Folgen des Klimawandels - Hessisches Landesamt für Umwelt und

Hessisches Landesamt für Umwelt und Geologie
Folgen des Klimawandels
Wasser führen oder teilweise ganz trocken fallen.
Der Permafrost, der in Gebirgsregionen Geröllzonen
zusammenhält, wird auftauen und dadurch die
Möglichkeit zu mehr Erdrutschen eröffnen. Manche
davon könnten gewaltig sein.
Die Folgen des Klimawandels lassen sich heute nicht
sicher beschreiben, denn sie zeigen sich am konkretesten auf lokaler Ebene, für die jedoch bisher keine
ausreichend sicheren Aussagen zum Ausmaß des
Klimawandels möglich sind. Deshalb sollen hier einige plausible Folgen mit dem Schwerpunkt auf
Mitteleuropa dargestellt werden. Nur in wenigen
Fällen werden auch andere Regionen betrachtet –
besonders, wenn die dort erwarteten Auswirkungen
dramatisch oder katastrophal sein können.
In arktischen Breiten wird der Permafrost beim Auftauen zunächst eine riesige Sumpflandschaft hinterlassen, anfangs mit tausenden sich neu bildenden
Seen, deren Wasser dann später ebenso rasch wieder
in den Untergrund abfließen kann – so verschwinden
sie wieder. Aus dem auftauenden Boden könnten
gewaltige Methanmengen entweichen, die zur weiteren Aufheizung der Atmosphäre beitragen. Sollte der
Mensch sich auch noch dazu entschließen, die
Sümpfe trocken zu legen und das Land urbar zu
machen, kämen unweigerlich weitere Treibhausgase
aus dem Abbau der im Boden konservierten Biomasse
hinzu, ob als Methan oder Kohlendioxid.
Folgen für natürliche Systeme
Folgen für die unbelebte Natur
Die Projektionen des internationalen Klima-Expertengremiums (IPCC) für die weltweite Temperaturerhöhung bis zum Ende des 21. Jahrhunderts
reichen von 1,1 bis 6,4 Grad. Bereits die im Vergleich
dazu geringe Temperaturerhöhung seit Beginn der
Industrialisierung (0,6 Grad) reichte aus, um weltweit
die Gebirgsgletscher schmelzen zu lassen und den
Meeresspiegelanstieg zu beschleunigen. Das Abschmelzen der Gletscher und – mehr noch – das
Auftauen der riesigen Flächen Permafrostbodens in
Sibirien, Kanada und Alaska führen zu jeweils besonderen Problemen. Während die Gebirgsgletscher
wegen ihres vergleichsweise geringen Gesamtvolumens nicht wesentlich zum Meeresspiegelanstieg
beitragen werden, sind jedoch zusätzliche Probleme
durch deren Verschwinden zu erwarten: Viele Flusssysteme, die zeitweise hauptsächlich durch Schmelzwasser gespeist werden, könnten dann extrem wenig
Durch das Abschmelzen des Grönlandeises könnte der
Meeresspiegel um sieben Meter steigen. Das Eis der
Antarktis ist sogar für mehr als 60 Meter gut. Das
sind zwar keine raschen Ereignisse – die meisten
Projektionen gehen von Prozessen zwischen mehreren
hundert (Grönland) bis zu zehntausenden von Jahren
(Antarktis) aus. Einmal in Gang gesetzt, könnte es
jedoch keine Umkehr geben. Und die Erhöhung des
Meeresspiegels um 10 Meter oder mehr ist selbst für
Industrienationen wie Deutschland ein Ereignis mit
dramatischen Folgen. Viele Inselstaaten würden gar
einen Anstieg um wenige Meter nicht überstehen –
und von der Landkarte verschwinden.
