Freiherren von Brandis

Die freilmren von vranSis.
Vorteag
von
vr. p. vütler in St. «allen,
gehalten an der
Zusammenkunft der historischen Wereine
von
Liechtenstein, St. Gallen und Granbündcn
am 14. M a i 1911 zu Vaduz
Die Geschichte der Freiherren von Brandis bietet dem Historiker insofern ein besonderes Interesse, als die Trager dieses
??amenS sich nach und nach i» verschiedenen, weit von einander
entfernten Landesgegenden festsetzten und da als Landesherren
oder als Inhaber höherer geistlicher Stellen eine nicht unbedeutende
Rolle spielten. Ans kleinen Verhältnissen emporsteigend, erwarben
sie durch eine erfolgreiche Heiratspolitik zu ihrem bescheidenen
Hansbesitz im Emmental znerst das Weißenburger Erbe im Berner
Oberland, später die Herrschaften Blumenegg, Schellenberg und
Vaduz im Vorarlberg und im Liechtensteinischen und schließlich
noch die einträgliche Herrschaft Maienfeld im Bündnerland. Daneben beuteten sie nach Kräften die einflußreiche Stellung der
Familienglieder geistlichen Standes in ihrem Hausinteresse aus
und wußten sich auf solche Weise sinanziell stets über Wasser zn
halten. Immer macht sich ein reger Familiensinn bemerkbar; im
'Gegensatz zn den Grafen von Kiburg-Burgdorf oder gar zn den
Grasen von Werdenberg, mit denen sie so vielfach in Berührung
kamen, hielten die Freiherren von Brandis unweigerlich zusammen;
die zweihundertfünfzigjährige Geschichte der Dynastie zeigt uns
kein einziges Beispiel eines Familienzerwürfnisses. Im übrigen
bietet die Geschichte dieses schweizerischen Adelsgeschlechtes wenig
erfreuliche Seiten- Sobald die historischen Quellen etwas reichlicher fließen und die einzelnen Persönlichkeiten genauer erkennen
lassen, tritt uns ein hartes, selbstsüchtiges, in seinen Bestrebungen
durch keinerlei moralische Bedenken gehemmtes Geschlecht entgegen,
dessen weltliche und geistliche Vertreter meist keine anderen Interessen, als die des Besitzes und der Verteidigung desselben
kennen; kaum daß wir bei den zwei letzten Generationen auf einzelne sympathische Züge stoßen, die uns gewisse Glieder der Dynastie menschlich näher bringen.
Der Name „Brandis", anfänglich häufig auch Braudes und
Brandeis, ist wohl die verkleinerte Koseform Brandizo des . althochdeutschen Personennamens Brando, von „prant", „braut",
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also Feuerbrand, auch Schwert, einstämmige Kürzung von einem
der mit „Brand" zusammengesetzten Personennamen. Die Namensformen Brandis, Brandes, Brandeis müssen sozusagen autochthon
nn verschiedener- Stellen des deutschen Sprachgebiets entstanden
seiu. Ein genealogischer Zusammenhang der Freien von Brandis
aus dem Emmeutal mit einer der zahlreichen adeligen oder bürgerlichen Familien dieses Namens, wie sie im Laufe der Geschichte
auftreten und zum Teil heute noch vorkommen, ist in keiner Weise
nachweisbar- Eine Verwandtschaft unserer Freiherren mit dem
noch heute bestehenden tirolischen Grafenhaus von Brandis ist
schon wegen der völligen Verschiedenheit der Wappen ausge-
schlossen.
Die Freiherren von Brandis aus dem Emmental besaßen ein
sprechendes Wappen. Es wies in den ersten drei Generationen
drei wagrechte Feuerbrände auf, später bloß noch einen Brandy
der schräg oder senkrecht im Schilde angebracht warDas urkundliche Material zur Geschichte unserer Freiherren
liegt weit zerstreut in den Staatsarchiven von Bern, Karlsruhe^
Innsbruck, Chur :c. Dem Umstände, daß sich die Freiherren nacheinander in ziemlich weit vvu einander entfernten Gebieten ansiedelten und daß deshalb ihre Politische Betätigung kein einheitliches Bild gewährt, wird es zuzuschreiben sein, daß bis jetzt ihre
Geschichte keine eingehende Gesamtdarstellung gefunden hat. Und
doch steht dieses Berner Adelsgeschlecht in seiner politischen Bedeutung keineswegs hinter vielgenannten gräflichen Familien, z. Bhinter den Werdenbergern, zurück. — Selbstverständlich kann es
sich hier bloß nm einen kurzen Auszug aus meiner Studie handeln.
Die Hauptpersonen sollen mit wenigen Strichen gekennzeichnet
und die weniger wichtigen Familienglieder mit Stillschweigen
übergangen werden. Wer sich für das Ganze interessiert, sei auf
Band X X X V I des J a h r b u c h s für Schweizerische G e schichte (1911) verwiesen.
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Mit dem Erlöschen des züringischen Hauses im Jahre 1218
fiel das Rektorat über Burgund an das Reichsoberhaupt zurück.
Die zahlreichen Dynasten und auf Reichsboden stehenden Bnrgen
uud Städte, welche bis dahin dem Rektor unterstellt gewesen
waren, standen fortan - direkt unter dem deutschen Könige. Da
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indessen Kaiser Friedrich II. durch unaufhörliche Kämpfe iu Italien
völlig iu Anspruch genommen war, gelangte auf schweizerischem
Gebiet das iu buntester Mannigfaltigkeit sich entwickelnde geistliche uud weltliche Herrentum so gut wie die rasch emporl'lnhcnden Reichsstädte in den Besitz einer uahezn unumschränkten
Landeshoheit.
I n dieser Zeit, da sich in dem Gebiete zwischen Jura und
den Alpen kein einheitlicher Wille mehr geltend zu machen wußte,
tauchte aus dem „hauptlosen Baronengewimmel" das Geschlecht
der freien Herren von Brandis empor. Im Jahre 1239 siegelt
Herr K v u r a d von B r a n d i s eine Urkunde, laut welcher Ritter
Konrad von Walkringen seine Eigengüter und Lehen im Gebiete
d;r Glane oberhalb Freiburg an Junker Wilbert v. Rivoire abtrat.
Damit beginnt die Geschichte der Freien von Brandis; der
Stammbaum ist lückenlos bis znm Erloschen des Geschlechts im
Jahre 1512.
Vorerst beschränkt sich allerdings unsere Kenntnis von dieser
adeligen Familie für fast ein Jahrhundert aus die dürftige Kuude,
welche durch vereinzelte Urkunden von Schenkungen an fromme
Stiftungen und von der Anwesenheit einzelner Glieder der Dynastie als Zeugen bei wichtigen Handändernngen auf uus gekommen ist. Davon, daß.die wichtigen politischen Ereignisse und
Umwälzungen jener Zeiten — Untergang des hohenstanfischen
Hauses im Kampfe gegen das Papsttum, Erlöschen der kiburgischen
Dynastie während des Interregnums, Übergang der Hegemonie
im Süden des deutschen Reichs an die Habsburger — die Freien
von Braudis irgeudwie in Mitleidenschaft gezogen hätten, kaum
eine Spur.
K o n r a d I. von B r a n d i s , Dvminus nnd Nobilis, erscheint
in den Urkunden von 1239 bis 1257. Seine Besitzungen lagen
im mittleren nnd obern Emmental, sowie weiter westwärts bis an
.die Aare. Er hanste auf der Burg Brandis, die sich auf eiuem
Hügel am rechten Ufer der Großen Emme, einen Kilometer nordwestlich vom Dorfe Lützelflüh erhob. Schon dieser Ahnherr des
Geschlechts war im Besitze der Vogtei über- das Benediktinerkloster
Trub, dessen Schiksale mit denjenigen der Schloßherren v. Brandis
stets enge verknüpft blieben.
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Das Gleiche ist von seinem Sohne W e r n e r 1-, der von
1250 bis 1280, und von seinem Enkel T u r i n g I> zu sagen, der
von 1280—1324 in den Urkunden erscheint. Dieser Türing 1.
gelangte auch in den Besitz der Vogtei über das Frauenkloster
Rüegsau, das einen Kilometer nördlich von der Burg Brandis
lag; dagegen verfeindete er sich dermaßen mit dem Kloster Trüb,
daß der Abt nnd Konvent dieses Stiftes die Reliquien des HI.
