** DONNERSTAG, 14. APRIL 2016 KUNDENSERVICE 0 8 0 0 / 9 3 5 8 5 3 7 ** Zippert zappt D KULTUR Christian Berkel rät im Fall Böhmermann zu Gelassenheit Seite 21 POLITIK Die Mädchen, die in den Fängen von Boko Haram waren Seite 7 Unvermögen und Trallala ECKHARD FUHR PA / DPA; DPA / TOBIAS HASE W Was passiert mit dem Brenner? Der Süden, das Paradies. Da will man von Deutschland aus über Österreich hin und bleibt unterwegs doch immer stecken, heute wie damals. Am 22. Dezember 1968 wurde die österreichische Brennerautobahn für den Verkehr freigegeben, und es herrschte gleich dichtes Gedränge. Eine Autokolonne von Ehrengästen durfte als Seite 11 SPORT Jürgen Klopp ist beim FC Liverpool befreit vom Druck Erstes das Teilstück von Innsbruck auf dem Weg zum Alpenpass befahren. Jetzt fragt man sich, wohin Europas Staatenlenker steuern werden. Dem Brenner, Synonym für Urlaub und Freiheit, droht die Entweihung. Österreich plant wegen der Seite 8 Flüchtlingskrise die Errichtung eines Grenzzauns. Wolfgang Schäuble kämpft gegen den Rest der Welt Minister vor IWF-Treffen isoliert: „Niedrigzinspolitik bereitet Deutschland außergewöhnliche Probleme“. Währungsfonds warnt: Es droht eine neue globale Finanzkrise – auch wegen ausufernder Schulden B undesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat sich so deutlich wie lange nicht gegen die Vorgehensweise der Europäischen Zentralbank (EZB) ausgesprochen. „Es ist unbestritten, dass die Niedrigzinspolitik momentan in Deutschland den Banken und der ganzen Finanzbranche außergewöhnliche Probleme bereitet“, sagte Schäuble. Damit verschärft er den Druck auf die Teilnehmer der Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank in Washington. WIRTSCHAFT VW-Manager lenken im Boni-Streit ein Nr. 87 KOMMENTAR er SPD-Vorsitzende Gabriel würde jederzeit zurücktreten, wenn er das Gefühl hätte, das würde irgendetwas nutzen. So schlimm steht es um die SPD, dass noch nicht einmal ein Rücktritt von Sigmar Gabriel der Partei helfen könnte. Solange Helmut Schmidt noch lebte, hatte man bei den Sozialdemokraten die Hoffnung, er könne notfalls die Partei führen. Es gibt nicht wenige, die sich fragen, wie Gabriel es zulassen konnte, dass der einzige Hoffnungsträger der Partei in so jungen Jahren stirbt. Doch es hilft nichts, die SPD muss jetzt sehen, wie sie ohne Schmidt zurechtkommt. Selbst Gerhard Schröder lässt sich nicht mehr reaktivieren, er wäre für die Partei schlicht zu teuer, die SPD kann nicht so viel zahlen wie Gazprom oder Carsten Maschmeyer. Im Moment würden immerhin 19,5 Prozent der Befragten SPD wählen, aber die Leute reden viel, wenn der Umfragemann am Telefon ist. Gabriel überlegt ernsthaft, ob sich die SPD der CDU anschließen und Teil der Union werden sollte. Das stößt auf erbitterten Widerstand. Viele in der CDU glauben, dass die SPD zu weit rechts steht. THEMEN D 2,50 EURO B VON ANJA ETTEL UND HOLGER ZSCHÄPITZ Der IWF forderte zusätzliche Schritte der Politik zur Sicherung der Finanzstabilität. Die Aussichten für die Industriestaaten hätten sich als Folge der jüngsten weltweiten Marktturbulenzen verschlechtert, erklärte der IWF. Ebenso hätten sinkende Rohstoffpreise und die Sorgen um die