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HLUG – Folgen des Klimawandels
tion komplexer. Vereinfacht kann angenommen werden, dass Auswirkungen umso dramatischer werden
können, je stärker die Beziehung zwischen Räuber
und Beute ist. Ist eine Art auf ein ganz spezielles
Nahrungsangebot angewiesen, ist sie dann sehr verletzlich, wenn das Nahrungsangebot in der üblichen
Menge oder zur üblichen Zeit nicht mehr zur
Verfügung steht. Ernähren beispielsweise Vögel sich
und ihre Brut vorwiegend von bestimmten Insekten
oder deren Larven und sind diese zur Zeit der Brut
nicht vorhanden, weil sich deren Verbreitungsgebiet
verlagert hat oder weil sie sich früher oder später
entwickeln als es die Jungvogelaufzucht erfordert,
werden sie ein ernsthaftes Problem bekommen.
Besser ist die Situation für Generalisten, die ein breites – gegebenenfalls pflanzliches und tierisches –
Nahrungsspektrum akzeptieren.
Die veröffentlichten Projektionen zu den Folgen des
Klimawandels blenden häufig die Zeit nach 2100 aus.
Dadurch hat sich in den Medien der Eindruck verfestigt, es gäbe keine Probleme danach. Das ist jedoch
nicht der Fall, wie im Kasten „Trägheit des Klimasystems“ anschaulich dargestellt wird. Selbst wenn es
uns gelänge, in den nächsten 30 bis 40 Jahren den
Gipfel des Verbrauchs fossiler Brennstoffe zu überschreiten und ihn in 200 bis 300 Jahren auf ein
Zehntel oder weniger des heutigen Wertes zu verringern, würde das Eis der Antarktis aufgrund unseres
Klimasignals noch für mehr als 10 000 Jahre weiter
schmelzen.
Folgen für die belebte Natur
Die Projektionen des IPCC lassen für Europa eine
Zweiteilung des Klimas erwarten: Im Süden, besonders im Mittelmeerraum, wird es ganzjährig trockener und im Norden, besonders in Skandinavien,
feuchter – zumindest im Winter. Wo die Grenze zwischen Nord- und Südeuropa sein wird, ist hingegen
nicht sicher – insbesondere ob Deutschland in dieser
Hinsicht überwiegend zum Norden oder zum Süden
gehören wird. Wärmer wird es aber überall – bis auf
die Balkanregion, in der es auch bereits in der jüngsten Vergangenheit zu einer leichten Abkühlung
gekommen ist.
Der Abriss von Strömungssystemen wie dem Nordatlantikstrom führte zu geringerer Durchmischung
der Ozeane und damit zur Einschränkung des Gasund Nährstofftransports – mit wahrscheinlich dramatischen Konsequenzen für viele ozeanische Ökosysteme, einschließlich der Nahrungsversorgung des
Menschen. Eine stärkere Schichtung des Wassers
zöge sehr wahrscheinlich eine höhere Oberflächentemperatur nach sich, was die Bildung sehr intensiver
Sturmsysteme gestattete. Die höhere Temperatur der
oberen Wasserschichten bedeutete aber auch für
viele oberflächennahe Ökosysteme das Aus: Große
Korallenriffe befinden sich bereits heute an der
Obergrenze ihrer Temperaturtoleranz.
Für die Ökosysteme des Südens bedeutet das die
Notwendigkeit der Anpassung an noch trockenere
Verhältnisse mit Wüsten- oder Halbwüstencharakter.
Spezies, die in einer solchen Umgebung nicht existieren können, werden aussterben oder bei ausreichender Mobilität migrieren (vorzugsweise nach Norden)
und dann möglicherweise eine neue Chance erhalten, wenn die unterwegs angetroffenen Bedingungen
ihren Anforderungen entsprechen. Für die dort
bereits vorhandenen Ökosysteme wird die Ankunft
von „Neubürgern“ in einzelnen Fällen ein Problem
darstellen, das sie tief greifend verändern kann.
