Das KHSG und seine potenziellen Auswirkungen auf die Leistungs

das
Krankenhaus
Politik
7.2015
Prof. Dr. Norbert Roeder/Dr. Holger Bunzemeier/Martin Heumann
Das KHSG und seine potenziellen
Auswirkungen auf die Leistungsvergütung der Krankenhäuser
Die große Koalition hat sich zu Beginn der Legislaturperiode auf eine grundlegende Reform der Krankenhausfinanzierung verständigt. Demnach soll das Krankenhaus der Zukunft „gut, gut erreichbar und sicher“ sein, finanziert
über sozial tragbare Pflegesätze. Damit verbunden ist eine Qualitätsoffensive, mit der die Qualität und die Sicherheit der Versorgung weiter gesteigert werden soll. Der Kabinettsentwurf zum Gesetz zur Reform der Strukturen der
Krankenhausversorgung (Krankenhausstrukturgesetz)1), der Anfang Juni 2015 auf das Eckpunktepapier der von der
Bundesregierung eingesetzten Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Gesundheitsreform folgte, weist eine Vielzahl von
Änderungen des gesetzlichen Rahmens für die Krankenhausfinanzierung auf, die bedeutenden Einfluss auf die Vergütung der Krankenhäuser nehmen können. Ein Teil der von der Bund-Länder-Arbeitsgruppe entwickelten Maßnahmen zur Reform der Krankenhausfinanzierung findet auch bereits Berücksichtigung in dem vom Deutschen Bundestag am 11. Juni 2015 verabschiedeten Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung
(Versorgungsstärkungsgesetz)2), das allerdings abschließend noch 2015 im Bundesrat beraten werden soll.
Die geplanten Regelungen zur Krankenhausfinanzierung und der damit verbundene Versuch der Steuerung von Leistungen, für die besondere Fallzahlzuwächse in den vergangenen Jahren beobachtet werden konnten, lassen sich aufgrund der Vielzahl unterschiedlicher Regelungen in ihrer Zusammenwirkung derzeit kaum realistisch abschätzen.
Einige Trends können allerdings aus den geplanten Veränderungen abgeleitet werden. Nachfolgend sollen mögliche
Auswirkungen der Krankenhausfinanzierungsreform in Bezug auf die Mengensteuerung von Leistungen dargestellt
werden.
Mengensteuerung
Der Kabinettsentwurf zum Krankenhausstrukturgesetz sowie
das bereits vom Deutschen Bundestag verabschiedete Versorgungsstärkungsgesetz sehen wesentliche Änderungen für die
Steuerung von Mehrleistungen in den Krankenhäusern vor.
Auch wenn die Ursachen von Mengenentwicklungen noch
kontrovers diskutiert werden3) und auch der hierzu vom InEK
vergebene Forschungsauftrag zu Ursachen der Mengenentwicklung4) keine eindeutigen Hinweise auf medizinisch nicht
indizierte Mehrleistungen erbracht hat, soll in einem mehrstufigen Prozess eine neue Struktur der Mengensteuerung durch
Eingriffe in die Leistungsfinanzierung etabliert werden (X Abbildung 1).
Im ersten Schritt soll dafür noch im Jahr 2016 ein Zweitmeinungsverfahren für „mengenanfällige Leistungen“ etabliert werden. Zusätzlich sollen die Grundlagen für die Einführung von Zu- und Abschlägen für qualitativ gute und nicht optimale Leistungen geschaffen werden, mit deren Hilfe ebenfalls Einfluss auf die Steuerung dieser Leistungen genommen
werden soll. 2016 sollen die aktuell etablierten dreijährigen
Mehrleistungsabschläge sowie der zur Kompensation der doppelten Degression eingeführte Versorgungszuschlag in Höhe
626
von 0,8 Prozent noch weiter gelten. Von wenigen Ausnahmen
abgesehen werden vereinbarte Mehrleistungen in den Krankenhäusern gegenwärtig mit einem Mehrleistungsabschlag in
Höhe von 25 Prozent versehen. Sofern die Mehrleistungen
auch in den Folgejahren vereinbart werden, gilt der Mehrleistungsabschlag drei Jahre lang. Gleichzeitig führen die sogenannten Fixkostendegressionseffekte bei Mengensteigerungen
zu einer absenkenden Wirkung auf den Landesbasisfallwert.
Diese „doppelte Degression“, die besonders ausgeprägt Krankenhäuser ohne Mengenwachstum wegen der bezogen auf die
Kostenentwicklung ungenügenden Preisanpassungen betrifft,
soll ab 2017 abgeschafft werden. Vergütungsabschläge für die
Fixkostendegression sollen zukünftig ausschließlich in den
Krankenhäusern Wirkung entfalten, in denen die Mehrleistungen anfallen. Zusätzlich sollen für Leistungen (DRGs) mit
wirtschaftlich begründeten Fallzahlsteigerungen ab 2017 abgesenkte, gegebenenfalls der Menge nach abgestufte Bewertungsrelationen vorgegeben werden.
Zweitmeinung
Mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz sollen die gesetzlichen Voraussetzungen für die Etablierung eines Zweitmei-
7.2015
das
Krankenhaus
Politik
nungsverfahrens bei mengenanfälliAbbildung 1: Zukünftige Gestaltung der Mengensteuerung
gen, planbaren Eingriffen geschaffen
werden. Demnach sollen zukünftig Patienten einen regelhaften Anspruch auf
die Einholung einer ärztlichen Zweitmeinung bei ausgewählten planbaren
Eingriffen erhalten. Der Arzt, der die
Indikation für einen Eingriff mit AnMengensteuerung wird von
Etablierung
spruch auf Zweitmeinung stellt, wird
Landes- auf Krankenhausebene
Zweitmeinungsverfahren
verlagert
verpflichtet, den Patienten über sein
Recht auf Einholung einer unabhängigen ärztlichen Zweitmeinung aufzukläSchaffung der Voraussetzung für
Abgesenkte Bewertungsrelationen
ren. Dies soll in der Regel mindestens
qualitätsorientierte
Zuund
für Leistungen mit wirtschaftlich
zehn Tage vor dem geplanten Eingriff
Abschläge
begründeten Fallzahlsteigerungen
erfolgen. Die Zweitmeinung kann
nicht bei einem Arzt oder einer Einrichtung eingeholt werden, durch den
Mehrleistungsabschläge und
Abschaffung der doppelten
oder durch die der Eingriff selbst
Versorgungszuschlag laufen
Degression
durchgeführt werden soll. Allerdings
unverändert weiter
kann der Patient sich nach Einholung
der Zweitmeinung durchaus für den
Zweitmeinungsgeber als Behandler entscheiden.
