1 Der innere sichere Ort Du gehst die geschäftige Strasse entlang und spürst die Verunsicherung sowohl in beinahe jeder äusseren Bewegung als auch bei den Bewegungen deiner dir permanent präsenten inneren Suche. Es liegt nicht am fehlenden Mut oder an mangelnder Neugier. Im Gegenteil, weit mehr als der Durchschnitt deiner Zeitgenossen, wanderst du seit geraumer Zeit immer weiter und tiefer forschend in deine Seelenlandschaften hinein, gehst in deren dunkle Regionen genauso wie an Abgründe deines Herzens heran, atmest den Angstodem deiner Kindheitstage wie auch die Ahnungen der letzten Momente hinein. Deine Seelen-Sümpfe werden dir mehr und mehr vertraut. Es ist nur, als ob man dir sehr früh und vor allem zu früh in deiner Entwicklung anstelle eines unbedingten „Ja“ und damit eines unbedingten Willkommens in diesem deinem Leben ein zögerliches Vielleicht wird Meines ja besser durch dich zugefleht hätte. Das erste Lächeln, das dir galt, war ängstlich und scham-durchtränkt und diese Anmutung prägte sich tief in deine noch rudimentär-entwickelten Gehirnwindungen ein. Dir fehlt eine dir-gewisse, warme Mitte, ein verlässslich-wohliges Herz, ein heimeliges Gefühl in der Brust und ein klares Wissen um das, was für dich stimmt und dich heilt. Du benötigst daher einen Ort im Kern deines Wesens von wo aus sich Ruhe, Gelassenheit und auch Heiterkeit mischt mit Klarheit, Unerschütterlicheit und von wo sich Halt bis in die entferntesten Winkel deiner Seele auszubreiten vermag. Du brauchst einen 2 Seelengarten mit schützenden Hecken, einen Ort des inneren Friedens und der Sicherheit. Dort kann dann die Quelle all deiner Begabungen, dort können deine geistigen Gaben, deine Seelenschätze unbedroht sprudeln, sich ins permanent entfaltenwollende Leben ergiessen und in ihm tröstliche, vertrauensvolle Spuren einkeimen lassen. Dort ist deine Lebensfülle, deine kreative Vielfalt, dein LiebesHerzschlag für ewig dann gut beheimatet. Das noch mehr anzuspüren, weitere kleine Vertrauenssamen einzulegen und zu giessen ist unsere Aufgabe hier und jetzt. Den Boden dafür haben wir bereits mutig bereitet, haben die aufwallende Wut und die hochschwappenden Ängste benannt. Ja du hast dich diesen Bedrohungen gestellt und das alte Vermeidungsmuster tapfer verbannt. Du rauchst bereits kaum noch, trinkst nur noch in genüsslicher Absicht, flüchtest nicht permanent in den vermeindlichen Schutz vermeindlicher Freunde. Innehalten, Stillstehen und Geschehenlassen sind nicht mehr reine Horrorvisionen. Du bist Schritte gegangen, die viele nicht einmal zu imaginieren wagen. Jetzt gilt es diese einfachen, aber existentiell notwendigen Übungsschritte immer und immer wieder zu wiederholen, bis sie zur zweiten Natur geworden sind und von innen heraus, quasi als Lebensmantra, dich ständig durchwirken und dir dich er-füllend Halt geben. Zunächst gilt es wie üblich einige Vorbereitungen für die heutige Űbung sorgsam zu treffen. Wie du weißt, hilft es, wenn du dich bereits zuvor achtsam auf deine Übung vorbereitest und dich innerlich und äusserlich schon eine Weile hast ruhiger werden lassen, du nicht direkt vorher gegessen hast und du dich auch nicht gerade von Fernsehen, Computer und Zeitschriften hast beeindrucken lassen. Ideal wäre es, wenn du zuvor ein paar Körperübungen machen konntest oder von einem Spaziergang in ruhiger Natur zurückkommst. Du ziehst dich zurück in einen geräuscharmen Raum, in welchem die Temperatur für dich angenehm warm reguliert ist. Du sorgst dafür, dass du eine zeitlang nicht gestört werden kannst. Dann wählst du eine Position, die dir jetzt am besten tut. Willst du sitzen, benötigt du einen Stuhl oder Hocker, der dir ermöglicht den Rücken gut balanciert und entspannt aufrecht zu halten. Vielleicht willst du aber liegen. Dann lege 3 eine nicht zu weiche Matte oder Decke unter. Eine Knierolle hilft eventuell wenn du Rückenprobleme hast. Erinnere dich daran, dass es kein Ziel zu erreichen gilt, du nichts falsch machen oder besonders richtig machen kannst. Versuche offen und neugierig zu sein für das, was dir deine Seele gleich erzählen und zeigen mag. Sei dankbar für jede noch so kleine oder kurze Information, für jede Wahrnehmung deiner inneren Welten. Du wirst für die nächste halbe Stunde an einen Ort geführt, an dem du Empfindungen von unbedingter Sicherheit und Geborgenheit erleben kannst. Es ist ein Erfahrensort der sich tief in deiner Seele befindet, ein