trachtencouture mit Witz und

itz
Udo T
Foto:
Susanne Bisovsky
Trachtencouture
Witz
und
Esprit
mit
Ihr Stil ist unverwechselbar - avantgardistisch
und gleichzeitig der Tradition verhaftet,
revolutionär, aufregend neu und doch so
vertraut, klischeehaft und spannend,
außergewöhnlich und faszinierend, ein Spagat
zwischen lieblicher Wiener Zuckerwatten­
romantik und opulenter Trachtencouture mit
Witz, Charme und Esprit. Aber vor allem
ist ihre Mode eines: authentisch.
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S
alzburger Festspiele
2012, man spielt die
1798
uraufgeführte
heroisch-komische
Oper “Das Labyrinth” – “Der
Zauberflöte Zweyter Theil”
des Komponisten Peter von
Winter und des Textdichters
Emanuel Schikaneder. Die
Aufführung wird zur Publikums-Sensation, nicht zuletzt
der Ausstattung wegen. Plötzlich ist die Wiener Modemacherin Susanne Bisovsky hier
in aller Munde, denn die Kostüme sind hinreißend schön,
ob schwarz-weiß oder kunterbunt, ob Königin der Nacht,
Papageno, Papagena oder deren Kinderschar, in jedem Entwurf steckt eine unglaubliche
Vielfalt an Ideen. Noch nie zuvor hatte eine Modedesignerin ohne Bühnenerfahrung für
die Festspiele gearbeitet, Regisseurin Alexandra Liedtke
und Intendant Alexandra Pereira, die Susanne Bisovsky
(gemeinsam mit Elisabeth Binder-Neururer) ausgesucht hatten, wurden jedoch für ihre
mutige Wahl belohnt. Sogar
die New York Times berichtete
explizit über die umjubelten
Damen-Rundschau 7-8/2013
Porträt
Fotos: Atelier Olschinsky, Jörg Michel
Das Labyrinth
Der Zauberflöte Zweyter Theil
Salzburger Festspiele 2012
Entwürfe, die mit einigen Abstrichen durchaus in die Kollektionen der Designerin passen würden. Mit Konsequenz
und Fingerspitzengefühl hatte
Susanne Bisovsky auch auf
der Bühne ihren einzigartigen
Stil verwirklicht.
für Österreich und den Pariser
„Concours International des
Jeunes Créateurs de Mode“.
In London studiert sie bei Vivienne Westwood, in Paris arbeitet sie als freie Mitarbeiterin bei J. C. Castelbajac an
dessen Sommerkollektion 90.
Der Werdegang
Die Karriere
Susanne Bisovsky wird in Linz
geboren. Nach der Übersiedelung ins idyllische Gumpoldskirchen und erfolgreicher Matura und Gesellenprüfung in
Mödling geht sie nach Wien,
um an der der Hochschule für
Angewandte Kunst unter Helmut Lang zu studieren. Hier
erkennt man sofort das Potential der Studentin und fördert
sie. J. C. Castelbajac holt sie
im ersten Studienjahr sofort
zu sich nach Paris, Helmut
Lang ermuntert sie, sich dem
Thema „Tracht“ zuzuwenden.
„be tracht ung“ , so lautet
sinngemäß der Titel ihrer Diplomarbeit, die sie mit Auszeichnung macht. Sie erhält
ein Stipendium des berühmten Wiener Couturiers Fred
Adlmüller, den Landespreis
Mit der Modeschau „Black &
White” präsentiert sie sich
1992 erstmals öffentlich in
Wien in der Hochschule für
Angewandte Kunst und im Palais Liechtenstein. In den
nächsten Jahren ist sie als Designerin für verschiedene Unternehmen, sowie als freie
Mitarbeiterin für Helmut Lang
tätig. Die von ihr entwickelte
Technik in Latex gegossener
Spitze wird zum internationalen „Dress of the Year 1995“,
99 Latex-Dresses, wovon man
einen im MOMA in New York
bewundern kann.
Ab 1996 wird sie für drei Jahre
Designerin beim exklusiven
Trachtenhersteller Gössl in
Salzburg und übernimmt
gleichzeitig einen Lehrauftrag
in der Modeklasse der Hoch-
Damen-Rundschau 7-8/2013
Die Malerin
Frida Kahlo war
Inspiration zur
Couture-Kollektion
„Frida“.
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Aus alt mach neu
Ihre Liebe gilt seit Anfang an
alten Materialien und überlieferten Techniken. Auf Flohmärkten und Antiquitätenläden sucht sie weltweit nach
alten Stoffen, Stickereien und
Kleinkunst. Dinge, die andere
Menschen wegwerfen, sind
für sie interessant, Altes und
handwerklich Perfektes wird
wieder zu Neuem verarbeitet.