Krenzes vor dem gefährlichen Vogte nach der Stadt Bern in
Sicherheit brachten und daß der deutsche König Albrecht 1. sich
veranlaßt sah, das Gotteshaus dem besonderen Schlitze der Stadt
Bern anzuempfehlen.
Einige Jahre später scheint Ritter Türing von Brandis durch
seinen Verwandten, den Juuker Rudolf von Balm, und vielleickit
auch dnrch einen zweiten Bruder, namens Mangold, in jene Adclsverschwörnug gegen das Reichsoberhaupt verstrickt worden zu sein,
die am 1- Mai 1308 zur Ermordung Köuig Albrechts führte.
Zwar war Türing an der Mordtat selbst nicht beteiligt. Trotz'
dem sollte auch er, wie so viele seiner Staudesgenossen, von der
Blutrache getroffen werden. Das Haus Österreich wollte die
Gelegenheit, da die weitverzweigte Verwandtschaft der Königsmörder ihm so manches Opfer darbot, benützen, um einen alten
Plan der habsburgischeu Dynastie ins Werk zu setzen: die Gründung eines zusammenhängenden erblichen Fürstentums in den
obern Landen. Diesen Absichten stellten sich jedoch nicht bloß das
mächtige Bern und die vielen mit ihm verbündeten Städte entgegen,
sondern auch der freie Adel, der diesmal mit den bürgerlichen
Gemeinwesen Hand in Hand ging. Türing von Brandis verlor
die Burg Spiez samt den dazu gehörigen Leuten und Gütern,
die er von Österreich zu Lehen gehabt; dagegen konnte er sich in
seinen emmentalischen Besitzungen behaupten. Er endete seine
wechselvolle politische Laufbahn mit einer großen Schenkung an
die Kirche von Lützelflüh.
Ein Bruder Türings I. muß jener Herr M a n g o l d von,
B r a n d i s gewesen sein, dessen Jahrzeit die Dentschritter zu Hitzkirch gleichzeitig mit derjenigen seiner Gemahlin Margarets von
Nellenbnrg je am 15. April feierten. Merkwürdigerweise wird
er in den Urkunden nie genannt. Und doch war er der Vater
einer zahlreichen Familie, während von Nachkommen Türings I.
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nichts bekannt ist. Als Gemahl der Base eines der Königsmvrder
ist er vielleicht in der Blutrache untergegangen vder zu jeuer Zeit
«us dem Lande weggezogen. Mit dieser Erklärung läßt sich auch
der Umstand in Einklang bringen, daß seine Nachkommen nicht
mehr das alte Wappen mit den drei Brandfackeln, sondern ein
verschlechtertes neues mit blos noch einer Brandfackel führten.
Mangold l. hatte sechs Söhne und drei Töchter; der älteste unter diesen Söhnen, T ü r i n g II. 1326—68, legte durch seine
Heirat mit Katharina, der Tochter des Freiherrn Peter von WeiHenburg, den Grnnd zum Reichtum und zur großen politischen
Bedeutung seines Hauses.
Durch klnge Politik hatten die Freiherren von Weißenburg ihr
Gebiet zn Anfang des 14. Jahrhunderts bedeutend vergrößert. Es
hatte den Anschein, als ob das ganze Gebiet, das heute das Berner Oberland geuauut.wird, unter ihre Herrschaft kommen sollte.
Aber damit kreuzten sie die Politik des aufstrebenden Bern, das
schon entschlossen war, seine Herrschaft bis an den Alpenwall vor-
zuschieben. Mit jeuer erbarmungslosen Energie, die von jeher die
Politik der Zäringerstadt au der Aare auszeichnete, ging Bern
gegen die trotzigen Freiherren vor. Durch deu Krieg von 1334
bis 1335 gerieten dieselben mit all ihren Besitzungen durchaus in
Abhängigkeit von der siegreichen Republik. Wie etwa ein Bankrotierer einzelne Wertobjckte an Verwandte verschenkt, um sie ans
dem allgemeinen Zusammenbruch zu retten, hatten die Weißenburgcr während der Kriegsjahre verschiedene Besitzungen an ihren
Schwager Türing II. von Braudis übertragen. Zwar konnte sich
Türing weder in der Herrschaft Weißenuu, noch in der Pfandschaft Oberhofen am Thuuersee behaupten; dagegen verblieb ihm
die reichsunmittelbare Herrschast S i m m e n e g g im obern Simmental, ungefähr die Kirchhöre Voltigen umfassend. Junker Türing
zog nun die richtigen Konsequenzen aus den Vorkommnissen, die
sich vor seinen Augen in der Familie der Schwäger abgespielt
hatten. Im Verein mit seiner Gemahlin Katharina begab er sich
sür die Herrschaft Simmenegg 1337 in den Schirm der Stadt
Bern. Damit beginnt der enge Anschluß der Edeln von Brandis
an das republikanische Gemeinwesen an der Aare, ein Freundschaftsverhültnis, das ohne nennenswerte Störung fast 2 Jahrhunderte andauerte und erst mit dem letzten Sprößling des
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Hauses endete. Zwar konnte diese Freundschaft den notwendigen
Gang der politischen Entwicklung in jenen Gegenden nicht ändern;
auch die Besitzungen der Herren von Brandis im Oberland und
im Emmeutal giugeu uach uud nach an Bern über- Aber dieser
Nebergang vollzog sich in gegenseitigem Einverständnis, in aller
Form Rechtens; und als die westlichen Besitzungen schon längst
verkauft waren und die Freiherren sich in Vaduz, im Vorarlberg
und in Granbündcn festgesetzt hatten, blieb das gute Einvernehmen
fortbestehen. Die mächtige Stadt half deu Erbbnrgern ans zahllosen Fährlichkeiten und nahm sie mit Erfolg in Schutz selbst
gegen die Eidgenossen.
I n der Folgezeit kaufte Türing II. von seinen Schwägern
zuerst die Herrschaft Müliuen im untern Kandertal, die er indessen
gleich au Bern veräußerte, uud dauu das Gericht D i e m t i g e u
im untern Simmental, also einen Teil des ältesten Weißenburger
Hausbesitzes. Immer mehr machte er sich in seinen obcrländischen
Besitzungen heimisch. Mit Hinsicht darauf, daß nach dem Ableben
seiner kinderlosen Schwäger das ganze Weißenbnrger Erbe an ihn
fallen mußte, verknuste er 1367 im Eiuverstäuduis mit seinen
Söhnen seiueu Auteil au der Herrschaft Brandis und die Vogteien
über Trub und Rüegsau um 6200 Florentiner Gnlden an seinen
Bruder W o l f h a r t I. Im folgenden Jahre starb er mit Hinterlassung von 4 Söhueu uud 4 Töchtern. Sein Bruder Wolfhart
1., Herr von Brnudis, vermählt mit Gräfin Anna von MontfortFeldkirch, der Witwe Hartmanns IU. von Werdenberg - Sargnns,
Herrn zn Vaduz, folgte ihm 3 Jahre später im Tode nach.
Eine einslußreiche Stellung im Klerus Süddentschlands
nahmen dazumal die vier geistlichen Brüder Türings II. und
Wolsharts I. von Brandis ein, nämlich Eberhart, Heinrich 11.^
Mangold II. nnd Werner II. Es lag im wohlverstandenen Interesse der freiherrlichen Familie, die jüngern Söhne in geistlichen
Stiften zu versorgen; man wollte damit die dem Familienwohlstand so gefährlichen Erbteilnngen nach Kräften verhindern nnd
zugleich gelegentlich den Finanzen des Hauses mit Kirchengeld
wieder aufhelfen.
Es kann sich hier selbstverständlich blos darnm handeln, diese
geistlichen Herren in ihren Beziehungen zn den Geschicken ihres
Hauses zn schildern.
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Der älteste unter diesen Brüdern wird E b e r h a r d gewesen
sein. Schon 1328 war er Conventuale des Klosters Reichenau.