chinesische Wirtschaft die Gefahren verstärkt. In den Euro-Ländern müsse das Problem der faulen Kredite im Bankensektor angegangen wer- den. Zudem müssten Schwellenländer ihre Volkswirtschaften unabhängiger vom Rohstoffgeschäft machen. Sollten solche Reformmaßnahmen ausbleiben, könnten die Börsenturbulenzen sich sogar verstärken, warnte der Währungsfonds. Auf der Agenda des Treffens der Notenbanker und Finanzminister in Washington stehen in diesem Jahr die überbordende weltweite Verschuldung, insbesondere die Schieflage Griechenlands, und eine bessere Koordinierung der Steuerpolitik angesichts des Skandals um die Panama Papers. Im Kern geht es dabei um die Frage, ob die Staatengemeinschaft in einer konzertierten Aktion noch mehr Geld drucken sollte oder nach Jahren der Krisenbewältigung ein Ausstieg aus Nullzinspolitik und Staatsverschuldung die bessere Variante sei. Während Schäuble vor den Folgen des unüberlegten Gelddruckens warnt, sehen die meisten seiner Kollegen die Nullzinspolitik als alternativlos. Der IWF als Gastgeber der Konferenz sendet Alarmbotschaften rund um den Globus. So sehen die Ökonomen des Fonds die Weltwirtschaft in derart großer Gefahr, dass sie ihre Wachstumsprognose in weniger als einem Jahr nun schon zum vierten Mal nach unten korrigiert haben. Auch der Zustand der Finanzmärkte nach acht Jahren der Nullzinspolitik trei- Frühjahrsgutachten: Weniger Wachstum Die führenden Forschungsinstitute wollen ihre Prognose für das Wirtschaftswachstum leicht nach unten korrigieren. So werden die Institute in ihrem neuen Frühjahrsgutachten ihre bisherige Schätzung für 2016 von 1,8 Prozent auf 1,6 Prozent reduzieren – Grund dafür ist die verhaltene Weltkonjunktur. Die Experten sind damit etwas vorsichtiger als Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), der im Januar ein Plus von 1,7 Prozent vorhersagte. Seite 10 ben die Stabilitätswächter aus Washington um. „Die Risiken für die Weltwirtschaft und das weltweite Finanzsystem sind spürbar gestiegen“, heißt es in dem aktuellen „Fiscal Monitor“ des Währungsfonds. Eine der größten Gefahren ist für die Stabilitätswächter der weltweit wachsende Schuldenberg. Die durchschnittliche Schuldenquote aller Industrieländer dürfte nach Schätzungen des IWF in diesem Jahr auf 107,6 Prozent steigen, das wäre ein neuer Nachkriegsrekord. Die heutige Verschuldung ist sogar höher als zu Zeiten der Großen Depression, als die Quote bei lediglich 80 Prozent lag. „Die öffentlichen Schulden sind überall auf der Welt gestiegen“, warnen die Autoren der Studie. Die Weltgemeinschaft müsse jetzt mit neuen Ausgaben mehr Wachstum entfachen. Ausdrücklich wird in dem Report auch Deutschland genannt. „Höhere Infrastrukturausgaben in Deutschland würden dem Land guttun, und gleichzeitig hätten sie positive Effekte auf die Nachbarstaaten“, schreiben die IWF-ExperSeite 13 ten. ie oft ist im vergangenen Jubiläumsjahr das Glück der deutschen Einheit beschworen worden und jene Zuversicht, die doch auch vor den neuen großen Herausforderungen nötig sei! Nun muss man sich fragen, was solche Reden wert sind, die von Zynikern ohnehin für heiße Luft gehalten werden. Sicher: Man braucht kein Einheits- und