Induktives Laden für E-Fahrzeuge

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Energie + Antriebe
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Induktives Laden
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Induktives Laden
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Induktives Laden für E-Fahrzeuge
ISO/IEC-15118-Standardisierung
Das induktive Laden gewinnt in Diskussionen und Berichten rund um die Elektromobilität zunehmend
an Bedeutung. Diese Technologie bietet – neben dem vordergründigen Komfortgewinn – eine Reihe
wesentlicher Vorteile, die langfristig gar nicht hoch genug einzuschätzen sind. Insbesondere lassen sich
durch induktives Laden die Reichweiten der Elektrofahrzeuge bequem erweitern und die teuren Batte­
rien kleiner auslegen. Dieser Beitrag vermittelt einen Überblick über aktuelle Fragen zur Technik und
Normung des induktiven Ladens, wie sie unter anderem auf dem Vector E-Mobility Engineering Day
Autor: Dirk Großmann
2015 in Stuttgart von Automobilherstellern und Zulieferern erörtert worden sind.
Induktives Laden / WPT / ISO / IEC-15118
So wie Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor regelmäßig
zur Tankstelle fahren, beziehen Elektroautos ihre Energie quasi aus der Steckdose. Sei es, dass man den Wagen über
Nacht in der heimischen Garage an das Stromnetz anschließt
oder die Batterie unterwegs an öffentlich zugänglichen Ladesäulen nachlädt. Bislang führt kein standardisierter Weg an
einer leitungsgebundenen Energieübertragung vorbei, die stets
verbunden ist mit manuellen Aktionen zum Koppeln von Stecker und Ladebuchse.
Trend -Technologie
Das wird sich ändern, denn die Elektromobilität bietet als Alternative und Ergänzung zum leitungsgebundenen Laden die Möglichkeit des induktiven Ladens. Hierbei wird unterschieden zwischen stationärem und dynamischem Laden. Das heißt, neben
dem üblichen Laden im Stillstand ist auch ein dynamisches Laden
während der Fahrt auf speziell präparierten Fahrbahnen technologisch realisierbar. Zahlreiche Unternehmen, Institutionen
und Forschungsprojekte arbeiten bereits daran, die Technologie
des induktiven Ladens zur Marktreife zu bringen und gleichzeitig eine globale Standardisierung zu erreichen. Das Laden ohne
26-27
Kabelverbindung verleiht dem Alltag von Verkehrsteilnehmern
mit elektrisch angetriebenen Fahrzeugen einen spürbaren Komfortgewinn. Darüber hinaus bietet es etliche weitere Vorteile:
Defekte an Steckverbindungen und Leitungen aufgrund von Alterung, Verschleiß, Korrosion oder Kabelbruch sind ausgeschlossen,
was zu einem insgesamt geringeren Wartungsaufwand führt. Im
öffentlichen Bereich sind mangels Angriffsflächen zudem deutlich
weniger Schäden durch Vandalismus zu erwarten.
Benutzerschnittstelle
In herkömmlichen Ladesäulen (Bild 1) ist neben der Ladetechnik und dem Ladekabel in der Regel eine Benutzerschnittstelle untergebracht, die beispielsweise aus einem Anzeigemodul,
Bedienelementen für Benutzereingaben sowie einem Kreditkartenlesegerät besteht. Beim induktiven Laden hingegen entfällt nicht nur das Ladekabel, sondern es ist auch die stationäre Benutzerschnittstelle in dieser Form nicht mehr notwendig,
da hier eine prinzipiell andere Bedienphilosophie vorherrschen
wird. Der Fahrer entscheidet vom Fahrzeug aus, ob er unterwegs Energie beziehen will und programmiert die fahrzeugseitige Elektronik entsprechend seiner Vorstellungen.
Der Informationsaustausch zwischen Fahrzeug und induktiver
Ladeinfrastruktur verläuft automatisiert. Bei der Fahrt in ein
Parkhaus zum Beispiel führt ein Leitsystem zu einem freien
Parkplatz mit stationärer Lademöglichkeit, während beim Fah-
ren das dynamische Laden automatisch startet, wenn man eine
dafür vorgesehene Fahrbahn passiert.