belegt sind. Es bleibt abzuwarten, welchen Umfang die ZweitZiel der Politik ist es, noch besser sicherzustellen, dass meinung haben soll. Die Indikationsfrage für einen Eingriff
nur solche Eingriffe durchgeführt werden, die medizinisch wird häufig nur im Zusammenhang mit dem operativen Vernotwendig sind und dadurch eine Indikationsausweitung ver- fahren zu bewerten sein. Damit würden auch Operationstechhindert wird. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) soll niken mit in die Zweitmeinung einzubeziehen sein. Die Zuerstmals bis zum 31. Dezember 2015 festlegen, für welche kunft muss zeigen, ob die Sorge der Politik berechtigt ist, dass
Eingriffe der Anspruch auf eine Zweitmeinung besteht. Er heute zu viele Leistungen ohne medizinische Notwendigkeit
soll auch indikationsspezifisch die Anforderungen an die Ab- erbracht werden. Nur wenn dies zutrifft, könnte das Zweitmeigabe der Zweitmeinung und an die Erbringer der Zweitmei- nungsverfahren zu einer Reduktion der Fallzahlen in ausgenung festlegen. Damit soll eine besondere Expertise zur wählten Leistungsbereichen führen.
Zweitmeinungserbringung sichergestellt werden. Vorab festgelegt hat der Gesetzgeber, dass der Zweitmeinungserbringer Qualitätsorientierte Vergütung
neben einer langjährigen fachärztlichen Expertise auch
Kenntnisse zum aktuellen Stand der Wissenschaft und zu Ein zusätzlicher Einfluss auf die Mengenentwicklung im KranTherapiealternativen zu dem empfohlenen Eingriff aufwei- kenhaus soll durch die Erhebung von Qualitätszu- und -absen muss.
schlägen genommen werden. Der G-BA soll dafür einen KataEs ist davon auszugehen, dass der Patient eine Beratung log geeigneter Leistungen oder Leistungsbereiche bestimmen
und eine Aufklärung zu dem geplanten Eingriff im gleichen und Bewertungskriterien beschließen. Mit einer regelmäßig
Umfang auch bei dem Arzt erfragen wird, bei dem er sich die zur Verfügung zu stellenden einrichtungsbezogenen DatenZweitmeinung einholt, um dann nach Kenntnis aller Informa- auswertung durch das Anfang 2015 gegründete Institut für
tionen abzuwägen, ob und wo er die Leistung erbringen lässt. Qualität und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) könDabei ist zu erwarten, dass die Darstellung der Qualität des nen die Vertragsparteien auf Ortsebene feststellen, welche
eigenen Hauses bezogen auf die besprochene Leistung eben- Leistungen oder Leistungsbereiche grundsätzlich die Anfordefalls in die ärztliche Aufklärung der besonderen diagnostischen rungen und Voraussetzungen zur Erhebung von Qualitätszuund therapeutischen Leistungen einfließen muss. Dies kann oder -abschlägen erfüllen. Sie haben dazu zu prüfen, ob im jedazu führen, dass der Patient die krankenhausindividuelle weiligen Krankenhaus Besonderheiten vorliegen, die einen
Qualität (zum Beispiel Komplikationsraten) vergleicht und in Verzicht auf Anwendung eines Qualitätsabschlags begründen.
Damit sollen unberechtigte Abschläge für das einzelne Kranseiner Entscheidung berücksichtigt.
Gerade in Bezug auf innovative Verfahren könnten Mängel kenhaus vermieden werden. Können sich die Vertragspartner
in der Ausgestaltung des Zweitmeinungsverfahrens zur hem- auf die Erhebung von Zu- oder Abschlägen nicht einigen, entmenden Innovationsbremse werden. Wären Zweitmeinungs- scheidet auf Antrag einer Vertragspartei die Schiedsstelle. Die
berechtigte über die Chancen und Risiken innovativer Verfah- Qualitätszu- und -abschläge sollen nur auf die Fälle eines Kranren nicht ausreichend informiert, könnten sie Patienten irr- kenhauses angewendet werden, die im Katalog des G-BA auftümlicherweise von medizinisch sinnvollen Eingriffen abraten genommen sind. Qualitätszuschläge sollen erstmals ab dem
oder aber auch Verfahren empfehlen, deren Nutzen noch nicht ersten Tag des Folgemonats der Vereinbarung abgerechnet
Bis 2016
Ab 2017
627
Politik
werden. Sofern Leistungen oder Leistungsbereiche eines Krankenhauses von unzureichender Qualität sind, werden Qualitätsabschläge nicht unmittelbar umgesetzt. Die Vertragsparteien vor Ort vereinbaren zunächst, dass die Qualitätsmängel
innerhalb eines Jahres beseitigt werden. Für den Fall, dass die
Qualitätsmängel bei der nächsten Prüfung der Vertragsparteien vor Ort nach Ablauf der einjährigen Frist fortbestehen,
kommt der vereinbarte Qualitätsabschlag für ab dem Folgemonat aufgenommene Patientinnen und Patienten zur Anwendung. Zusätzlich wird der Qualitätsabschlag dann auch rückwirkend ab dem Vereinbarungszeitpunkt angewendet. Für die
Umsetzung dieser Regelung soll der Qualitätszuschlag ab dem
Erhebungszeitpunkt für ein Jahr in doppelter Höhe zur Abrechnung kommen. Sollten die Qualitätsdefizite innerhalb der
zwölf Monate beseitigt werden, endet auch die Erhebung des
doppelten Abschlages.
Die Zu- und Abschläge sollen jeweils am letzten Tag des
Monats enden, in dem die Vertragspartner auf Ortsebene feststellen, dass die Voraussetzungen für die weitere Erhebung
eines Qualitätszu- oder -abschlags nicht mehr vorliegen.
Die nähere Ausgestaltung der Qualitätszu- und -abschläge
soll durch die Selbstverwaltung auf Bundesebene bis Ende Juni
2018 vorgenommen werden.