Im Allgemeinen kann jedoch vermutet werden, dass
sich natürliche Systeme langfristig an den Klimawandel anpassen können. Auf dem Weg dorthin wird
es sicher in bestimmten Fällen zu einem Verlust von
Arten – entweder regional begrenzt oder weltweit –
kommen. In ferner Zukunft wird sich unter den
neuen klimatischen Bedingungen jedoch sicher wieder ein neues Gleichgewicht einstellen. Dies kann
aber in den Fällen problematisch werden, in denen
zusätzlicher Druck – beispielsweise durch Verhalten
oder Eingriffe des Menschen – ausgeübt wird.
Dadurch könnte es auch großräumig nachhaltige
Veränderungen geben, die mit einem dramatischen
Artenschwund einhergehen können. Es ist deshalb
wichtig, die notwendige Anpassung natürlicher
Systeme an den vom Menschen verursachten
Klimawandel nicht noch zusätzlich durch Druck auf
diese Systeme zu erschweren. Letztlich sollten wir
uns daran erinnern, dass die Natur Grundlage für
unsere Existenz ist, auch wenn manche Ökonomen
das offenbar noch nicht verstanden haben.
Auch im Norden werden Spezies, denen es zu warm
wird, migrieren – wenn sie können. Schwierig wird
es für zu wenig mobile Arten und solche, die auf
Berginseln existieren. Sie können ab einer bestimmten Rate der Temperaturerhöhung nicht mehr folgen
oder oberhalb einer bestimmten Temperaturerhöhung
nicht mehr ausweichen – weil der Berggipfel erreicht
ist – und werden untergehen.
Bewegt man sich von der Ebene der Einzelspezies zu
Nahrungsnetzen oder Ökosystemen, wird die Situa-
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HLUG – Folgen des Klimawandels
Wie die bereits in mehreren
deutschen Bundesländern durchgeführten Klimaprojektionen zeigen, ist bis zum Ende des 21.
Jahrhunderts mit einer Zunahme
der Jahresmitteltemperatur zwischen 2 und 4 Grad zu rechnen
(siehe aber auch Kasten:
„Trägheit des Klimasystems“). Da
sich besonders die Winter- und
Sommertemperaturen erhöhen
werden, ist mit einem geringeren
Energiebedarf im Winter für
Heizung und mit einem größeren
Energiebedarf im Sommer für
Kühlung zu rechnen. Ob sich im
Saldo eher ein höherer oder niedrigerer Energieverbrauch ergibt,
kann derzeit nicht mit Sicherheit
gesagt werden. Die Klimaerwärmung führt somit nicht automatisch zu einer Senkung des
Energieverbrauchs – wohl aber
mit Sicherheit zu veränderten
Mustern der Energienachfrage.
Durch Kombination von Dämmung, die ja nicht nur gegen
Kälte hilft, mit der Anwendung
von Kühl- und Belüftungs-
in 1000 Jahren
in 100 Jahren
Der Klimawandel ist nicht das
einzige Problem, vor dem der
Mensch im 21. Jahrhundert
steht. Durch das starke Bevölkerungswachstum wird es zu einem
rasant ansteigenden Ressourcenverbrauch kommen – zumal
unter den sich gerade abzeichnenden Bedingungen des angestrebten wirtschaftlichen
Aufholens durch so bevölkerungsreiche Länder wie China und
Indien. Die dadurch entstehende
labile Situation wird die Bedingungen des Klimawandels noch
dramatisch verschärfen und viel
Kapital zur Verringerung der
Auswirkungen binden, das man
für andere ungelöste Probleme
der menschlichen Entwicklung
besser hätte investieren können.
