10 April Susanna Niederer Landschaften 22 Mai Susanna Niederer Ellipsen bilden die Basis jeglichen künstlerischen Schaffens von Susanna Niederer. Ihnen schenkt die Künstlerin seit drei Jahrzehnten ihr besonderes Augenmerk und macht sie zur Inspirationsquelle ihrer Arbeit. Die Ellipse nimmt sie dabei nicht nur als geometrische Form wahr, sondern mehr noch als Symbol übergreifender Strukturen: Die Verbildlichung der Ellipse dient Susanna Niederer dazu, Leere sicht- und spürbar zu machen und immer auf die Dialektik von da und dort, von Sein und Nichtdasein zu verweisen. Neben konzeptuellen Papierarbeiten sind in der Kunsthalle Wil vor allem dreidimensionale Werke und Installationen aus Bronze, Stahl, Holz und Gummi zu sehen – unendliche Variationen in ideal-harmonischer Ellipsenform. Wie sieht das Nichts, die Leere, das Dazwischenliegende aus? Und lässt sich dieses Nichtmaterielle zwischen dem Sein und dem Nichtsein allenfalls sogar bildlich darstellen? Für Susanna Niederer keine Frage, sondern Gewissheit: Durch vielfältige Beschäftigung und persönliche Auseinandersetzung mit Literatur und Theater, Musik und allen Sparten der bildenden Kunst hat die Künstlerin in der Pause oder der Auslassung eine verbindende Komponente all dieser künstlerischen Disziplinen gefunden und in der Ellipsenform deren Verbildlichung erkannt. Susanna Niederer fasziniert die der Ellipse innewohnende Bipolarität des Seins und des Nichtdaseins, des Dazwischenliegenden. Die ursprüngliche Bedeutung des aus dem Griechischen stammenden Begriffs Ellipse steht für das Auslassen, das Fehlen, die Lücke oder die Leere. Zudem vereint die Ellipse als Form mit zwei Brennpunkten in sich mathematisch das «Doppelte», das «Symmetrische» und das «Getrennte». Susanna Niederer steht nicht allein mit ihrer Faszination für die ideale Ellipse: Mehr als 400 Jahre ist es her, seit Johannes Kepler (1571–1630) durch eingehende Beobachtung des Firmaments die Laufbahn des Planeten Mars nicht als kreisrunde, sondern als elliptische Bahn ausmachte. Diese Korrektur des kopernikanischen Weltbildes legte den Architekten im 17. und 18. Jahrhundert folglich eine neue Formensprache nahe, so sich im Manierismus und Barock die Fassaden der Sakral- und Schlossarchitektur in dynamischen Schwüngen ergiessen und die üppige Bauplastik wie auch die symmetrischen Gartenanlagen dieser Zeit dem Oval frönen. Nicht mehr die perfekte Kreisform, die seit Plato als Symbol der Vollkommenheit galt, war nunmehr formgebend, sondern das Oval. Schliesslich erklärte der deutsche Kunsthistoriker und Kulturwissenschaftler Aby Warburg (1866–1929) am Ende des 19. Jahrhunderts die Ellipse zum Symbol des Menschen in Analogie zu dessen polarer Struktur von Geist und Seele. Überall, wo Leben sei, zeige sich die Zweiheit der Pole, war Warburg überzeugt, in Tag und Nacht, in Sommer und Winter, in Mann und Frau. Susanna Niederer beschäftigt sich in ihrer Kunst seit nunmehr drei Jahrzehnten konsequent mit der Lücke, der Leere oder der Pause, und zwar im Bild, in der Sprache und im Klang. In ihrer Wiler Ausstellung «Landschaften» zeigt Susanna Niederer beispielhafte Werke als Anschauung ihrer intensiven Auseinandersetzung und charakteristischen Formfindung. Eigens für die Inszenierung in der Kunsthalle Wil konzipiert ist die raumgreifende, siebenteilige Installation «Wald», die den gesamten Bereich der Loggia einnimmt. Die fast 3 Meter hohen identischen und drehbaren Holzellipsen sind geschwärzt und mittels Stahlbolzen via Drehmechanismus direkt im Boden verankert. Die von der Künstlerin gewählte Anordnung der Tafeln und die durch Form und Materialbehandlung erzielte optische Monumentalität der Gruppe erinnern an die konzentrischen Steinkreise von Stonehenge. Das zentral in der Halle platzierte Werk «Trias», das sich aus drei je einmal unten, einmal oben überlappenden Ovalen zusammenfügt, ist Ausgangspunkt der Ausstellungschoreographie. Jedes