Nach Einschätzung der Autoren wird die Einführung der
qualitätsorientierten Vergütung durch Zu- und Abschläge in
dem dargestellten Umfang kurzfristig nicht umzusetzen sein.
Voraussetzung für die Umsetzung wäre die Verfügbarkeit justiziabler Qualitätsindikatoren mit angemessener Risikoadjustierung. Diese Qualitätsindikatoren fehlen heute und müssen
zunächst entwickelt werden. Eine zeitnahe Umsetzung wäre
lediglich für die Umsetzung von Qualitätsabschlägen vorstellbar, wenn die Dokumentationsquote für die krankenhausweit
vorgegebenen externen Qualitätssicherungsmaßnahmen unzureichend ist.
Fixkostendegressionsabschlag
Die Vertragspartner der Selbstverwaltung auf Landesebene sollen erstmals für das Jahr 2017 einen Mindestabschlag für die
Fixkostendegression bei Mehrleistungen vereinbaren, welcher
den bisherigen Mehrleistungsabschlag ersetzt. Der Kabinettsentwurf 1) führt hierzu aus „Die Vertragsparteien vereinbaren
bis zum 30. September jeden Jahres, erstmals bis zum 30. September 2016, einen von den Vertragsparteien nach § 11 [Ortsebene] für die Vereinbarung zusätzlicher Leistungen anzuwendenden Abschlag in Höhe des für zusätzliche Leistungen geschätzten durchschnittlichen Anteils der fixen Kosten an den
Fallpauschalen (Fixkostendegressionsabschlag), wobei der Abschlag jeweils für fünf Jahre erhoben wird.“ Mit der Vereinbarung der Abschlagshöhe soll sichergestellt werden, dass durch
Verlagerung der Abschläge für die Fixkostendegression ausschließlich auf die Krankenhausebene – und nicht mehr zusätzlich auf Ebene des Landesbasisfallwertes – keine Mehrkosten im Gesamtsystem entstehen.
Es ist zu erwarten, dass die Kostenträger fordern werden,
dass die ab 2017 anzuwendenden Fixkostendegressionsab628
das
Krankenhaus
7.2015
schläge deutlich höher ausfallen, als die aktuellen Mehrleistungsabschläge in Höhe von 25 Prozent. Steigen die Abschläge, würde im Ergebnis trotz Streichung der Berücksichtigung
von Mengensteigerungen im Landesbasisfallwert die wirtschaftliche Situation der Krankenhäuser nicht verbessert.
Wenn – wie vorgesehen – ab 2017 der Versorgungszuschlag
entfällt, gleichzeitig aber die degressive Wirkung von Leistungssteigerungen bei der Verhandlung der Landesbasisfallwerte von der Landes- auf die Ortsebene zusätzlich zum bislang geltenden Mehrleistungsabschlag von 25 Prozent übertragen wird, bleibt faktisch die ökonomische Wirkung der doppelten Degression bestehen, allerdings nur und entsprechend
verstärkt bei den Krankenhäusern, die Mehrleistungen erbringen.
„Ein höherer Abschlag oder eine längere Abschlagsdauer
ist von den Vertragsparteien (auf der Ortsebene) für zusätzliche Leistungen mit höherer Fixkostendegression oder für
Leistungen zu vereinbaren, bei denen in erhöhtem Maße
wirtschaftlich begründete Fallzahlsteigerungen eingetreten
sind.“ 1) Im Referentenentwurf wurden neben „eingetretenen“
auch noch „erwartete“ Fallzahlsteigerungen adressiert. Die im
Kabinettsentwurf erfolgte Beschränkung auf bereits „eingetretene“, also nachweisbare Fallzahlsteigerungen reduziert das
Konfliktpozential in den Verhandlungen. Die Vereinbarung
eines niedrigeren Abschlages als auf Landesebene festgelegt ist
hingegen nicht vorgesehen. Dies kann zu unsachgerechten
Abschlägen für Krankenhäuser führen, sofern ihre mittleren
fixen Kostenanteile niedriger sind als der Mittelwert der fixen
Kostenanteile aller Fallpauschalen, der der Vereinbarung des
Fixkostendegressionsabschlages auf Landesebene zugrunde
zu legen ist.
Der Fixkostendegressionsabschlag soll mindestens fünf
Jahre laufen, kann aber, wie schon ausgeführt, auf Ortsebene
auch mit längerer Laufzeit vereinbart werden. Die vorgegebene
Mindestabschlagsdauer lässt den Vertragspartnern jedoch keine Möglichkeiten, kürzere Abschlagszeiten zu vereinbaren
(X Abbildung 2).
Für Mehrleistungen eines Krankenhauses, die dadurch begründet sind, dass Leistungen zwischen Krankenhäusern verlagert werden, soll der Fixkostendegressionsabschlag nur in
halber Höhe umgesetzt werden. Voraussetzung dafür ist, dass
die Summe der effektiven Bewertungsrelationen im Einzugsgebiet des Krankenhauses nicht ansteigt. Der Gesetzgeber
sieht in seiner Begründung hier zum Beispiel Leistungszuwächse aufgrund der Schließung eines anderen Krankenhauses in der Umgebung oder aufgrund guter Qualität. Das
Krankenhaus muss dafür glaubhaft darlegen, dass die Leistungssteigerungen tatsächlich auf eine Verschiebung aus anderen Einrichtungen zurückzuführen sind. In dieser Pflicht
zur Darlegung der Leistungsverlagerung liegt erhebliches
Konfliktpotenzial für die Verhandlungspartner. Krankenhäusern sollen hierfür aggregierte Informationen, die auf Grundlage der Aufstellung der Entgelte (E1- bis E3-Formulare) erstellt
werden, zur Verfügung gestellt werden. Die Selbstverwaltungspartner auf Bundesebene sollen eine Definition des Einzugsgebietes der Krankenhäuser vereinbaren.
7.2015
das
Krankenhaus
Politik
Ebenfalls sollen die SelbstverwaltungsAbbildung 2: Vergleich der Wirkung des Mehrleistungsabschlages (MLA) und des
partner auf Bundesebene einen Katalog
mindestens fünf Jahre zu erhebenden Fixkostendegressionabschlages (FKDA)
von Leistungen bestimmen, die von
den Abschlägen ausgenommen sind.
