Glaube und Politik
Soll man dem Kaiser Steuern zahlen oder nicht?
Gottesdienst zum 23. Sonntag nach Trinitatis
Gemeindehaus Bangkok
18.10.2015, 11.00 Uhr
Wer da mit „Nein“ antwortete
kam automatisch in den Verdacht
zum Widerstand gegen die römische Besatzung zu gehören
Und mit solchen Aufrührern, mit solchen Terroristen
machten die Römer kurzen Prozess:
Staatsfeinde wurden ans Kreuz gehängt.
Evangelium / Predigttext: Matth. 22,15-22
Psalm 146
Lieder: EG 303,1-4 / 5-7 / 8
Soll man dem Kaiser Steuern zahlen oder nicht?
Liebe Gemeinde!
Wer da mit „Ja“ antwortete
geriet in den Verdacht
ein Feigling zu sein,
oder gar heimlich mit der Besatzungsmacht zu paktieren.
Auch das war nicht ungefährlich:
immer wieder wurden solche Kollaborateure tot aufgefunden
ermordet von den Zeloten
dem bewaffneten Widerstand gegen die Römer.
Jesus, wie hältst du es mit der Politik?
Soll man dem Kaiser Steuern zahlen oder nicht?
So fragen ihn die Abgesandten der Pharisäer,
der Frommen in Israel
die ernst machen wollen mit allen Geboten Gottes.
Und Jesus antwortet:
Gnade sei mit euch und Friede
von Gott, der von Anfang war
und der gegenwärtig ist
und der kommt.
Amen.
Jesus, wie hältst du es mit der Politik?
Soll man dem Kaiser Steuern zahlen oder nicht?
Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist
und gebt Gott, was Gott gehört.
Eine hochspannende, hochgefährliche Frage
damals in Galiläa im Jahr 30 nach Christus.
Über viele Jahrhunderte
haben die Christen diese Worte Jesu
als ein Nebeneinander verstanden:
Denn Galiläa und Judäa waren römische Provinzen
ein besetztes Land
mit römischen Kasernen und Beamten
an allen Schlüsselstellen des Landes.
In der Welt, in der Politik
da regieren Kaiser, Könige, Fürsten.
Da muss man gehorchen, sich unterordnen.
Und natürlich auch Steuern zahlen.
23.So.n.Trin. I Matth.22,15-22 Predigt 18.10.2015
Aber im Glauben, in der Seele, in der Kirche
da gelten die Gebote Gottes
da gelten Liebe und Gewissensfreiheit.
Spätestens jedoch im letzten Jahrhundert
als Könige und Diktatoren
die Menschen in immer größere Kriege führten
in totale staatliche Kontrolle und Massenmord –
da begannen immer mehr Christen zu fragen:
hat Jesus das wirklich so gemeint
dass wir zu allem Ja und Amen sagen
was die Obrigkeit befiehlt
hat Jesus das wirklich so gemeint
dass unser Glaube nur für unsere private Frömmigkeit bestimmt ist
während die Welt um uns herum zum Teufel geht?
Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist
und gebt Gott, was Gott gehört.
Es lohnt sich, noch einmal genauer hinzusehen,
wie Jesus eigentlich damals geantwortet hat.
Erinnern wir uns:
Jesus sagt zu denen, die ihn nach der Steuer fragen
zuerst einmal: zeigt mir eine Geldmünze.
Und er fragt sie danach, was auf der Münze zu sehen ist –
nämlich der Name und das Bild des römischen Kaisers
Für uns heute klingen diese Fragen Jesu
eher belanglos, uninteressant:
natürlich finden sich auf allen Geldmünzen und Banknoten
irgendwelche königliche oder staatliche Symbole.
23.So.n.Trin. I Matth.22,15-22 Predigt 18.10.2015
Aber für die Menschen bei Jesus
wurden diese Fragen immer peinlicher.
Denn als sie die Geldmünzen mit dem Bild des römischen Kaisers
aus den Taschen zogen
entlarvten sie sich selber als Leute
die es mit den Geboten Gottes nicht so genau nahmen.
Denn wie lautet das zweite Gebot:
Du sollst dir kein Bildnis machen –
nicht von Gott,
und auch nicht von irgendwelchen Herrschern.