Im Jahre 1343 wurde er auf Grund eines Compromisses zum
Abt seines Gotteshauses gewählt. Schon beim Regierungsantritt
Eberharts befanden sich die Finanzen des Klosters Reichenan in
einem bedenklichen Zustand, und der Neugewählte war keineswegs
der Mann, hier rettend oder auch nur helfend einzugreifen. Dafür
mischte er sich in die innern Angelegenheiten des benachbarten
Hochstifts Constanz. Als am 2 l . Januar 1356 Bischof Johann
ermordet wurde, soll Abt Eberhart die Hand im Spiele gehabt
haben, um wohlbegrüudeten Geldsorderungen des Bischofs zu entgehen und vielleicht selbst zur Bischofswürde zu gelangen. Die
Mörder seien nach vollbrachter Tat aus die Reichenau geflüchtet
und Hütten hier eine sichere Zuflucht gefunden. Nach vergeblichen
Bemühungen, selber die vakante Stelle zu erhalten, habe Abt
Eberhart seinen Bruder Heinrich, Abt in Einsiedeln, vorgeschoben,
der daun auch wirklich zum Ziele gelangte. So behaupteten 12
Jahre nach der Freveltat Rat und Bürger von Constanz, als sie
mit Bischof Heinrich und der ganzen Familie der Herren von
Brandis in Konflikt geraten waren. Auf jeden Fall hat Bischof
Heinrich es stets vermieden, die jedermann wohlbekannten Mörder
seines Vorgängers zn verfolgen.
I n der Folgezeit wurde die Reichenau immer mehr der Z u fluchts- und Versorgungsort der weitläufigen Verwandtschaft des
Abtes.
Um die Mitte der Sechzigerjahre geriet das Kloster in einen
hitzigen Streit mit der Stadt Constanz. Mangold III. von Brandis,
Klosterherr und Kellerer von Reichenau, ein Neffe des Abtes, nnd
Eberhart von Altenklingen, der Cantor des Gotteshauses, stießen
nämlich bei einer Kahnfahrt auf den Constanzer Fischer Matthäus^
der im Gebiet der Abtei gefischt haben sollte. Ohne weiteres
überfielen die beiden Conventualen und ihr Begleiter deu Unglücklichen uud stachen ihm die Augen aus. Voll Zorn über das
Verbrechen eilten die Constanzer Bürger noch am gleichen Tage
bewaffnet nach der Reichenau, verbraunten und zerstörten die
beiden Häuser uud raubten Hab und Gut der zwei, schuldigen
Klosterherren. I u der sich nun entspinnenden Fehde gelang
es den Reichenauern, den Constanzer Stadtammann Ulrich von
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Roggwil und dessen Vetter Johann gefangen zu nehmen, als diese
in einem Schiffe bei Gottlieben vorbeifuhren. Der Kellerer Mangold
verwahrte nun die beiden als wertvolle Geiseln. Am 24. Juli 1865
kam es unter Vermittlung der Städte S t . Gallen, Lindau, Wangen,
Ravensburg, Überliugen und Buchhorn auf einer Tagung in Überlingen zum vorläufigen Frieden zwischen beiden Parteien.
Durch diese Vorgänge war die Abtei Reichenau ökonomisch
offenbar ganz herabgekommen. Am 31. August 1367 verpfändete
Abt Eberhart im Einverständnis mit dem Convent an seine Brüder
Bischof Heinrich und Wolfhart I. von Brandis, ferner an Konrad
Pfefferhart nnd Eberhart am Horn, Bürger von Constanz, alle
Flecken, Leute und Güter des Gotteshauses. Dafür traten die
vier Pfandinhaber als Bürgen für die Schulden der Abtei und
als deren Vermögensverwalter ein. Sie verpflichteten sich, dem
Abt jährlich 1000 Psund Pfennige, 100 Malter Korn, sechs Fnder
Wein und das nötige Brennholz von des Klosters Einkünften
Zum Unterhalt des Gotteshauses vorwegs abzuliefern.
Nach kurzer Waffenruhe brach der Streit zwischen der Abtei
Reichenau und der Stadt Constanz neuerdings aus Äbt Eberhart
ergriff nämlich Partei für seinen Bruder Heinrich in dessen scharfem
Konflikt mit der Stadt, von dem später die Rede sein wird. In
diesen Kämpfen stand die ganze Sippe der Herren von Brandis,
imrch so viele ökonomische Interessen an die beiden Prälaten
.geknüpft, wie ein Mann dem städtischen Gemeinwesen gegenüber.
Der zwischen den zwei Parteien bestehende Haß kam mit elementarer
Wildheit zum Ausbruch bei einem zufälligen Zusammentreffen
von Bürgern ritterlichen Standes aus Coustauz mit- gewappneten
Reitern ans der Reichenau. Es war zu Aufaug des Jahres 1368
als beide Gruppen, jede über 20 Mann stark, ans dem Wege zu
einem Turnier („Stechen'') in Zürich bei dem Dorfe Basfersdorf
«us einander stießen. Die Reichenauer unter der Führung von
Wolfhart II. („Wölfli") uud Türing III. von Brandis. des Abtes
Neffen, die, wie es scheint, auch auf der Reichenau hausten,
wurden ohne weiteres mit deu Constanzern handgemein. Die
Städter behielten die Oberhand. Wölfli von Brandis blieb tot
auf dem Kampfplatz, vier Reichenauer konnten von deu Siegern
als Gefangene festgehalten werden, die andern mit Ritter Türing
machten sich aus dem Staube.
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Damit begann der offene Krieg zwischen der Stadt Constanz
einerseits und der ganzen Brandis-Sippe anderseits. Bischof
Heinrich entfloh sofort ans der Stadt und belegte dieselbe mit
dem Interdikt- Die Feindseligkeiten dauerten volle vier Jahre.
Zugleich wandten sich beide Teile klagend an den Papst. Als am
15. August jeues Jahres das.Marktschiff von Constanz nach Stein,
hinunterfuhr, fiel es zwischen Feldbach uud Mammern in einen
feindlichen Hinterhalt; neun Constanzer wurden erstochen, viele
andere verwundet.
Auch zerstörten die Constanzer die feste
Burg Schopfelen, deren malerische Trümmer noch heute den Eingang zur Insel Reichenau zieren. Zudem gelang es ihnen, das
Schloß Marbach unweit Wangen am Untersee, das der Kellerer
Mangold mit neun Kriegsknechten hatte besetzen lassen, einzunehmen.
Die Besatzung wurde in Constanz hingerichtet. Die Feindseligkeiten hatten mittlerweile einen immer größeren Umfang angenommen. Aus Seiten des Abtes und des Bischofs standen auch
ihre beiden Brüder Mangold und Werner, Deutschordensritter,,
ferner die Grafen Wolfram von Nellenbnrg, Friedrich der jüngere
von Zollern-Schalksburg und Rudolf IV. von Habsburg-Laufenburg,
sowie Ritter Ulrich vom Haus und Freiherr Wilhelm von End.
Endlich wurden Friedensnuterhandlungen angeknüpft, die am
31. März 1372 dank der Vermittlung Kaiser Karls IV. den
definitiven Frieden zwischen der Stadt Constanz einerseits, dem
Bischof Heinrich, dem Abte Eberhardt und allen ihren Verbündeten
anderseits herbeiführten. Damit kehrte wieder die Ruhe auf das
kleine Eilaud im Untersee zurück, die fortan unter Abt Eberhart
nicht mehr gestört wurde.
Eberhard von Brandis starb am 29. September 1379 nnd
wurde im südlichen Seitenschiff der Münsterkirche von Mittelzell
beigesetzt. Er hat ein übles Angedenken hinterlassen. Der Nepotismus scheint ihm gleich seinem Bruder Heinrich zum Verhängnis
geworden zu sein. Er galt als arger Verschlenderer der Klostergüter, als schlechter Haushalter. Seine Zeit bezeichnet den moralischen und ökonomischen Tiefstand der Abtei Reichenau.
Eine noch bedeutendere, wenn auch keineswegs glücklichere
Rolle im kirchlichen Leben Süddeutschlands spielte Eberharts
Bruder H e i n r i c h von Brandis. Als Abt des Klosters Einsiedeln,
1348—57 hat er sich ein gutes Angedenken geschaffen. Nach
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der Ermordung des Bischofs Johann III. von Constanz 1356 ernannte der Papst den Einsiedler Abt Heinrich zum NachfolgerDa das Vermögen nnd die Einkünfte des Hochstifts während der
Stuhlerledigung verschleudert worden waren und sich zndem der
neugewählte Bischof anläßlich der Bischofsweihe in Avignon der
päpstlichen Curie gegenüber zur Zahlung von 10,000 Goldgulden
verpflichtet hatte, geriet Heinrich, als Abt uud Bischof der Dritte
seines Namens, gleich in eine schwierige finanzielle Situation.