25 %
25 %
25 %
100 % im Budget
Die bisherigen Ausnahmeregelungen
werden damit zunächst außer Kraft gesetzt. In der Begründung des Kabinett25 %
25 %
25 %
100 % im Budget
sentwurfs werden als mögliche Ausnahmetatbestände zusätzlich vereinbarte Leistungen bei Transplantationen
?%
?%
?%
?%
?%
100 % im Budget
oder bei Bewilligung zusätzlicher Versorgungsaufträge, für die bisher keine
Abrechnungsmöglichkeit bestand, ge2015
2016
2017
2018
2019
2020
2021
2022
2023
nannt. Auch Leistungssteigerungen
nach vorübergehenden Leistungsrückgängen, die durch personelle Wechsel oder umfassende überschritten, aber nicht unterschritten werden kann. Wenn
Baumaßnahmen in einem Krankenhaus bedingt sind, werden für bestimmte Leistungsbereiche abweichende Abschläge verals denkbare Ausnahmekriterien dargestellt. Die reine Erweite- einbart werden könnten, würden sich elegantere Lösungsmögrung des Versorgungsauftrags durch Aufstockung der Kran- lichkeiten für alle Vertragspartner ergeben, besonderen Konkenhausbetten sei damit aber nicht gemeint.
stellationen Rechnung zu tragen.
Zu begrüßen ist es, dass sachkostenlastige Leistungen mit
Wird die Regelung zur Fixkostendegression so umgesetzt,
2
/3 Sachkostenanteil in der Begründung des Kabinettsentwurfs wie derzeit im Kabinettsentwurf dargestellt, kann dies erhebals weitere Ausnahme beispielhaft genannt wurden. Es wäre zu liche Auswirkungen auf die Deckungsbeiträge bei Mehrleiswünschen, dass diese Ausnahme fest in das Gesetz aufgenom- tungen haben.5) Auch negative Deckungsbeiträge, besonders
men wird, um Konflikte auf der Selbstverwaltungsebene zu bei sachkostenlastigen Leistungen, sind vorstellbar. Bei ohnevermeiden.
hin finanziell angespannter Lage der Krankenhäuser ist anzuSeitdem der Gesetzgeber festgelegt hat, dass der Mehrleis- nehmen, dass diese ihre bisherigen Wachstumsstrategien
tungsabschlag zwei bzw. drei Jahre hintereinander zu zahlen überdenken. Dies ist wahrscheinlich das Ziel der Gesundist, gibt es einen klaren Hinweis in seiner Gesetzesbegrün- heitspolitik. Mit Blick auf die demographische Entwicklung
dung, dass der Mehrleistungsabschlag im Folgejahr nur und angesichts der Erkenntnis, dass die Zahl der älteren
dann erneut und unverändert zu erheben ist, wenn die ver- Menschen, die besonders häufig Krankenhausleistungen in
einbarte Mehrleistung auch im zweiten bzw. dritten Jahr Anspruch nehmen, in den kommenden Jahren stetig zunehnach der erstmaligen Vereinbarung erneut erbracht bzw. ver- men wird, wird dieser Eingriff in die Krankenhausfinanzieeinbart wird. Geht die vereinbarte Leistungsmenge stattdes- rung nach Einschätzung der Autoren auch dazu führen könsen zurück, ist auch der Mehrleistungsabschlag nach aktu- nen, dass medizinisch notwendige Leistungen nicht mehr
eller Lesart des Gesetzentwurfes neu zu berechnen. Der ab zeitnah erbracht werden. Spürbare Wartelisten, insbesondere
2017 zu erhebende Fixkostendegressionsabschlag soll offen- bei planbaren Leistungen, werden entstehen. Denn auch zu
sichtlich die tatsächliche Ist-Leistungsentwicklung und nicht erwartende Leistungssteigerungen aufgrund der demogradie vereinbarten Leistungen berücksichtigen. § 4 Absatz 2 b phischen Entwicklung und des medizinischen Fortschritts
Satz 6 führt dazu aus: „Für die Ermittlung des Abschlags sind sind von den Regeln zum Fixkostendegressionsabschlag
neben den nach Satz 1 zusätzlich vereinbarten Leistungen
Anzeige
auch die gegenüber Vorjahren, die nach dem Jahr 2016 liegen, eingetretenen Veränderungen der abgerechneten Entgelte nach § 7 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 einzubeziehen, soweit
dies unter Berücksichtigung der maßgeblichen Abschlagsdauer erforderlich ist.“ Nach Einschätzung der Autoren ist
der Gesetzestext zu dieser Regelung nicht ausreichend präzise, um daraus die vorgesehene technische Umsetzung des
Abschlags inklusive der vorgesehenen Abschlagsdauer und
der Ausnahmen vom Abschlag ableiten zu können. Da in der
Umsetzung dieser Vorgabe erhebliches Konfliktpotenzial zu
sehen ist, ist eine Konkretisierung des Gesetzestextes dringend erforderlich.
Problematisch ist darüber hinaus, dass das Gesetz vorgibt,
einen gemittelten Fixkostendegressionsabschlag über alle
DRG-Leistungen festzulegen, der auf der Ortsebene höchstens
Politik
nicht ausgenommen. Die Politik erwartet anscheinend, dass
im Wesentlichen die Krankenhäuser die finanzielle Last dieser Entwicklung tragen. Das aber wird mit Blick auf die wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser in der Realität kaum umsetzbar sein.
Mengenorientierte Bewertungsrelationen
Zusätzlich zu den Fixkostendegressionsabschlägen sieht der
Gesetzentwurf Absenkungen oder Abstufungen von Bewertungsrelationen für Leistungen mit „wirtschaftlich begründeten Fallzahlsteigerungen“ vor, was einer mengendegressiven
Preisgestaltung bei bestimmten Leistungen entspricht. Bis
Ende Mai 2016 sollen sich die Selbstverwaltungspartner auf
der Bundesebene auf einen Katalog von Leistungen verständigen, für die Anpassungen der Bewertungsrelationen erfolgen
sollen. In der Begründung zum Kabinettsentwurf wird klargestellt, dass die Selbstverwaltungspartner frei in der Art und
Weise sind, wie die Absenkungen umgesetzt werden. Die Einsparungen durch Etablierung dieser Absenkungen sollen der
Krankenhausfinanzierung nicht entzogen werden, sondern im
Sinne einer Umverteilung der Finanzierung von Leistungen
zugutekommen, die nicht einer dynamischen Leistungsentwicklung unterliegen.