Trägheit des Klimasystems
heute
Folgen für anthropogene Systeme
CO2-Emissionen
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CO2-Konzentration
In der aus dem Dritten Sachstandsbericht des IPCC (TAR) entnommenen und angepassten Abbildung ist anschaulich dargestellt, was sich als Konsequenz aus einer in braun
dargestellten angenommenen Kohlendioxid-Emissionsentwicklung ergeben würde. Die
Annahme geht davon aus, dass die Emissionen der Welt an Kohlendioxid innerhalb der
nächsten 30 bis 40 Jahre ihren Scheitelpunkt erreichen und danach steil abfallen; bis auf
ein Zehntel des heutigen Wertes in 300 bis 400 Jahren. Nur unter dieser Voraussetzung
würde sich der Anstieg der atmosphärischen Kohlendioxid-Konzentration nach Überschreiten des Emissions-Scheitels langsam reduzieren und in 200 bis 300 Jahren ein
relativ konstantes Niveau erreichen. Trotz dann rapide gesunkener Kohlendioxid-Emissionen bliebe die atmosphärische Konzentration über Jahrtausende auf dem hohen
Niveau, bevor sie wieder anfinge, langsam zu sinken (in der Abbildung außerhalb der
Zeitachse). Die Kohlendioxid-Konzentration führte wiederum zur rot dargestellten Temperaturentwicklung. Erst nach rund hundert Jahren würde sich der zunächst rasante
Anstieg verlangsamen. Der Temperaturscheitel würde jedoch erst nach etwa 1500
Jahren erreicht und die Temperaturerhöhung wäre nach dieser Zeit nahezu doppelt so
stark wie nach 100 Jahren. Mit einem Sinken der Temperatur ist erst nach der Abnahme
der atmosphärischen Kohlendioxid-Konzentration zu rechnen. Insofern handelt es sich
beim Temperaturscheitel eher um ein Plateau.
Der Meeresspiegelanstieg ist in blau dargestellt. Unterschieden sind die Effekte durch
thermische Volumenausdehnung des Wassers (hellblaue Linie) und Volumenvergrößerung durch Abschmelzen von Festlandeis (Grönland, Antarktis; dunkelblaue Linie).
Während der Beitrag durch Erwärmung (Ausdehnung) nach rund 2 000 bis 3 000 Jahren
in eine ähnliche Plateau-Phase läuft wie Kohlendioxid-Konzentration und Temperatur,
liefert das schmelzende Festlandeis auch nach 10 000 Jahren noch einen Beitrag zum
Meeresspiegel-Anstieg – obwohl dann schon lange kaum noch Kohlendioxid in die Luft
gelangt und sowohl dessen Konzentration als auch die Temperatur wieder gesunken
sind.
Fazit: Im Klimasystem gibt es keinen „Not-Aus-Knopf“. Wir werden für längere Zeit mit
den Konsequenzen unseres vergangenen und künftigen Handelns leben müssen als die
bisherige Geschichte der verschiedenen menschlichen Kulturen in der Zeit zurückreicht.
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HLUG – Folgen des Klimawandels
anpassen kann. Dabei gibt es jedoch viele Unbekannte. Zwei absehbare Probleme sind Extremwetter-Ereignisse und das vermehrte Auftreten von
Schädlingen. Bei einer Häufung von Dürren,
Starkniederschlägen, Stürmen und Hagel ist die
Prognose schwierig, ob dann die Versorgung immer
noch sichergestellt werden kann. Auch das
Auftreten von häufigerem beziehungsweise stärkerem Schädlingsbefall (größere Populationen, mehr
Generationen pro Saison, Resistenzentwicklungen)
oder gar völlig neuen Schädlingen (Einwanderung
aus anderen Welt-Regionen) ist eine Möglichkeit
des Klimawandels mit unbekanntem Ausgang.
techniken aus der Natur kann es zumindest im
Gebäudebereich gelingen, den durchschnittlichen
flächenbezogenen Energiebedarf auf unter ein Zehntel des derzeitigen Wertes zu senken. Ein großer Teil
der dazu nötigen Verfahren ist bereits heute verfügbar und erprobt.