der aus rezykliertem schwarzen Gummi gefertigten Ellipsen-Elemente misst 2 x 1 Meter. Der Bodenarbeit ist dank der raffinierten, auf jegliche Hilfsmittel verzichtenden, Verbindung der Einzelteile etwas Spielerisches eigen. Dass die Ausstrahlung in der Reduktion der Formgebung liegt, demonstriert Susanna Niederer nicht nur anhand dieser, sondern auch – ebenso eindrücklich – mit der Arbeit «Fischschwarm»: Sieben dunkelbraun glänzende, pulverbeschichtete Stahlellipsen breiten sich auf der Längswand der Kunsthalle aus. Die 118 x 59 cm grossen Metallteile scheinen schwerelos über die Wandfläche zu gleiten, sich neu zu formieren, und faszinieren gerade wegen dieser vermeintlichen Leichtigkeit des gewichtigen Materials und des subtil angedeuteten und in Szene gesetzten Schauspiels. Mit «Falz im Blatt» an der Schmalseite der Kunsthalle, einer hälftig, im rechten Winkel in den Raum geklappten Ellipse, präsentiert die Künstlerin eine weitere ihrer phantasievollen Ellipsen-Variationen: Nicht mehr vollflächig zeigt sie hier die Ellipse, sondern als dreidimensionales Objekt, wobei je nach Standpunkt des Betrachters die Form von der dritten Dimension optisch wieder in die Fläche kippt. Einmal mehr zeigt sich hier Susanna Niederers lustvoller, spielerischer Umgang mit der Grundform. Entlang der Treppenhauswand erstreckt sich vom Erdgeschoss zur Galerie die rund 200-teilige Installation «Gebirge». Millimetergenau hat die Künstlerin Nagel neben Nagel gesetzt und so die identischen, perfekt geformten, aus schwarz-glänzendem Polymer bestehenden Ellipsen perlschnurartig aufgereiht. In die einzelnen Formstücke ist asymmetrisch eine zweite, kleinere Ellipse gestanzt, was zu einer Verdoppelung der ‹Leerstelle› führt. Den ‹narrativen› Objekten im Erdgeschoss der Kunsthalle sind auf der Galerie die abstrakten Papierarbeiten gegenübergestellt. Die Frottage-Bilder halten Ellipsen fest, die Susanna Niederer auf ihren zahlreichen Auslandreisen entdeckt hat. Mit ihrem geübten Blick findet die Künstlerin die harmonischen Ellipsenform an unerwarteten Orten, wie zum Beispiel auf Schachtdeckeln, Wänden oder Deckenabsätzen in New York, die sie dann sogleich – wie auf den gezeigten Papierarbeiten – festhält. Durch den expliziten Verzicht auf jegliche Buntfarbe unterstreicht Susanna Niederer bei allen Arbeiten den meditativen Charakter der Objekte und lenkt so die Aufmerksamkeit vornehmlich auf das zentrale Symbol, die Ellipse, die auf das Nichtmaterielle verweist. Claudia Reeb Susanna Niederer 1958 geboren in Basel, lebt und arbeitet in Zürich Auslandaufenthalte in Washington DC und Los Angeles 1979 – 83 Studium der Kunstgeschichte und Romanistik in Basel, Mexico City und Paris Ab 1982 Beschäftigung mit Film und Fotografie und Literatur (Filme über zeitgenössische Kunst für die Télévision Suisse Romande) Seit 1995 Reisen nach Asien 2006 Studienaufenthalt in Japan, seither wiederkehrende Ausstellungstätigkeit in Japan www.susanna-niederer.ch Ausgewählte Ausstellungen, Werke und Aktionen 2014 2013 2013 2012 2011 2011 2010 2010 2010 2009 2009 2008 2008 1999 APS A Piece of Space, Tokyo Galerie des petits carreaux, Paris Kobo Gallery, Tokyo Maison 44, Basel, mit der Komposition aus den Kunstwerken von Wilfried Maria Danner Kunst am Bau: 5teilige Bronzearbeit und Terrassengestaltung für Iino Kaiun Kaisha, Tokyo Art Forum Ute Barth, Zürich Kunst am Bau: Schläuche für die Feuerwehr, neues Feuerwehrgebäude Wallisellen Kunst am Bau: Relief, Mittim Wallisellen Arte Piazza Bibai, Bibai, Sapporo, Hokkaido, Japan Museum Pfalzgalerie Kaiserslautern Fath Contemporary, Mannheim Melsheimer Kunsthandel, Köln Galerie Renate Bender, München Museum Wiesbaden Gestaltung Vitamin2 Fotografien Felix Eidenbenz, Zürich Kunsthalle Wil Grabenstrasse 33 9500 Wil/SG 2 kunsthallewil.ch © 2016 Kunsthalle Wil Autorin und Künstlerin Unterstützt durch
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