Die Vertragsbeziehungen im Rechtsschutzverhältnis

DIE VERTRAGSBEZIEHUNGEN IM
RECHTSSCHUTZVERHÄLTNIS
Christoph Arnet, Fürsprecher / MLP-HSG, Leiter Rechtsdienst Coop Rechtsschutz AG
Inhalt
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Ausgangslage
Vertragliche Beziehungen
Rechtsnatur Kostengutsprache
Zusammenfassung
Ausgangslage (I):
Urteil OG ZH vom 09. April 2015
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Anwalt wehrt sich gg. bezirksgerichtliche
Qualifikation einer Kostengutsprache als private
Schuldübernahme der RSV (Schuldnerwechsel)
Obergericht hält fest, dass die Frage der
Rechtsnatur der Kostengutsprache vom Willen
der RSV und des Anwalts abhängt (Konsens)
RSV C habe in einem Schreiben mit der
Formulierung, sie sei «auch im Interesse der
versicherten Beklagten nicht in der Lage, die
Honorarrechnungen zu begleichen», klargestellt,
«dass sie sich als alleinige Schuldnerin der
Honorarforderung betrachtete und lediglich eine
versicherungstechnische Reflexwirkung auf die
Beklagte abmahnte».
Obergericht erkennt aus diesem Grund auf
privative Schuldübernahme, nachdem es dem
Anwalt nicht gelungen sei, die Vermutung nach
Art. 176 Abs. 3 OR zu widerlegen.
*NP140016-O/U
SVV-Fachtagung RSV 2015 ¦ Christoph Arnet
Anwalt
Klientin
RSV
Ausgangslage (II):
BGE 4A_224/2015 vom 24. August 2015
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(…) Der Beschwerdeführer begründet das Vorliegen einer Rechtsfrage
von grundsätzlicher Bedeutung damit, dass der Streitgegenstand die
Grundsatzfrage betreffe, welche Rechtswirkung die Kostengutsprache
Bundesgericht tritt auf Beschwerde nicht ein, da keine
einer Rechtsschutzversicherung habe - ob es sich um eine kumulative
grundsätzliche Rechtsfrage vorliege. Die Vorinstanz
oder eine privative Schuldübernahme handle. Die Rechtsfrage sei im
habe zur Hauptsache auf die konkrete Situation
Gesetz nicht geregelt und bis anhin von der Rechtsprechung nicht
zwischen den Parteien abgestellt, womit es lediglich
geklärt worden. Die Lehrmeinungen seien geteilt. Die Rechtsnatur der
um die Anwendung von Grundsätzen der
Kostengutsprache sei von erheblicher Bedeutung für die Praxis.
Rechtsprechung
auf
konkreten Fall gehe.
Angesichts
der Vielzahl
voneinen
rechtsschutzversicherten
Rechtsfällen sei
davon auszugehen, dass viele gleichartige Fälle zu beurteilen sein
werden.
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Ausgangslage (III): Lehrmeinungen zur
Rechtsnatur der Kostengutsprache
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Bei Beauftragung des Anwalts durch den
Versicherten:




Interne Schuldübernahme
(Befreiungsversprechen, Erfüllungsübernahme)
gemäss Art. 175 OR
Externe (privative) Schuldübernahme gemäss
Art. 176 OR -> Schuldnerwechsel
Kumulative Schuldübernahme (Schuldbeitritt)
Bei Beauftragung des Anwalts durch die RSV:


Direkte Stellvertretung
Vertrag zu Gunsten Dritter
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Ausgangslage (IV): Bestimmungen OR
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Art. 176
Art. 175
II. Vertrag mit dem Gläubiger
B. Schuldübernahme
I. Schuldner und Schuldübernehmer
1. Antrag und Annahme
1
1
Wer einem Schuldner verspricht, seine Schuld
zu übernehmen, verpflichtet sich, ihn von der
Schuld zu befreien, sei es durch Befriedigung
des Gläubigers oder dadurch, dass er sich an
seiner Statt mit Zustimmung des Gläubigers zu
dessen Schuldner macht.
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Der Übernehmer kann zur Erfüllung dieser
Pflicht vom Schuldner nicht angehalten werden,
solange dieser ihm gegenüber den
Verpflichtungen nicht nachgekommen ist, die
dem Schuldübernahmevertrag zugrunde liegen.
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Unterbleibt die Befreiung des alten
Schuldners, so kann dieser vom neuen Schuldner
Sicherheit verlangen
Der Eintritt eines Schuldübernehmers in das
Schuldverhältnis an Stelle und mit Befreiung des
bisherigen Schuldners erfolgt durch Vertrag
des Übernehmers mit dem Gläubiger.
2
Der Antrag des Übernehmers kann dadurch
erfolgen, dass er, oder mit seiner Ermächtigung
der bisherige Schuldner, dem Gläubiger von
der Übernahme der Schuld Mitteilung macht.
3
Die Annahmeerklärung des Gläubigers kann
ausdrücklich erfolgen oder aus den Umständen
hervorgehen und wird vermutet, wenn der
Gläubiger ohne Vorbehalt vom Übernehmer
eine Zahlung annimmt oder einer anderen
schuldnerischen Handlung zustimmt.
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Parteien im Rechtsschutzverhältnis
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Auftrag
Anwalt
Klient
RSV
??
Rechtsschutzverhältnis
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Versicherungsvertrag
Der Rechtsschutzversicherungsvertrag
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Versicherter erhält gegen
Erstattung einer Prämie
Versicherungsschutz
Versicherer verpflichtet sich
zur Leistung im
Versicherungsfall
Privatautonomie
Rechtsgrundlagen:
 Art. 32 VAG
 VVG
 Art. 161 ff. AVO
 ergänzend: OR
Eigenleistung
Kostenerstattung
Schadenfall und Mandatsführung
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Mandat Rechtsschutzversicherung
(Beauftragungspflicht)
Bedarf
nach
Rechtsschutz
Fallabschluss
Karenzfrist
Vertragsschluss
RSVinterne
Bearbeitung
Grundereignis
Fallanmeldung
evtl. Beizug
externer Rechtsanwalt
Zustimmungsvorbehalt
/ Kostengutsprache
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Mandat Rechtsanwalt
Verhältnis zwischen Anwalt und RSV
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FFE
oder
FFE
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I. AVB sehen Mandatierung durch Vs vor
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Anwalt
Kein vertragliches
Verhältnis! Kein
Weisungsrecht!
Auftrag / Bevollmächtigung / Weisungsrecht / Honorarschuldnerschaft
Klient / Versicherter
Rechtsschutzversicherung
Versicherungsvertrag / Internes Befreiungsversprechen Art. 175 Abs. 1 OR / Obliegenheiten
Art. 39 und 61 VVG / Auftrag (subsidiär)
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Beauftragung / Weisungsrecht
Weisungsrecht
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
Versicherungsnehmer beauftragt
Anwalt, nicht RSV
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Gilt auch für von Rechtsschutzversicherung vermittelte Anwälte
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Keine direktrechtliche Einflussnahme Rechtsschutzversicherung
– Rechtsanwalt
Indirekte Einflussmöglichkeit über
versicherungsvertragliche Obliegenheiten des Vs (v.a. Art. 39 und
61 VVG, AVB):
Anwalt