Bei Umsetzung dieser Regeln könnten Kliniken mit großen Fallzahlen in den betroffenen Leistungsbereichen deutliche Erlöseinbußen erfahren, da diese Preisabschläge nicht
nur auf die Mehrleistungen, sondern auf die gesamte vereinbarte Leistungsmenge für die betroffenen Leistungen Anwendung finden sollen. Dies könnte insbesondere fallzahlstarke
Spezialkliniken aus der Herz-Kreislauf-Medizin und der Endoprothetik treffen.
Mindestmengen
Zusätzlich könnte ein Einfluss auf die Erbringungsmöglichkeit
von Leistungen zukünftig durch die Festlegung von Mindestmengen entstehen. Die Festlegung soll nach den Vorgaben der
höchstrichterlichen Rechtsprechung durch das Gesetz rechtssicher ausgestaltet werden, sodass Krankenhäuser mit Klagen
gegen vom G-BA festgelegte Mindestmengen kaum erfolgreich
sein können. Es soll ein Verfahren vorgegeben werden, in dem
die Krankenhäuser das Erreichen der Mindestmengen in Form
einer begründeten Prognose belegen müssen. Der G-BA legt
einen Katalog planbarer Leistungen fest, bei denen die Qualität
des Behandlungsergebnisses von der Menge der erbrachten
Leistungen abhängig ist. Gestrichen wird die Vorgabe, dass die
Qualität „in besonderem Maße“ von der Menge abhängen
muss. Das wird die Vorgabe neuer Mindestmengen durch den
G-BA deutlich erleichtern und vermutlich zu einer verstärkten
Nutzung dieses Instrumentes führen. Neu ist auch, dass die
Mindestmengen für die jeweiligen Leistungen je Arzt oder
Standort eines Krankenhauses oder je Arzt und Standort eines
Krankenhauses festgelegt werden sollen. Der G-BA soll Ausnahmetatbestände und Übergangsregelungen vorsehen, um
unbillige Härten insbesondere bei nachgewiesener hoher Qua630
das
Krankenhaus
7.2015
lität unterhalb der festgelegten Mindestmenge zu vermeiden.
Eine im Gesetz vorgesehene Ausnahme bilden Einrichtungen,
bei denen die Leistungserbringung zur Sicherung einer flächendeckenden Versorgung als versorgungsnotwendig angesehen wird und nachweisbar qualitativ gut erbracht wird. Die
Entscheidung hierzu treffen die Landesbehörden.
Es soll ausdrücklich gesetzlich klargestellt werden, dass ein
Krankenhaus, das eine Leistung erbringt, obwohl es die festgelegte Mindestmenge nicht erreicht, keine Vergütung erhält.
Dies bedeutet, dass die Leistungen „abwandern“ und dann zukünftig in anderen Häusern erbracht werden, die die Mindestmengen nicht unterschreiten.
Die Mindestmengenfestlegungen sind geeignet, Versorgungsstrukturen neu zu gestalten.6), 7) Auch hieraus resultiert
Handlungsbedarf für das Krankenhaus, nämlich die intensive
Beschäftigung mit Leistungen, die heute schon mit Mindestmengen belegt sind und bei denen zukünftig die Mindestmengen angehoben werden könnten bzw. Leistungen, die als Kandidaten für zukünftige Mindestmengenfestlegungen zu identifizieren sind. Dies sind insbesondere Leistungen, die planbar
in größerer Fallzahl in den deutschen Krankenhäusern erbracht werden.
Anpassungen der DRG-Kalkulation
Neben den Regelungen zur Mengensteuerung könnten zwei
wesentliche Änderungen an der DRG-Kalkulation erheblichen Einfluss auf die Höhe der Vergütung von Leistungen
nehmen. Einerseits soll die Stichprobe der DRG-Kostenkalkulation repräsentativer als bisher gestaltet werden, andererseits sollen Absenkungen der Einkaufspreise für medizinischen Sachbedarf früher in der Kalkulation berücksichtigt
werden.
Bislang erfolgt die Teilnahme an der DRG-Kalkulation auf
freiwilliger Basis. Ca. 250 Krankenhäuser liefern fallbezogene
Kosten- und Leistungsdaten, die Grundlage für die jährliche
Aktualisierung und Weiterentwicklung des G-DRG-Systems
sind. Die Zusammensetzung der Stichprobe ist aber nicht repräsentativ für den deutschen Krankenhausmarkt. Insbesondere fällt auf, dass die Verteilung der Kalkulationskrankenhäuser nach Trägerschaften nicht der tatsächlichen Verteilung der
deutschen Krankenhauslandschaft entspricht. Krankenhäuser
in privater Trägerschaft sind deutlich unterrepräsentiert. Größere Krankenhäuser mit hoher Bettenzahl sind hingegen in
der Stichprobe überrepräsentiert, wie dem Abschlussbericht
2015 zur Weiterentwicklung des G-DRG-Systems aus dem
InEK3) entnommen werden kann. Daraus resultierende Fehlbewertungen des G-DRG-Systems wurden vom InEK teilweise
bereits korrigiert. Zukünftig soll durch Gesetzesvorgabe allerdings die Stichprobe repräsentativer zusammengesetzt und
Krankenhäuser zur Teilnahme an der Kalkulation verpflichtet
werden. Die Selbstverwaltungspartner auf Bundesebene sollen
die Krankenhäuser bestimmen, die an der Kalkulation dann
zukünftig zusätzlich teilnehmen müssen.
Veränderungen bei den Kosten des medizinischen Sachbedarfs (Sachkosten) werden nach dem etablierten Kalkula-
das
Krankenhaus
Politik
7.2015
im Kalkulationsjahr einkalkulierten
Implantatkosten werden im Vergütungsjahr durch den höheren Landesbasisfallwert „gehebelt“, gleichzeitig
sinken die Einkaufspreise für diese Implantate. Dieser Effekt besteht jedoch
nur temporär, da die DRG-Fallpauschalen jährlich neu kalkuliert werden und
sich die sinkenden Implantatkosten
dann mit jeweils zweijähriger Verzögerung auch in den DRG-Vergütungen abbilden. Haben die
Implantatkosten einen Bodenwert erreicht, bleibt die DRGBewertung stabil und entspricht im Wesentlichen den tatsächlichen Kosten, die für die Erbringung der Leistung aufgewendet werden müssen. Der „Hebel“ durch den Landesbasisfallwert bleibt aber bestehen.