Aus dem, in den letzen 20 Jahren mit Joseph Gerger zusammen getragenen umfangreichen Fundus österreichischer,
ungarischer, slawischer, deutscher (darunter auch jene der
sehr interessanten deutschen
Minderheiten wie Sorben und
Schwälmer) Trachten und historischer Gewänder, Hüten,
Hauben und Taschen sowie
aus der Literatur über das
Kleidertragen in aller Welt, er14
hält sie ihre Inspiration. Auch
über recht skurrile Dinge, wie
von Kleidung wider die Pest,
dem Backen von Röcken, von
gekalkten Hüten, gepiercten
Flügelhauben und Blutröcken
oder ein Leben lang nicht gewaschenen Kleidungsstücken
ist im Archiv nachzulesen.
Der „Wiener“ Salon
Susanne Bisovsky liebt das
alte Wien-Bild, die Gesellschaft, die Gespräche. Sie will
den typischen „Wiener Chic“
eines „Wiener Mädels“ wieder
aufleben lassen. Mit der Tradition und der Arbeitsweise der
ehemaligen Wiener Haute
Couture Häuser fühlt sie sich
verbunden, ihren Kundinnen
lässt sie von Hausmannequins
bei speziellen „Salons Privés“
die Kollektionen vorführen.
Eigenwillig wie ihr Modestil ist
auch die Einrichtung des Salons, des Herrenzimmers und
des Ateliers in einer ehema­
ligen Seidenfabrik in
der Seidengasse,
am sogenannten
„Brillantengrund“ in Wien.
Während die
Designerin
meist in schwarz
gekleidet ist, überziehen florale Muster Vorhänge, Polstermöbel und
Tapeten. Doch sie ergeben,
zusammen mit zahllosen
Kunst- und Kitschteilen ein
stimmiges Bild, sind Ausdruck eines ganz persönlichen Gesamtkunstwerkes.
Damen-Rundschau 7-8/2013
Fotos: Atelier Olschinsky
schule für Angewandte Kunst
in Wien. Als Vertreterin Österreichs nimmt sie 1998 an der
European Young Designers
Show im Natural History Museum in London teil. Im Jahr
2000 erstellt sie ihre erste
Kollektion für Kathleen Madden, ab 2001 arbeitet sie als
Trachten- Chefdesignerin für
die Kitzbüheler Firma Sportalm, die durch ihre Entwürfe
einen völlig neuen Auftritt hat.
Von 1994 bis 2007 entwirft
sie für die Präsentationen der
Austrian Embroideries auf der
Première Vision in Paris. Aufsehen erregt sie 2006 mit der
„T-Shirt Kollektion, Matrjoschkas” für die Tiroler Traditionsfirma Swarovski, im Jahr darauf folgt das Swarovski
Trachtenspezial.
Zahlreiche Modeschauen im
In-und Ausland folgen. Einen
weltweiten Auftritt verschafft
ihr die Expo Shanghai 2010,
bei der sie die österreichischen Hostessen in Strickdirndl einkleidet und dafür mit
dem Preis für das beste Design belohnt wird.Die vielseitig Begabte entwirft Tapeten,
Porzellan, befasst sich mit Fotografie, arbeitet mit Museen
zusammen, unterrichtet, hält
Vorträge und berät Hotels bei
der Inneneinrichtung.
Foto: Wolfgang Pohn
Porträt
Die Kollektionen
Kontinuität,
Beharrlichkeit
und Unbeeinflussbarkeit sind
ein Teil des internationalen Erfolges der Designerin. Unter
anderen entwickelt Susanne
Bisovsky seit Jahren aus Vergangenem Neues und lässt
durch ihre Bearbeitung Traditionelles modern erscheinen.
Immer wiederkehrendes, zentrales Motiv, ist die (Wiener
Biedermeier) Rose, ein Motiv,
welches auch an slawische
Trachten erinnert und wie Animal-Print oder Versace zu einem weltweiten Klassiker geworden ist. Mit ihren Haute
Couture Kollektionen befriedigt die Designerin das immer
stärker werdende Bedürfnis
ihrer Kunden nach individuellen Kleidungsstücken, ihre
Prêt-à-porter Modelle werden
von Kundinnen aus aller Welt
persönlich geordert.
2003 „Wiener Chic“
Bevor andere den Begriff aushöhlen, hat
sich Susanne Bisovsky diesen beim Patentamt sichern lassen. Die Kollektion wurde
bei einer „fashion procession“ durch Wiens
ersten Bezirk präsentiert.
2005 „Everlasting Collection“
Ist der eigentliche Überbegriff zur Arbeit der
Wiener Designerin. Haute Couture (aber
auch andere Kleidungsstücke) werden über
Jahre hindurch überarbeitet, weggelegt,
hervorgeholt, überprüft und wieder überarbeitet.
2009 „Mitgift” Prêt-à-porter Kollektion
Auf Grund der großen Nachfrage, und weil
nicht jede Frau Haute Couture trägt, wurde
„Mitgift“ entwickelt. Durch wenige prägnante Muster und Formen soll der Kundin
ermöglicht werden, Einzelteile immer wieder neu zu kombinieren und zu ergänzen.