Pilotprojek te
Die Recherche im Internet zeigt, dass das induktive Laden keineswegs neu ist; vielmehr existieren seit Jahren Pilotprojekte
sowie Einsatzbeispiele in einigen speziellen Anwendungsbereichen. Interessant sind fahrerlose Transportsysteme, die seit
vielen Jahren das Bild in Fabrik- und Lagerhallen prägen sowie
die öffentlichen Elektrobusse in Turin und Genua. In den beiden
italienischen Städten verkehren schon seit dem Jahr 2002 rund 30
Elektrobusse, die in der Lage sind, bei Stopps an Haltestellen per
Schnellladung Energie aus induktiven Ladevorrichtungen im Fahrbahnboden zu „tanken“ (Bild 2).
Mit diesem Konzept bewältigen die Busse problemlos ihr
Tagespensum, ohne zwischendurch explizit nachzuladen oder
zu Batteriewechselstationen zu fahren. Da die Fahrzeuge nicht
die Energie für den gesamten Tag mit sich führen, konnten die
Entwickler die Batteriekapazität und damit deren Gewicht und
Größe deutlich kleiner auslegen, was zu einer geringeren
bewegten Masse führt und der Wirtschaftlichkeit zugutekommt.
Vergleichbare Projekte mit induktiver Ladetechnik gibt es im
öffentlichen Nahverkehr inzwischen weltweit in etlichen Städten – in Deutschland beispielsweise in Augsburg, Braunschweig,
Mannheim und ab Sommer 2015 auch in Berlin.
In Analogie zum Laden an Haltestellen wäre für private Elektrofahrzeuge ein Nachladen beim Halten vor roten Ampeln denkbar,
zumindest im städtischen Umfeld. Bevor ein solches Szenario möglich ist, sind sowohl in punkto Technologie als auch bei der Standardisierung noch etliche Herausforderungen zu meistern.
Das induktive Laden basiert auf der Kopplung zweier Spulen,
wie es vom klassischen Transformator her seit langem bekannt
ist. Da ein hoher Wirkungsgrad zu den wesentlichen Erfolgsfaktoren zählt, kommt es bei der Umsetzung zum einen auf einen
geringen Abstand von der Primärspule im Fahrbahnboden zur
Sekundärspule im Fahrzeug an. Zum anderen ist für minimale
Streuverluste eine exakte Positionierung des Fahrzeugs notwendig. Assistenzsysteme zur Feinpositionierung können hier künftig wertvolle Dienste leisten.
Technische Herausforderungen
Weitere technische Fragen betreffen die Auswahl geeigneter
Frequenzbereiche sowie die möglichen Ladestromstärken und
Spulenspannungen. Über diese und etliche weitere Parameter
definieren sich die maximalen Ladeleistungen, Wirkungsgrade, zulässigen Erwärmungen und vieles mehr. Außerdem sind
diverse physikalische Effekte, parasitäre Kapazitäten, Isolationsverluste und vieles mehr zu berücksichtigen. Trotz aller Herausforderungen erreichen die bekannten Projekte beim induktiven
Laden Wirkungsgrade von rund 90 %. Während die 2002 ins-
Bild: Vector Informatik
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ISO/IEC-15118-Standardisierung
Das induktive Laden gewinnt in Diskussionen und Berichten rund um die Elektromobilität zunehmend
an Bedeutung. Diese Technologie bietet – neben dem vordergründigen Komfortgewinn – eine Reihe
wesentlicher Vorteile, die langfristig gar nicht hoch genug einzuschätzen sind. Insbesondere lassen sich
durch induktives Laden die Reichweiten der Elektrofahrzeuge bequem erweitern und die teuren Batte­
rien kleiner auslegen. Dieser Beitrag vermittelt einen Überblick über aktuelle Fragen zur Technik und
Normung des induktiven Ladens, wie sie unter anderem auf dem Vector E-Mobility Engineering Day
Autor: Dirk Großmann
2015 in Stuttgart von Automobilherstellern und Zulieferern erörtert worden sind.