Mögliche Fehlanreize durch eine systematische Übervergütung der Sachkostenanteile sollen nach dem Gesetzentwurf
zukünftig jährlich analysiert und Maßnahmen zum Abbau vorhandener Übervergütung ergriffen werden. Auf Grundlage
eines vom InEK zu entwickelnden Konzeptes sollen die Selbstverwaltungspartner auf Bundesebene bis spätestens zum
30. Juni 2016 sachgerechte Korrekturen der Bewertungsrelationen der Fallpauschalen vereinbaren. Diese Vereinbarung
soll dann bereits bei der Weiterentwicklung des Vergütungssystems für das Jahr 2017 Berücksichtigung finden.
Abhängig von den Ergebnissen der Analysen und der darauf basierenden Vereinbarung der Selbstverwaltungspartner
zum Abbau ggf. vorhandener Übervergütungen sachkostenlastiger Leistungen könnten, genauso wie durch die geänderte
Zusammensetzung der Kalkulationsstichprobe, große Finanzvolumina zwischen Krankenhäusern umverteilt werden.
Große Gewinner dieser Initiative könnten personalintensive
Leistungsbereiche sein, wie beispielsweise die allgemeine Innere Medizin, die Pädiatrie oder die Dermatologie.
Abbildung 3: Kalkulationsmatrix G-DRG-F98B (DRG-Browser 2013/2015)
tionsalgorithmus erst mit zweijähriger Verzögerung berücksichtigt, was zu einer Überfinanzierung der Sachkostenanteile innerhalb der DRG-Fallpauschale führen kann, sofern
zwischenzeitlich die Sachkosten sinken. Hinzu kommt, dass
die jährlich neu auf Landesebene vereinbarten Landesbasisfallwerte allgemeine Kostensteigerungen der Krankenhäuser,
etwa für Tarifanpassungen und Sachkostensteigerungen, berücksichtigen sollen und entsprechende Aufschläge auf die
kalkulierten G-DRGs bewirken. Für Rheinland-Pfalz liegt
2015 der Aufschlag auf die für das G-DRG-System 2015 kalkulierten Kosten, dem die Kostendaten der Krankenhäuser
aus 2013 zugrunde liegen, bei 20,8 Prozent. Trifft die Annahme zu, dass die Kosten von neuen Medizinprodukten in den
Jahren nach der Einführung stetig sinken, führt der Aufschlag auf die Fallpauschalen durch Anwendung der Landesbasisfallwerte zu erheblichen Überbewertungen, insbesondere von sachkostenlastigen DRGs. Dies soll am Beispiel der
kathetergestützten Herzklappenimplantation (TAVI = DRG
F98B) verdeutlicht werden. X Abbildung 3 zeigt die sogenannte InEK-Kostenmatrix der DRG F98B des G-DRG-Systems 2015.
Dargestellt werden darin zum Beispiel die Kosten für den
ärztlichen Dienst, den Pflegedienst, die Sachkosten und die Infrastruktur bezogen auf einzelne Leistungsbereiche im Krankenhaus. Die durchschnittlichen Kosten der G-DRG F98B betrugen demnach im Leistungsjahr 2013 29 160,93 €. Davon
entfielen 18 399,84 € auf Implantate. Zusammen mit den
Kosten für den übrigen medizinischen Sachbedarf haben die
Sachkosten einen Anteil von über 70 Prozent an den Gesamtkosten der Fallpauschale. Aus den durchschnittlichen Gesamtkosten der DRG wird die sogenannte Bewertungsrelation, eine
relative Bewertung der Kostenunterschiede zwischen den einzelnen DRGs, abgeleitet. Die Bewertungsrelation beträgt
10,384. Wird die DRG-Bewertung von 10,384 Punkten mit dem
Landesbasisfallwert Rheinland-Pfalz von 3 393 € multipliziert,
resultiert eine Vergütung von 35 232,91 €. Die Vergütung liegt
damit über 20 Prozent über den 2013 kalkulierten Kosten. Das
Implantat wird damit in Rheinland-Pfalz mit ca. 22 200 € vergütet. Sofern die Kosten für den medizinischen Sachbedarf
nicht durch 20 Prozent höhere Einkaufspreise gestiegen sind,
entsteht bei der Versorgung von Patienten mit dem
TAVI-Verfahren ein deutlicher positiver Deckungsbeitrag. Gesteigert würde dieser entsprechend, wenn durch die weitere
Ausbreitung des Verfahrens und eines entstehenden Wettbewerbs der Industrie die Implantatkosten im Einkauf sinken
würden. Damit liefen zwei Entwicklungen auseinander: Die
632
Auswirkungen der Änderungen auf das
Krankenhaus und seine Fachabteilungen
Im Ergebnis werden durch die Verschiebung der Bewertungsrelationen auch Erlösbudgets innerhalb eines Krankenhauses zwischen den Fachabteilungen umverteilt. Bestimmte Fachabteilungen mit hohen Mengen von sachkostenlastigen Leistungen
oder höheren Mengen von elektiven Leistungen werden voraussichtlich Erlösbudgetreduktionen hinnehmen müssen, während
andere Fachabteilungen von der Umverteilung profitieren. Gerade bei großen Häusern mit einem breiten Leistungsspektrum
könnten sich diese Effekte über das Gesamthaus weitgehend
ausgleichen, sodass das Gesamterlösbudget wenig tangiert wird.