Der logische nächste Schritt zu einem Online-Shop wurde aber wieder verworfen, da
dies Susanne Bisovsky letztendlich nicht
entspricht. Aber es wird demnächst einen
mobilen, zusammenlegbaren „Mitgift“-
Schrank bis oben hin gefüllt mit best-of geben.
2010 „Frida” Haute Couture Kollektion
Die Malerin Frida Kahlo fasziniert Susanne
Bisovsky insofern, da sie die aus der Mode
gekommene Tracht aufgegriffen, mit asiatischen Einflüssen gemischt und damit ihren
unverwechselbaren Stil geschaffen hat. Das
Thema Frida Kahlo wurde jedoch über Umwege an sie herangetragen, sie selbst
scheut das Benützen von Prominenz und die
damit verbundene offensichtliche Quote.
2011 „Innocentia”
Haute Couture Kollektion. Unschuld ist eine
Gabe, besonders in und aus den Augen heutiger Models.
2012 „Mitgift Nr.4“
Wie jede Prêt-à-porter Kollektion wird sie
immer weiterentwickelt, allerdings unregelmäßig und wenn der Zeitpunkt dafür sinnvoll erscheint.
2013 „MITGIFT“
(Video; produced by M.O.F.): Für die Tobi
Reiser-Preisverleihung werden die neuesten
Modelle in einem Video vorgestellt.
Tracht und Mode sind für sie
ein Begriff, für sie hat die
Tracht etwas Zeitloses, fern
von Folklore oder nostalgischer Verklärung. Ihr Zugang
zu ihr ist neutral, sie verschließt sich keinem Experiment und präsentiert Bekanntes in einem völlig neuen
Kontext. So wirken zum Beispiel die historischen Kopfbedeckungen wie die Salzburger
Goldhaube oder der Schwarzwälder Bollenhut zusammen
mit ihren Kreationen plötzlich
avantgardistisch.
Susanne Bisovsky: „Je länger
etwas getragen wird und überlebt, desto mehr ist es Tracht.
Ein Chanel-Blazer ist vielleicht
auch schon so etwas wie eine
Pariser Trachtenmode, oder?“
Der Impuls
„Tracht hat als gesellschaftliches Phänomen eine wechselvolle Geschichte hinter sich.
Mit der Vergabe dieses Preises wird ein Weg aufgezeigt,
wie sich Tracht losgelöst von
national geprägten Ideologien
dynamisch weiter entwickeln
kann – kreativ, nachhaltig,
lustvoll, mit Traditionsbezug
Damen-Rundschau 7-8/2013
FOTO: Freunde des Salzburger Adventsingens
Tracht = Mode
Zur Verleihung des Tobi-Reiser-Preises 2013: v.l. Direktor Heimatwerk Salzburg Hans Köhl, Präsidentin der Salzburger Festspiele Dr. Helga Rabl-Stadler, Christian Pöpperl/Salzburger Stieglbrauerei, Susanne Bisovsky, Landeshauptfrau Mag. Gabi Burgstaller, Dipl.-Ing. Günther Auer.
und höchstem Qualitätsanspruch.“ So lautet die Begründung der Juroren des Vereins
„Freunde des Salzburger Adventsingens“, unter ihnen Direktor Hans Köhl vom Heimatwerk Salzburg und der
Obmann der Freunde des
Salzburger
Adventsingens
Dip.Ing. Günther Auer, zur Verleihung des Tobi Reiser Preises 2013 an Susanne Bisovsky. Von dieser Preisträgerin
wurden viele überrascht. Zum
Ersten wird die Auszeichnung
erstmals in der Kategorie
Tracht verliehen. Zum Zweiten
ist der Großteil der bislang
mehr als 1,7 Millionen Besucher des 1946 von Tobias Rei-
ser (1907-1974) gegründeten
und vom Heimatwerk veranstalteten „Salzburger Adventssingen“, der Tracht gegenüber traditionsverbunden
eingestellt. Doch das Salzburger Heimatwerk ist bereits
seit Jahrzehnten, bei Wahrung
guter Traditionen, um qualitätsvolle Innovation und Eigenkreativität der Trachteninteressierten bemüht.
Und so ist diese Preisträgerin
auch ganz im Sinne Tobi Reisers, des Volksmusikanten,
der sich als Heimatwerk-Geschäftsführer besonders mit
der Erneuerung der Tracht
nach dem zweiten Weltkrieg
beschäftigte. Sie hatte da-
mals für viele Städter die
Sehnsucht nach einer heilen
Welt im ländlichen Raum gestillt. Heute ist die Tracht in
allen Kreisen der Bevölkerung
und weit über Österreich und
Bayern hinaus „tragfähig“.
Das hat allerdings bei der derzeitigen „Spaßgesellschaft“ zu
negativen geschmacklichen
und qualitativen Auswüchsen
geführt. In diesem Sinne wird
die Verleihung an die österreichische Modemacherin mit
Weltformat als Impuls zu einer
dynamischen, nachhaltigen
und lustvollen Gegenbewegung verstanden.
www.bisovsky.com
Eva von Schilgen
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