Freiheitsdenkmal, um Einheit und Freiheit zu verteidigen. Aber das peinliche Scheitern des Berliner Denkmals wirft doch die Frage auf, ob eine Nation dazu stark genug ist, wenn sie es noch nicht einmal schafft, ein Zeichen für das zu setzen, was sie als den Kern ihrer Gemeinsamkeit betrachtet, und ein Bild zu finden, in dem sie sich selbst feiert. Glückliche Momente sind in der jüngeren deutschen Geschichte schließlich nicht so häufig, dass man sie in der in Berlin wahrlich überall präsenten Gedenkkultur einfach aussparen könnte. Genau dazu kommt es aber jetzt, und das ist bitter. Da tröstet es auch nicht, dass man in Berlin überall auf Spuren der Einheits- und Freiheitsgeschichte stößt. Historische Spurensuche ersetzt die Anstrengung aber nicht, nach neuen ästhetischen Ausdrucksformen des Gedenkens zu suchen. Schuld an diesem Scheitern sind viele. Die Politiker stehen beim Versieben diesmal nicht in der ersten Reihe. Es sind die Künstler, die darin versagten, das Gute in der deutschen Geschichte ästhetisch zu bearbeiten. Nun gut, wir leben in postheroischen und postpathetischen Zeiten. Da haben es Denkmalarchitekten nun einmal schwer. Aber was in den beiden Wettbewerben an Entwürfen präsentiert wurde, das war zum allergrößten Teil schlicht indiskutabel. Der mutige Beschluss des Bundestages, ein Einheitsdenkmal in der Mitte Berlins zu bauen, fand in der Künstler- und Architektenszene ein Echo aus Unernst, Unvermögen und Trallala. Der größte Fehler der Kulturpolitiker war, dass sie aus lauter Angst, sich vor dem Feuilleton zu blamieren, am Ende der pseudoavantgardistischen „Einheitswippe“ den Vorzug vor einem figürlich-schlichten Entwurf Stephan Balkenhols gaben. Ein kniender Mann auf dem Sockel des alten wilhelminischen Reiterstandbildes hätte nicht nur ein schönes Bild von Demut, innerer Sammlung und Zuversicht gegeben, sondern auch keine Kostenexplosion verursacht. Vielleicht errichten in 30 Jahren syrische Einwanderer ein Denkmal, mit dem sie ihre Rettung und Freiheit feiern und ganz nebenbei die eingesessenen Deutschen daran erinnern, dass sie sich selbst auch einmal gerettet und befreit haben. [email protected] Seite 18 Die Neue aus der „Sesamstraße“ DAX Deutlich im Plus In Afghanistan verfolgt die Fernsehserie mit der Puppe Zari ein großes Ziel. Sie soll Mädchen helfen, selbstbewusster zu werden Seite 15 Dax Schluss Euro EZB-Kurs Punkte US-$ 10.026,10 1,1298 +2,71% ↗ –0,85% ↘ Dow Jones 17.40 Uhr 17.874,07 Punkte +0,86% ↗ ANZEIGE Der Talk mit Michel Friedman „Studio Friedman“ Heute um 17.15 Uhr Wir twittern Diskutieren live aus dem Sie mit uns Newsroom: auf Facebook: twitter.com/welt facebook.com/welt I n der deutschen „Sesamstraße“ saß früher der Berliner Musiker Birger Heymann auf einem Hocker und sang fröhliche Lieder, in denen Kinder lernen sollten, wie es ist, wenn man erwachsen wird. Seine Botschaft, begleitet auf einer Gitarre, war schlicht: „Wir werden immer größer, jeden Tag ein Stück. Wir werden immer größer, das ist ein Glück.