Soldaten vor der Abfahrt an einer offenen Wagentür Scheinbar eine Allerweltsaufnahme. Solche Bilder wurden tausendfach photographiert und in die Heimat verschickt. Was ist so Besonderes an dieser alten Postkarte aus dem Ersten Weltkrieg? Österreichische Soldaten der k.u.k. Armee erhalten Feuer von einem dänischen Offizier, diesmal ist es jedoch kein Gewehr- oder Granatfeuer, sondern nur zum Anzünden von Zigaretten in offensichtlich gelöstfreundlicher Atmosphäre. Wie und aus welchem Grunde sind die Kaiserjäger-Dragoner aus der Doppelmonarchie Österreich-Ungarn von der Ostfront nach Dänemark gekommen? Die „Momentaufnahme“ zeigt die Szene am 31.05.1917 „vor der Abfahrt von Aarhus nach Hald“, eine Entfernung von 100 km. Sie wurde an „Hochwohlgeboren Herrn Anton Matz Werksbahnbeamter Witkowitz, Mähren, Österreich“ gesandt. Witkowitz in Mähren ist heute ein Ortsteil von Ostrava (Mährisch Ostrau). @P. Dr. D. Hörnemann, Eisenbahnmuseum Alter Bahnhof Lette, www.bahnhof-lette.de, Seite 1 von 6 1 Die drei österreichischen Soldaten waren auf dem Weg nach Mitteljütland. Dort befand sich von 1917 bis 1918 ein Lazarettlager bei Hald. Während des Ersten Weltkrieges – in dem Dänemark neutral war – richtete die dänische Regierung nach Absprache mit den kriegsführenden Parteien zwei Kriegsgefangenlager für kranke und verwundete Kriegsgefangene ein. Das Lager in Horserød, Seeland, diente hauptsächlich für russische Kriegsgefangene, das Lager in Hald bei Viborg für Kriegsgefangene aus Deutschland und Österreich-Ungarn. Kriegsgefangene, die während des Aufenthaltes im Lager Hald gestorben sind, wurden auf dem städtischen Friedhof der Stadt Viborg beerdigt. Eine fast 2½ Meter hohe Granitstele ist mit der martialischen Inschrift versehen „Dulce decorumque est pro patria mori“ – „Süß und ehrenvoll ist es, für das Vaterland zu sterben“, der kaum jemand zustimmen mochte, der den Krieg am eigenen Leibe erlebt hat. Unter zwei Reliefs mit dem preußischen Adler und dem österreichischen Doppeladler sind die Verstorbenen des Lagers Hald 1917 – 1918 aufgelistet: Namen der Gefallenen: Name BASTIC BIBEL BOT BREUNICH CSENYI FERENCIC JESZENTZKY KOZUB Vorname Luka Peter Sandor Paul Anton Juro Johann Michael Geburtsdatum 20.10.1897 1881 15.09.1877 05.02.1892 31.08.1894 05.04.1896 1873 10.10.1873 Todesdatum 04.08.1917 08.11.1917 06.08.1917 10.05.1917 18.07.1917 26.06.1917 04.06.1917 24.05.1917 Einheit k.u.k. I.R. 79 k.u.k. I.R. 20 Honv. Ldst. R. 22 R.I.R. 350 k.u.k I.R. 38 k.u.k I.R. 16 Honv. I.R. 15 k.u.k Ldw. I.R. 35 @P. Dr. D. Hörnemann, Eisenbahnmuseum Alter Bahnhof Lette, www.bahnhof-lette.de, Seite 2 von 6 2 Name KRIC KUCSERA MATTEJ MORASZTERECKI OTT PAP REINKE REITER SCHICK SELIK SZOTYORI ZANKO ZIMA Vorname Franz August Andreas Iwan Janos Vincenz Erich Paul Richard Ivan Josef Laslo Stefan Geburtsdatum 1891 28.08.1869 27.07.1894 15.04.1897 15.07.1889 15.03.1879 25.03.1896 27.10.1896 17.01.1896 1884 17.10.1883 1882 1866 Todesdatum 22.11.1917 15.06.1917 25.07.1917 22.06.1917 07.08.1917 23.01.1918 21.07.1917 19.08.1917 25.06.1917 21.08.1917 30.06.1917 22.05.1917 19.10.1917 Einheit k.u.k. I.R. 8 k.u.k. Jæg. Btl. 19 k.u.k. I.R. 13 k.u.k. I.R. 35 k.u.k. I.R. 19 Honv. I.R. 18 R.I.R. 61 k.u.k. I.R. 92 Einj. Frw. I.R. 149 k.u.k. Ldw. I.R. 33 Honv. I.R. 24 Honv. I.R. 20 k.u.k. Ldst. R. 10 Honvéd = ungarischer Landsturm „Vaterlandsverteidiger“ Um neutral bleiben zu können, beteiligte sich Dänemark im Ersten Weltkrieg an der humanitären Arbeit. Auf dänische Initiative wurde eine Vereinbarung geschlossen mit Deutschland und Österreich-Ungarn sowie Rußland zur Aufnahme kranker Kriegsgefangener. Zu diesem Zweck wurden 1917 die Lager Horserød und Hald errichtet. Das Lager Hald wurde auf einem alten Lagergelände gebaut, wo es nutzbare Brunnen gab. In beiden Lagern Hald und Horserød wurden sehr schnell 64 rot lackierte Holzbaracken erbaut, die 200 Offiziere, 1000 Soldaten und die dänische Wachmannschaft von 120 Mann aufnehmen sollten. Der Lagerkommandant war Oberst Vilhelm Giersing. Das Lazarettlager bestand aus einer chirurgischen, einer medizinischen und einer Tuberkuloseabteilung. Das Lazarettlager Hald bestand für etwa ein Jahr, während dieser Zeit gingen etwas mehr als 1.500 Kriegsgefangene durch das