Jesus weint … Liebe Gemeinde, Was es heißt, zu Gottes Volk zu gehören, das wird an einer Begebenheit aus dem Mittelalter deutlich: Wenn ein deutscher Kaiser gestorben war, wurde der schwere Sarg durch die Straßen der Stadt bis vor das verschlossene Portal des Domes getragen. Dann schlugen die Fürsten, die den Sarg begleiteten, an das Tor und riefen: "Hier kommt der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation." Aus dem Inneren des Domes kam die Antwort der Priester: "Den kennen wir nicht." Dann riefen die Fürsten alle fürstlichen Titel des Kaisers. Aber immer tönten die Stimmen aus dem Inneren: "Den kennen wir nicht." Schließlich riefen die Fürsten. "Es kommt ein Sünder, der durch die Gnade Jesus Christi selig werden will." Da öffnete sich das Portal: "Nur der Sünder kann hereingelassen und begnadigt werden." Und weil nur Sünder und der Gnade bedürftige Menschen zu Gottes Volk gehören hat sich im Leben von Jesus die folgende Begebenheit abgespielt: Die Bibel - Lukas 19, 41-44 – 10.S.n.T. 41 Als Jesus die Stadt Jerusalem vor sich liegen sah, weinte er über sie. 42 "Wenn du doch nur erkannt hättest, was dir Frieden bringt!", rief er. "Aber jetzt bist du mit Blindheit geschlagen. 43 Der Tag wird kommen, an dem deine Feinde einen Wall um deine Mauern aufschütten und dich von allen Seiten belagern. 44 Deine Mauern werden fallen und alle Bewohner getötet werden. Kein Stein wird auf dem anderen bleiben. Warum hast du die Gelegenheit nicht genutzt, die Gott dir geboten hat?" Jesus weint – stellvertretend über Jerusalem, doch damit auch über Israel und die ganze Welt und die ganze Geschichte von uns Menschen. Ich will beginnen bei Jakob und Esau, den beiden ungleichen Zwillingen und Stammvätern der beiden Völker, die sich bis heute im Nahen Osten bekriegen. Jesus weint darüber. Die Begebenheit erinnert an die Zerstörung des Jerusalemer Tempels durch die Babylonier. Die Juden denken bis heute am 9. Aw daran und Jesus weint mit ihnen. An der Stelle, an der Jesus diese Worte gesprochen haben soll, etwa auf halber Höhe des Ölberges, ist eine Kirche gebaut worden, um an dieses Ereignis zu erinnern. Sie heißt: "Dominus flevit", übersetzt: "Der Herr weint". Bis heute. Wir denken an die heutigen Zustände in Land Israel und in Jerusalem. Jerusalem heißt übersetzt die Stadt des Friedens, doch kaum eine Stadt ist so weit vom Frieden entfernt wie Jerusalem. Dass Jesus weint, heißt nicht, dass er aufgibt. Solange er noch weint, hat er noch Hoffnung für uns. Schauen wir uns an, was es für unseren Glauben heute bedeutet, dass Jesus weint: Jesus weint … Lassen wir in unserem Glauben auch Gefühle zu. Gott hat uns zu Menschen mit Gefühlen geschaffen und möchte, dass wir diese auch zum Ausdruck bringen. Lasst mich das mit der folgenden Geschichte zeigen: «Ein Christ trug im Himmel eine goldene Krone. Als er im Himmel so umher ging und sah er, dass die anderen Christen juwelenbesetzte Kronen trugen. So fragte er: „Warum hat meine Krone keine Juwelen?" Der Engel antwortete: „Weil du keine gegeben hast. Diese Juwelen sind die Tränen, welche die Christen auf Erden vergossen haben. Du hast keine Tränen geweint." „Wie konnte ich", sagte der Christ, „wo ich so glücklich war in der Liebe zu Gott?" "Das ist viel", sagte der Engel, "Doch es gibt auch die Tränen des Glücks und der Liebe. Hier ist deine Krone, sie ist aus Gold, aber Juwelen sind nur für die, die weinten, sei es vor Glück oder vor Leid."» Warum ist das mit den Gefühlen so wichtig? Z.B. weil uns Paulus im Römerbrief als Ausdruck unseres Glaubens darauf hinweist: "Freut euch mit den Fröhlichen und weint mit den Weinenden." Christen nehmen am Leben ihrer Mitmenschen teil. Sie vergießen Tränen des Schmerzes und Tränen der Liebe. Das Schöne und das Schwere, beides gehört im Leben zusammen und beiden darf gemeinsam beweint werden. Es gibt Tränen des Leides und Tränen des Glücks und wir können sie nicht immer auseinanderhalten, denn ist es nicht Glück, wenn ich im Leid getröstet werde. Jesus weint und zeigt uns damit, dass alle Gefühle, die schweren und die schönen bei ihm im Glauben Platz und Raum haben. Jesus