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DieLesepredigt
3. SONNTAG NACH OSTERN (JUBILATE)
17.4.2016
TEXT: 1 JOH 5,1-4 (erst später verlesen!)
3. SONNTAG NACH OSTERN (JUBILATE) / 17.4.2016
2015/2016 – 2. REIHE
I.
Von Franz von Assisi wird erzählt, er sei einmal an einem Mandelbäumchen vorbei gekommen und habe es gebeten, es möge ihm von
Gott erzählen. Als der Heilige Franz seine Bitte ausgesprochen hatte,
begannen die Blätter des Mandelbäumchens zunächst kräftig mit seinen Blättern zu rauschen. Damit hätte sich der Heiligen Franz vielleicht sogar schon zufrieden gegeben. Aber dann fing das Bäumchen
wunderschön zu blühen an. Dabei, so die Legende, sei gar nicht die
Jahreszeit für die Mandelblüte gewesen.
Blühen, obwohl dafür gar nicht die Zeit ist? Blüte wagen, obwohl
das Wetter widrig, die Winde hart, die Nachtfröste kalt sind? Für Gott
Blüten treiben, obwohl große Teile der Welt voller Trauer, viele Menschen voller Furcht und die Tage voller Krieg und Terror sind? Heute
am Sonntag Jubilate geht es um das Erblühen des Lebens. Jauchzet
Gott alle Lande! (Ps 66,1) Jubel, Gesang und Lob sind Blüten eines
Lebens aus Gott. Das österliche Licht der Auferstehung lässt uns nach
vorne schauen. Die Blüte aus Gott heißt Glauben. Die Blüte für Gott
heißt Liebe. Und so lässt sich die Legende vom Heiligen Franz und
dem Mandelbäumchen ganz schlicht auf den Menschen übertragen:
Als der Heilige Franz einmal einen Menschen bat, ihm von Gott zu
erzählen, da kam Bewegung in das Leben dieses Menschen. Er begann
zu glauben und zu lieben.
Glaube und Liebe gehören dabei allerdings immer zusammen. Sie
sind wie Geschwister. Das ist das tiefere Thema unseres Predigttextes,
den wir als Epistel ja bereits gehört haben. Es gibt keine schlechten
Zeiten für den Glauben und die Liebe. Bewegung aus Gott ist nicht
an günstige Zeiten gebunden. Aber es gab schon in den frühen Ge247
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meinden das Missverständnis, dass der Glaube ohne tätige Liebe gelebt
werden könnte. Liebloser Glaube ist zielloser Glaube. Gegen den Glauben als inneres Reinigungsereignis erhebt der Predigttext Einwände.
Nur ein liebender, sich zuwendender, parteilicher Glaube kann von der
österlichen Fülle des Lebens erzählen. Und Glaube und Liebe blühen
nur dort im Sinne Jesu, wo sie der Welt zugewandt bleiben. Da der
Predigttext mit vielen Gedanken gefüllt ist, hören wir ihn noch einmal.
(Lesung des Predigttextes 1 Joh 5,1-4)
II.
Den Glauben als Lebensblüte bringen wir nicht aus uns selbst hervor.
Niemand gebiert sich selbst zu dieser Bewegung. Glaube ist ein Geschenk. Wer dieses Geschenk in Pflichten und Gesetzen konservieren
will, der zerbricht das Leben in ihm und auch seine Schönheit. Wer
an Gott und von Gott her glaubt, der fügt nicht andere Menschen in
ein ethisches Konzept ein. Wer im Glauben für Gott blüht, der lässt
sich in eine neue Wirklichkeit rufen.
Offenbar gab es in den früheren Gemeinden schon Anlass, über den
Zusammenhang von Glaube und Liebe nachzudenken. Da waren jene,
die Glaube vor allem als Gebotserfüllung verstanden. Sie betonten die
Pflichten so sehr, dass die Räume für das blühende Leben zu eng und
die Liebe unwichtig wurde. Glaube war zum Tun des Richtigen geschrumpft. Man könnte auch sagen, er war zum Tun des Richtigen
geradezu verkommen. Glaubenswächter, Spürhunde Gottes, Fehlerschnüffler und Gemeinde-Stalinisten ergingen sich in Diffamierungen
und Beschimpfungen. Als Spürhunde lauerten sie auf die Fehltritte.