Induktives Laden / WPT / ISO / IEC-15118
So wie Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor regelmäßig
zur Tankstelle fahren, beziehen Elektroautos ihre Energie quasi aus der Steckdose. Sei es, dass man den Wagen über
Nacht in der heimischen Garage an das Stromnetz anschließt
oder die Batterie unterwegs an öffentlich zugänglichen Ladesäulen nachlädt. Bislang führt kein standardisierter Weg an
einer leitungsgebundenen Energieübertragung vorbei, die stets
verbunden ist mit manuellen Aktionen zum Koppeln von Stecker und Ladebuchse.
Trend -Technologie
Das wird sich ändern, denn die Elektromobilität bietet als Alternative und Ergänzung zum leitungsgebundenen Laden die Möglichkeit des induktiven Ladens. Hierbei wird unterschieden zwischen stationärem und dynamischem Laden. Das heißt, neben
dem üblichen Laden im Stillstand ist auch ein dynamisches Laden
während der Fahrt auf speziell präparierten Fahrbahnen technologisch realisierbar. Zahlreiche Unternehmen, Institutionen
und Forschungsprojekte arbeiten bereits daran, die Technologie
des induktiven Ladens zur Marktreife zu bringen und gleichzeitig eine globale Standardisierung zu erreichen. Das Laden ohne
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Kabelverbindung verleiht dem Alltag von Verkehrsteilnehmern
mit elektrisch angetriebenen Fahrzeugen einen spürbaren Komfortgewinn. Darüber hinaus bietet es etliche weitere Vorteile:
Defekte an Steckverbindungen und Leitungen aufgrund von Alterung, Verschleiß, Korrosion oder Kabelbruch sind ausgeschlossen,
was zu einem insgesamt geringeren Wartungsaufwand führt. Im
öffentlichen Bereich sind mangels Angriffsflächen zudem deutlich
weniger Schäden durch Vandalismus zu erwarten.
Benutzerschnittstelle
In herkömmlichen Ladesäulen (Bild 1) ist neben der Ladetechnik und dem Ladekabel in der Regel eine Benutzerschnittstelle untergebracht, die beispielsweise aus einem Anzeigemodul,
Bedienelementen für Benutzereingaben sowie einem Kreditkartenlesegerät besteht. Beim induktiven Laden hingegen entfällt nicht nur das Ladekabel, sondern es ist auch die stationäre Benutzerschnittstelle in dieser Form nicht mehr notwendig,
da hier eine prinzipiell andere Bedienphilosophie vorherrschen
wird. Der Fahrer entscheidet vom Fahrzeug aus, ob er unterwegs Energie beziehen will und programmiert die fahrzeugseitige Elektronik entsprechend seiner Vorstellungen.
Der Informationsaustausch zwischen Fahrzeug und induktiver
Ladeinfrastruktur verläuft automatisiert. Bei der Fahrt in ein
Parkhaus zum Beispiel führt ein Leitsystem zu einem freien
Parkplatz mit stationärer Lademöglichkeit, während beim Fah-
ren das dynamische Laden automatisch startet, wenn man eine
dafür vorgesehene Fahrbahn passiert.
Pilotprojek te
Die Recherche im Internet zeigt, dass das induktive Laden keineswegs neu ist; vielmehr existieren seit Jahren Pilotprojekte
sowie Einsatzbeispiele in einigen speziellen Anwendungsbereichen. Interessant sind fahrerlose Transportsysteme, die seit
vielen Jahren das Bild in Fabrik- und Lagerhallen prägen sowie
die öffentlichen Elektrobusse in Turin und Genua. In den beiden
italienischen Städten verkehren schon seit dem Jahr 2002 rund 30
Elektrobusse, die in der Lage sind, bei Stopps an Haltestellen per
Schnellladung Energie aus induktiven Ladevorrichtungen im Fahrbahnboden zu „tanken“ (Bild 2).
Mit diesem Konzept bewältigen die Busse problemlos ihr
Tagespensum, ohne zwischendurch explizit nachzuladen oder
zu Batteriewechselstationen zu fahren. Da die Fahrzeuge nicht
die Energie für den gesamten Tag mit sich führen, konnten die
Entwickler die Batteriekapazität und damit deren Gewicht und
Größe deutlich kleiner auslegen, was zu einer geringeren
bewegten Masse führt und der Wirtschaftlichkeit zugutekommt.