Damit verbleibt noch der Energiebedarf für wirtschaftliche Tätigkeiten und für Mobilität. Hier ist es
erforderlich das Nötige vom Unnötigen zu unterscheiden (Stichworte: Effizienz, Suffizienz) und den unabweisbaren Energiebedarf durch erneuerbare Energien
zu decken.
Das derzeitige ökonomische System scheint nicht in
der Lage zu sein, die Entwicklung zu steuern, da das
wesentliche Steuerungsinstrument, die Preise, einerseits bei weitem nicht alle Einflussgrößen (Externalitäten) berücksichtigen und andererseits keinen
Mechanismus enthalten, der weit in der Zukunft liegende Entwicklungen berücksichtigen würde.
Vielmehr spiegeln sie die aktuelle Situation auf Grund
von Angebot und Nachfrage wider. Wenn also eine
Ware knapp wird, steigen die Preise, nicht jedoch,
wenn diese Knappheit in 100, 1000 oder 10 000
Jahren zu erwarten ist und heute gehandelt werden
müsste, um die künftige Knappheit zu vermeiden. Bei
Gütern, die der Bequemlichkeit oder dem Luxus dienen, mag das angehen. Wenn es sich aber um überlebenswichtige natürliche Prozesse handelt, kann auch
die größte Geldmenge die erforderlichen Waren oder
Dienste nicht mehr beschaffen, wenn die Natur so
gestört wurde, dass sie diese nicht mehr zur Verfügung stellt. Es ist deshalb nicht nur sinnvoll, sondern
absolut erforderlich, dem Markt ein politisches
Korrektiv mit Weitblick zur Seite zu stellen.
Wassermangel wird in Hessen kein Problem sein.
Nach den vorliegenden Projektionen, die aber noch
abgesichert werden müssen, ist in weiten Teilen des
Landes mit erhöhten Grundwasser-Neubildungsraten
zu rechnen. Sowohl die Trinkwasserversorgung als
auch die Befriedigung des Bewässerungsbedarfs der
Landwirtschaft erscheint damit grundsätzlich gesichert, wenn auch die Wasserqualität sich lokal verschlechtern könnte. In einzelnen Jahren kann es
jedoch, besonders im Spätsommer/Frühherbst zu
extrem niedrigen Abflüssen in hessischen Flusssystemen kommen – mit Folgen für die Energieversorgung,
den Gütertransport und die Abwasser-Einleitungen.
Bei der Aussicht auf wärmeres Wetter herrscht meistens heitere Stimmung, denn viele sind der Ansicht,
dass Deutschland dadurch attraktiver würde. Leider
gibt es dabei aber keine Wahlfreiheit: Man kann das
Wetter nicht so bestellen, wie es einem passt, sondern man muss nehmen, was Natur und Klimasystem
bringen werden. Wärmer bedeutet deshalb nicht,
dass sich die Temperatur im gesamten Jahr langsam
und gleichmäßig erhöht, vielmehr werden bestimmte
Jahreszeiten viel rascher wärmer als andere, das
Wetter könnte zudem wechselhafter werden, Starkregen und Stürme häufiger. Zusammen übersetzt sich
das möglicherweise in weniger Wintersport-Spaß,
mehr extreme Hitze, häufigeren Sturm und Regen im
Sommer und in den Übergangszeiten ausgeprägtes
„April-Wetter“.
Für Europa wird es, bei einer solchen verantwortungsvollen Politik wahrscheinlich möglich sein, der
Bevölkerung die nötigen Nahrungsmittel zur
Verfügung zu stellen – wenn auch nicht notwendigerweise in jeder Region. Bereits heute leiden einige
Mittelmeerländer unter anhaltenden Dürren. Wenn
die Projektionen zutreffen, wird sich diese Situation
verschärfen. In den nördlichen Regionen wird es aller
Voraussicht nach aber möglich sein, dies auszugleichen, wenn auch zum Preis der Ausweitung von
Transporten, die eigentlich – da energieintensiv – eingeschränkt werden sollten.