Häuser mit einer Spezialisierung auf fallzahlstarke elektive Leistungen bzw. hoch sachkostenlastige Leistungen, wie etwa Leistungen der muskuloskelettalen Medizin oder der Herz-Kreislauf-Medizin, könnten jedoch vorwiegend mit einer Reduktion
ihrer Erlösbudgets konfrontiert werden. Dies wird insbesondere
bei Fachkliniken mit einem engen, sehr hoch spezialisierten
X
Leistungsangebot der Fall sein.
das
Krankenhaus
Politik
7.2015
Abbildung 4: Einflüsse auf die Vergütung
Abwertung
Sachkosten
Abschlag NichtTeilnahme Notfall
Fixkostendegressionsabschlag
Abgestufte
Bewertungsrelationen
Abschlag für
unterdurchschnittliche
Qualität
Abbildung 4 stellt die möglichen reduzierenden Einflüsse
auf die Vergütung dar. Im Extremfall könnten bei einer Klinik
mit überproportional hohem Anteil von sachkostenlastigen
Leistungen, die an der Notfallversorgung nicht teilnimmt und
eine unterdurchschnittliche Qualität leistet, fünf verschiedene
Abschläge bzw. Abwertungen der Bewertungsrelationen kumulativ zur Wirkung kommen.
Die vielfältigen Änderungen zur Mengensteuerung sind
dazu geeignet, die Versorgungslandschaft nachhaltig spürbar
zu verändern. Mindestmengen, Qualitätstransparenz sowie die
Bildung von Zentren werden dazu führen, insbesondere spezialisierte Leistungen weiter zu zentralisieren. Diese Leistungen
werden vorwiegend an Häusern der Maximalversorgung, Universitätskliniken und spezialisierte Fachkrankenhäuser verlagert. Dies wiederum könnte Probleme aufwerfen, da in diesen
Häusern die verlagerten zusätzlichen Leistungen aufgrund der
Fixkostendegression (Mehrleistungsabschläge) nur anteilig finanziert werden. Die vom Gesetzgeber geplanten Regelungen
sind vor dem Hintergrund der in vielen Krankenhäusern angespannten finanziellen Situation schwer nachvollziehbar, wenn
gleichzeitig durch eine offensive Qualitätspolitik und durch
Zentrenbildungen Leistungsverschiebungen politisch getrieben werden. Die Leistungen, die in einigen Häusern nicht
mehr erbracht werden, senken dort das Erlösbudget um
100 Prozent ihres Leistungspreises ab und führen in den Zielhäusern aufgrund der Zwangsrabatte auch nur zu anteiligen
Erlösen. Diese nur anteilige Umverteilung scheint vom Gesetzgeber gewünscht mit dem Ziel einer stark wirksamen „Mengenbremse“ bei gleichzeitiger Absenkung des Gesamterlösniveaus.
Die aus den geschilderten Gründen zu erwartende Absenkung der Erlöse fallzahlstarker bzw. sachkostenlastiger Leistungen sowie die zu erwartende Aufwertung anderer Leistungen wird dazu führen, dass die krankenhausinterne ökonomische Bewertung der Fachabteilungen neu erfolgen muss.
Während bisher klassischerweise eine erfolgreiche Kardiologie, Herzchirurgie oder Orthopädie einen positiven Deckungsbeitrag erwirtschaften konnte, mit dem die Defizite anderer
Abteilungen kompensiert wurden, wird dies zukünftig nicht
mehr im gleichen Ausmaß möglich sein. Das führt einerseits
X
634
dazu, dass diese bisher wirtschaftlich erfolgreichen Fachabteilungen einem stärkeren wirtschaftlichen Druck ausgesetzt
werden, sie andererseits aber auch nicht mehr die gleiche Bedeutung im Gesamtportfolio eines Hauses haben werden. Die
wirtschaftlichen Ergebnisse der einzelnen Fachabteilungen
eines Hauses könnten sich stärker annähern.
Leistungssteigerungen, auch wenn sie medizinisch notwendig sind, könnten ab 2017 mit hohen Abschlägen versehen
werden. Wenn Mehrleistungsabschläge bzw. abgestufte DRGBewertungen keine positiven Deckungsbeiträge bei Mehrleistungen ermöglichen, schränkt dies die wirtschaftlichen Möglichkeiten zur Erbringung von Mehrleistungen deutlich ein.
Da Notfälle zeitnah versorgt werden müssen, könnte dies dazu
führen, dass insbesondere bei planbaren Leistungen Wartelisten entstehen. Krankenhäuser werden ggf. ihr Leistungsportfolio auf Notfälle, dringliche Fälle und wirtschaftlich gut
darstellbare Leistungen fokussieren und andere Leistungen
reduzieren.
Der Druck zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit und
der Qualität in den Krankenhäusern steigt also weiter. In welchem Ausmaß eine weitere Verbesserung der Qualität noch
möglich ist, muss die Zukunft zeigen. Im eigenen Haus sollte
auf jeden Fall eine klare Qualitätsstrategie, eine Portfoliostrategie und eine Prozess- bzw. Effizienzstrategie vorhanden
sein, die auch in der gesamten Mitarbeiterschaft verankert ist.
Für das Krankenhaus ergibt sich hieraus die Erfordernis, notwendige Leistungsentwicklungen (zum Beispiel Ausbau bestehender Abteilungen oder Einrichtung neuer Abteilungen)
möglichst in 2015 und 2016 umzusetzen, da für diese Jahre
ein Mehrleistungsabschlag von 25 Prozent gilt, der auf drei
Jahre beschränkt ist. Darüber hinaus gelten für diese Jahre
noch Ausnahmen vom Mehrleistungsabschlag, wie zum Beispiel sachkostenlastige Leistungen. Inwiefern diese Ausnahmen über das Jahr 2016 fortbestehen werden, bleibt abzuwarten.
Die Häuser sind gezwungen, die Wirtschaftlichkeit der
Leistungserbringung noch weiter zu prüfen und ggf. zu verbessern. Sie sollten sich auch noch intensiver mit den Themen
Qualität und Patientensicherheit auseinandersetzen. Hierzu
ist die Qualität im eigenen Hause in allen Bereichen zu hinter-
7.2015
das
Krankenhaus
fragen. Auch die Darstellung der Qualität für die verschiedenen Adressatengruppen ist optimal auszugestalten. Kompetenzzentren sind sichtbar in der Region weiterzuentwickeln,
möglichst interdisziplinär und in sektorübergreifenden Netzwerkstrukturen. Die Qualität und die Ergebnisse von Zentren
sind deutlich herauszuarbeiten und zu kommunizieren.