Also allein dadurch, dass sie dieses Geld in die Hand nahmen
hatten die Frager selbst schon eine Antwort gegeben:
sie hatten längst den römischen Kaiser anerkannt –
und damit all das Unrecht
dass die römische Besatzung über Palästina gebracht hatte.
Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist
und gebt Gott, was Gott gehört.
Und plötzlich bekommt die Antwort Jesu
einen ganz anderen Klang:
keine Auftrennung der Welt in Politik und Glaube
sondern gerade umgekehrt die prophetische Mahnung:
seht doch ehrlich hin, nach welchen Regeln ihr wirklich lebt –
jenseits aller Sonntagsreden und Glaubensbekenntnisse.
Und gebt dem Kaiser nicht, was Gott gehört.
Vor Gott könnt ihr euch nicht damit herausreden
dass das doch alle anderen auch so machen
oder dass der König oder irgendein Gesetz das befohlen hätte.
Liebe Gemeinde,
Gebt dem Kaiser nicht, was Gott gehört.
Was heißt das uns heute?
Keine Steuern mehr zahlen?
Wahrscheinlich müssen wir als Christenmenschen
immer wieder neu entscheiden
in unserem persönlichen Leben
und auch in der Politik
wo die Grenzen dessen sind
was wir mittragen können
und an welcher Stelle wir uns verweigern müssen.
Das kommt wohl darauf an, was mit den Steuergeldern geschieht.
Es hat zum Beispiel in den letzten Jahren
immer wieder einzelne Christenmenschen gegeben
die sich geweigert haben
den Anteil ihrer Steuern zu zahlen
aus denen der Staat den Wehretat finanziert –
also die Soldaten, die Waffen, die Bundeswehreinsätze.
Es gibt jedoch auch andere Christenmenschen
die das ablehnen und sagen:
so, wie die Bundeswehr heute eingesetzt wird
dient sie dem Frieden
und sollte darum auch von Christen finanziert werden.
Ich selber würde mir nicht anmaßen
hier eindeutig zu sagen:
die einen haben recht und die anderen haben Unrecht.
Beide Seiten haben gewichtige Argumente.
Aber vielleicht geht es ja auch gar nicht darum
allgemeine und endgültige Urteile zu fällen.
Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist
und gebt Gott, was Gott gehört.
Und gebt dem Kaiser nicht, was Gott gehört.
23.So.n.Trin. I Matth.22,15-22 Predigt 18.10.2015
Und anstelle weiterer abstrakter Überlegungen
möchte ich erinnern an vier Christenmenschen
vier „Heilige“ aus der Geschichte der Kirche
die jeweils in ihrer Zeit diese Entscheidung getroffen haben –
wie weit sie dem folgten, was alle taten
und von wo an sie sich verweigerten.
Ich erinnere an Martin von Tours, den „Sankt Martin“.
Er lebte im 4. Jahrhundert nach Christus.
Als er Kind war, war der christliche Glaube
im römischen Reich noch verboten.
Martins Vater war römischer Offizier, und natürlich kein Christ.
Aber Martin lernte während seiner Ausbildung als Soldat
den christlichen Glauben kennen.
Schließlich lässt er sich taufen.
Und dann, nach mehr als zehn weiteren Jahren
verweigert er dem römischen Kaiser Julian
den Kriegsdienst mit den Worten:
Ich bin ein Soldat Christi, mir ist es nicht erlaubt zu kämpfen.
Der Vorwurf des Kaisers darauf
er sei in Wirklichkeit ein Feigling, trifft ihn hart.
Aber er bleibt bei seiner Verweigerung.
Ich erinnere an Franziskus von Assisi.
Er wird Ende des 12. Jahrhunderts geboren
als Sohn eines reichen Tuchhändlers in Norditalien.
Die norditalienischen Städte erlebten in dieser Zeit
einen unglaublichen Wirtschaftsaufschwung –
begünstigt nicht zuletzt durch die Kreuzzüge im Mittelmeerraum.
Franziskus lebt in luxuriösen Verhältnissen
bis eine schwere Krankheit
und die Erfahrung einer Kriegsgefangenschaft
sein Leben verändern.