Schon bei seinem Amtsantritte hatte er eine, Schuldenlast von
Z2.000 Gulden vorgefunden. Nun wandte er sich an seine Brüder
und sonstige,? Verwandten, verknüpfte deren finanziellen Interessen
mit denjenigen des Hochstifts und geriet so ans die nämliche abschüssige Bahn, wie sein geistlicher Bruder auf der ReichenauGleich heftete sich die ganze große Verwandtschaft an seine Fersen,
in dem offensichtlichen Bestreben, aus seiner hohen kirchlichen
Stellung Nutzen zu zieheu. Bei einer Menge von Geldgeschäften
und sonstigen amtlichen Maßnahmen des Bischofs finden wir die
Verwandten als Zeugen oder anderswie beteiligt. Um einem
augenblicklichen Geldbedürfnis abzuhelfen, verpfändete er Besitz
und Einkünfte des Hochstifts unter ihrem reellen Wert und häufte
Schulden auf Schulden. Offenbar fehlte dem Bischof die nötige
Energie, um ungehörigen Zumutungen entgegenzutreten, und vielleicht auch der ausgesprocheue gute Wille, die so nötig gewordene
Sanierung der ökonomischen Verhältnisse des Hochstifts durchzuführen. So wurde die sechsuudzwanzigjährige Regierung des
Bischofs Heinrich von Brandis dem Bistum Coustanz zum Unsegen.
Mit der finanziellen Zerrüttung Hand in Hand ging eine vor keiner
Gewalttat zurückschreckende Leidenschaftlichkeit in der Verfolgung
selbstsüchtiger Ziele nnd. gänzliche moralische Ungebundenheit.
Schon im ersten Jahre seiner Regierung ernannte der von
rücksichtslosen Gläubigern bedrängte Bischof Heinrich seinen Bruder
Wolfhart I- zum bischöflichen Generalvikar in tsmpoiÄlidris und
legte die gesamte weltliche Verwaltung des Hochstifts in seine,
Hände. Da der Bischof seinen Schuldverpflichtungen gegen die
Päpstliche Curie in Avignon nicht nachkam, beauftragte diese den
dem Bischof feindseligen Dompropst Felix Stucki sowie den Rat
von Constanz mit der Bestrafung des Säumigen. Stucki verfaßte
nun eine ausführliche Anklageschrift gegen den Bischof, beschuldigte
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ihn aller möglichen Verbrechen und machte sich auf den Weg uach
Avignon, um die Absetzung Heinrichs zu betreiben. Aber die
Brüder und Neffen des Bischofs eilten dem Dompropst nach,
erreichten ihn in Zürich und ermordeten ihn da in der Nacht
vom 6. auf deu 7. August 1363. Bald darauf verquickte sich
dieser Streit mit dem schon früher erzählten Konflikt zwischen
der Abtei Reichenau und Constanz. Die Constanzer vertrieben
den Bischof; dieser belegte die Stadt mit. dem Interdikt; der
Papst schickte eine Untersuchungskommission, die den Bischof seines
Amtes entsetzte. Nun mischte sich der deutsche Kaiser Karl IV. in
den Streit, iu welchem nach nnd nach fast alle Herren Süddeutschlands für oder gegen den Bischof Partei ergriffen hatten. Es kam
unter kaiserlicher Vermittlung 1372 zu einer allgemeinen Versöhnung, und 3 Jahre später widerrief der Papst auch noch die über
Heinrich verhäugte Amtsentsetzung, da sich herausgestellt habe,
daß die Anklagen der Constanzer unbegründet gewesen seien.
Bischof Heinrich starb 1383 auf dem Schlosse Klingnau, seinem
Lieblingsaufenthalt, und wurde mit großer Pracht im Chor des
Doms von Constanz beigesetzt.
Die fünfte Generation weist Nachkommen Türings II. und
Wvlfharts I. auf. Türing II. Herr von Diemtigen und Simmenegg,
hatte ans seiner Ehe mit Katharina von Weißenburg 4 Söhne
und 4 , Töchter erhalten. Der älteste unter diesen Söhnen,
T ü r i n g III., verheiratete sich mit Gräfin Margarets, von Kiburg,
die ihm die österreichischen Pfänder Unterseen, Unspunnen, OberHosen und Balm als Mitgift in die Ehe brachte. 1368, nach dem
Ableben des letzten Weißenburgers, erbte, sodann Türing III. anch
noch die Gerichte Weißenburg, Erlenbach nnd Wimmis im untern
Simmental. So vereinigte er in seiner Hand eine Macht, die
derjenigen der Weißenburger in ihren Glanzzeiten nicht nachstand.
Aber seine Ehe war kinderlos. Ein Bruder, Wolfhart II.
(„Wölfli") war im Strauß bei Bassersdorf erschlagen worden, ein
änderer Bruder, Wolfhart III., als Geistlicher gestorben, und es
blieb nur sein 4. Bruder, der vielgenannte Propst und Kellerer
Mangold auf der. Reichenau. Also vermachte Türing III. die
Herrschaft Simmenegg seinem Schwager Rudolf von Aarburg und
alles Uebrige dem Klosterherrn Mangold. Türing III. fand,1375
auf einem Kriegszug ins Wallis den Tod.
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Gleich erschien Propst Mangold im Oberland, nahm Besitz
vom Erbe nnd nannte sich Herrn von Weißenburg. Bald geriet
er in Streit mit seinen Untertanen. Voll Ingrimm erhoben sich
die Simmentaler gegen den brutalen nenen Herrn, erschlugen
seine Amtslcute und schlössen ihn und seine Kriegsgesellen m der
Feste Wimmis ein. Aber gleich erfolgte eine militärische Intervention
der Stadt Bern. Der Urteilsspruch, den nun der Rat von Bern
in dieser Sache fällte, ist so rechtcharakteristischfür die bernische
Politik der damaligen Zeit. Die Herrenstadt, die selber über Land
und Leute regierte, konnte eine solche Rebellion nicht ungeahndet
vorübergehen lassen, schon des bösen Beispiels wegen. Also bekamen
die armen Simmentaler durchaus Unrecht und mußten den
Aufstand schwer büßen. Aber gleichzeitig stellte Bern den Freiherru
ganz unter seine Vormundschaft, gab ihm eine Aufsichtskommission
zur Seite, stellte die jährliche Steuerquote fest und ließ dem
habgierigen Herrn nur soviel von dem jährlichen Steuererträgnis
zukommen, als nicht von vornehereiu für die Verzinsung der auf
dem Weißenburger Erbe lastenden Schulden aufgebraucht wurde.
Einige Jahre später wurde der Freiherr wieder auf den
frühern Schauplatz seiner Wirksamkeit, auf die Reichenau, zurückgerufen. Am 11. November 1383 wühlte ihu der Convent seines
Klosters einhellig zum Abte, und am 27. Jannar 1384 wurde
er von neun Constanzer Domherren, die zum Gegenpapst
Clemens VII. in Avignon hielten, gar noch ans den bischöflichen
Stuhl von Constanz erhoben. Aber eine Minderheit von sechs
Domherren hatt sich für den römisch gesinnten Nikolaus von
Riesenburg ausgesprochen. Es hing nun alles von der Parteinahme
der Constanzer Bürgerschaft ub. Diese erklärte sich nach kurzem
Zaudern sür den Papst in Rom und verjagte den Bischof Mangold
von Brandts- Doch das war nicht der Mann, eine Beute leichten
Kaufes fahren zu lassen. I n Marbach am Untersee sammelte er
seine zahlreichen Anhänger- Er stellte sich an die Spitze einer
beträchtlichen Streitmacht und war gerade im Begriffe, nach
Constanz aufzubrechen, als er am 19. November 1385 plötzlich
tot vom Pferde siel. Seine Freunde behaupteten,sichermit Unrecht,
er sei von der Gegenpartei vergiftet worden. Im Kirchenschatz
des Klosters Reichenau findet sich noch der kunstvolle Abtsstab
dieses sonderbaren Prälaten. Nach langen Verhandlungen und
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vielfachen Transaktionen kaufte Mangolds Vetter Wolfhart IV.,
Herr zu Brandis, zuerst die beiden Gerichte Diemtigen und Wimmis
von Mangolds Schwester Agnes, und dann auch noch, und zwar
im Verein mit dem Ritter Nikolaus von Scharnachtal, die Gerichte
Weißenbnrg und Erlenbach.
-I-
W o l f h a r t IV. von B r a n d i s und sein Bruder U l r i c h
T ü r i n g waren die Söhne Wolfharts I. aus seiner Ehe mit
Gräsin Anna von Montfort, der Witwe der Grafen Hartmann
von Werdenberg-Sargans, Herren zn Vaduz. Aus der ersten
Ehe Annas, mit dem Vaduzer Grasen, entstammten 2 Söhne:
Graf Heinrich V. von Vaduz und Bischof Hartmann von Chur.
