Vom Schicksal des Dollendorfer Wiedertäufers Conrad Koch von Hans Homann Einige Jahre nach der letzten Jahrhundertwende gab der evangelische Pfarrer Ernst Rentrop aus Königswinter eine kleine Schrift heraus, in der er die Geschichte der evangelischen Glaubensbewegung in den Ortschaften des Siebengebirges in den Jahren zwischen 1550 und 1670 aufzeichnete. Sein Hauptaugenmerk wandte er den Anfängen des evangelischen Gemeindelebens im damaligen Amt Löwenburg des Herzogtums Berg zu unter besonderer Berücksichtigung der religiösen Bewegungen in der Gemeinde Honnef. Aus dieser Schrift ist zu entnehmen, daß sich bereits im Jahr 1550 eine evangelische Glaubensgemeinschaft in Honnef gebildet hatte, die allerdings lediglich etwa einhundert Jahre Bestand gehabt hat. In der Zeit der Gegenreformation büßte sie ihren ganzen Mitgliederbestand ein. Im Bereich des Amtes Löwenburg konnten neben den Evangelischen auch die Wiedertäufer in der Zeit der Reformation allenthalben Fuß fassen. Zu ihren Erfolgen haben die ungünstigen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse in den deutschen Ländern im 16. Jahrhundert wesentlich beigetragen. Die radikale Forderung ihrer Prediger, die Wucherer den Dieben gleichzustellen und die Reichen wie Diebe und Mörder zu verurteilen und zu bestrafen, lassen auf die Notlage der ärmeren Bevölkerung und deren Geist der Auflehnung schließen. „Der arme Mann" klagte über seine soziale Zurücksetzung, Rechtlosigkeit und Unfreiheit und verlangte nach der „Gerechtigkeit Gottes", die sich aus der Gleichheit aller Menschen vor dem Allerhöchsten ergeben sollte. In verhältnismäßig kurzer Zeit bildeten sich in allen Orten des Amtes Löwenburg Wiedertäufergemeinden, in denen sich ein reges religiöses Leben entfaltete. Besonders Dollendorf und Honnef wurden zu Zentren der Verbreitung des Geistes der Wiedertäufer. Zu den führenden Männern ihrer Gemeinden im Siebengebirge zählten vor allem der als Wanderprediger tätige Conrad Koch aus Dollendorf und Heinrich Koenen aus Rheinbreitbach, einem Dorf im Süden von Honnef. Es ist das besondere Verdienst des Pfarrers Josten aus Honnef, das Schicksal der Wiedertäufergemeinden im Siebengebirge aufgehellt und Einzelheiten über das Wirken ihrer leitenden Gemeindemitglieder in Erfahrung gebracht zu haben. Durch seine Beschäftigung mit dem von holländischen Wiedertäufern herausgegebenen Werk „Het bloedig Toneel der doopsgezinde en weereloze Christen" aus dem Jahr 1685 fand er heraus, daß der Wanderprediger Conrad Koch aus Dollendorf als Märtyrer seines Glaubens im Jahre 1565 in Honnef enthauptet worden ist. Aus dem in Wien erschienenen Werk von Dr. Rudolf Wolkans „Die Lieder der Wiedertäufer" kann entnommen werden, daß die Wiedertäufer die Gepflogenheit übten, bei ihrer Einkerkerung gemeinsam strophenreiche religiöse Lieder zu verfassen, in denen die Grundzüge ihres Glaubens herausgestellt wurden und in denen sie die erlittenen oder die ihnen bevorstehenden Qualen und Peinigungen beschrieben. Auf der Seite 100 dieses Buches werden als die Verfasser des geistlichen Liedes „Hört, ihr Christen, alle ..." der Rheinbreitbacher Wiedertäufer Heinrich Koenen und der Dollendorfer Wanderprediger Konrad Koch genannt. Zwar sind ihre Namen für den Nichteingeweihten unauffindbar. Sie stehen weder über noch unter den vierzig Strophen des frommen Liedes. Man findet sie, wenn man die Anfangsbuchstaben der zahlreichen Strophen aneinanderreiht. Sie ergeben: CONRAD KOCH UND HEINRICH KOENEN AUS BREIDTBACH. Zur Kennzeichnung der beiden führenden Männer der Wiedertäuferbewequng im Siebengebirge um die Mitte des 16. Jahrhunderts ist vor allem der zweite Teil des Liedes „Hört ihr Christen, alle ..." bedeutsam, weil in ihm „Heinrich Koenen aus Breidtbach" die seelischen Qualen und körperlichen Leiden seines Freundes Conrad Koch aus Dollendorf dargestellt hat. Die wichtigsten Strophen daraus, deren Anfangsbuchstaben "...DTBACH" ergeben, besagen bei ihrer Übertragung in unsere heutige Sprache: "Das muß ich euch jetzt sagen, ihr Brüder und Schwestern mein, wie es sich hat zugetragen zu Dollendorf am Rhein. Da hat man eingefangen einen gottergeb'nen Mann. Wie ein Lamm ist er gegangen zum Turm der Löwenburg dann. Tat man mit Gewalt ihn greifen im fünfundsechzigsten Jahr. In das Gefängnis tat man ihn schleifen. Dort war er in Todesgefahr. Dort hat er gefangen gesessen beinahe ein halbes Jahr. Den Herrn hat er nie vergessen, bot sich ihm als Opfer dar. Beschimpft ward er und bedrohet vom Rentmeister, einem harten Mann. Dessen Herz war ganz verrohet. Auf Conrads Tod er sann. Er hat ihn hart versuchet mit Bitten, Hunger und Tod. Der Amtmann laut ihm fluchet. Das bracht