Neben dem Wohlfühl- oder Spaß-Aspekt gilt es aber
auch noch die Auswirkungen auf die Gesundheit zu
beachten. Extreme Hitze kann körperlich anstrengend sein – bis hin zur Lebensgefahr besonders bei
empfindlichen Menschen (Alte, Kinder). Eine höhere
UV- oder Sonneneinstrahlung kann weitere Gesundheitsgefahren bergen (Augen- und Hautschäden). Ein
wärmeres Klima bedeutet zudem, dass nicht nur viele
Menschen sich wohler fühlen – zumindest in ihrer
Im Allgemeinen wird erwartet, dass die Landwirtschaft in Nordeuropa unter Nutzung neuer
Züchtungen und Bewirtschaftungsmethoden sich an
einen Klimawandel des projizierten Ausmaßes
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HLUG – Folgen des Klimawandels
Schwankungen des Klimas der betroffenen Regionen
möglich, die Landwirtschaft und industrielle
Tätigkeiten dort unmöglich machten. Diese Gebiete
wären somit auch für menschliche Siedlungen ungeeignet. Einen Hoffnungsschimmer mag die Tatsache
darstellen, dass solche abrupten Schwankungen in
ihrer ganzen Heftigkeit auf mehr oder weniger große
Regionen beschränkt sind. Es erscheint sehr unwahrscheinlich, dass die gesamte Erde gleichmäßig von
abrupten Änderungen betroffen sein könnte.
Vorstellung; auch die meisten Insekten sind davon
begeistert. Das ist im besten Fall einfach nur lästig.
Aber auch Gefahren für die Gesundheit können
dadurch entstehen: Viele durch Insekten und andere
Gliederfüßler übertragene Krankheiten sind bedrohlich.
Letztlich ist der Mensch vom Funktionieren der
Natur abhängig. Wenn im schlimmsten Fall eines
anhaltenden ungebremsten Klimawandels die großen
Stoffkreisläufe so weit gestört würden, dass seine
Existenz aufs Spiel gesetzt wäre – etwa durch starke
Veränderungen besonders des Kohlendioxid- oder
Sauerstoffgehaltes in der Atmosphäre, wäre eine
Anpassung schwierig oder gar unmöglich. Als Teil der
Natur ist deshalb auch der Mensch vom Artensterben
nicht ausgeschlossen.
Das Phänomen der Hysterese beschreibt die Tatsache,
dass einerseits der Wechsel zwischen zwei Zuständen
nicht nur auf einem Übergangspfad möglich ist und
deshalb auch das Unterschreiten der zuvor überschrittenen Schwelle, die zum Verlassen des Ursprungszustandes geführt hat, nicht zwangsläufig ausreicht,
zu diesem zurück zu kehren. Andererseits könnte es
vom neuen Zustand noch Pfade zu weiteren
Zuständen geben, die vom Ursprungszustand aus nicht
erreichbar waren. Dies könnte im schlimmsten Fall
dazu führen, dass der Ursprungszustand, wenn er einmal verlassen wurde, niemals wieder erreichbar ist.
Schlusswort/Fazit
So dramatisch die Schilderungen im Einzelnen auch
zu lesen sein mögen, sie gehen noch nicht auf die
größten denkbaren Veränderungen ein. Solche außergewöhnlichen Herausforderungen würden einerseits
durch abrupte Klimaänderungen auftreten, andererseits durch das Phänomen der Hysterese, die komplexen, chaotischen Systemen eigen ist.
Der Klimawandel hält damit sehr viele Unwägbarkeiten bereit, die für die Menschheit gefährlich sind.
Ob er auch zu neuen Chancen führen kann, lässt sich
leider erst hinterher beantworten. Grund genug, das
Schicksal nicht herauszufordern und lieber heute als
morgen mit weiteren konkreten Maßnahmen zu
beginnen, den Klimawandel auf das nun unvermeidbare Ausmaß zu beschränken – denn das viel genannte Kyoto-Protokoll wird dazu bei weitem nicht ausreichen. Es kann nur ein erster kleiner Schritt in die
richtige Richtung sein.