weint … Lassen wir ins unseren Glauben auch das Scheitern zu. Scheitern steht in der Seefahrt für ein Schiffsunglück, bei dem das Schiff vom Sturm auf Klippen oder eine felsige Küste geworfen wird und unter den Wellenstößen zerschellt – im Unterschied zum unversehrten Stranden“. Diese Definition aus der Seefahrt ist ein passendes Bild für das, was Scheitern im menschlichen Leben und christlichen Glauben meint. Etwas Wichtiges und Wertvolles ist unwiderruflich zerstört und lässt sich nicht mehr reparieren. Es ist aus und vorbei. Das Bild vom gestrandeten Schiff hat etwas Gewalttätiges. Gegen unseren Willen wurde unser Lebensentwurf vollständig oder in Teilen zertrümmert. Wir sind der Situation ohnmächtig ausgeliefert. Genau das meint Scheitern. Auch in der Umgangssprache würden wir wohl nicht sagen: „Ich bin gescheitert“, wenn ein Sommerurlaub verregnet ist oder Sie die ersehnten Konzert-, Kino- oder Theaterkarten trotz langen SchlangeStehens nicht ergattert haben. Scheitern meint, dass ein Lebensziel zerbrochen ist und nachher nichts mehr so ist wie vorher. Und hier setzt es ein, dass Jesus weint. Es sind Tränen der Wahrheit. Wenn wir uns dem Scheitern stellen, dann gibt es durch die Vergebung und Gottes Möglichkeiten einen neuen Anfang. Jesus weint … Tränen über die Zukunft. Jerusalem, das bedeutet auch die Zukunft der Menschen mit Gott, die totale Nähe Gottes. Ein Bild für den Himmel ist das neue Jerusalem. Die Tränen Jesus gelten nicht nur dem augenblicklichen verlorenen Zustand Jerusalems. Jerusalem wurde 70 n. Chr. und 135 n.Chr. von den Römern zerstört. Die Tränen Jesu gelten auch dem jüdischen Volk, das ihn bis heute als den von Gott gesandten Messias ablehnt. Jesu Androhung des Gerichts zielt nicht auf die Vernichtung des Sünders, sondern beinhaltet die Aufforderung zur Umkehr. Gott möchte nicht unseren Untergang, sondern unsere Rettung. Auch nach 2000 Jahren ist das Ziel noch nicht erreicht: das Israel Jesus als den von Gott geschickten Messias erkennt. Und wenn wir an das Anti¬–Missionsgesetz denken, dass jede christliche Mission in Israel verbieten soll und dass immer diskutiert wird, dann wird deutlich, wie weit Israel heute vom Messias Jesus entfernt ist. Wenn wir sehen, dass unsere Schwestern und Brüder aus den messianischen Gemeinden offiziell nicht am Kirchentag teilnehmen dürfen, dann wird deutlich, wie weit wir entfernt sind, dass Jesus der Messias für alle Menschen ist. Wenn wir Israel ansehen und unsere Schuld an Israel ansehen, können wir bis heute manchmal nur weinen. Die Anschläge sowohl aus dem radikaleren Lager der Juden als auch der Palästinenser zeigen dass mal wieder ganz deutlich. Über so viel Hass kann man nur weinen. "Wenn doch auch du erkenntest zu dieser Zeit, was zum Frieden dient! Aber nun ist's vor deinen Augen verborgen." Vergebung ist nur in Jesus Christus möglich, wenn Israel den ihm verheißenen Messias Jesus Christus findet und auch die Palästinenser erkennen, dass Jesus für sie gekommen und gestorben ist. Aber Jesus weint heute über seine Kirche hier und heute in Deutschland: • weil sie sich so wenig für das ungeborene Leben einsetzt • weil sie so wenig in eine liebevolle Auseinandersetzung mit andern Religionen geht, ohne den klaren Standpunkt Jesus Christus zu verlassen • weil sie so wenig den Genderzeitgeist analysiert und sich kritisch mit ihm auseinander setzt Jesus weint auch über uns • weil er möchte, das wir Gemeinschaft miteinander pflegen und uns gegenseitig unterstützen und helfen und uns das nicht immer gelingt. • weil er uns als Zeugen in die Welt geschickt hat, damit wir dieser von seiner Liebe berichte und sie dort leben und er dazu keinen Plan B bei hat. • Ich glaube jedem wird noch ein ganz persönlicher Grund einfallen, warum es Jesus bei uns zum Weinen zumute ist. Jesus weint über seine Kirche und über uns, weil er noch Hoffnung für uns hat. Lasst uns mit dem nächten Lied singen, was hilft und worauf es ankommt: Die Sach ist Dein, Herr Jesu Christ, die Sach, an der wir stehn, und weil es Deine Sache ist, kann sie nicht untergehn. Amen.
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