Diese beiden waren also Stiefbrüder Wolfharts IV. und Ulrich
Türings. Graf Heinrich V. von Vaduz, der von seinem mütterlichen Oheim auch noch die Herrschaften Blumenegg und halb
Schellenberg erbte, versetzte in seiner großen Geldnot 1391 seineu
Stiefbrüdern von Brandis die Herrschaft Blumenegg. Dieselbe
umfaßte das sogen. Große Walsertal, ein Nebental der Feldkircher
J l l , samt der Vogtei über die Einsiedler Propstei Triesen oder
St. Gerold. 1397 starb Graf Heinrich V. kinderlos und sein
ganzes Erbe fiel nun an den Bruder des Verstorbenen, den
Bischof Hartmann von Chur. Er war eine der interessantesten
Gestalten unter den Bischöfen von Chur, ein abenteuernder, unruhiger Geist uud gar unglücklich in seiner Politik. Fast seine
ganze Regierungszeit hindurch — er regierte von 1389 bis 1416 —
hatte er zu kämpfen gegen den in der vorarlbergischen, appenzellischen und eidgenössische Geschichte gar wohlbekannten Herzog
Friedrich IV. von Österreich. Dreimal fiel der Bischof in österreichische Gefangenschaft und immer schlimmer gestaltete sich seine
finanzielle Lage. I n seinen Geldnöten fand er stets eine offene
Hand bei den reichen Stiefbrüdern von Brandis, natürlich gegen
stückweise Verpfändung seines Hansbesitzes. Also versetzte ihnen
1399 der Bischof die Grafschaft V a d u z . Dieselbe umfaßte
das heutige Fürstentum Liechtenstein, abgesehen von . der Herrschaft
Schellenberg im Norden und der österreichischen Burg Gutenberg
samt Kleinmels ganz im Süden. Wohl sicherte der Bischof seinen
nahen Verwandten, dem Grafen von Werdenberg-Sargans, das
Rücklösungsrecht auf Vaduz zu; oberes war sicher vorauszusehen,
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daß die gänzlich verarmten Sarganser Grafen nie in den Fall
kommen werden, die auf Vaduz lastende Pfandsumme zu entrichten,
um so weniger, als der Bischof durch wiederholte neue Anleihen
bei seinen Stiefbrüdern diese Pfandsumme noch beständig erhöhte.
Vorübergehend schien die brandisische Herrschaft rechts des
Rheins ins Wanken zu geraten, als die Appenzeller nach ihrem
Siege am Stoß über Herzog Friedrich IV. von Österreich 1405
den Rhein überschritten, das Vorarlberg eroberten, die dortigen
Herren verjagten und mit deren Untertanen den großen Vvlksbund „ob dem See" eingingen. Doch die Niederlage der Appenzeller 1408 bei Bregenz machte dieser Herrlichkeit ein jähes Ende
und die vertriebenen Adeligen kehrten wieder in ihre Besitzungen
zurück. 1416, in seinem Todesjahre, verkaufte Bischof Hartmann
von Chur an seinen Stiefbruder Wolfhart — Ulrich Türing
war gestorben — auch noch seinen Anteil an der Herrschaft
Schellenberg oder Eschnerberg, also die nördliche Ecke des jetzigen
Fürstentums Liechtenstein, im Winkel zwischen Rhein und dem
Mündungsgebiet der Feldkircher J l l .
Zwei Jahre später folgte Wolfhart IV. von Brandis dem
Stiefbruder im Tode uach. Seiu großer, reicher, aber weithin
verstreuter Besitz — also die alte Stammesherrschaft Brandis im
Emmental, fast das ganze Weißenburgcr Erbe im Berner Oberland uud im Osten die Herrschaften Vaduz, halb Schellenberg nnd
Blumenegg — fiel nun an seinen einzigen Sohn, der wie sein
Vater auch Wolfhart hieß..
Dieser W o l f h a r t V. von B r a n d i s . 1418-1456, ist
wohl die politisch bedeutendste Gestalt unter den Freiherren von
Brandis weltlichen Standes, Durch seine Heirat mit Verena,
der Tochter des Grafen Albrecht III. von Werdenberg - Bludenz,
trat er in verwandtschaftliche Beziehungen zum Grafen Friedrich VII.
von Toggenburg. War doch Verena die Tochter eines Mutterbruders des Grafen Friedrich. Dieser mächtigste Herr im Gebiet
der heutigen deutschen Schweiz besaß das Toggenburg, Uznach,
die obere March, Maieufeld, das Prütigau, Davos, Churwaldeu ?c.
als Eigen und die Herrschaften Sargans, Gaster, Rheintal und
Feldkirch als Pfand von Österreich.
Als nun Friedrich von Toggenbnrg am 30. April 1436 als
letzter seines Geschlechtes starb, ohne ein Testament zu hinter-
—
159
—
Zassen, da drängte sich bekanntlich gleich ein ganzes Rudel vvn
meitentfernten Verwandten des Erblassers um dessen Witwe und
drangsalierte die alte Frau so lange, bis sie auf ihre Erbansprüche
verzichtete und die ganze Beute dieser lärmenden Gesellschaft
überließ. An der Spitze des Erbschafts-Consortiums stand Freiherr Wolfhart V. von Brandis. Als Vertrauensmann des greisen
Herzogs Friedrich IV. vou Österreich hatte er bereits die Rücktösung der sogenannten Pfandschaften an das Haus Österreich
durchgesetzt. Im September 1437 gingen die Erben an die Verteilung des toggenburgischeu Hausbesitzes. Wolfhart von Brandis
And sein Schwager Türing von Aarburg erhielten die schöne Herrschaft Maienfeld mit dem Städtchen Maienseld und den Dörfern
Fläsch, Jenins und Malans, sowie die Burg Marschlins, ein
curisch - österreichisches Lehen. Nachdem dann noch der Brandiser
seinen Partner ausgekauft hatte, gehörte ihm ein Herrschaftsgebiet
das sich von der Einmündung der J l l in den Rhein aufwärts
«erstreckte bis über die Landquart hinaus.
Mittlerweile war jeuer folgenschwere Streit zwischen Zürich
und Schwyz um einzelne Teile der toggenburgischeu Erbschaft
entbrannt, der zum A l t e n Z ü r i c h k r i e g führte. Ich muß
es unterlassen, die Wechselfälle dieses Krieges, an dem sich Wolfhart von Brandis in hervorragendem Maße beteiligte, im Einzelnen
zu schildern. Als Parteigänger Österreichs stand er in der ersten
Phase des Streites, 1436—1440, durchaus auf Seite» von Schwyz
und Glarns. Dann aber kam es zu dem bekannten Bündnis
Zürichs mit dem deutschen König Friedrich III. aus dem Hause
Habsburg-Österreich. Der Herr vou Vaduz machte diesen politischen
Frontwechsel ebenfalls mit und geriet damit als erster Brandiser
in ein ernstliches Zerwürfnis mit Bern, der alten Schutzmacht
seines Hauses. Nicht ganz mit Unrecht behauptete Wolfhart später,
er sei zu diesem Schritte genötigt worden durch das Vorgehen der
Appenzeller, die wieder einmal in der Hitze des Streites sich über
formelle Versprechungen uud Zusagen hinweggesetzt hatten. 1446
sammelten Hans von Rechberg und Freiherr Wolfhart von Brandis
ein Heer von 4—5000 Mann aus dem Etschland, Maieufeld,
Vaduz, Vorarlberg und den Bodenseegebieten und drangen damit
bis nach Ragaz vor, um den Eidgenossen das Sarganserland zu
entreißen. Ohne Zögern griff in der Morgenfrühe des 6. März
—
160
—
das bloß 1100 Mann starke Heer der Eidgenossen die feindlicheÜbermacht an. Vergeblich senerte der Herr von Brandis sem
Geschütz ans die anstürmenden Schweizer ab, erfolglos führte Hansvon Rechberg seine Reiterei gegen den kriegsgewohnten Gegner:
nach kurzem erbittertem Ringen gingen die Schweizer zur Offensive
über und bereiteten dem bestürzten Feind eine böse Niederlage.
Freiherr Wolshart von Brandis büßte in dieser Schlacht voir.
Ragaz sein Banner ein. Die Schweizer aber sangen:
Von Brandis, du nntrüwcr man,
was hast du geton?
du wanst zno Bern cm bnrgcr,
das hau ich wol vcrnon,
und hatcst ein eid gcjworen
zuo den Herren von Bern:
den !on, den 'du verdienet hast,
den sol man dir geben gern.