Vergleichbare Projekte mit induktiver Ladetechnik gibt es im
öffentlichen Nahverkehr inzwischen weltweit in etlichen Städten – in Deutschland beispielsweise in Augsburg, Braunschweig,
Mannheim und ab Sommer 2015 auch in Berlin.
In Analogie zum Laden an Haltestellen wäre für private Elektrofahrzeuge ein Nachladen beim Halten vor roten Ampeln denkbar,
zumindest im städtischen Umfeld. Bevor ein solches Szenario möglich ist, sind sowohl in punkto Technologie als auch bei der Standardisierung noch etliche Herausforderungen zu meistern.
Das induktive Laden basiert auf der Kopplung zweier Spulen,
wie es vom klassischen Transformator her seit langem bekannt
ist. Da ein hoher Wirkungsgrad zu den wesentlichen Erfolgsfaktoren zählt, kommt es bei der Umsetzung zum einen auf einen
geringen Abstand von der Primärspule im Fahrbahnboden zur
Sekundärspule im Fahrzeug an. Zum anderen ist für minimale
Streuverluste eine exakte Positionierung des Fahrzeugs notwendig. Assistenzsysteme zur Feinpositionierung können hier künftig wertvolle Dienste leisten.
Technische Herausforderungen
Weitere technische Fragen betreffen die Auswahl geeigneter
Frequenzbereiche sowie die möglichen Ladestromstärken und
Spulenspannungen. Über diese und etliche weitere Parameter
definieren sich die maximalen Ladeleistungen, Wirkungsgrade, zulässigen Erwärmungen und vieles mehr. Außerdem sind
diverse physikalische Effekte, parasitäre Kapazitäten, Isolationsverluste und vieles mehr zu berücksichtigen. Trotz aller Herausforderungen erreichen die bekannten Projekte beim induktiven
Laden Wirkungsgrade von rund 90 %. Während die 2002 ins-
Bild: Vector Informatik
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Bild 1: Bislang übliches Laden via
Ladesäule und Kabel.
Bild 2: Induktives Schnellladen eines
Elektrobusses in Turin. Markierungen
erleichtern die genaue Positionierung
über der Ladevorrichtung im Fahrbahnboden.
Bild: IPT Technology
Bild: Vector Informatik
Bild: Vector Informatik
Bild 3: VT7870 ist das Smart-ChargeCommunication-Modul von Vector
für ISO/IEC-15118-konforme Tests der
Ladekommunikation.
tallierten italienischen Pilotprojekte mit einer Ladeleistung von
60 kW arbeiten, beziehen die 2014 in Betrieb genommenen Elektrobusse in Braunschweig ihre Energie bereits mit einer Leistung
von 200 kW; beide Systeme nutzen eine Frequenz von 20 kHz.
Ladekommunik ation via ISO/IEC 15118
Ohne sichere Kommunikation zwischen Fahrzeug und Ladeinfrastruktur ist jede Form des (öffentlichen) induktiven Ladens
undenkbar. Nur damit lassen sich die zentralen Fragen beantworten, nämlich wer, wann und wo wieviel Energie zu welchen
Konditionen bezogen hat. Auf dieser Basis entstehen dann auch
die korrekten rechtsgültigen Abrechnungen. Auch Betrug und
Missbrauch lässt sich damit ausschließen. Dasselbe trifft sinngemäß auch für das Laden über Kabel an Ladesäulen zu. Für das
leitungsgebundene Laden (AC und DC) gibt es bereits die ISO/
IEC-Norm 15118, die seit Frühjahr 2015 vollständig verabschiedet
ist. Zusätzlich existiert für das Gleichstrom-Laden die DIN SPEC
70121:2014. Gemeinsam sind sie Bestandteil des Combined Charging Systems (CCS – Kombiniertes Ladesystem), das in Europa
Standard für AC/DC-Ladesysteme ist.
Die ISO/IEC 15118 regelt alle Details der Ladekommunikation
für das intelligente Laden oder auch Smart Charging. Dazu gehören neben Verbindungsaufbau und Authentifikation, das Aushandeln von Tarifen, das automatische Bezahlen, das Lade-Management oder auch das zukünftige Berücksichtigen von Smart-GridAnforderungen. Letzteres kann bei Energieknappheit bedeuten,
dass das E-Fahrzeug auch temporär Energie zurück ins Netz
speist. Als Physical Layer für die Datenkommunikation ist von der
ISO/IEC 15118 „HomePlug Green PHY“ vorgesehen.