Klient / Versicherter
Rechtsschutzversicherung
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Schadenminderung
Mitwirkung
Auskunft / Information
Zustimmungsvorbehalt…
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Kostengutsprache
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Anwalt
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Klient / Versicherter
Rechtsschutzversicherung
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Kostengutsprache

Interne Schuldübernahme
Art. 175 Abs. 1 OR
Versicherungsnehmer hat Anspruch auf Kostengutsprache (BGE
119 II 371) und ist Adressat
Zusicherung der Rechtsschutzversicherung, allfällig später entstehende, mit der Rechtsverfolgung
verbundene Kosten zu
übernehmen.
Verbindliche Mitteilung der Rechtsschutzversicherung über ihre künftige Leistungspflicht (Anwalts- und
Gerichtskosten)
Mitteilung an RA bloss deklaratorisch, insbesondere kein Antrag
i.S.v. Art. 176 Abs. 2 OR auf
externe, privative Schuldübernahme
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Abgrenzungen (I)
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Keine privative Schuldübernahme (a.M. Fuhrer):
Setzt entsprechenden übereinstimmenden Willen zwischen
Rechtsschutzversicherung und RA voraus, aber:
 Anwalt will Klient nicht aus Honorarschuldnerschaft
entlassen (Spezialabreden, Erfolgshonorar, Zahlungsunfähigkeit RSV)
 Rechtsschutzversicherung könnte keine Einwendungen aus
Versicherungsvertrag geltend machen (Art. 179 Abs. 3 OR)
 Kostengutsprache beinhaltet regelmässig auch Gerichtsund Parteikosten, gegenüber welchen RA nicht Gläubiger ist
 Verjährungsrechtliche Überlegungen

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Abgrenzungen (II)
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Keine Solidarschuldnerschaft bzw. kumulative Schuldübernahme (a.M. Poltera)
Setzt entsprechenden übereinstimmenden Willen zwischen
Versichertem, Rechtsschutzversicherung und RA voraus,
aber:
 BGE 119 II 368: Übernahme Kosten Rechtsschutzfall -> aus
Kostengutsprache folgt Befreiungsanspruch
 kein Interesse Rechtsschutzversicherung, da Solidarschuld
zur ursprünglichen nicht akzessorisch und keine Einreden
aus dem Versicherungsvertrag geltend gemacht werden
könnten (vgl. auch BGE 129 III 710)
 Kostengutsprache -> Gerichts- und Parteikosten, gegenüber
welchen RA nicht Gläubiger ist
 Verjährungsrechtliche Überlegungen

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II) Rechtsschutzversicherung mandatiert Anwalt
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Klient / Vs
Kein vertragliches Verhältnis! Kein Weisungsrecht!
Rechtsschutzversicherung
Vertrag zu Gunsten Dritter:
Rechtswirkung
/ Vollmacht /
Weisungsrecht
Anwalt
Stellvertretung
Rechtswirkung
/ Vollmacht /
Weisungsrecht
Als direkter Stellvertreter:
Anwalt =
Schuldner
Rechtsschutzversicherung
= Gläubiger
Klient/Vs =
Begünstiger
Versicherungsvertrag /
Valutaverhältnis
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Auftrag /
Deckungsverhältnis
Zusammenfassung
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1.
Grundlage des Dreiecks-Verhältnisses Kunde / Anwalt / Rechtsschutzversicherung ist der Rechtsschutzversicherungsvertrag
2.
Der Anwalt ist der Rechtsschutzversicherung gegenüber unabhängig:
a.
b.
c.
d.
Keine vertragliche Beziehung*
Weisungsrecht beim Mandanten
Honorarschuld beim Mandanten*
Berufsgeheimnis gilt auch gg. Rechtsschutzversicherung
3.
Die Kostengutsprache der Rechtsschutzversicherung ist ein internes
Befreiungsversprechen gegenüber dem Kunden und stellt weder eine
privative noch eine kollektive Schuldübernahme dar
4.
Die Rechtsschutzversicherung hat mittelbare, derivative Einflussmöglichkeiten über die Obliegenheiten des Versicherten
(*Ausnahme: Vertrag zu Gunsten Dritter)
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Besten Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
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