Als Fehlerschnüffler kannten sie keine Barmherzigkeit. Als Glaubens-Stalinisten vertrieben sie aus der Gemeinde, was ihnen verdächtig erschien. In einem solchen Klima ist niemand mehr bereit, den
Glauben als freudiges Ereignis zu entfalten und zu jubeln. Der Jubel
erstickt. Das Lob verkümmert. Die richtenden Stimmen in der Gemeinde haben kein Herz mehr für Gott Liebe. Die Ankläger sind selbst
ein Teil der verlorenen Welt geworden.
Dann gab es aber auch die, die sich gar nicht mehr um die verlorene
Welt kümmern wollten. Sie wähnten sich selbst bereits der Welt entrückt. Als Auserwählte Gottes liebten sich selbst. Sie waren sich selbst
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genug. Der Glaube ist ihnen zur Weltflucht verkommen. Er ist beziehungslos. Eine Hoffnung ohne Leib. Eine Liebe ohne helfende Hände.
Gott wird in den Himmel verschleppt, auf Distanz zur Welt gebracht.
Solche Christinnen und Christen haben zwar eine Wahrheit, aber sie
sehen keine Anlass mehr, diese Wahrheit leiblich, sozial, parteilich
und konkret sein zu lassen.
III.
Wer wahrhaft aus Gott neu geboren ist, der lebt in der Liebe. Wer zu
Gottes Kindern zählt, erkennt im Nächsten Bruder oder Schwester.
Hier ist nicht die Rede davon, wie wir uns durch Rechtgläubigkeit
gegen den Wandel der Zeit sichern können. Hier ist auch nicht die
Rede davon, dass das Leben durch Gebote und Verbote überformt und
überplant werden muss. Der Glaube selbst steht im Zentrum als eine
von Gott geschenkte Blüte des Lebens. In sie hineingeboren zu sein
heißt, ein liebevolles Leben zu wagen. Liebevoll gegenüber dem
Nächsten. Liebevoll gegenüber der Schöpfung. Liebevoll gegenüber
denen, die auf Hilfe und Barmherzigkeit warten.
Ein Glaube, der nicht als Liebe blüht, bleibt hinter Jesus zurück. Jesus gab sich nicht himmelstürmenden Idealen hin. Er suchte nicht nach
stahlharten Bekenntnisformeln und selbstgerechter ritueller Verrichtungen. Schrift und Gebet waren ihm immer Schritte auf das Leben und
die Menschen zu. Sinn der Heiligen Schrift war ihm Weisung in die
Nähe des Nächsten. Der lebendige Gott findet nicht zur Blüte, wenn die
Liebe nicht zum Menschen findet. Das wäre, als würde das Mandelbäumchen über ein Knospenstadium nicht hinauskommen. Als würde
das Mandelbäumchen seine Zweige schütteln, aber niemals blühen. Das
wäre so, als würde der Heilige Franz einen Menschen bitten, ihm doch
von Gott zu erzählen, und der Mensch würde in einen Schwall von
Worten ausbrechen, in tosend hektische Gelehrsamkeit, ohne menschliche Wärme, ohne konkrete Bereitschaft zur Hilfe. Und in diesem
Schwall aus leiblosem Glauben herum würden frierende und hungernde
Menschen derweil vergeblich auf eine helfende Hand warten.
IV.
Was ist nun so wichtig daran, dass wir uns auch heutzutage immer
wieder der Geschwisterlichkeit von Glauben und Liebe vergewissern?
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Eine allgemeine Antwort darauf lautet, dass Glauben und Liebe zu
den generativen Fähigkeiten des Menschen gehören. Generativ – das
heißt nichts anderes, als dass das Leben Kraft und Mut aus dem Glauben und der Liebe schöpft. Wer glaubt und liebt, der setzt auf eine
besonders ausdauernde Lebenskraft. Auf eine Kraft, die es mit den
vielfältigen Ursachen von Lebensarmut und Lebensverlust aufnehmen
kann. Auf eine Kraft mit langem Atem, weil Glaube und Liebe selbst
wie der Atem Gottes sind.