Der lon, der ist dir worden,
als ich's vcrnomen ha»,
darnach hcst dn geworben,
dn woltist nit milchig ganz
des bist dn wol innen worden'
von der Eidgenossen Hand:
si Hand dich glert ein ordcn
ze Nagaz im Oberland.
Die allgemeine Erschöpfung nötigte endlich die kriegführendem
Parteien zu eiuem friedlichen Ausgleich. Im Jahre 1452 nahm
sodanu der Rat von Bern den Freiherrn von Brandis neuerdings
ins Bürgerrecht der Stadt auf.
I n die Regieruugszeit Wolfharts V. von Brandis fällt die
Veräußerung des gesamten westlichen Besitzes.
Es scheint, als habe Freiherr Wolfhart V. von Ansang an
das Ziel ins Auge gefaßt, allmählich seine Besitzungen im Westen
zn veräußern, um sich desto sicherer im Osten festzusetzen- Der
Vater hatte dnrch Gelddarleihen an Bischof Hartmann nnd Erwerbvon Pfandschaften eine finanziell schwierige Lage geschaffen; auch
mußte sich der Sohn sagen, daß für den Adel im Machtgebiet der
Stadt Bern keines Bleibens mehr sei- Im Oberland war Bern
damals bereits im Besitz des größten Teils des Landes; was an
Kirchen- und Herrenbesitz noch vorhanden war, stand durch Burgrecht, Bündnisse und andere Verträge ganz in der Gewalt des
mächtig ansgreifendeu Gemeinwesens. Durch den Ankauf der Herrschaften Signau (1399) und Trachselwald (1408) rückte Berns
Machtbereich an die Grenzen der alten Herrschaft Brandis vor;
mit dem Erwerb der Landgrafschaft (1406) trat Bern vollends in
die Stellung der Obrigkeit, des Staatsoberhauptes in den Gebieten
rechts der Aare ein. So lag es im wohlverstandenen Interesse des
—
161
—
Zreiherrn, noch rechtzeitig die bernerischeu Besitzungen zu veräußern, umsomehr, als zahlungsfähige Käufer, vor allem die Stadt
Bern selbst, ja stets zur Hand waren. Die Anfänge dieser großen
-Liquidation des westlichen Besitzes reichen in das erste Regierungsjahr Wolfharts V. zurück. Er begann mit dem Verkaus der einträglichen Bischofsqnarten in Burgundeu, die einst seinem Vater
um einen Spottpreis von Bischof Heinrich von Constanz überlassen
.worden waren. Er verkaufte Stück um Stück von diesen bischöflichen Zehntvierteln und machte dabei ein vorzügliches Geschüft.
Nun kam das Weißenburger Erbe an die Reihe. Nachdem
Wvlfhart einen Scheinverkanf, durch den die Berner erschreckt
worden waren, rückgängig gemacht hatte, verkaufte er 1439 deu
-ganzen oberländischen Besitz an die Stadt Bern zn ewigem Eigen.
Die merkwürdigsten Transaktionen wurden mit der Herrschaft
Brandis vorgenommen. 1441 verpfändete sie der Freiherr an
Ludwig von Dießbach, 1447 an die Stadt Bern nnd verkaufte
sie endlich 1455 mit Zustimmung von Schultheiß, Rat und
Bürgern von Bern um 4150 rheinische Gnlden an Kaspar von
Scharnachtal, Bürger von Bern. Nach vielfachen Handänderungen
kam 1607 die Herrschaft Brandis in den Besitz der Stadt Bern.
Das schone Schloß Brandis, fortan der Sitz eines bcrnischen
-VvgteS, ging 1798 in Flammen auf.
Mit der Veräußerung der Herrschaft Brandis hatte WolfHart V. die Liquidation des westlichen Besitzes durchgeführt. Er
und sein Hans waren fortan auf die neuen Herrschaften im Osten
angewiesen. Es ist begreiflich, daß das Volk dieses beim Adel
^ungewöhnliche Aufgeben der alten Heimat auf seine Weise zu
-erklären suchte und andere als bloß politische nnd merkantile
Beweggründe annahm.
Die Sage schreibt das Wegziehen der Herren vou Brandis
.ans ihrer Stammburg und das frühe Erlöschen des Geschlechts
-einem Fluche zu, den ein Familienvater, der durch die Härte
eines Herren von Brandis zur Verzweiflung gebracht wurde, über
dieses Geschlecht aussprach- Als gerade Tauwetter einbrach uud
die Wasser anschwollen, fiel es einem Herrn von Brandis ein,
'durch eiue Jagd sich zu belustigen, uud er bot seine Leute dazu
-aus, darunter den Herrschaftsmüller, dem seine Frau gerade ein
Knäblein geboren hatte. Dem Müllerhaus drohte vom Wasser
die meiste Gefahr; der bekümmerte Vater bat dringend, ihn unterdiesen Umständen vvm Jagddienst zu befreien. Umsonst, unei>
bittlich blieb der Herr. Als der Mauu von der Jagd zurückkehrte und von der Anhöhe ob seiner Mühle das Hans fortgeschwemmt und Weib uud Kind in den Finten rettungslos verloren
sah, fiel er in Verzweiflung, und unter schrecklichen Verwünschunzen
übergab auch er sich dem Wasser, das ihm das Teuerste auf Erden
genommen hatte. Vou Stuud an floh die Rnhe aus der Burg.
Brandis, nnd die Herren zogen hinweg aus dem Emmental nachCurrätien und uahmeu zuerst ihren Sitz auf den Bnrgen zu
Blumeuegg und Vaduz.
Nach Wolfharts V. Ablcbeu ums Jahr 1456 gingen die
Herrschaften Vaduz, Schellenberg, Blumeuegg uud Maienfeld über
an seine 6 Söhne, von denen Wolfhart VI.. Sigmund I., Ulrichund Ortlieb besonders zn nennen sind. Allerlei Mißgeschick und
Unannehmlichkeiten erfüllten ihre Negierungszeit. 1458 brannte das
Städtchen Maienfeld nieder. 1469 das Schloß Marschlins. Hüusig,
wurden die Herren von Brandis in Anspruch genommen durch«
Streitigkeit ihrer Untertanen zu Schaan in der Grafschaft Vaduz,
mit den Leuten von Bnchs in der Herrschaft Werdenberg um
Wuun und Weid. Trieb und Trott, dann durch Konflikte zwischen
Triefen und Sevelen, zwischen Vaduz, Schaan nnd Buchs wegen
Rheinwuhrbauten, und endlich hatten sie noch einen zweijährigen.
Prozeß durchzumachen mit deu gänzlich verarmten Grafen Georg
.und Wilhelm «von Werdenberg-Sargans, die plötzlich alte Erbansprüche auf die Grafschaft Vaduz geltend machten und damit
noch 4000 rheinische Gulden von den Freiherren vou Brandiserpreßten.
I n ihrer äußern Politik folgteu die Freiherren durchaus dem
Beispiel ihres Vaters und schlössen sich enge an das Haus
Österreich an; Freiherr Ulrich wnrde sogar Rat und Diener des
Herzogs Sigmund, sowie sein Vogt zu Feldkirch. Trotzdem standen
die freiberrlichen Brüder stets ans gutem Fuße mit den rätischen
Bünden — die Herrschaft Maieufeld war einst mit ErlaubnisWolfharts V. in deu X Gerichtenbund eingetreten — sowie mit
den Eidgenossen und ganz besonders mit der Stadt Bern, dieihnen zur Zeit des Sundganerzugs und der Burgnnderkriege ausvielen Nöten half.
—
163
Der bedeutendste unter diesen Brüdern und wohl auch die sympathischeste Figur in der langen Reihe der Freiherren von Brandis
war O r t l i e b , Bischof von Chur von 1458 bis zu seinem Tod im
Jahre 1491. Es gelang dem tüchtigen Manne, das von Schulden
geplagte und durch innere Wirren entkräftete Hochstift zu hebeu
und die bischöflichen Rechte gegenüber Osterreich uud den eigenen,
nach Unabhängigkeit strebenden Untertanen mit ziemlichem Erfolg
zu wahren. Seinen Brüdern nnd Neffen stand er als freundlicher
Berater nnd Helfer zur Seite, ohne indessen seine hohe kirchliche
Stellung durch Nepotismus zu beflecken. Von dem regen und
geläuterten.Knustsinn dieses Bischofs zeugen u. a. ein Sakramentshäuschen, ein Hochaltar und vor allem sein eigener Sarkophag,
der noch heute eine Zierde der bischöfliche» Kathedrale iu Chur
bildet. Die schöne Platte des Sarkophags zeigt das Bild des
Bischofs iu Halbrelief, eine wohlbeleibte Gestalt mit freundlichem,
klugem Angesicht.