Beim induktiven Laden kann naturgemäß nicht auf eine leitungsbasierte Kommunikationstechnik zurückgegriffen werden,
sodass ein anderer Physical Layer (ISO/OSI-Schicht 1) erforderlich ist. Zusätzlich sind Anpassungen in der Anwendungsschicht
(ISO/OSI-Schicht 7) notwendig. Diesen Aufgaben widmen sich
28-29
derzeit etliche Projektteams der ISO/IEC, die die Norm ISO/IEC
15118 für Wireless Power Transfer (WPT) weiterentwickeln.
Bei den Erweiterungen der ISO/IEC 15118 für WPT handelt es
sich im Einzelnen um die Normteile ISO/IEC 15118-6, -7 und -8.
Während der Entwurf für Teil 6 der Norm allgemeine Informationen zum drahtlosen Kommunizieren bei WPT behandelt
sowie Anwendungsfälle definiert, geht es in Teil 7 um Protokollanforderungen. Die ISO/IEC 15118-8 schließlich befasst sich
mit dem Physical Layer sowie mit dem Data Link Layer.
Neben der ISO/IEC arbeiten auch andere Standardisierungsorganisationen, insbesondere die SAE, an Kommunikationslösungen für WPT, sodass zu jedem Teil der ISO/IEC 15118 ein vergleichbarer SAE-Normteil existiert. China wiederum hat bisher
keinen nationalen GB-Standard (GB: Guobiao) zum Themenkreis
WPT angekündigt. Um eine weltweite Kompatibilität der Ladetechnik und Ladekommunikation zu schaffen, ist allerdings eine
Harmonisierung aller nationalen und internationalen Standards
notwendig. Mit SAE und ISO/IEC sind die für Nordamerika und
Europa relevanten Organisationen dabei, einen gemeinsamen
Standard für Wireless Power Transfer zu schaffen; zusätzlich gilt
es, Asien und vor allem China mit ins Boot zu holen.
Für ISO/IEC 15118-6 liegt der Draft International Standard
(DIS) seit Frühjahr 2015 vor; DIS Teil 7 und DIS Teil 8 sollen bis
Ende 2015/Anfang 2016 folgen. Ein vollständiger Final Draft
International Standard (FDIS) ist für Anfang 2017 vorgesehen.
Lösungen und Testwerk zeuge für ISO/IEC-15118
Bis dahin müssen Automobilhersteller, Zulieferer und Unternehmen für die Ladeinfrastruktur jedoch nicht mit den Entwicklungen warten. Da das induktive Laden gemäß ISO/IEC 15118-6ff
zu großen Teilen identisch ist zum leitungsgebundenen Laden,
empfiehlt sich eine schrittweise Vorgehensweise. Von Vector
Informatik etwa sind schon heute fertige und erprobte Embedded-Lösungen für ISO/IEC 15118 erhältlich, mit denen die Her-
steller Seriensteuergeräte zum intelligenten Laden über ein
Ladekabel entwickeln können. Während das Produkt MICROSAR.V2G zum Entwickeln von Ladesteuergeräten im Fahrzeug
dient, lässt sich mit dem Produkt vEVSE die entsprechend ISO/
IEC-15118-konforme Kommunikation für Ladesäulen verwirklichen. Die Lösungen unterstützen sämtliche Software-Anforderungen der ISO/IEC 15118, inklusive der Hardware-Anbindung
(Homeplug Green PHY) und SLAC-Ablauf (Signal Level Attenuation Characterization).
