Predigt vom 17. Januar 2016, Thomas Eberhardt, Chrischona Thun Predigt: Ich will euch trösten (Jesaja 66,13) Dieses Bild vom Trostpflaster führt uns direkt zum Thema der heutigen Predigt: Trost. Trost, darum geht es in der neuen Jahreslosung. Das ist ein Bibelvers, der von der Ökumenischen Arbeitsgemeinschaft für Bibellesen ausgewählt wird. Fürs Jahr 2016 lautet er: LUT Jesaja 66:13 Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet. Gott versprach dies seinem Volk Israel vor über 2500 Jahren. Und er sagt es heute auch Dir zu. Gottes Trost ist weit mehr als ein Trostpflaster, darauf werden wir später noch kommen. Es gibt viele Lebenssituationen, in denen Trost zum Thema wird. Eigentlich immer dann, wenn jemand traurig ist: Ein Kind, das sein Kuscheltier daheim vergessen hat. Oder das auf dem Spielplatz umgefallen ist und am Knie blutet. Ein Lehrling, der seine Abschlussprüfung nicht bestanden hat. Eine Frau (oder auch ein Mann), die vom Partner den Laufpass bekommen hat. Trost bedürfen auch Menschen, die einen lieben Angehörigen verloren haben. Aber auch Menschen, die in schwierigen Situationen stehen wie jener Mann, der mir einen Brief geschrieben und geschildert hat, wie schlecht er dran ist, eine pflegebedürftige Ehefrau, zwei kleine Kinder mit schwierigen Krankheitsgeschichten, ohne Arbeitsstelle, in finanziellen Nöten, psychisch angeschlagen. Trost wünschen sich manche aber auch dann, wenn sie Probleme in ihrer Liebesbeziehung haben. Oder wenn ihre Hoffnungen und Träume zerstört wurden. Wenn sie sich nicht verstanden fühlen, einsam sind. Auch Menschen, die Misserfolge einfahren, möchten getröstet werden. Ich möchte dich nun fragen: "Wann hast du das letzte Mal jemanden getröstet?" Und: "Wann wurdest du das letzte Mal von jemandem getröstet?" Bitte lass diese Fragen an dich heran, ganz egal, ob Du nun eine Frau bist oder ein Mann. Wir Männer reden uns manchmal ein, dass wir doch keinen Trost brauchen. Es gibt Männer, die bewältigen ihre schwierige Situation dann mit einem "Frustsaufen". Aber auch wenn das nicht deine Art ist, denke ich, dass es höchste Zeit ist, dass auch wir Männer Trost erfahren und trösten lernen. Deshalb nochmals die Fragen: "Wann hast du das letzte Mal jemanden getröstet?" Und: "Wann wurdest du das letzte Mal von jemandem getröstet?" Wenn ich an Trost-Situationen in meinem Leben denke, kommt mir manches in den Sinn. Etwa ein BMX-Lager, in welchem ich von starkem Heimweh geplagt wurde. Glücklicherweise durfte ich ab und zu in der Küche etwas helfen, das war mir Trost und Ablenkung zugleich. – Oder dann natürlich meine Kinder. Wenn der Kleine wieder einmal über seine kurzen Beinchen gestolpert und hingefallen ist, nehme ich ihn auf den Arm, spreche ihm zu und spüre, wie er sich anlehnt, seine Ärmchen um mich legt und das Schluchzen langsam weniger wird. – Eine meiner stärksten Trosterfahrungen hat mit dem Tod unserer Tochter kurz nach ihrer Geburt zu tun. Es gab eine Abschiedsfeier, zu der viele Leute kamen. Unter ihnen waren Leute wie etwa mein bester Jugendfreund oder – überraschend – ein Kommilitone, mit dem ich während meines Theologiestudiums zwei Jahre im selben Zimmer gewohnt und eine wertvolle Freundschaft aufgebaut hatte. An jenem Nachmittag kamen viele Leute und so hatten wir nicht viel Zeit füreinander, vielleicht zehn Minuten. Das hielt sie aber nicht davon ab, quer durch die ganze Schweiz zu reisen, um uns in unserer Not beizustehen. Für mich war das unbezahlbar und ein starker Trost. Aufschlussreiches zum Begriff "Trost" Trost, das zeigt gerade diese Erfahrung deutlich, lässt sich längst nicht nur auf eine Vernunft- oder Wortebene beschränken. Trost hat vielmehr mit anteilnehmender Präsenz zu tun und ist viel umfassender als Worte für sich sein können. Trost setzt voraus, dass jemand da ist, der mich als Gegenüber ernst nimmt, zu dem ich gehen kann oder der zu mir kommt, wenn ich Hilfe brauche. Unsere Freunde haben uns