Von den zahlreichen Brüdern des Bischofs Ortlieb hatten sich
bloß Freiherr Ulrich verheiratet und eine legitime Nachkommenschaft
gezeugt. Aus seiner Ehe mit der Witwe des Hans von Castelbareo
(Kastelwart) aus dem Südtirol erhielt er eiue Tochter und sechs
Söhne. Unter den Söhnen dieser 8. und letzten Generation
spielten bloß L u d w i g , H e r r von V a d u z , und S i g m u n d II.,
H e r r von M a i e n selb, eine politische Rolle. Schelleuberg nnd
Blumenegg blieben im gemeinschaftlichen Besitz. Beide Freiherren
standen in einem engen Freundschaftsverhältnis zum Hanse Österreich, namentlich zu Maximilian, dem Sohn nnd Nachfolger Kaiser
Friedrichs III. Als sich nuu gegen Ende der Nennzigerjahre das
Verhältnis der Eidgenossenschaft zu König Maximilian dermaßen
verschlechterte, daß ein Austrag des Konflikts bloß noch durch
Waffengewalt möglich war, gestaltete sich wieder, wie einst im
Alten Zürichkrieg, die politische Situation der Herren von Brandis
recht heikel. Sie waren Bürger von Bern und Freunde Österreichs;
ihr Gebiet lag mitten zwischen eidgenössischen und österreichischen
Landen. Um da glücklich durchzukommen, hätten die beiden letzten
Herren von Vaduz und Maienfeld die diplomatische Einsicht uud
Begabung ihres Großvaters besitzen müssen, die ihnen jedoch
gänzlich sehlte.
Schon im Dezember 1498 begannen im Bündner Münstertal
—
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—
die Feindseligkeiten, welche den sogen. Schwaben krieg oder
Schweizerkrieg des Jahres 1499 eröffneten. Bekanntlich spielte
sich ein großer Teil der Kriegsereignisse an der Rheingrenze von
Maienfeld bis an den Bodensee ab.
Als der Urnerische Kriegsharst, der den Graubiindnern zu
Hilfe geeilt war, auf dem Rückweg langsam das linke Rheinufer
hinabzog, wurde er durch feindliche Kriegsknechte, die im österreichischen Schloß Guteuberg lagerten, herausgefordert. Sofort
setzte der Urner Heini Wohlleb mit einer Schar Gesellen über
den Rhein, verbrannte in Kleinmels ein Haus und einen Stall,
wurde aber wieder zurückgeworfen. Dies gab dem- königlichen
Feldhauptmann in den vorarlbergischen Landen, Hans Jakob von
Bodmann, den erwünschten Anlaß, um in das bündnerische Gebiet
einzubrechen. Er rückte mit einem Heerhaufen, der ans Truppen
des Schwäbischen Bundes bestand, denen sich die Mannschaft vom
Eschnerberg und ans der Grafschaft Vaduz angeschlossen hatte,
gegen die Lueieusteig vor. Die dortige Letze war von einer kleinen
bünduerischen Besatzung bewacht. Freiherr Ludwig von Brandis,
Herr von Vaduz, der sich schon längst für die österreichische Partei
entschieden hatte, forderte im Namen des Feldhauptmanns den
bündnerischen Zusatz auf, „des heiligen Reiches Straßen nicht zn
verlegen". Als die bündnerische Besatzung dieser Aufforderung
keine Folge leistete, wurde sie von der feindlichen Übermacht überwältigt und in die Flucht geschlagen. Noch leichter vollzog sich
die Einnahme des Städtchens Maienfeld, wo die schweizerfeindliche
Partei unter der Führung des angesehenen Bürgers Wolf Ort
die Tore öffnete. Freiherr Sigmund von Brandis, der da regierte,
setzte keinen Widerstand entgegen. Er übernahm sogar das Kommando über die 499 Mann ans dem Walgau und dem Bregenzer
Wald, die sich hier als Besatzung festsetzten. Am Abend jenes
7. Februar, da die Einnahme Maienselds erfolgte, gab Ludwig
von Brandis seiner hämischen Schadenfreude über das Mißgeschick
des Feindes in einem Bericht an die Hauptleute des Schwäbischen
Bundes Ausdruck. Das Vorgehen der Herren von Brandis mächte
böses Blut bei deu Büuducrn uud den eidgenössischen Kriegsleuteu. Die Strafe fvlgte auf dem Fuße nach.
Aus die Kunde von diesen Vorgängen sammelte sich das
Kriegsvolk des Obern und Grauen Bundes in Chur, während die
—
165
—
zwischen Azmoos und Ragaz lagernden Eidgenossen durch Zuzüger
sich verstärkten. Nach getroffener Abrede mit den eidgenössischen
Hauptleuten rückten am 11. Februar die Bündner in die Herrschaft Maienfeld ein. Als Ludwig von Brandis vom Schloß zn
Maienfeld aus den über Malans heranziehenden Heerhaufen
bemerkte, ließ er die Kostbarkeiten und Kleider auf Wagen laden
und entkam mit der Gemahlin seines Brnders Sigmund, und mit
den Führern der Königlichen knapp über die Lucienstcig. Die
österreichische Besatzung blieb nnter Sigmund von Brandis im
Städtchen zurück- Indem sie Maienfeld umgingen, eilten die
Vünduer auf die Luciensteig, schlugen, ohne nur deu verabredeten
Zuzug der Eidgenossen abzuwarten, den dortigen Zusatz und darauf einen andern, in einem Hinterhalt lauernden Heerhaufen in
hitzigem Gefecht in die Flucht und verfolgten den Feind über
Balzers bis an den Triesenerberg. Nun kehrten sie, wohl mit
Hinsicht auf den in ihrem Rücken, zu Maienfeld, lauernden Feind,
<zuf die Steig zurück, während einstattlichesHeer von Eidgenossen
über den Rhein setzte nnd den bei Triesen aufgestellten feindlichen
Streitkräften am 12. Februar eine empfindliche Niederlage beibrachte. Die Sieger besetzten nun das Dorf Vaduz und schloffen
dann die Burg eiu, von der aus Ludwig von Brandis dem Gefecht bei Triesen untätig zugeschaut hatte. Obgleich die Feste
-gegenüber den zur Belagerung keineswegs eingerichteten Eidgenossen leicht zu halten gewesen wäre, trat Freiherr Ludwig doch
sofort mit deu Geguern iu Unterhandlungen. Während derselben
drang das unbändige eidgenössische Kriegsvolk in die Burg eiu,
Plünderte sie aus und steckte sie schließlich in Brand. Ludwig von
Brandis geriet in die Gefangenschaft der Eidgenossen. Die Sieger
rückten plündernd vor bis Feldkirch. Alles Volk von der Luciensteig bis an die J l l und im Walgau, außer den Bürgern von
Feldkirch, schwur zu den Eidgenossen. Freiherr Ludwig wurde
zuerst nach.Werdenberg gebracht, .dann zn den andern Gefangenen
nach Rapperswil. Die Eidgenossen aber sangen:
„O Ludwig von Brandts, wärest du stil gesässen,
Als dir wol gczimpt und zugelassen were,
Hättest dn der Aidgenosscn irüwen rat nit vergossen,
Und dich die Pünt zu strasen nit vcrinässen,
Din sach wer gewesen gut,
Nnd läbtcst in frond und mnt.
—
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D u bist ein ansaug dines brudcrs nnglück groß,
Des stat sin hus lär und bloß.
Die sinen waren den Pnntcn verwandt.
Was woltcst der sinen in das land
New nnruob nsivccken,
Den fryden helfen bcfläckcn?
Deß bist worden elend
Und allen dincn frnndcn frönd.
Das ist mir laid in trüwen.
Brandis thuot mich sehr riiwcn.
Got bewar das edel blut!
Ich hoff, ir sach werd noch gut."
Während dieser Vorgänge waren die Bündner vor Maien-feld gezogen. Die Besatzung sah ein, daß ans Entsatz nicht zu
hoffen sei, und kapitulierte schon am 13. Februar. Über 400
Manu, meist Leute aus dem Walgau und Bregenzerwald, gerieten
in Gefangenschaft; 70 davon kamen iu die Schweiz, die andern
nach Graubünden.