Schrittweise umstellen
Die Migration zum induktiven Laden geschieht in einem zweiten
Schritt sobald der ISO-Standard alle notwendigen Spezifikationen für induktive Ladesysteme festgeschrieben hat. Da Vector
in den ISO-Gremien vertreten ist und aktiv die Standardisierung begleitet, ist der Stuttgarter Spezialist in der Lage, zeitnahe
Lösungen oder Erweiterungen für WPT anzubieten. Gleiches
gilt für die Testwerkzeuge von Vector, mit denen sich Ladesysteme testen lassen. So bietet das Unternehmen für den HiL-Tester
VT System eine spezielle Einschubkarte VT7900 mit Adapter
VT7870 (Bild 3) an, die alle für die Smart Charging Communication (SCC) notwendigen Mechanismen unterstützt. Dazu
zählen unter anderem die HomePlug GreenPhy-Kommunikation mit SLAC, PWM-Ansteuerung (IEC61851) und entsprechende Widerstände zur Simulation von Steckverbindungen. Das
VT System kann sowohl zum Simulieren von Elektrofahrzeugen
als auch zur Simulation von Ladesäulen dienen.
Für den Durchbruch der Elektromobilität und das Erschließen
des Massenmarkts ist die globale Standardisierung überaus
wichtig, was für konduktives und induktives Laden gleichermaßen zutrifft. Ein einheitlicher globaler Markt erlaubt der Automobilindustrie und den Herstellern der Ladeinfrastruktur einen
länderübergreifenden Vertrieb ihrer Produkte. Sie müssen nicht
für jeden Teil der Welt kostentreibend Sonderlösungen imple-
mentieren. Gleichzeitig wächst die Bereitschaft für weitere Investitionen in die Elektromobilität und verleiht Sicherheit, dass sich
die enormen Entwicklungskosten auszahlen. Lassen sich Elektrofahrzeuge länderübergreifend einsetzen und steht auch für
das drahtlose Laden eine flächendeckende genormte Ladeinfrastruktur zur Verfügung, wird sich das positiv auf die Akzeptanz
der Nutzer auswirken.
Die leitungsgebundene und die induktive Ladetechnik werden
sich vermutlich in der Praxis ergänzen. Wichtig ist zunächst eine
nationale flächendeckende Grundversorgung für das leitungsgebundene Laden. Das induktive Laden bietet hingegen viel
Potenzial für die Zukunft, erfordert aber andererseits erhebliche
bauliche Maßnahmen. Nach Abschluss der internationalen Harmonisierung wird sich zeigen, wie hoch die Bereitschaft für
Investitionen in induktive Ladeinfrastrukturprojekte ist.
Dynamisch laden
Mit Lösungen zum dynamischen Laden können Elektrofahrzeuge während der Fahrt auf speziell dafür ausgelegten Straßenabschnitten drahtlos Energie beziehen. Dies ist langfristig
nicht hoch genug einzuschätzen. Schließlich lassen sich so die
derzeit noch begrenzten Reichweiten von Elektroautos signifikant erweitern, wenn zum Beispiel auf Autobahnen oder Überlandstraßen in regelmäßigen Abständen Ladestrecken integriert
sind. Schon heute finden sich in Deutschland an vielen Stellen
nahe an Autobahnen Windkraftanlagen, die Straßenabschnitte
mit induktiver Lademöglichkeit bei überschaubarem Kostenaufwand speisen könnten. (av)
∕∕
Autor
Dirk Großmann
Gruppenleiter im Bereich
Embedded Software bei
Vector Informatik.
16.10.2015 11:58:09
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Bild 1: Bislang übliches Laden via
Ladesäule und Kabel.
Bild 2: Induktives Schnellladen eines
Elektrobusses in Turin. Markierungen
erleichtern die genaue Positionierung
über der Ladevorrichtung im Fahrbahnboden.
Bild: IPT Technology
Bild: Vector Informatik
Bild: Vector Informatik
Bild 3: VT7870 ist das Smart-ChargeCommunication-Modul von Vector
für ISO/IEC-15118-konforme Tests der
Ladekommunikation.
tallierten italienischen Pilotprojekte mit einer Ladeleistung von
60 kW arbeiten, beziehen die 2014 in Betrieb genommenen Elektrobusse in Braunschweig ihre Energie bereits mit einer Leistung
von 200 kW; beide Systeme nutzen eine Frequenz von 20 kHz.
