Zeitpunkt der Stadtgeschichte 2015 1 Vor 200 Jahren: 1. Juli 1815 Geburt von Daniel Straub – dem zweiten Gründer Geislingens Daniel Straub wurde am 1. Juli 1815 als erster Sohn von Caspar und Margarethe Straub in der Schimmelmühle geboren in eine Zeit hinein, die nach den langen Napoleonischen Kriegsjahren für die deutschen Lande nahezu 60 Jahre Frieden und damit eine aufregende Zeit des gesellschaftlichen, technischen und ökonomischen Wandels mit sich brachte. Daniel Straub gehörte zu denjenigen, die damals die Chancen der Zeit erkannten und ihr Glück am Schopf packten. Die Schimmelmühle um 1850 Seine Kindheit und Jugend verbrachte Daniel mit seinem jüngeren Bruder Lukas wohl behütet in der väterlichen Schimmelmühle in wohlhabenden bürgerlichen Verhältnissen. Seit rund zwei Jahrhunderten saßen die Straubs schon auf der Unteren Steigmühle und pflegten die Tradition des Müllerhandwerks bereits über sieben erfasste Generationen hinweg, ein gutes Zeichen dafür, dass die Familie über Generationen hinweg ihr Handwerk solide, stetig und beharrlich führte und bis heute ein angesehener Mühlenbetrieb geblieben ist. Das Mühlrad wurde so zum berechtigten Wappensymbol der Familie Straub. Zeitpunkt der Stadtgeschichte 2015 2 Ofenfuß mit dem Mühlenwappen der Familie Straub, 1816, Museum im Alten Bau Nach seiner Schulzeit absolvierte er bei seinem Vater eine Müllerlehre, in der er alle handwerklichen Fertigkeiten, kaufmännische Kniffe und technische Kenntnisse seines Berufs erfahren konnte. Mit 21 Jahren war er so ausgebildet, dass er in der Lage war, eine eigene Mühle zu betreiben. Und die Gelegenheit dazu nutzte er, indem er am 26. Juli 1836 die neun Jahre ältere Anna Katharina, zweite Tochter des Kapellmüllers Öchsle in Geislingen, heiratete. Anna Katharina Straub, geb. Oechsle 1807 1895 Zeitpunkt der Stadtgeschichte 2015 3 Anna Katharina brachte als Heiratsgut die Kapellmühle, eine erkleckliche Barschaft von 4.730 fl. und einige landwirtschaftliche Güter in die Ehe ein. Daniel Straub brachte 5790 fl. samt einem unverzinslichen Darlehen seines Vater in Höhe von 6.000 fl., das ihm 10 Jahre später erlassen wurde. Damit war die finanzielle Existenzbasis für den jungen Kapellmüller gewährleistet, und Daniel Straub begann umgehend die althergebrachte Mühle in eine moderne Kunstmühle mit sechs Mahl- und einem Gerbgang umzubauen. Dazu verlegte er die Rohrach über einen Mühlkanal und installierte ein sogenanntes Zuppinger Wasserrad, das bei großer Wassermasse und mittlerem Gefälle eine sehr hohe Wasserkraft entwickelte. Innerhalb weniger Jahre florierte seine Kunstmühle und er firmierte mit feinster Ware. Die Kapellmühle um 1850 von Albert Kappis Dann kam der Bahnbau. Straubs Vetter Michael Knoll war der Oberingenieur, der für den Bauabschnitt der Geislinger Steige verantwortlich zeichnete. Als Geislinger kannte er sich hier nicht nur gut aus, sondern verstand es auch seinen Vetter Daniel zu motivieren, beim Bahnbau ein Baulos zusammen mit dem Stubersheimer Schultheiß Buck und dem hiesigen Oberamtspfleger Zeh zu übernehmen. Zu dritt teilten sie sich den Akkord, übernahmen verschiedene Gewerke und verdienten schließlich jeder 30.000 fl. Straub hatte nun die Kapitalgrundlage, um bei der Kapellmühle eine Maschinenfabrik als mechanische Werkstätte mit späterer Eisengießerei zu gründen. Er produzierte hauptsächlich Kunstmühleneinrichtungen vom Wasserrad bis zu der Mechanik der einzelnen Mahlgänge. Sein Ruf als Mühlenbauer reichte weit über die Region hinaus und selbst in Norddeutschland und Skandinavien wurde Straubs Mühlenmechanik als hervorragend angesehen. Zeitpunkt der Stadtgeschichte 2015 4 Die Maschinenfabrik von Albert Kappis, um 1855 Das schwiegerväterliche Erbe brachte ihm ein paar Wiesen in den ‚unteren Laufen‘ an der Rohrach unterhalb der Stadt ein. Dort kanalisierte er bereits 1842 den Wasserlauf der Rohrach, so dass sie auf 60 m Länge ein Gefälle von 4 m erreichte. Damit hatte er als sogenannte Wasserkraft das Energiepotential gewonnen, um eine Fabrik betreiben zu können. Zunächst wollte er die Wasserkraft an die Schweizer Unternehmerfamilie Staub veräußern, die sich allerdings wegen der Kosten zur Ablösung der Wässerungsrechte der dortigen Wiesenanrainer anders entschied und sich an der Fils oberhalb von Altenstadt ansiedelte. Die Plaquéwarenfabrik Straub & Schweizer, von Albert Kappis, um 1855 Zeitpunkt der Stadtgeschichte 2015 5 Angeregt durch Ferdinand Steinbeis, den Leiter der Württembergischen