Unter den Letzteren war auch Freiherr
Sigmund von Brandis, der „mit hülender stimme, wainenden ougen,
schwerem betrüebtem hertzen" vom Turme seines Schlosses aus das
Eindringen des Feindes in das Städtchen beobachtet und hierauf
ohue weiteres sich ergeben hatte. Er wurde zu seinem. Bruder
Johannes, Dompropst in Chur, geführt und diesem gegen Ehrenwort zur Hast übergeben. Damit war die politische Rolle der
Herren von Brandis endgültig ausgespielt. Das Schloß zu Maienfeld wurde gründlich ausgeplündert. Reiche Beute siel in die
Hände der Sieger. Wolf Ort und einige andere Führer der
österreichisch gesinnten Partei endeten durch die Haud des Luzerner
Scharfrichters. Im übrigen kam das Städtchen glimpflich davon.
Die X Gerichte schwuren den beiden andern Bünden und nahmen
fortan auf eidgenössischer Seite an den Kämpfen ehrenvollen
Anteil.
Der Krieg nahm nun deu bekannten, für die Schweizer
günstigen Verlauf. Die Schlachten vor Frastanz, an der CalvenKlause uud bei Dornach entschieden den Ausgang. Der Friede
von Basel, der am 22. September zum Abschluß kam, machte dem
erbitterten Ringen ein Ende.
Während dieser Kriegsereignisse blieben die Freiherren von
Brandis als Kriegsgefangene in der Gewalt der Sieger. Freiherr Ludwig hatte indessen doch noch Freunde im eidgenössischen
Lager, trotz seiner kläglichen Haltung zu Beginn des Krieges.
—
167
-
Vor allen nahm sich die Stadt Bern ihres Erbbürgers an. Durch
wiederholte dringende Bitten und Leistung von Garantie brachte
sie es im Juli bei der Tagsatzung dazu, daß der Gefangene von
Luzern uach Beru übersiedeln durfte. Eine eidgenössische Untersuchungskommissiou, die das Verhalten des Freiherr» beim Ausbruch des Kriegs zu prüfen hatte, gelangte zn einem für Ludwig
gar ungünstigen Ergebnis. Da bot sich der Tagsatzung unversehens die Gelegenheit, mit diesem Gefangenen eiu gutes politisches
Geschäft zu machen. I n der letzten Phase des Kriegs war nämlich
der reiche Mötteli vou Sulzberg oberhalb Rorschach, Landmann
zu Appenzell, in die Hände der Feinde gefallen. Es erfolgte nun
ein Abkommen, laut welchem man beide Gefangenen im November
1499 laufen ließ.
Als Freiherr Ludwig von. Brandis im Spätherbst des Jahres
1499 in seine verwüsteten und ausgeplünderten Herrschaften zurückkehrte, da fand er, daß die Untertauen in der Grafschaft Vaduz
ihres Eides, deu sie während des Krieges den Eidgenosse,: geschworen, noch nicht entbunden waren. Auf seine Bitten entließ
die Tagsatznng am 3. Dezember die Vaduzer ihres Eides. Um
diese Zeit gaben sodann die Graubündner auch den Freiherni
Sigmund von Brandis frei, der unverweilt in seine Herrschaft
Maienfeld zurückkehrte.
Nuu ging es schnell zu Eude mit dem Geschlechte derer von
Brandis. Ludwig erlebte den Ausbau des ausgebrannten Schlosses
Vaduz nicht mehr nud starb kinderlos zu Anfang des Jahres 1507.
Seine Besitzungen fielen, an den Bruder Sigmund II. Dieser
stand seit mehreren Jahren in Unterhandlung mit König Maximilian über den Verkauf der Herrschaft Maienfeld an das Haus
Österreich. Bereits hatte er vom König bedeutende Geldsummen
darauf erhalten. Er starb jedoch, bevor er letztwillig über sein
Erbe verfügt hatte, ebenfalls kinderlos, am 18. November 1507
und wurde iu der St. Florins-Kapelle zu Vaduz beigesetzt. Oben
im Schlosse hängt jetzt sein Grabschild mit wohlerhaltenem Wappen
und mit der Umschrift - Anno ^IV VII ig.r vf sant Martinns
achtenden tag starb der edel und wohlgeporen her Sigmund, der
lest fryher von Brandiß, her zuo Vadutz, dem got guad.
Er war indessen bloß der letzte Freiherr von Brandis
weltlichen Standes. Noch lebte sein geistlicher Bruder Johannes,
—
168
—
Dompropst zu Chur. Im Verein mit seinem Neffen, dem Grafen
Rudolf von Snlz, einem Sohn seiner Schwester Verena, trat er
jetzt das brandisische Erbe an. Am 28. Mürz 1509 verkauften
sodanu diese beiden Erben — trotz der Reklamationen von Seiten
des Kaisers Maximilian — die Herrschast Maienfeld um 20,000
Gulden an die 3 rätischen Bünde. Im folgenden Jahr überließ
der Dompropst sein Anrecht auf die Herrschaften Vaduz, Schellenberg und Blumeuegg au seinen Neffen Rudolf von Sulz um die
Summe vou 12,000 G l . und gegen Uebernahme aller auf diesem
Gebiet lastenden Schulden. Auch hier vermochte Kaiser Maximilian
seine Ansprüche — er bezeichnete diese Herrschaften als erledigte
Reichslehen — nicht geltend zu machen.
Dompropst Johannes zog sich nnn nach Straßburg zurück,
wo er ebenfalls eine Domherrenpfrüude besaß. Er starb als
sechsundfünfzigjähriger Mann am 10. Oktober 1512 und fand in
der St. Andreaskapelle des dortigen Domes seine letzte Ruhestätte.
Die Grabschrift bringt die resignierte Stimmung des Ultimus
eines berühmten Geschlechtes zum Ausdruck.
Sie lautet in
deutscher Übersetzuug -.
Stehe still, o Wanderer!
Du fragst, wer ich bin? Staub und Asche.
Wer ich war? Johannes,
hervorgegangen aus der edelu uud ehrenfesteu Familie der
Freiherren von Brandis. Ihr Name und Wappen sank mit mir
ius Grab. Ich war Priester und Dompropst der Kirche zu Chur,
auch Domherr allhier. Du fragst endlich, wohin meine Reise?
Wohin das Schicksal mich führt. Du aber erfleh' dem Entschlafenen
die Ruhe des Himmels.
^
-><
°^
Meine Herren! Ich bin am Schlüsse meiner Ausführungen
angelangt. Das schöne Lündchen, in welchem wir heute tagen,
lernte unter der mehr als hundertjährigen Herrschast der G r a f e n
von S u l z allmählich bessere Zeiten kennen. Allenthalben brach
sich nach und nach in den regierenden Kreisen die Einsicht Bahn,
daß die Untertanen nicht der Herren wegen, sondern die Herren
der Untertanen wegen da seien und daß die Hauptaufgabe des
Regenten iu der materiellen und kulturellen Hebung des Volkes liege.
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Es folgten dann bisweilen wieder böse Zeiten unter der
Herrschaft der G r a s e u v o n Hohen e i n s , die 1613 auf die
Grafen vou S u l z folgten; die länderverwüstenden Kriege und der
ganze Geist des schlimmen 17. Jahrhunderts machte sich fühlbar
bis in die entlegendsteu Alpentäler. A l s dann zu Anfang des
18. Jahrhunderts die Fürsten v o n L i e c h t e n s t e i n aus Mähreu
die Grafschaft Vaduz erwarben, nachdem sie schon vorher die
Herrschaft Schellenberg angekauft, da wollte sich anfänglich nur
schwer ein vertrauliches Verhältnis herstellen zwischen der neuen
Dynastie nnd dem rührigen Völklein am Fuße der 3 Schwestern.
Aber vertrauensvolles Entgegenkommen von beiden Seiten ebnete
schließlich alle Hindernisse. Daß die Fürsten von Liechtenstein
ihrer hohen Aufgabe gerecht wurden, dafür zeugt der blühende
Znstand ihres Landes, und daß speziell der heute regierende
Landesfürst, bekannt als Förderer von Kunst nnd Wissenschaft,
nnd durch ein feinsinniges Mäzenatentum berühmt, in diesem
Sinne auch hier wirkt, dafür werden wir einen Beweis erhalten
bei der Besichtigung der Restaurationsarbeit oben im Schlosse zu
Vaduz.