Ladekommunik ation via ISO/IEC 15118
Ohne sichere Kommunikation zwischen Fahrzeug und Ladeinfrastruktur ist jede Form des (öffentlichen) induktiven Ladens
undenkbar. Nur damit lassen sich die zentralen Fragen beantworten, nämlich wer, wann und wo wieviel Energie zu welchen
Konditionen bezogen hat. Auf dieser Basis entstehen dann auch
die korrekten rechtsgültigen Abrechnungen. Auch Betrug und
Missbrauch lässt sich damit ausschließen. Dasselbe trifft sinngemäß auch für das Laden über Kabel an Ladesäulen zu. Für das
leitungsgebundene Laden (AC und DC) gibt es bereits die ISO/
IEC-Norm 15118, die seit Frühjahr 2015 vollständig verabschiedet
ist. Zusätzlich existiert für das Gleichstrom-Laden die DIN SPEC
70121:2014. Gemeinsam sind sie Bestandteil des Combined Charging Systems (CCS – Kombiniertes Ladesystem), das in Europa
Standard für AC/DC-Ladesysteme ist.
Die ISO/IEC 15118 regelt alle Details der Ladekommunikation
für das intelligente Laden oder auch Smart Charging. Dazu gehören neben Verbindungsaufbau und Authentifikation, das Aushandeln von Tarifen, das automatische Bezahlen, das Lade-Management oder auch das zukünftige Berücksichtigen von Smart-GridAnforderungen. Letzteres kann bei Energieknappheit bedeuten,
dass das E-Fahrzeug auch temporär Energie zurück ins Netz
speist. Als Physical Layer für die Datenkommunikation ist von der
ISO/IEC 15118 „HomePlug Green PHY“ vorgesehen.
Beim induktiven Laden kann naturgemäß nicht auf eine leitungsbasierte Kommunikationstechnik zurückgegriffen werden,
sodass ein anderer Physical Layer (ISO/OSI-Schicht 1) erforderlich ist. Zusätzlich sind Anpassungen in der Anwendungsschicht
(ISO/OSI-Schicht 7) notwendig. Diesen Aufgaben widmen sich
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derzeit etliche Projektteams der ISO/IEC, die die Norm ISO/IEC
15118 für Wireless Power Transfer (WPT) weiterentwickeln.
Bei den Erweiterungen der ISO/IEC 15118 für WPT handelt es
sich im Einzelnen um die Normteile ISO/IEC 15118-6, -7 und -8.
Während der Entwurf für Teil 6 der Norm allgemeine Informationen zum drahtlosen Kommunizieren bei WPT behandelt
sowie Anwendungsfälle definiert, geht es in Teil 7 um Protokollanforderungen. Die ISO/IEC 15118-8 schließlich befasst sich
mit dem Physical Layer sowie mit dem Data Link Layer.
Neben der ISO/IEC arbeiten auch andere Standardisierungsorganisationen, insbesondere die SAE, an Kommunikationslösungen für WPT, sodass zu jedem Teil der ISO/IEC 15118 ein vergleichbarer SAE-Normteil existiert. China wiederum hat bisher
keinen nationalen GB-Standard (GB: Guobiao) zum Themenkreis
WPT angekündigt. Um eine weltweite Kompatibilität der Ladetechnik und Ladekommunikation zu schaffen, ist allerdings eine
Harmonisierung aller nationalen und internationalen Standards
notwendig. Mit SAE und ISO/IEC sind die für Nordamerika und
Europa relevanten Organisationen dabei, einen gemeinsamen
Standard für Wireless Power Transfer zu schaffen; zusätzlich gilt
es, Asien und vor allem China mit ins Boot zu holen.
Für ISO/IEC 15118-6 liegt der Draft International Standard
(DIS) seit Frühjahr 2015 vor; DIS Teil 7 und DIS Teil 8 sollen bis
Ende 2015/Anfang 2016 folgen. Ein vollständiger Final Draft
International Standard (FDIS) ist für Anfang 2017 vorgesehen.