Sowohl ein harter Glaubens-Stalinismus, der sein Heil in Norm und
Gesetz sucht, als auch die Wirklichkeitsflucht des selbstverliebten
Verächters der Welt sind Ausdruck für Lebensverarmung und Lebensverlust. Sie sind selbst Lebensarmut. Eine Frömmigkeit, die sich ihrer
Schönheit und Freiheit nicht mehr gewiss ist und in Vorschriften die
Rettung des Lebens erkennt, löst keinen Jubel aus. Es handelt sich um
vertrauenslose Konzepte. Um Lebensentwürfe, die aus Schwäche geboren sind und aus Vertrauensnot. Lebensfreundlicher Glaube aus dem
lebendigen Gott ist dagegen eine schöpferische Fähigkeit. Eine wichtige Kompetenz zu mehr Lebensfülle und Lebenshoffnung. Es geht um
lebenstragende Frömmigkeit. Also um eine Kraft, die in der Begegnung
mit dem Wirklichen der Liebe vertraut. Ein Glaube, der sich als Liebe
zuwendet, öffnet die Welt zu mehr Liebe.
Jesus hat sich weder durch das Kreuz noch durch die Menschen aus
Glauben und Liebe drängen lassen. Er hat sich den Schlägen und
Schmähungen des Karfreitags nicht entzogen, weil Glaube und Liebe
für ihn lebenstragend waren. Diese Liebe wird heute am Sonntag Jubilate neues Leben. Jesus hat die Liebe an die Seite des sterblichen,
geschlagenen und geschmähten Lebens getragen. Nur so kann aus
dem Grab Licht kommen: Das göttliche Licht des Lebens.
In dem Vertrauen, mit dem sich Jesus seinem Leben und seinem
Ende übereignet hat, lebt ein Jubel, der mit Überwindung der Welt (V
4) bestens beschrieben ist. Überwindung nicht als Flucht und heimlicher Vermeidung, Überwindung nicht als egoistische Selbstliebe und
Überplanung der natürlichen Verhältnisse durch Glaubensvorschriften.
Hier ist die Rede von Weltüberwindung als konkrete Liebe. In diesem
Geist des Vertrauens und empfangener Kraft und Stärke heißt es in
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unserem Predigttext: Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat (V 4). Da geht es nicht um Selbstsuche, sondern um den
suchenden Gott. Da geht es nicht um Weltflucht, sondern um Weltbefähigung, um Weltkompetenz. Da geht es nicht um Wirklichkeitsverleugnung, sondern um Wirklichkeitsvermögen. Da geht es nicht
um Geschichten gegen das vergängliche Leben, sondern um österliche
Geschichten mitten aus dem vergänglichen Leben. Nicht Innerlichkeit
und politisches Gewissen sind die wirklich dramatischen Orte, an dem
sich Gott als der Lebendige erweisen will. Es sind vielmehr – und viel
dramatischer – alle jene Orte, an denen Glaube und Liebe die einzigen
Mittel bleiben, um das Leben aufzuschließen.
Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat – darum
kann ich dem Sterbenden die Hand reichen und meinen Dienst am
Sterbebett tun. Ich kann getröstet den Ort aufsuchen, wo meine
schlimmsten Ängste wohnen und all meine Selbstentwürfe und Lösungsstrategien zerbrechen. Glaube und Liebe finden zusammen. Weil
Gott der Schild unseres Heils ist, können wir dem Zweifel ins Gesicht
sehen, aus dem sich unsere härtesten und ungerechtesten Erwartungen
nähren und uns zu Moral-Stalinisten machen. Gott selbst findet in
uns seine Orte und Zeiten. Gottes selbst kommt in uns zur Blüte. Wir
können den schmutzigen, schweren und viel zu großen Mantel der
Selbstgerechtigkeit ablegen. Und wir können allein mit uns dorthin
gehen, wo man einen ehrlichen, wahrhaftigen und treuen Menschen
braucht. Gott baut durch den Glauben an meinem Leben und macht
mich so bereit: Für den Glauben und die Liebe.
V.
Was machen wir, wenn der Heilige Franz demnächst an uns herantritt
und uns bittet, von Gott zu erzählen. Wir machen uns auf dem Weg.
Ausgerüstet mit Glauben und Liebe gehen wir dorthin, wo Hilfe am
nötigsten ist. Und fragt uns einer, warum tust du dies? Das antworten
wir: Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat.
Amen.