Abrupte Klimaänderungen sind solche, die so rasch
vonstatten gehen, dass sich natürliche oder anthropogene Systeme daran nicht anpassen können und deshalb dadurch einschneidend verändert werden. Was
eine abrupte Klimaänderung ist, hängt daher vom
betrachteten System ab. Aus der Analyse früherer
Klimaschwankungen weiß man, dass sich das Klima
innerhalb von Jahrzehnten, ja sogar wenigen Jahren
grundlegend ändern kann. Dies tritt besonders dann
auf, wenn bestimmte absolute Schwellenwerte oder
Änderungsraten überschritten werden, unterhalb
derer sich das System selbst stabilisiert. Man beobachtet deswegen solche abrupten Klimaänderungen
beim Einschwingen in und noch stärker beim Ausschwingen aus Eiszeiten. So vollzog sich die Hälfte
der Erwärmung des Nordatlantiks vom Ende der letzten Eiszeit bis heute innerhalb nur weniger Jahre.
Durch solche Phänomene sind starke und kurzfristige
Die gute Nachricht ist, dass jede Bürgerin, jeder
Bürger einen Beitrag dazu leisten kann, das vom
Wissenschaftlichen Beirat Globale Umweltveränderung (WBGU) der Bundesrergierung formulierte
2-Grad-Ziel zu erreichen (siehe dazu Kasten 2-GradZiel des WBGU). Das Zauberwort hierzu heißt:
Energie sparen. Dazu besteht Gelegenheit
• beim Bauen (Stichwort: Passivhaus)
• beim Wohnen (Stichworte: Wärmedämmung,
Energie sparende Haushaltsgeräte)
• bei der Mobilität (Stichworte: öffentliche
Verkehrsmittel, sparsame Autos, sparsame
Fahrweise).
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HLUG – Folgen des Klimawandels
Das 2-Grad-Ziel des WBGU
Welche Emissionen kann das Klimasystem maximal verkraften, sodass es nicht in einen Zustand gelangt, der Menschen vor nicht
oder nur schwer lösbare Probleme stellt? Wegen des bisher nicht ausreichenden Verständnisses der vielen Zusammenhänge lässt
sich diese Frage derzeit nicht sicher beantworten. Besser, wenn auch nicht einfach, lässt sich eine Antwort auf die Frage finden, welche Temperaturerhöhung denn maximal zulässig ist, ohne die Menschheit in ihrer Abhängigkeit von der Natur vor so große Herausforderungen zu stellen, dass ihre Lösung aussichtslos sein könnte und damit unausweichlich zu massiven Konflikten führte.
Der Wissenschaftliche Beirat Globale Umweltveränderungen der Bundesregierung (WBGU) hat schon Mitte der 1990er Jahre als Ziel
beschrieben, die Temperaturerhöhung auf maximal 2 Grad gegenüber dem vorindustriellen Zustand zu begrenzen. Der WBGU leitete diesen Wert damals empirisch/pragmatisch ab: In den vielen Jahrhunderttausenden, die prägend waren für die Entwicklung des
Menschen, war es nie wärmer, als 1,5 Grad über dem vorindustriellen Wert. Eine Erwärmung über diesen Rahmen hinaus läge also
außerhalb der menschlichen Erfahrungen. Andererseits geht der WBGU davon aus, dass sich die moderne Industriegesellschaft in
gewissem Rahmen auch an einmalige oder neue Herausforderungen anpassen kann. Er hat sich deshalb auf einen Zuschlag von 0,5
Grad auf den historischen Höchststand geeinigt, von dem er glaubt, er sei durch den nun erreichten Entwicklungsstand gerechtfertigt.