ihm neue Not. Ach, Knechte ihn dann zwangen aus dieser Welt zu gehn. Doch ist er selbst gegangen, das mußte man gestehn. Er ist also geschritten nach Honnef, nach dem Plan. Im Bürgerhaus kein Bitten um Gnad' hat er getan. Conrad tat nicht entsagen dem Glauben und der Gnad'. Er hat sein Leid getragen und nicht um Gnad' er bat. Man hat ihm oft versprochen zu schonen seinen Leib. Standhaft blieb er durch Wochen. Er war zum Tod bereit. Herrgott, mit falschen Listen sie kamen oft zu ihm. Noch schlimmer als Sophisten ein jeder ihm erschien. Geht einmal hier im Jahre in unser Gotteshaus! Hört hier die Wahrheit klare, die niemals weicht daraus!" In weiteren Strophen berichten „Heinrich Koenen aus Breidtbach", daß Conrad Koch trotz mehrfacher Folterung an der Verwerfung der Kindertaufe mit der Begründung festgehalten hat, daß nur der erwachsene Mensch, der Glaubenstüchtige, reif für das Getauflwerden sei. Der Dollendorfer Wanderprediger bewies eine Standhafligkeit, die eine typische Eigenschaft der Mitglieder dieser Sekte war. Sie veranlaßte Martin Luther, in ihr „höllische Verstocktheit und ein Werk des Satans" zu sehen. Auch der Refommator Zwingli erblickte in ihr ein Bollwerk, das ihm seinen Kampf mit den Mitgliedern anderer Sekten als ein Kinderspiel erscheinen ließ. Mit Conrad Koch wurden noch weitere sieben Wiedertäufer, vier Männer und drei Frauen, zum Tode durch das Schwert verurteilt. Herzog Wilhelm (der Reiche) von Kleve, Jülich und Berg, der als ein Vertreter des erasmischen, deutschen Christentums weder den Beifall der katholischen noch der evangelischen Kirche gefunden hatte, sandte unter dem 7. Oktober 1565 an den Amtmann Jost von Eller auf der Löwenburg den Bescheid, daß die angeklagten Wiedertäufer wegen gebrochener Urfehde ihrer gerechten Strafe zugeführt werden sollten. Das entsprach dem Paragraphen 6 des „Reichstagsabschieds" von Speyer vom Jahr 1529, in dem es heißt, daß „alle und jeder Wiedertäufer und Wiedergetaufte, Männer und Weibspersonen verständigen Alters vom natürlichen Leben zum Tode mit Feuer, Schwert oder dergleichen nach Gelegenheit der Personen - ohne vorhergehende Untersuchung durch geistliche Richter -gebracht werden müssen." Die Verfolgung der Wiedertäufer war weniger auf ihr Festhalten an der Erwachsenentaufe als vielmehr auf ihre Ablehnung der bestehenden Obrigkeiten, des "Establishments", auf die Leugnung der Autorität des Staates und auf die Aberkennung seines Rechtes, nach dem Grundsatz „Cuius regio, eius religio" („Wes Land, des Glaube") zu handeln, zurückzuführen. So verstießen auch Conrad Koch und Heinrich Koenen gegen die Grundauffassung ihrer Zeit, nach der jedermann von seiner Geburt an durch seine Taufe einem bestimmten Staat und einer bestimmten ReligIonsgemeinschat angehöre. Die Hinrichtung des Conrad Koch wird wahrscheinlich zu Ende des Jahres 1565 stattgefunden haben. Nach den von seinem Freund Heinrich Koenen verfaßten Liedstrophen wurde Koch im Jahre 1565 verhaftet und dann ein halbes Jahr auf der Löwenburg gefangen gehalten. Aus welchem Grunde Heinrich Koenen aus Breidtbach nicht zu den mit Conrad Koch enthaupteten Wiedertäufern gehört hat, ist nicht bekannt. Es ist anzunehmen, daß man ihn später als den Wanderprediger verhaftet hatte und die ihm zu seiner Bekehrung eingeräumte Gnadenfrist noch nicht abgelaufen war. Während dieser Zeit hat er dem mit seinem Freund gemeinsam geschaffenen Lied noch einige Strophen angefügt, von denen die folgende die unüberwindliche Standhaftigkeit Conrad Kochs im Glauben bekundet: „Ganz heimlich werden sie ihn umbringen mit dem Schwert, den frommen Mann. Wenn alles schläft, soll erst es schwingen der Henker, in des Bösen Bann. Den Mord an ihm muß ich verdammen wie alles Volk im weiten Land. Gleich sieben mordet man zusammen: Du Richter, das ist deine Schand!" Die Wiedertäuferbewegung im Siebengebirge ging durch die grausame Verfolgung ihrer Mitglieder zugrunde. Heute findet man Anhänger dieser Sekte, die allerdings ihre sozialen Ziele weitgehend revidiert haben, noch unter dem Namen Menoniten am linken Niederrhein und unter dem der Herrenhuter Brüdergemeinde in Neuwied. Um das Jahr 1550 wanderten zahlreiche Wiedertäufer aus den Niederlanden in das Weichseldelta aus. Vom Jahr 1683 an gründeten sie Niederlassungen in den USA, ab 1786 in Rußland, nach 1874 in Kanada und nach dem Ersten Weltkrieg in Mexiko und in Paraguay. Da die Wiedertäufer als Ketzer galten, fanden die Leichen der in Honnef hingerichteten Wiedertäufer kein Grab in geweihter Erde. Conrad Koch und seine sieben Mitgefangenen werden auf dem Junkernfriedhof beigesetzt worden sein.
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