“ Die „Sesamstraße“ ist in vielen Kulturkreisen längst zu einer der erfolgreichsten Fernsehserien geworden, die Knuddelfiguren der Jim Henson Company gibt es auch in Südafrika, Indien und Ägypten. Doch weil die Welt mittlerweile für Kinder schon so kompliziert geworden ist, sind auch die Botschaften der „Sesamstraße“-Macher anspruchsvoll geworden. Es geht nicht mehr ums schnöde Erwachsenwerden, sondern um die großen Themen wie Bildung, Gleichberechtigung und Selbstachtung. Für diese Werte steht in der afghanischen Ausgabe der „Sesamstraße“ jetzt die Puppe Zari Pate. Sie ist sechs Jahre alt, hat eine orangefarbene Nase und buntes Haar. Einen Schleier trägt sie nur manchmal, und die in Afghanistan typischerweise schwarze Schuluniform ist ihr zu blöd. Zari bedeutet „schimmernd“ in den afghanischen Sprachen Dari und Paschtu. Sie spricht mit piepsiger Stimme, aber was sie sagt, hat Gewicht: Der neue lokale Charakter der afghanischen „Sesamstraße“ – auf Dari „Bache Simsim“, eigentlich „Sesamgarten“ – soll Mädchen helfen, selbstbewusster zu werden, und Eltern ermuntern, ihre Töchter zur Schule zu schicken. In Afghanistan gehen drei bis vier Millionen Kinder gar nicht zur Schule. Und vor allem Mädchen scheiden oft nach der vierten Klasse schon wieder aus. Deshalb fanden die Macher der Sendung es wichtig, dass die neue lokale Figur ein Vorbild für Mädchen wird. Jeden Donnerstag und Freitag wird Zari ab jetzt auf dem Bildschirm erscheinen und „vor allem über die Wichtigkeit von Schulbildung sprechen“, sagt eine ihrer Puppenspielerinnen, die 23-jährige Mansura Schirsad. Andere Themen sind Sport oder wie man gesund bleibt. Produzent Ahmad Ariobi sagt, dass Zari sich auch gegen Gewalt gegen Mädchen und Frauen stellen wird. Ansonsten aber steht Zari auf niemandes Seite im multiethnischen und auch entlang anderer Gräben tief gespaltenen Land. Ihre Kostüme haben sich Elemente der paschtunischen, tadschikischen, usbekischen und der Hasara-Kultur geborgt. Außerdem spricht sie beide Hauptsprachen des Landes, Dari und Paschtu. Und auch mit Vorurteilen räumt die „Sesamstraße“ auf, denn es gibt dort die Autistin Julia; das Mädchen trat bisher nur in einer illustrierten Geschichte auf und in einer App. Die afghanische „Sesamstraße“ ist zwar nur eine Sendung für die Kleinen, aber es geht darin um die großen Themen des Lebens. DPA / JOHN E. BARRETT / SESAME WORKSHOP „Die Welt“ digital Lesen Sie „Die Welt“ digital auf allen Kanälen – mit der „Welt“-App auf dem Smartphone oder Tablet. Attraktive Angebote finden Sie auf welt.de/digital oder auch mit den neuesten Tablets auf welt.de/bundle DIE WELT, Axel-Springer-Straße 65, 10888 Berlin, Redaktion: Brieffach 2410 Täglich weltweit in über 130 Ländern verbreitet. Pflichtblatt an allen deutschen Wertpapierbörsen. Telefon 030/25910, Fax 030 / 259 17 16 06 E-Mail: [email protected] Anzeigen: 030 / 58 58 90 Fax 030 / 58 58 91 E-Mail [email protected] Kundenservice: DIE WELT, Brieffach 2440, 10867 Berlin Telefon 0800 / 9 35 85 37 Fax 0800 / 9 35 87 37 E-Mail [email protected] A 3,20 & / B 3,20 & / CH 5,00 CHF / CZ 95 CZK / CY 3,40 & / DK 25 DKR / E 3,20 & / I.C. 3,20 & / F 3,20 & / GB 3,00 GBP / GR 3,40 & / I 3,20 & / IRL 3,20 & / L 3,20 & / MLT 3,20 & / NL 3,20 & / P 3,20 & (Cont.) / PL 15 PLN / SK 3,20 € + ISSN 0173-8437 87-15 ZKZ 7109
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