Trost gespendet. An diesem Ausdruck sehen wir: Wir haben uns in unserer Sprache ein feines Gespür dafür bewahrt, dass tröstlicher Trost nicht selbstverständlich ist, sondern aus der freiwilligen Zuwendung des Gebenden entstammt. Somit war ihr Trost kein billiger Trost, denn billig ist eine Art von Trost, bei der eben die entscheidende Beziehungsebene vernachlässigt wird. Unsere Freunde sind ausserdem dann gekommen, als wir sie gebraucht haben. Email: [email protected] 1 Predigt vom 17. Januar 2016, Thomas Eberhardt, Chrischona Thun Sie haben uns nicht vertröstet auf "irgendwann einmal". Wenn ein Mensch immer nur vertröstet wird, dann ist das für den jetzt leidenden Menschen auf Dauer einfach zu wenig. Menschen lassen sich durchaus vertrösten, aber irgendwann muss aus dem Zukunftstrost wirklich gespendeter Trost werden, sonst verliert der Trost seine heilsame Kraft. So werden Menschen, die nicht oder nicht wirklich getröstet werden, "trost-los". Ein Wort, das viel über einen Zustand aussagt… Was geschieht, wenn man getröstet wird, zeigt der Blick auf die Herkunft des Begriffs. Unser Wort „Trost“ gehört nämlich zum indogermanischen Wortstamm „treu“, der sich von „deru“ für Eiche oder Baum ableitet. Dahinter steht das Bild einer inneren Festigkeit. Interessant, dass Vertrauen, Treue, Trost also sprachlich gemeinsame Wurzeln haben. Dieser Wortstamm signalisiert einen inneren Reifeprozess, eben eine „Festigkeit“, die es mir ermöglicht, meinen Lebensweg zu gehen. Wenn jemand sehr traurig ist, benützen wir manchmal das Bildwort "innerlich aufgelöst" sein. Kommt dann Trost, wird es möglich, dass solch eine Person eben wieder ihre innere Festigkeit erhält. Ich glaube, es ist nach allem Gesagten nicht zu weit hergeholt, die Beziehungsdimension dieser Begriffe zu betonen. Ich verfüge über etwas Selbstvertrauen und erlebe, dass sich damit auch die Möglichkeit verbindet, mich ein Stück weit selbst zu trösten. Und sofort, während ich das sage, wird dir und mir bewusst, wie sehr Vertrauen, Treue und Trost nicht nur von mir selbst abhängen. In all dem bin ich mindestens ebenso stark eingewoben in meine Umwelt, vor allem in die Beziehungen zu anderen Menschen. Und dann kommt da auch Gott ins Spiel. Gott ist uns Menschen ein Gegenüber, einer, der uns tröstend begegnet. Wie tut er das? Wie tröstet Gott? Er tröstet wie eine Mutter, so heisst es bei Jesaja. Zunächst aber die Frage: Weshalb ist dieser Trost überhaupt nötig? Das Volk Israel, das erster Empfänger dieser Zusage ist, verscherzt es mit Gott definitiv. Gott hat es aus allen Völkern der Welt als sein Volk auserwählt, als seine Söhne und Töchter. Sie aber lehnen ihn ab, verbünden sich statt mit Gott mit Herrschern anderer Königreiche und suchen so ihr Heil (vgl. v.a. Jes 1-39). Sie wenden sich von ihrem Gott ab und beten stattdessen andere Götter an (vgl. v.a. Jes 40-55). Und zuletzt versündigen sie sich auch im sozialen Bereich, indem sie zulassen, dass das Miteinander der Menschen nicht von Gott, sondern von eigenen Regeln bestimmt wird (vgl. v.a. Jes 56-66). Dass sie sich so stark von Jahwe, ihrem und dem einzigen und wahren Gott abwenden, verletzt diesen in seinem Herzen äusserst stark. Sie provozieren durch ihr Verhalten die Strafe regelrecht und erhalten sie dann auch in vollem Mass. Doch Gott entscheidet sich dann auch dazu, barmherzig zu sein. Sie sollen wieder heil werden! Er beginnt deshalb, den Gestraften mit Freundlichkeit zu begegnen, den Trauernden mit Trost (Jes 40), mit dem Trost, den eine Mutter für ihre Kinder hat. Wie sieht das aus? Gott ist seinem Volk so umfassend und liebevoll zugewandt, wie dies einer Mutter entspricht. Es herrscht keine Not, kein Grund zur Flucht (Jes 43). Es gibt nämlich keine Strafe mehr, sondern offene, einladende Arme und ein warmherziges Lächeln. "Komm, mein Kind!" Kinder werden altersgerecht, spielerisch betreut und getragen. Zerbrochene Herzen werden verbunden (Jes 61), es