Nach und nach wurde das 2-Grad-Ziel aber durch neue Erkenntnisse gestützt, die es nun auch wissenschaftlich absichern. Es ist deshalb heute ein offizielles Ziel sowohl der Bundesregierung als auch der Europäischen Union und wird darüber hinaus auch weltweit
anerkannt. Ergänzt wurde das Ziel der maximal zuträglichen Temperaturerhöhung durch eine maximal zuträgliche Änderungsrate
von nicht mehr als 0,2 Grad pro Dekade.
Der WBGU betrachtet als Kontrollen für die Wirksamkeit des 2-Grad-Zieles so genannte großräumige singuläre Ereignisse. Wenn der
Klimawandel also nur lokal oder regional nicht aber weltweit oder zumindest sehr großräumig zu gravierenden Auswirkungen führt,
bedeuten diese zwar für die Menschen in den betroffenen Gebieten eine ernste Gefahr, nicht jedoch für die Menschheit insgesamt.
Als Beispiele für großräumige singuläre Ereignisse führt der WBGU auf:
• Zusammenbruch der thermohalinen Zirkulation
• „Runaway“ Treibhauseffekt
• Veränderung der kontinentalen Monsune
• Zerfall des Westantarktischen Eisschildes
• Gefährdung des Grönlandeises
Die thermohaline Zirkulation ist die große Umlaufpumpe der Meere. Sie sorgt für den Energietransport in Nord-/Südrichtung ebenso wie von der Oberfläche in die Tiefe. Sie wird in Gang gehalten durch Dichteunterschiede aufgrund unterschiedlicher Temperatur
und Salzgehalt des Wassers (daher thermohalin). Neben Energie transportiert sie jedoch auch Nährstoffe, Kohlendioxid und
Sauerstoff, die damit in Regionen gebracht werden, in denen ohne die Strömung keine oder nur völlig andere Lebensgemeinschaften existieren könnten. Sie sorgt also für eine ausreichende Kohlendioxidaufnahme aus der Atmosphäre und ist eine
Lebensader für die Nahrungskette der Meere.
Wohin ein „Runaway“ Treibhauseffekt führt, also eine entfesselte, sich selbst verstärkende Erwärmung, kann man auf unserem
Nachbarplaneten, der Venus beobachten. deren Atmosphäre besteht zu über 96 Prozent aus Kohlendioxid und auf der Oberfläche
herrscht eine Druck von 90 Bar und eine mittlere Temperatur von 460 Grad – Leben unmöglich. Theoretisch möglich – wenn auch von
den meisten Wissenschaftlern für unwahrscheinlich gehalten – würde eine solche Katastrophe durch Rückkopplungsmechanismen
wie der Freisetzung von in der Erde und den Meeren gebundenem Methan, dem Abtauen der großen Eisschilde, der Verringerung
von großräumigen Strömungen und der Aufnahme von Wasserdampf in der Atmosphäre.
In den durch kontinentale Monsune geprägten Ländern fallen bis zu 90 Prozent der Niederschläge durch diese großräumigen
Strömungen. Sie sind daher dort eine grundlegende Voraussetzung für die Landwirtschaft. Ihr Ausbleiben oder ihre starke
Veränderung stellte die Versorgung von Milliarden Menschen in Frage.
Im Gegensatz zum wesentlich größeren Ostantarktischen, ist das Westantarktische Eisschild bereits durch eine moderate
Klimaerwärmung bedroht, da es auf abschüssigem Grund ruht und die bremsenden Schelf-Eise zunehmend zerbröseln. Das vollständige Abschmelzen des Westantarktis-Eises hätte einen Meeresspiegel-Anstieg von rund 6 Metern zur Folge.
Von einem Temperaturanstieg akut bedroht ist des Grönlandeis. Erst über eine Schwelle hinaus abgeschmolzen, gäbe es kein Halten
mehr: Innerhalb weniger Jahrhunderte könnte es vollständig verschwinden und damit den Meeresspiegel um etwa 7 Meter anheben.
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