Lösungen und Testwerk zeuge für ISO/IEC-15118
Bis dahin müssen Automobilhersteller, Zulieferer und Unternehmen für die Ladeinfrastruktur jedoch nicht mit den Entwicklungen warten. Da das induktive Laden gemäß ISO/IEC 15118-6ff
zu großen Teilen identisch ist zum leitungsgebundenen Laden,
empfiehlt sich eine schrittweise Vorgehensweise. Von Vector
Informatik etwa sind schon heute fertige und erprobte Embedded-Lösungen für ISO/IEC 15118 erhältlich, mit denen die Her-
steller Seriensteuergeräte zum intelligenten Laden über ein
Ladekabel entwickeln können. Während das Produkt MICROSAR.V2G zum Entwickeln von Ladesteuergeräten im Fahrzeug
dient, lässt sich mit dem Produkt vEVSE die entsprechend ISO/
IEC-15118-konforme Kommunikation für Ladesäulen verwirklichen. Die Lösungen unterstützen sämtliche Software-Anforderungen der ISO/IEC 15118, inklusive der Hardware-Anbindung
(Homeplug Green PHY) und SLAC-Ablauf (Signal Level Attenuation Characterization).
Schrittweise umstellen
Die Migration zum induktiven Laden geschieht in einem zweiten
Schritt sobald der ISO-Standard alle notwendigen Spezifikationen für induktive Ladesysteme festgeschrieben hat. Da Vector
in den ISO-Gremien vertreten ist und aktiv die Standardisierung begleitet, ist der Stuttgarter Spezialist in der Lage, zeitnahe
Lösungen oder Erweiterungen für WPT anzubieten. Gleiches
gilt für die Testwerkzeuge von Vector, mit denen sich Ladesysteme testen lassen. So bietet das Unternehmen für den HiL-Tester
VT System eine spezielle Einschubkarte VT7900 mit Adapter
VT7870 (Bild 3) an, die alle für die Smart Charging Communication (SCC) notwendigen Mechanismen unterstützt. Dazu
zählen unter anderem die HomePlug GreenPhy-Kommunikation mit SLAC, PWM-Ansteuerung (IEC61851) und entsprechende Widerstände zur Simulation von Steckverbindungen. Das
VT System kann sowohl zum Simulieren von Elektrofahrzeugen
als auch zur Simulation von Ladesäulen dienen.
Für den Durchbruch der Elektromobilität und das Erschließen
des Massenmarkts ist die globale Standardisierung überaus
wichtig, was für konduktives und induktives Laden gleichermaßen zutrifft. Ein einheitlicher globaler Markt erlaubt der Automobilindustrie und den Herstellern der Ladeinfrastruktur einen
länderübergreifenden Vertrieb ihrer Produkte. Sie müssen nicht
für jeden Teil der Welt kostentreibend Sonderlösungen imple-
mentieren. Gleichzeitig wächst die Bereitschaft für weitere Investitionen in die Elektromobilität und verleiht Sicherheit, dass sich
die enormen Entwicklungskosten auszahlen. Lassen sich Elektrofahrzeuge länderübergreifend einsetzen und steht auch für
das drahtlose Laden eine flächendeckende genormte Ladeinfrastruktur zur Verfügung, wird sich das positiv auf die Akzeptanz
der Nutzer auswirken.
Die leitungsgebundene und die induktive Ladetechnik werden
sich vermutlich in der Praxis ergänzen. Wichtig ist zunächst eine
nationale flächendeckende Grundversorgung für das leitungsgebundene Laden. Das induktive Laden bietet hingegen viel
Potenzial für die Zukunft, erfordert aber andererseits erhebliche
bauliche Maßnahmen. Nach Abschluss der internationalen Harmonisierung wird sich zeigen, wie hoch die Bereitschaft für
Investitionen in induktive Ladeinfrastrukturprojekte ist.
Dynamisch laden
Mit Lösungen zum dynamischen Laden können Elektrofahrzeuge während der Fahrt auf speziell dafür ausgelegten Straßenabschnitten drahtlos Energie beziehen. Dies ist langfristig
nicht hoch genug einzuschätzen. Schließlich lassen sich so die
derzeit noch begrenzten Reichweiten von Elektroautos signifikant erweitern, wenn zum Beispiel auf Autobahnen oder Überlandstraßen in regelmäßigen Abständen Ladestrecken integriert
sind. Schon heute finden sich in Deutschland an vielen Stellen
nahe an Autobahnen Windkraftanlagen, die Straßenabschnitte
mit induktiver Lademöglichkeit bei überschaubarem Kostenaufwand speisen könnten. (av)
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Autor
Dirk Großmann
Gruppenleiter im Bereich
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Vector Informatik.
16.10.2015 11:58:09