kommt ein Heilungsprozess in Gang. Sogar die alten Kleider aus der Trauerzeit werden abgelegt und es liegt ein Duft von Freude in der Luft (Jes 61). Die Kinder fassen neuen Mut und ihre Furcht und Resignation verschwinden. Sie können sich wieder beruhigen, gelassen werden, sich anlehnen. Da herrscht umfassender Friede, "Schalom". So ist der Trost Gottes! Wobei damit längst nicht alles über diesen Trost gesagt ist. Wir finden in der Bibel an vielen Orten noch so manche andere Facette des Trostes Gottes. Ich möchte hier einige streifen, weil ich glaube, dass wir Gottes Art so noch besser verstehen können und sehen, wie er in unsere individuellen Lebenssituationen hineinkommt. Da ist Gottes Trost der Fürsorge. Die ersten Menschen, Adam und Eva, versündigen sich an Gott durch Misstrauen und essen von der verbotenen Frucht. Als Ergebnis erkennen sie, dass sie nackt sind. Das macht ihnen Angst und obendrein werden sie noch weggeschickt. Doch im tiefsten Unglück sehen wir, dass Gottes Liebe sich schon wieder sorgt: Er macht seinen beiden geliebten Menschen Kleidung aus Fellen (1. Mose 3,21). Email: [email protected] 2 Predigt vom 17. Januar 2016, Thomas Eberhardt, Chrischona Thun Später sehen wir Gottes Trost darin, dass er einfach da ist (Trost des Da-Seins). Mittlerweile ist das Volk Israel entstanden, welches aus der Sklaverei Ägyptens in die Wüste in die Freiheit ziehen kann. Sie erleben dort jedoch bald Verfolgung durch ihre ehemaligen Herren, werden von feindlichen Armeen angegriffen und müssen sich zudem irgendwie orientieren in dieser riesigen Wüste. In all dem sind sie jedoch nicht allein: Gott ist da. Er ist ständig gegenwärtig, tagsüber in einer Wolkenund nachts in einer Feuersäule (2. Mose 13,17ff). Gottes Gegenwart tröstet, ermutigt, leitet und führt. Bei Elia, einem grossen Propheten Gottes, sehen wir den Trost, indem Gott diesem Mann die Perspektive erneuert. Elia kämpft sich für Gott ab, gibt alles, hat manchmal Erfolg, wird dann aber auch an Leib und Leben bedroht. Er ist extrem frustriert, mit seinen Kräften am Ende, sieht sich als einzigen Kämpfer für den Herrn, flieht schliesslich in die Wüste und will nur noch sterben. Gott stärkt ihn dort in der Wüste durch einen Engel, begegnet ihm seelsorgerlich und gibt ihm dann einen neuen Auftrag (1. Könige 18-19). Elia erhält von Gott eine neue Perspektive und erfährt so Trost. Im 23. Psalm sehen wir den Trost des schützenden Gottes: "Der Herr ist mein Hirte." Er rettet und bewahrt, geht voraus, sorgt für alles Nötige im Leben. Ja, nicht ich bin mein Hirte, sondern Gott ist es. Ich darf ihm getrost nachfolgen. Auch im neuen Testament finden wir so manchen Trost. Zu Paulus, dem grossen Apostel, der ein nicht näher bekanntes Leiden hat und um Erlösung davon bittet, sagt Gott: Meine Gnade genügt. Sie reicht aus für dich. Ich bin bei dir, verlasse dich nicht. Ich halte dich, auch in deinen Nöten und all deiner Schwachheit. Halte dich an mir, das ist alles, was du brauchst. Dies ist der Trost der Gnade (2. Korintherbrief). Gott gibt uns allen zuletzt auch den Trost, der aus einer begründeten Hoffnung kommt. Er sagt: "Siehe, ich mache alles neu!" Gott zeigt im biblischen Buch der Offenbarung auf, dass er das Weltgeschehen regiert. Wir lesen dort viel Dramatisches, das unsere Vergangenheit, aber auch unsere Zukunft betrifft. Aber dann wird Gott eine neue Welt schaffen. Irgendwann wird all das Elend, in dem unsere Welt sich befindet, vorüber sein. Wer diesem einen Gott von ganzem Herzen vertraut, darf wissen, dass jede geweinte Träne, jedes erlittene Leid nicht das Letzte ist, was über uns und unser Leben zu sagen wäre, weil Gott uns hineinnehmen wird in sein ewiges Reich ohne Tränen und ohne Leid, ohne Schmerzen, Tränen und Tod. Gott gibt uns hier den Trost der Hoffnung. Dieser Gang durch einige wenige Stellen der Bibel zeigt uns, dass Gott vielfältigen Trost für uns bereithält. Er ist die Quelle des Trostes (2. Korinther 1,3). Wenn du traurig bist und niemand dich tröstet, wenn du trost-los bist, dann komm hin zu dem Vater im Himmel, der tröstet, wie eine Mutter es tut. Wirf dich in seine Arme wie der Sohn, der vom Vater weggelaufen ist (Lukas 15) und empfange seinen Trost. Ich schliesse diese Predigt mit einem Erlebnisbericht. Er stammt aus dem Buch: "Ich will euch trösten", das Michael Diener zur Jahreslosung geschrieben hat. Erlebnisbericht: Als Getröstete trösten Nach anstrengender Krisenzeit hörte ich Gott ganz neu und anders in mein Leben sprechen. Ich rang mit mir und entschied mich, trotz kleiner Kinder und kräftezehrendem Betrieb meines Mannes, ein Theologiestudium anzufangen. Einige Monate vor Beginn ging es meinem Mann jedoch sehr schlecht. Die Gespräche zwischen uns wurden immer auswegloser, die Kinder konnten nachts nicht mehr schlafen. Immer lauter wurden Kritik und Zweifel an meinem Weg. Schließlich brach auch noch der Betrieb meines Mannes und damit unsere Überlebensgrundlage auseinander. Dennoch begann ich das Studium. Kraft hatte ich schon lange nicht mehr. Die Flut der gewachsenen Zweifel im Zusammenspiel mit den vielen Ent-Täuschungen über meinen Glauben, die das Studium auch noch mit sich brachte, überrollte mich völlig. Was war das für ein Gott, der so mit uns umging? Wie sollte ich diesem Gott auch nur einen Tag länger vertrauen? Unsere Ehe stand ziemlich auf der Kippe. Wir waren beide am Ende. Ich litt unsäglich um diesen Gott, den ich geliebt hatte, und der mich nun offenbar vor aller Augen so im Stich ließ. Mitten hinein in dieses Chaos wurde ich schwanger. Was Email: [email protected] 3 Predigt vom 17. Januar 2016, Thomas Eberhardt, Chrischona Thun für eine Gnade! In all den Monaten des Fragens und Zweifelns suchte ich doch zumeist weiter in meiner Bibel nach Antworten. Und auf einmal stand er da, dieser Satz: „Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet.“ Und da wusste ich: Das ist es, was ich brauche. Nicht Ratschläge und Richtigkeiten, nicht Anstrengung und Kämpfe, Fragen und schlaflose Nächte – nur das: Trost und Barmherzigkeit. Ich weinte endlose Tränen. Auch Tränen des Schmerzes über all den verlorenen Trost in meinem Leben. So begann mein langer Weg des Getröstetwerdens von Gott. Er war es, der meine Tränen gesehen hat, der an meiner Seite blieb und aushielt, als nichts mehr auszuhalten war und niemand mehr da war. Und er war es, der anfing, mich das Trösten zu lehren. Mein ganzes Denken und Fühlen ist durch diese Erfahrung verwandelt. Mit wie viel Dank konnte ich unseren Sohn in eine für mich ganz neue Welt gebären und zu trösten beginnen: ihn, seine Geschwister, auch meinen Mann. Nein – Chaos und Krisen sind nicht verschwunden. Zweifel und Versagen bleiben und vielleicht sind sie mir sogar bewusster und schmerzhafter geworden. Manchmal nehmen sie mir fast den Atem vor Wut, Schmerz und Angst – aber da ist Gott, der so sanft, nah und behutsam sein kann, wie eine tröstende Mutter. Denn er hat es versprochen und er tut es. Gestern, heute und morgen: „Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet.“1 Ich bete. Einige ergänzende Bibeltexte zum selber nachlesen: Psalmen: 13, 22, 25, 37, 42, 51, 63, 86, 91, 98, 103, 139, 145 Trost aus Jesu Worten: Johannes 13–17 Trost in Jesu Leiden: Matthäus 26,39 Trost als Wegbegleitung: Lukas 24,32 Einige Fragen, z.B. für den Hauskreis: Wann wurdest Du das letzte Mal getröstet? Wann hast Du das letzte Mal jemanden getröstet? Bist Du von Gott schon getröstet worden oder hast Du das bis heute zwar erhofft, aber bisher vermisst? Ist diese Predigt ein Trost für Dich? Falls ja, was tröstet Dich? Falls nicht, was hat Dir gefehlt? Inwiefern ist Dir diese Predigt eine Hilfe, um anderen Menschen Trost zu spenden? 1 Quelle: Diener, Michael: Ich will euch trösten. Das Buch zur Jahreslosung, 2015, SCM-Verlag, S. 83. Email: [email protected] 4
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