Guten Abend meine Damen und Herren, ich freue mich vor diesem besonderen Parlament zu sprechen. Wenn man die verschiedenen Projekt-Stände besucht, wird einem wieder klar, wie wichtig es ist, aktiv die Integration von Menschen, die in der Unterzahl sind, die schwächer oder rechtelos sind, zu fördern. Denn diese Menschen suchen im Alltag schon lange selbst das Gespräch, die Integration. Aber sie bleiben oft ungehört, weil unser Leben hektisch ist, oder weil wir Angst und Vorurteile haben. Ich habe eine solche Situation erlebt als ein Obdachloser das Gespräch mit mir suchte. Diese Begegnung war für mich so nachhaltig und deshalb möchte ich Ihnen diese Szene gern vorlesen. Ich stand zu später Stunde am Helvetiaplatz. Es waren kaum Menschen in der Nähe und ein Obdachloser, den ich wirklich liebevoll gemeint PENNER nenne, sagte: PENNER: ICH: PENNER: ICH: PENNER: ICH: PENNER: ICH: PENNER: ICH: PENNER: ICH: Hoi. Mm. Du. Du, sag mal... Hast du mir einen Stutz? Mm. - Da. Danke. Du... Du, sag mal, rauchst doch, oder? Mm. - Ok, da, hast ne Ziggi. Danke, du... Du, sag mal... Was noch? Hast doch auch Feuer, oder? Mm. – Hier. Danke. Du... Du sag mal... Hier, den Apfel kannst du noch haben, aber jetzt hab ich echt nichts mehr. PENNER: Danke, aber du, sag mal, du... ICH: Was? Was noch! PENNER: Du, sag mal, du... Stinke ich? ICH: Weiss nicht. PENNER: Aber riech mal, riech mal hier, stink ich? ICH: Hör auf! PENNER: Brauchst keine Angst haben. ICH: Hab ich nicht. PENNER: Aber sag mal jetzt. Hast du was gerochen? ICH: Alkohol. PENNER: Das ist der huerescheiss Tee von der Heilsarmee. Die tun da immer was rein. Wird man ganz betrunken von. Kann ich nichts für. 1 ICH: PENNER: ICH: PENNER: ICH: PENNER: Schon gut. Sag mal, du, sag, auf wen wartest denn hier? Ich warte auf niemanden. Sondern? Auf das Tram. Ach so. Ach so. Ich wart auch auf das Tram. Das Tram. Das kommt nie. Oder? Wenn man auf das Tram wartet kommt es nie. Soll ich die Zigarette anzünden, weisst du, dann kommt es nämlich, das Tram. Das ist immer so, wenn man auf das Tram wartet, muss man sich nur ne Zigi anzünden. Das riechts, glaub ich. Du, aber sag, sag mal, wenn ich mir die Zigi anzünde, und dann kommt es, dann muss ich sie doch wieder wegschmeissen die Zigarette. Du sag mal, sag, wie machen wir denn das? ICH: Ich geb Dir dann eine neue Zigi, gut? PENNER: Okay, so machen wirs. - Aber... Du? Du, sag mal... Ich warte gar nicht auf das Tram. ICH: Ich weiss. PENNER: Ach so. Ich warte ja schon auch, aber einfach nicht auf das Tram. Aber ich wart ja schon auch. Aber da kann ich mir eben keine Zigi anzünden und dann kommts. Das riechts eben nicht. Ist eben nicht so klug wie das Tram. ICH: Ja. PENNER: Aber, du, sag mal, du, du als Frau... Würdest mich küssen? ICH: Nein. PENNER: Ne? ICH: Nein. PENNER: Brauchst keine Angst haben. Tu dir nichts. Oder findst meine Lippen grusig? Sind aufgerissen, gell. Hab keine schönen Lippen. ICH: Weiss nicht. PENNER: Weisst ja gar nichts. ICH: Ja. - 2 PENNER: Du. Das Tram. Das Tram kommt nicht. Hab mir eben die Zigi nicht angezündet, deswegen. Ich kann dich jetzt so lange warten lassen, bis ich mir die anzünde. Du? Aber sag, sag mal. Sag mal was. Sagst so wenig. ICH: Worauf wartest Du denn? PENNER: Auf so einen Schnitt. ICH: Auf was? PENNER: War letzthin im Kino, weisst, hab mich rein geschlichen. Bist du schon mal im Kino gewesen? Du, da ist jemand ganz traurig, sitzt der so in der Küche und heult, und dann kommt der Schnitt, und dann küsst er, also derselbe, der vorher noch in der Küche, der ist dann plötzlich im Park und küsst eine Frau und lacht und so, und alles ist wieder gut, weisst. ICH: Wir sind eben nicht im Kino. PENNER: Ne. ICH: Deshalb wird er eben auch nicht kommen, der Schnitt. PENNER: Das ist mir schon klar, das ist mir schon klar, dass dein Tram kommt und mein Schnitt nicht! Das ist mir schon klar, das musst du mir jetzt nicht so reinhauen! Das weiss ich schon selbst. Sagst die ganze Zeit nichts und dann sagst so was! ICH: Aber vielleicht kannst du ja... Vielleicht wird ja alles mal besser, vielleicht... PENNER: Hast doch keine Ahnung. Du weisst doch gar nichts. ICH: Du, ich hab was für die Lippen, also falls du willst... PENNER: Echt jetzt? ICH: Ja, guck, so Pomade. PENNER: Wow, danke. ICH: Bitte. PENNER: Hier zurück. ICH: Ne, ne... Mm... Kannst behalten. PENNER: Findst die Pomade jetzt grusig. ICH: Ne, ne...nur..., dann... Die... Ist für dich. PENNER: Du, nach dem Schnitt, du, da wär ich ganz sauber und so, weisst, mit Frisur und so. ICH: Ja. PENNER: Du, willst mal meine Lippen jetzt anfassen, weisst mit der Pomade ists jetzt bestimmt besser. Willst mal gucken. ICH: Nein... 3 PENNER: ICH: PENNER: ICH: PENNER: ICH: Doch, nur kurz. Nein, nein... Doch, jetzt, mach! Fass mich nicht an! Was denn los! Du. Ich gebe dir gern noch mal Geld... oder Zigaretten, oder, oder... Aber, aber den Schnitt, den kann ich dir nicht geben. Würde dir gern helfen, aber... Ich kann doch jetzt nicht einfach... PENNER: Geht sowieso nicht. Bin ja nicht in dich verliebt, oder so. ICH: Ach so.- Ja klar. - Klar. Geht ja eh nicht. PENNER: Hab dir doch gesagt, brauchst keine Angst zu haben. ICH: Ja. PENNER: Guck, da kommt sie endlich. Eine wirklich gutaussehende Frau kommt FRAU: Hoi. PENNER: Hoi du. ICH: Hallo. PENNER: Magst eine Zigi haben? FRAU: Gern. PENNER: Hier. FRAU: Danke. PENNER: Feuer? FRAU: Ja. PENNER: Voilà. FRAU: Danke. PENNER: Willst auch einen Apfel. FRAU: Wow, woher hast denn das alles. PENNER: Ups. Du, du guck mal. Du. Du hast dein Tram verpasst. ICH: Ach... Ja... PENNER: Wegen der Zigi, weisst. Und der Obdachlose und die Frau schlendern davon. 4
© Copyright 2024 ExpyDoc