Lager, von denen etwa 1.200 aus Kriegsgefangenen, die Gefangenenaustausch Österreich-Ungarn in aus Hald als stammten. Folge Österreich-Ungarn der und Die letzten Vereinbarung zum Deutschland bzw. Rußland interniert waren, verließen das Lager im Mai 1918. Das Lager wurde bald wieder aufgefüllt. Vom Herbst 1918 bis 1920 wurden im Lager Hald mehrere tausend, vor allem russische Kriegsgefangene untergebracht, die entweder auf der Flucht waren als Kriegsgefangene aus Norddeutschland, wo einige in der Landwirtschaft beschäftigt oder als @P. Dr. D. Hörnemann, Eisenbahnmuseum Alter Bahnhof Lette, www.bahnhof-lette.de, Seite 3 von 6 3 Folge des Friedensvertrages vom November 1918 entlassen worden waren. Für die russischen Kriegsgefangene bestimmten die dänischen Behörden, daß diejenigen, die Sympathie für die neuen Bolschewisten in Rußland hatten, in Hald interniert wurden und damit in sicherer Entfernung zu Kopenhagen, während die unpolitischen oder Konterrevolutionäre in das Internierungslager Horserød verbracht wurden. Die letzten Häftlinge verließen das Lager 1920. 1922 übergab der dänische Staat das Lager an das dänische Rote Kreuz und etablierte Volkskuranstalten. 21 Häftlinge starben während des Aufenthaltes und wurden auf dem Friedhof Viborg begraben. Photos belegen den starken Kontrast zu den Bedingungen, die die Häftlinge während ihrer Internierung in Deutschland erlitten, und denen in Dänemark. Nach der Unterzeichnung des Friedensvertrags von 1918 zwischen Rußland und den Mittelmächten wurden die meisten russischen Offiziere in eine ungewisse Zukunft entlassen, in eine Heimat, wo die Bolschewisten die Macht übernommen hatten. Dänische Wachmannschaft (Photo Rigsarkivet) @P. Dr. D. Hörnemann, Eisenbahnmuseum Alter Bahnhof Lette, www.bahnhof-lette.de, Seite 4 von 6 4 Dänische Wachmannschaft in Horserød marschiert an Gefangenen und Krankenschwestern vorbei (Photo Rigsarkivet) Die Lazarettlager Hald und Horserød wurden von einer Wachmannschaft aus dänischen Wehrpflichtigen und Offizieren besetzt. Die Wachen sollten die Flucht der Gefangenen verhindern und in den Lagern für Ruhe und Ordnung sorgen. Obwohl die Gefangenen in Hald und Horserød relativ viel Freiheit hatten, führten sie sich zumeist ordentlich auf und machten ihren Bewachern keine Schwierigkeiten. Bewaffnete Wachen aus Wehrpflichtigen mußten sicherstellen, daß kein Gefangener die Lager verließ, es sei denn mit Genehmigung. Den Gefangenen ging es gut, die Wachen behandelten die Gefangenen korrekt. Sie waren auch während mancher Zusammenkünfte der Gefangenen wie z.B. Theatervorstellungen anwesend. Die Wachmannschaften bewohnten ihren eigenen Teil des Lagers, ihre Kaserne wurde im selben Stil der Baracken für die Gefangenen gebaut. Somit trafen die dänischen Wehrpflichtigen oft bessere Bedingungen während ihrer Dienstzeit in einem der Lager an, als wenn sie in Baracken oder Lagern unter normalen Wehrdienstbedingungen untergebracht gewesen wären. @P. Dr. D. Hörnemann, Eisenbahnmuseum Alter Bahnhof Lette, www.bahnhof-lette.de, Seite 5 von 6 5 Die Gefangenen durften sich schließlich auch außerhalb der Lager bewegen, immer unter Bewachung. Gelegentlich versuchte ein Gefangener, in die Freiheit zu entfliehen oder seine Ausgangszeit zu überschreiten. Allerdings gab es nicht viele Fluchtversuche, weder von Hald oder Horserød. Der Grund war meist starkes Heimweh. Wenn ein Gefangener wiederholt gegen die Lagervorschriften verstoßen hatte, riskierte er, zur Strafe zurück in ein Kriegsgefangenenlager geschickt zu werden. Es geschah in wenigen Fällen, daß die Wachen gezwungen waren, einen Gefangenen an die deutsche Grenze zu transportieren und an die deutschen Behörden zu übergeben für den weiteren Transport in ein Kriegsgefangenenlager. Dies sollte als abschreckendes Beispiel für die anderen Gefangenen dienen. 1922 übergab der dänische Staat das Lager Hald an das dänische Rote Kreuz und richtete dort Volkskuranstalten ein. Bei näherer Betrachtung einer einzelnen alten Photokarte aus dem Ersten Weltkrieg entfaltete sich eine ganze Geschichte. ©P. Dr. Daniel Hörnemann @P. Dr. D. Hörnemann, Eisenbahnmuseum Alter Bahnhof Lette, www.bahnhof-lette.de, Seite 6 von 6 6
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