln andere, dass
man in diesen nicht mehr viel fühlen kann und
das Leder leicht Schmutz und Gerüche annimmt. Preisgünstiger sind Gummihandschuhe, die in dickerer und damit halbwegs stichfester Ausführung in jedem Bau- und Gartenmarkt zu bekommen sind.
Gegen Stiche vollständig schützen kann
man sich nach Meinung aller Profis kaum –
aber was wäre die Bienenhaltung ohne den einen oder anderen Piekser?
Silke Beckedorf
Foto: Gonçalves
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n Südamerika, wo die Imker mit der aggressiven afrikanisierten Biene arbeiten, hat die
Farbe des Schleiers durchaus eine Wirkung.
Prof. Lionel Gonçalves von der Sao Paulo
Universität fand in Versuchen heraus, dass
Imker, die Schleier mit einem dunklen Sichtfeld tragen, nachweislich häufiger von den
Bienen attakiert werden als solche, deren
Schleier einen weißen Sichtschutz besitzt. Da
man durch einen hellen Schleier jedoch nicht
so gut sehen kann, arbeiten die Forscher jetzt
an einem doppel-farbigen Modell, das innen
schwarz und außen weiß ist. „Weiße Farbe ist
für das Arbeiten mit der afrikanisierten Biene
am besten geeignet“, fasste Gonçalves seine
Forschungen auf der Apimondia in Melbourne zusammen.
Der beste Stichschutz ist die Biene
O
bwohl der Wert von Imkerschutzkleidung von kaum einem Profi in Frage
gestellt wird, lässt sich ohne stoffliche
Distanz zwischen Imker und Imme am
besten arbeiten. Damit die Bienen die
imkerliche Haut nicht allzu sehr punktieren, sollte man vor allem auf friedliches
Bienenmaterial achten. Für den möglichst „stichfreien“ Umgang mit den Bienen braucht man außerdem Erfahrung.
„Anfänger nehmen häufig die Waben zu
hektisch hoch oder sie rollen die Bienen
– sie drücken sie mit den Waben aneinander“, sagt Wolfgang Stöckmann. Darauf können die Schützlinge ungehalten
reagieren. Karl Nikolaus Spürgin betont,
dass es dennoch wichtig ist, irgendwann
den Schritt zum schutzkleidungsfreien
Arbeiten am Volk zu wagen. „Wer zu lange in Schutzkleidung arbeitet, etwickelt
nicht das nötige Feingefühl“, gibt der Imkersenior zu bedenken. Da man die Bienen mit Handschuhen nicht so gut handhaben kann wie ohne, bewegt sich der
stark geschützte Imker zwangsläufig ungeschickter – was die Bienen aggressiver
macht und wiederum die Angst des
Imker-Neulings vor Stichen erhöht.
DEUTSCHES BIENEN-JOURNAL 11/2007
Wer seine Bienen selbst auf Sanftmut selektieren will, ist übrigens auf Stich-Erfahrung angewiesen: „Um die Honigleistung eines Volkes zu beurteilen, braucht
man eine Waage. Um die Sanftmut einzuschätzen, muss man ohne Schutzkleidung arbeiten“, sagt Gerhard Liebig.
Ganz ohne Schutzkleidung gehen auch
die Profi-Imker nicht ans Werk. Wenn
Spürgin an seinen Völkern arbeitet, hat
er Hut, Schleier und Blouson griffbereit
im Auto liegen. „Es kann immer sein,
dass etwas passiert, zum Beispiel eine
Wabe herunterfällt“, sagt er. Stöckmann
schwört bei Wind, Kälte, Tiefdruck und
Gewitter auf Schutzkleidung. „Aber das
ist ohnehin Wetter, bei dem der Imker
normalerweise nichts an den Bienen verloren hat“, sagt er. „Wenn die Flugbienen
im Volk sind, sollte man sie eigentlich in
Ruhe lassen“, mahnt der Berufsimker.
Manchmal ist der Eingriff in der großen
Imkerei aber dennoch nötig – und dann
geht auch der Profi verschleiert an das
Volk.
Dieses Modell aus Baumwolle ist im Imkerfachhandel zu erhalten. Fazit der Imker-Auszubildenden Melanie Röck: Angenehm zu tragen,
aber das Gitter liegt zu dicht am Gesicht an.
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