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WAHRNEHMUNGEN AUF DEM WEG ZUR PREDIGT | 1 JOH 5,1-4
Der Predigttext verneint einen Glauben, der das Menschsein Jesu als
unwesentlich ansieht. Nicht ein mystisches Gefühl erzählt in angemessener Weise von Gott, sondern in der Zusammengehörigkeit von Glaube
und Liebe liegen Lebenschancen, die die Osterfreude und den Osterjubel
konkret und sozial werden lassen. Wenn der Glaube Liebe atmet und
die Liebe Glauben, dann darf über die Überwindung der Welt gejubelt
werden. Es geht um den Zirkelschluss von Glauben und Liebe, um eine
tiefe Beziehung, die nicht logisch abgeleitet werden kann, der man sich
immer wieder tastend annähern muss. Nur eines ist sicher: wenn der
Glaube die Liebe verliert und sich die Befreiungsfreude ins Innere einer
zweifelnden Seele verkriecht, dann ist Jesu Menschwerdung zu wenig
gegenwärtig. Glauben verliert sich aber ebenso wenig in eine Diesseitigkeit, die nicht viel mehr als sozial und politische Sollvorgaben zustande bringt. Christliche Frömmigkeit findet konkrete Orte und Zeiten,
auf die hin der Osterjubel leiblich gewagt werden kann. Die Hand eines
Sterbenden kann ebenso ein solcher Ort sein wie die beharrliche Arbeit
an Frieden und Verantwortung oder Kirchenasyl.
LITURGISCHE VORSCHLÄGE
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Tagesgebet: Unser Gott! Glauben ist unser geschenktes Verlangen nach
Dir. Ein Verlangen nach Deiner Fülle, Deiner Kraft und Deiner Güte.
Bewahre uns vor der Unbarmherzigkeit, die sich dort Raum schafft,
wo Glaube und Liebe sich aus den Augen verlieren. Behüte unser
Vermögen zu einem liebenden Glauben und einer gläubigen Liebe.
Dies bitten wir durch Jesus Christus, der mit Dir lebt und liebt in
Ewigkeit.
Amen.
Fürbitten: Gott, Schöpfer des Lebens! Wir haben uns nicht selbst erschaffen, wir sind Teil des Werdens aus Dir und Deiner Liebe. Lasse
uns Werdende bleiben, die jeden Tag nach dem Geheimnis des Lebens
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fragen. Weil wir den Alltag zu beherrschen versuchen, weil wir den
Nächsten zu besitzen versuchen, weil wir das Morgen zu bestimmen
versuchen, bitten wir Dich:
Berühre uns mit Glauben und Liebe und mache uns empfänglich
für den Wunsch, Dir in allen Dingen nahe zu sein.
Gott, Jesus Christus! Weltabgewandtheit und Weltflucht sind das
Gegenteil Deiner Kraft. Du hast das Leben gelebt, wie es vom Vater
in Leib und Zeit gerufen ist. Weil in dieser Zeit Hungrige auf Brot
warten, weil in dieser Welt Durstige nach Wasser fragen, weil in diesem Leben Heimatlosen Obdach suchen und Flüchtlingen eine Bleibe,
bitten wir Dich:
Bewahre uns vor Stolz und Besserwisserei und lasse uns das tun,
was Not lindert und vermeidet, damit unser Glaube zur Liebe werde.
Gott, Heiliger Geist! Erfülle uns mit Deiner Nähe, damit wir die Kraft
zur Auferstehung finden und die Welt mit unserem Jubel erreichen.
Weil wir den Gräbern der Lieblosigkeit hausen, weil in den Abgründen
des Zweifels und der Hoffnungslosigkeit umher irren, weil wir in den
Schluchten der Finsternis und Verlorenheit kauern bitten wir Dich:
Erfülle uns mit der Hoffnung, die Auferstehung nicht nur am Ende
der Zeiten erwartet, sondern den täglichen Aufstand zu neuem Leben
wagt. Mache uns empfänglich für die Liebe, die uns mit Deinem Wort
erreicht und lasse uns loben, jubeln und jauchzen, dass der Tod verschlungen ist in den Siegen des Lebens.
Amen.
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Wochenlied: Mit Freuden zart. 108,1-2.
Predigtlied: Jesu, hilf siegen. 373,1–4.
Oder: Lass mich, o Herr, in allen Dingen. 414,1-4.
Epistel-Lesung: 1 Joh 5,1-4.
Evangelien-Lesung: Joh 15,1-8.
Liturgische Farbe: weiß.
Verfasser: Pfarrer Rolf Adler, Twiete 3, 21379 Rullstorf, E-Mail: Rolf.
[email protected]
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