Centralstelle zur Förderung von Gewerbe und Handel in Stuttgart und seinen späteren Kompagnon Friedrich Schweizer, ein gelernter Metalldrücker und leitender Ingenieur bei der Metallwarenfabrik Rau & Cie in Göppingen, entschloss sich Straub ein Kupfer- und Messingwalzwerk mit Dreherei und Drückerei an der Rohrach in den Laufen zu errichten. Er gewann dazu Friedrich Schweizer als Teilhaber. Dieser besaß das Knowhow und Straub das Kapital und den Standort. Danach ging alles schnell. Am 7. Juni 1853 erteilte ihm die Kreisregierung in Ulm die Genehmigung zum Bau der Fabrik und bereits Ende 1854 war Straub mit einem Warensortiment in der Gewerbeausstellung in Cannstatt präsent. Haushalts- und Tischwaren der Plaquéwarenfabrik aus bronziertem Kupfer Die Plaquéwarenfabrik Straub & Schweizer, wie sie nun hieß, produzierte feinste Gebrauchs-, Haushalts- und Tischwaren aus Plaqué – einem aus Silber und Kupfer verschweißten Blech – sowie aus Kupfer- und Messingblechen. Das Warenangebot umfasste Produkte vom Teekocher bis zum Tafelleuchter, vom Eierbecher bis zur Obstschale, von der Chaisenlaterne bis zu Ziergegenständen aller Art in exquisiter Qualität zu vernünftigen Preisen. Der Betrieb florierte und die Zahl der Beschäftigten wuchs von anfangs 16 auf 140 Beschäftigte im Jahr 1866. Ende 1866 verließ Friedrich Schweizer wohl aus Altersgründen die Plaquéwarenfabrik und Daniel Straub nahm seinen Sohn Heinrich, der am Polytechnikum in Stuttgart Ingenieurwissenschaften studiert hatte in den Betrieb und firmierte ab 1867 als Metallwarenfabrik Straub & Sohn. Zeitpunkt der Stadtgeschichte 2015 6 Doch bereits ein Jahrzehnt später verstarb Heinrich Straub im Februar 1876 an einem Lungenleiden, zu dessen Kur er sich in Kairo in Ägypten aufhielt. Die Nachricht vom Tode seines Sohnes machte Straubs Zukunftspläne zunichte. Für den verstorbenen Sohn ließ er vom renommierten Stuttgarter Architekten Christian Friedrich von Leins auf dem Geislinger Friedhof ein Mausoleum in neoklassizistischem Stil errichten. In der Gruft der Kapelle wurde 1879 der Sarkophag Heinrich Straubs aufgebahrt. Heinrich Straub 1839-1876, Portrait in der Straub’schen Grabkapelle auf dem Geislinger Friedhof Trotz dieses schweren Schicksalsschlags setzte sich Daniel Straub aktiv für die dringend erforderliche Erneuerung der Geislinger Wasserversorgung ein, ließ dazu zwei Quellen bei der Schimmelmühle fassen und leitete das Trinkwasser in die Stadt, die nun über die erste Druckwasserversorgung verfügte mit einem Gefälle von 28 m von der Quelle bis zum Abnehmer in der Stadt. Situationsplan der ersten Geislinger Druckwasserleitung von 1877, Kartenausschnitt Zeitpunkt der Stadtgeschichte 2015 7 Das Ende des Straub’schen Fabrikimperiums kam 1880 als er auf Anraten von Gustav Siegle seine Metallwarenfabrik in eine Industriegesellschaft umwandelte, die mit der Fusion von Ritter & Co. aus Esslingen unter der straffen Leitung von Dr. Carl Hägele als Württembergische Metallwarenfabrik AG eingeführt wurde. Drei Jahre später wurde auch die Maschinenfabrik in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Portrait von Daniel Straub, um 1870, in der Straub’schen Grabkapelle Danach wurde es still um Daniel Straub. Er zog sich in seine Kapellmühle zurück, vereinsamte in seinen letzten Lebensjahren und verstarb schließlich am 17. Januar 1889. Seine Witwe überlebte ihn um sechs Jahre. Sie starb am 3. Januar 1895 in bescheidenen Verhältnissen. Beide fanden ihre letzte Ruhestätte links und rechts ihres Sohnes Heinrich in der Gruft ihrer Grabkapelle, die – heute restauriert – als würdige Aussegnungskapelle auf dem Geislinger Friedhof dient. So kometenhaft der Aufstieg Daniel Straubs als Fabrikant war, so sang- und klanglos endete auch seine Ära. Für Geislingen bedeutete seine Lebensleistung allerdings den Aufbruch ins Industriezeitalter, mit Vollbeschäftigung der Bürgerschaft und allgemein steigender Prosperität. Hartmut Gruber Literatur: Bauer, Karlheinz: Geschichte der Stadt Geislingen Bd. 2, 1975, S. 271ff. Burkhardt, Georg: Daniel Straub Begründer der Geislinger Großindustrie 1815-1889, in: Schwäbische Lebensbilder, Bd. 5, Stuttgart 1950, S. 330ff. Burkhardt, Georg: Daniel Straub, der zweite Gründer von Geislingen, Geislingen 1950 Ziegler, Walter: Daniel Straub und die Anfänge von MAG und WMF Geislingen – Korrekturen und Ergänzungen zu seinem Lebensbild, in Hohenstaufen / Helfenstein, Hist. Jahrb. f. d. Kreis Göppingen, Bd. 1, 1991, S. 41ff.
© Copyright 2024 ExpyDoc