Ort der vollkommenden inneren Sicherheit. Jeder Mensch hat einen solchen Raum in der Tiefe der Seele wo er sich rundum sicher und wohlfühlen kann und so auch du. Du selber wirst diesen Ort wählen und finden. In deiner Vorstellung kann dieser Ort aussehen wie an einem wunderschönen Platz in der Natur, innerhalb eines Geborgenheit ausstrahlenden Gebäudes, einer Kapelle, einer Hütte oder in einem Tempel. Aber dieser vorgestellte Ort kann weit entfernt auf einem anderen Planeten sein oder eine Art unkonkrete bildlose Anmutung, bestehend vornehmlich aus dem Empfinden von Geborgenheit und Sicherheit. Wenn du dann am Ende deiner meditativen inneren Reise zurückkehrst, versuche irgendein dir angenehmes Körperzeichen, eine Geste zu machen, wie z.B. die Hände zu falten, mit den Fingern zu schnipsen oder mit den Augen zu zwinkern. Das verankert die Erinnerung an diesen Ort noch deutlicher in dir. Jedes Mal, wenn du dann wieder an den Ort der inneren Sicherheit gehen willst, hilft dir dieser Körperanker, einfacher dorthin zu gelangen. Nimm jetzt einige tiefe Atemzüge. Atme dabei durch die Nase ein und durch den Mund aus. Versuche dein Ausatmen mehr und mehr zu verlängern und damit Stress, Unruhe und Schwere aus dir herausfliessen zu lassen. Stell dir vor, dass du kosmische Energie einatmest, in dir verteilst und dann mit dieser heilsamen Kraft Ungutes und Unreines ausatmest. Wenn ungewollt Gedanken dich ablenken wollen, lass sie durch dein Hirn ziehen, ohne sie festzuhalten, aber auch ohne dich anzustrengen, sie zu vertreiben. Führe deine Gedanken jeweils sanft zurück zum Rhythmus deines Ein- und Ausatmens. 4 Jetzt schaue bitte nach Innen und lasse dort das Bild eines sicheren Ortes auftauchen, an dem du dich sehr wohl fühlen kannst. Es mag sein, dass du den Ort genau siehst, es ist aber genau so gut, wenn du ihn lediglich spürst, seine Atmosphäre wahrnimmst, Geräusche hörst oder seinen Duft riechen kannst. Wenn du spürst, dass dein Ort sich sehr weit entfernt befindet, kannst du als Hilfsmittel, um dorthin zu gelangen, auch ein Fahrzeug, ein Boot oder einen Zauberstab nehmen. Was auftauchen will, lass geschehen, sei dabei ganz entspannt. Es ist völlig in Ordnung sich einen Ort zunächst auszudenken. Bleib bei dem Auftauchenlassen und Wahrnehmen deines Ortes der Geborgenheit, bis du dich an ihm sicher und freudig fühlen kannst. Manchmal braucht es eine kleine Weile oder einiger Anläufe. Wenn du an deinem Wohlfühlort gut angelangt bist, gib mir bitte ein kleines Zeichen mit deiner rechten Hand. Überprüfe nochmals ob du dich an diesem Ort wirklich geschützt und wohlig fühlst. Hast du es dir ganz bequem dort machen können? Spüre jetzt in deinen Körper hinein: Wie fühlst er sich jetzt an, wenn du dich so geborgen und sicher fühlst? Wie fühlt sich dein Bauch an, wenn er sich beim Atmen auf- und ab-bewegt? Was geschieht in deiner Brust gerade? Spürst du deinen Herzschlag? Kannst du deine Haut wahrnehmen? Wie fühlt es sich an, dein Gewicht ganz dem Boden zu überlassen? Spürst du die Entspannung in deinen Gliedern? Kannst du dir innerlich zulächeln? Magst du jetzt, wenn dir das, nach einer Weile des Geniessens und Geschehenlassen, gut tut, ein dir liebes kleines Kind oder dein eigenes inneres Kind herbeikommen lassen zu deinem sicheren Ort? Wenn ja, dann lass es sich neben dich setzten und mit dir gemeinsam eine Weile die friedvolle Ruhe des sicheren, geborgenen Ortes geniessen. Wenn du magst nimm sanften Körperkontakt auf und spüre das entspannte Miteinandersein. 5 Nach einer guten Zeit hole ich dich dann langsam zurück in die Realität des Therapieraumes. Ich lasse dir noch genügend Zeit, dich in Ruhe von dem Kind und dann von deinem Wohlfühlort zu verabschieden und auch dich bei deiner Seele, sowie deinen Seelenbeschützern zu bedanken. Du gehst wieder die geschäftige Strasse entlang, dein Körper fühlt sich noch ein wenig zu weich an, gleichwohl atmest du vertieft und vertrauensvoll. Deine Bewegungen sind langsamer als sonst, aber viel prägnanter. Du lächelst in dich hinein und weißt, dass du jederzeit, wenn sich diese altvertraute Verunsicherung in dein Gemüt einschleicht, dich zu deinem sicheren, inneren Ort der Geborgenheit begeben kannst. Du kannst es gleich jetzt, hier sogar tun, mitten im betriebsamen öffentlichen Raum, auf dem Weg hin du deinem nächsten Ziel. Matthias Witzel, Mai 09
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