Schade

Praxisbeispiele für die Vermeidung von Hand -/Fingerverletzungen
F. Schade
Voestalpine Stahl GmbH, Mechanisch Technisches Zentrum, Linz, Österreich
Ausgangslage im Jahr 2013
Im Mechanisch Technischen Zentrum der voestalpine Stahl GmbH mit ca. 290 Werkstattmitarbeitern
existieren in drei Meistereien sowohl Hand- als auch Maschinenarbeitsplätze. In der vierten Meisterei
Transport / Logistik werden Anbinde- und Transportarbeiten durchgeführt. Somit ist ein großes
Spektrum an Gefährdungspotentialen für Hände und Finger in den Werkstattbereichen gegeben.
In allen Meistereien werden monatlich „Sicherheitsviertelstunden“ durchgeführt. Die dort behandelten
Themen und Schwerpunkte wurden in der Vergangenheit von der Betriebsleitung und der zentralen
Arbeitssicherheitsabteilung der voestalpine Stahl GmbH vorgegeben.
Ferner gibt es das Instrument des Sicherheitsaudits. Geschulte Auditoren, vorrangig die Meister und
Prozessverantwortlichen, führen mindestens 1 x monatlich ein Audit in einem jeweils anderen
Meisterbereich durch und dokumentieren die Ergebnisse schriftlich.
Das gesetzte Ziel der Reduzierung der Unfallhäufigkeit um jährlich 20 % wurde mit diesen Aktivitäten
jedoch zu diesem Zeitpunkt noch nicht erreicht. Im Gegenteil, die Tendenz zeigte sogar noch weiter
nach oben.
Analyse der damaligen Situation
Um die Ursachen der Zielverfehlung aufzuarbeiten, wurde im Herbst 2013 ein Projektteam aus den
Meistern der Abteilung gebildet. Zu Beginn der Analyse wurden folgende Fragen gestellt:
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Welche Körperbereiche sind am häufigsten bei Unfällen betroffen?
Welches sind die häufigsten Unfallsituationen?
In weiterer Folge wurde hinterfragt:
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die Akzeptanz der Mitarbeiter hinsichtlich dem regelmäßigen Tragen der persönlichen
Schutzausrüstung
werden vom Betrieb überhaupt die richtigen Unfallschutzartikel zur Verfügung gestellt
Erkenntnisse und Ableitungen
Sehr schnell wurde erkannt, dass es immer wiederkehrende Standardsituationen aus dem Bereich der
Handverletzungen mit Quetschungen, Einklemmen und Schnittverletzungen gibt. Annähernd 60 %
aller Verletzungen können diesen drei Ursachen zugeordnet werden. Durch die Beobachtungen bei
den Sicherheitsaudits wurde ebenfalls erkannt, dass speziell die älteren Mitarbeiter häufig auf die
Verwendung von Schutzartikeln wie z.B. Handschuhe verzichteten und jüngere, besonders die
Jungfacharbeiter, gar nicht wussten, wann welche Art von Handschuhen zu verwenden ist und wie
man sich in gewissen Gefährdungssituationen richtig verhält.
Bei der Analyse der Themenbehandlung in den monatlichen Sicherheitsviertelstunden der Meistereien
zeichnete sich damals außerdem das Bild ab, dass die Themen hauptsächlich im Form von
Frontalvorträgen von den Meistern und Vorarbeitern an die Mitarbeiter weitergegeben wurden, d.h. es
fand gar kein richtiges Einwirken und Reflektieren des gehörten Themas bei dem einzelnen Mitarbeiter
statt.
Erarbeitung und Umsetzung des neuen Konzepts
Eine sehr wichtige Erkenntnis aus der Analyse war, dass das neue Konzept nicht, wie früher, von der
Betriebsleitung und dem Werkstattmanagement „Top down“ vorgegeben werden durfte, sondern von
den Mitarbeitern selber auf Grund ihres umfangreichen Erfahrungsschatzes aus der täglichen Arbeit
erarbeitet und entwickelt werden sollte. Nur durch dieses selbst eingebrachte Engagement der
Mitarbeiter konnte die gewünschte Verbindlichkeit bei der Anwendung entstehen.
Für diese Art der Konzeptumsetzung wurden alle 290 Mitarbeiter der Werkstatt in Gruppen zu ca. 10
bis 15 Teilnehmern eingeteilt. Mit jeder Gruppe wurde ein eigener Workshop durchgeführt, bei dem
die Mitarbeiter für ihren Arbeitsplatz zu den folgenden Gefährdungskategorien Vermeidungsstrategien
und Gegenmaßnahmen ausarbeiteten:
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Schnittverletzungen
Quetschungen
Einklemmen
Diese Strategien und Maßnahmen sollten bestehen aus:
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dem richtigen Verhalten in bestimmten Situationen
dem Verwenden anderer, in der Situation wirksameren Arbeitsschutzartikel
dem Verwenden anderer, der Arbeit besser angepassten Werkzeuge und Hilfsmittel
Optimierungspotentiale im Arbeitsablauf
Die insgesamt 140 daraus erarbeiteten potentiellen Verbesserungsmaßnahmen wurden dann vom
Projektteam zusammengefasst und in zwei Kategorien eingeteilt:
1. Vereinbarungen: Abläufe und Anwendungen, die von den Mitarbeitern sofort bei der Arbeit
umgesetzt werden konnten
2. Managementmaßnahmen: Punkte, bei denen noch organisatorische Maßnahmen durch die
Führungskräfte umzusetzen waren (z.B. Ändern von Arbeitsabläufen oder Investitionen in
Werkzeuge und Schutzartikel)
Im letzten und eigentlich wichtigsten Schritt wurden dann alle ausgearbeiteten Vereinbarungen
visualisiert. Hierzu überlegten sich drei ausgewählte Werkstattmitarbeiter im Rahmen einer von ihnen
selbst erstellten Powerpoint-Präsentation, wie die einzelnen Vereinbarungen in Form von Bildern und
„Vorher/Nachher“-Animationen dargestellt werden könnten.
Die entstandenen Animationen sind nun seit Juni 2014 auf jedem der genutzten Bildschirme in der
Werkstatt und auf jedem Computer im Angestelltenbereich des Mechanisch Technischen Zentrums
jederzeit anwählbar und können von allen Mitarbeitern beliebig oft zu Lehrzwecken oder zur
Auffrischung angesehen werden. Besondere Verwendung finden sie in den Sicherheitsviertelstunden
und auch bei thematischen Erstunterweisungen mit Jungfacharbeitern und Lehrlingen.
Erste Erfolge sind bereits erkennbar. Der Trend nach oben konnte durchbrochen werden und es ergab
sich im vergangenen Geschäftsjahr bereits eine Verringerung der Unfallhäufigkeit um ca.12 %. Wir
sind daher sehr optimistisch durch den nun eingeschlagenen Weg das eigentliche Ziel, nämlich die
Verringerung der Unfallhäufigkeit um jährlich 20 %, erreichen zu können.