Er beginnt sich vor dem Geld
das sein Leben bis dahin vergoldet hatte, zu ekeln.
Er wirft seinem wütenden Vater
die kostbaren Kaufmannskleider vor die Füße
und zieht fortan als Bettelmönch durch die Lande.
In dieser Armut fühlt er sich Gott und den Menschen wirklich nahe.
Aber diese Armut macht ihn auch zugleich verletzlich:
Franziskus leidet an der Not der Menschen um ihn herum.
Und er leidet am Elend der Kreuzzüge.
Schließlich beginnen durch diesen seelischen Schmerz
seine Hand- und Fußgelenke zu bluten –
an den Stellen, an denen auch der gekreuzigte Jesus blutete.
Ich erinnere noch an einen weiteren Martin –
an Martin Luther:
geboren am Ende des 15. Jahrhunderts
hinein in eine Welt mitten in einem rasanten Umbruch:
Mit Kolumbus und anderen Seefahrern
entdeckt und erobert Europa ferne Kontinente.
Aus China wird die Kunst der Papierherstellung
und das Schießpulver eingeführt.
Mit Johannes Gutenberg beginnt der Buchdruck.
Die ersten internationale Bankhäuser entstehen.
Und ganze Landstriche werden durch Pest und Syphilis entvölkert.
Gegen den Willen seines Vaters
wird Martin Luther Mönch.
Er fürchtet den Zorn Gottes, das Feuer der Hölle.
Und mitten in seiner Verzweiflung
entdeckt er die gnädige Seite Gottes, allein aus Glauben.
23.So.n.Trin. I Matth.22,15-22 Predigt 18.10.2015
Und diese Entdeckung macht ihn zum Aufrührer.
Er kritisiert den Ablasshandel der Kirche,
wird vom Papst mit dem Kirchenbann belegt
eine Verurteilung vor dem Kaiser droht.
Am Ende steht die Spaltung der Kirche.
Ob Luther das alles so gewollt kann, kann man fragen.
Aber vielleicht wäre seine Antwort auch heute dieselbe
wie damals vor dem Kaiser in Worms:
Hier stehe ich, ich kann nicht anders. Gott helfe mir. Amen.
Ich erinnere an Dietrich Bonhoeffer.
Geboren als Professorensohn am Anfang des 20. Jahrhunderts.
Theologiestudium, Promotion, Habilitation - bereits mit 23 Jahren.
Schon zu Beginn des Nationalsozialismus
gehört er zur Bekennenden Kirche
die sich gegen den totalen Machtanspruch des Führerkultes wehrt.
Ende der 30er Jahre schließlich
schließt er sich dem politischen Widerstand an.
Nach dem fehlgeschlagenen Attentat auf Hitler 1943
wird Bonhoeffer verhaftet
und 1945, wenige Tage vor Kriegsende, hingerichtet.
Viele Christen bezeichneten ihn
auch noch nach dem Ende des Krieges
als Vaterlandsverräter.
Und selbst die Bekennende Kirche
hatte ihn von ihren Fürbitt-Listen gestrichen.
Liebe Gemeinde
Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist
und gebt Gott, was Gott gehört.
Und gebt dem Kaiser nicht, was Gott gehört.
Es gibt keine allgemeingültige Antwort darauf,
was diese Worte Jesu für uns heute bedeuten.
Aber die Lebensgeschichten der vier christlichen „Heiligen“
von denen wir gehört haben
lassen uns ahnen,
wohin einen diese Worte Jesu führen können.
Wobei wir nicht vergessen sollten:
Martin von Tour, Franziskus, Martin Luther, Dietrich Bonhoeffer –
sie alle waren keine Helden.
Ihre Lebensentscheidungen
waren immer wieder von Anfechtungen und Zweifeln geprägt.
Sie können uns also nicht Vorbilder sein
in dem Sinne,
dass wir ihren Weg imitieren könnten.
Aber sie können uns Zeugen sein
für das, wohin der Glaube Menschen führen kann:
Hier stehe ich, ich kann nicht anders. Gott helfe mir. Amen.
Ulrich Holste-Helmer
23.So.n.Trin. I Matth.22,15-22 Predigt 18.10.2015