Fazit
Das Krankenhausstrukturgesetz wird vermutlich eine der
folgenreichsten Reformen der Krankenhausfinanzierung der
letzten zehn Jahre werden. Wenn die in der Reform adressierten Punkte umgesetzt werden, werden sie stark patientensteuernd und leistungsbeeinflussend wirken. Sie hätten damit
einen spürbaren Einfluss auf die Versorgungslandschaft. Leistungen werden zwischen Krankenhäusern verlagert, die veränderte Bewertung von hochfrequenten, insbesondere sachkostenlastigen Leistungen könnte einen stark spürbaren Einfluss
auf die wirtschaftliche Situation von eigenständigen Fachkliniken in der Herz-Kreislauf-Medizin und der muskuloskelettalen Medizin haben. In welchem Maße insbesondere die leistungssteuernden Effekte eintreten werden, hängt von der Ausgestaltung der vom Gesetzgeber initiierten Rahmenbedingungen durch die Selbstverwaltungspartner ab: In welchem
Umfang wird die Verpflichtung zur Zweitmeinung vorgegeben? Wie schnell gelingt es, Qualitätskriterien zu entwickeln,
die dann auch leistungssteuernd wirken? Wie hoch werden die
Fixkostendegressionsabschläge vereinbart? Die Änderungen
fordern Geschäftsführungen und leitende Ärzte in den Krankenhäusern. Ein vertrauensvoller konstruktiver Umgang miteinander ist die Basis für die Sicherstellung einer erfolgreichen
Patientenversorgung.8)
Die Versorgungsqualität in deutschen Krankenhäusern ist
gut, auch wenn sie durch Lobby-Arbeit und ein entsprechendes
Aufgreifen von einzelnen Qualitätsproblemen durch die Medien und durch die Politik infrage gestellt wird. Natürlich
existieren immer Verbesserungspotenziale in ausgewählten
Bereichen. Es ist unserer Meinung nach jedoch aktuell nicht
absehbar, ob durch die vom Gesetzgeber vorgesehenen Maßnahmen am Ende wirklich eine im Durchschnitt bessere Versorgungsqualität als heute erreicht werden kann. Nach Einschätzung der Autoren wird es vermutlich mindestens drei bis
fünf Jahre dauern, bis spürbare Effekte überhaupt sichtbar
werden können.
Es ist anzunehmen, dass dieser vom Kabinett beschlossene
Gesetzesentwurf weitgehend unverändert auch zum endgültigen Gesetz wird und damit Wirkung im deutschen Gesundheitswesen entfalten wird. In welchem Umfang und mit welcher Geschwindigkeit die finanziellen Auswirkungen der geschilderten Regelungen spürbar werden und einen Einfluss
auf die Mengenentwicklungen haben, hängt ganz wesentlich
davon ab, in welcher Tiefe und in welcher Geschwindigkeit die
Selbstverwaltungspartner diese Regelungen ausgestalten. Im
Kabinettsentwurf existieren keine klaren Vorgaben bezüglich
der Höhe der Fixkostendegressionsabschläge oder der mengendegressiven Preisstaffelungen. Hier haben die Selbstver-
Politik
waltungspartner alle Möglichkeiten der Ausgestaltung. Das
Gleiche gilt für die Regelungen, die der Gemeinsame Bundesausschuss zu Qualitätskriterien, Mindestmengen und zur
Zweitmeinung festlegen soll. Allerdings existieren zum Teil
Zeitvorgaben, an denen der Gesetzgeber die Selbstverwaltungspartner messen wird. Es bleibt abzuwarten, inwieweit er
selber nachregulieren wird, falls diese Zeitvorgaben nicht eingehalten werden.
Anmerkungen
1)
http://www.bmg.bund.de/fileadmin/dateien/Downloads/Gesetze_und_Ver
ordnungen/GuV/K/GE_KHSG.pdf
2)
http://www.g-drg.de/cms/G-DRG-System_2015/Abschlussbericht_zur_Wei
terentwicklung_des_G-DRG-Systems_und_Report_Browser/Abschlussbericht_
zur_Weiterentwicklung_des_G-DRG-Systems_fuer_2015
3)
Franz, D., Roeder, N. (2012), Mengendynamik in den Krankenhäusern. Auch
eine gesellschaftliche Frage, Dt. Ärzteblatt, 2012, Seiten 51–52
4)
Schreyögg, J., Bäuml, M., Krämer, J., Tillmann, D., Busse, R., Geissler, A. (2014)
Endbericht zum Forschungsauftrag zur Mengenentwicklung nach § 17 b Absatz 9 KHG, Hamburg Center of Health Economics, Universität Hamburg/TU
Berlin,
http://www.dkgev.de/media/file/17192.2014-07-10_Anlage_For
schungsbericht-zur-Mengenentwicklung_FIN.pdf
5)
Roeder, N., Bunzemeier, H., Fiori, W. (2012), Kostendämpfung durch Mehrleistungsabschläge. Vom Prinzip „gleiches Geld für gleiche Leistung“ zur Budgetierung, das Krankenhaus, 6/2012, Seiten 572–576
6)
Roeder, N., Wenke, A., Heumann, M., Franz, D. (2007), Mindestmengen.
Konsequenzen der Festlegung von Schwellenwerten für chirurgische Leistungen, Der Chirurg, 11, Seiten 1018–1027
7)
Fürstenberg, T., Heumann, M., Roeder, N. (2005), Auswirkungen von Mindestmengen auf die stationären Versorgungsstrukturen der Kardiologie, Z Kardiol, 2, Seiten 95–109
8)
Roeder, N., Bunzemeier, H., Van Aken, H., Martens, S. (2015), Miteinander
erfolgreich statt gegeneinander erfolglos. Zusammenarbeit von leitenden
Ärzten und Geschäftsführung, Z Herz-Thorax-Gefäßchir, online publiziert:
15. Februar 2015
Anschrift der Verfasser
Prof. Dr. Norbert Roeder, Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender, DRG-Research-Group/Dr. Holger Bunzemeier, Leiter des Geschäftsbereichs Medizinisches Management, DRG-Research-Group,
Universitätsklinikum Münster, Domagstraße 20, 48129 Münster/
Martin Heumann, Geschäftsführer Krankenhaus-Zweckverband
Rheinland e.V., August-Horch-Straße 6a, 51149 Köln
„
Anzeige
635