DIE HEILBRONNER STIMME Z E I T U N G F Ü R D E N S T A D T - 1. Jahrgang / Nr. 7 U N D L A N D K R E I S Donnerstag, 11. April 1946 Hemmnisse im Wiederauftrieb der deutschen Wirtschaft Mangel an gemeinsdiaftlidier Zonenpolitik, ungelöste Währungsfrage u.a. führten zu Stagnation Ein Monatsbericht der U S - M i l i t ä r r e g i e r u n g Berlin, 10. 4f (DANA). „Innere Bedrückung und die Ungewißheit im deutschen Volk über die Zukunft sind die Haupthindernisse für jede W i r t s c h a f t s b e l e b u n g", heißt es in dem F e b r u a r -Bericht des Militärgouverneurs der a m e r i k a n i s c h e n Besatjungszone, der jegt veröffentlicht wurde. Der Bericht erklärt, es sei der Plan der amerikanischen Delegation im alliierten Kontrollrat, Deutschland als w i r t s c h a f t l i c h e E i n h e i t mit Einschluß der Saar und der Ruhr zu behandeln. Zu dem Einwand Frankreichs gegen eine zentrale deutsche Verwaltung heißt es: Weitere Fortschritte wurden im Februar in der Wiederherstellung gewisser Teile des wirtschaftlichen Lebens in der amerikanischen Zone erzielt, zum Teil als Ergebnis der wachsenden Wirksamkeit der deutschen Wirtschaftsämter in den vergangenen vier Monaten. Die allgemeinen Wirtschaftsaussichten für die Zone haben sich jedoch mangels einer gemeinschaftlichen Politik und wirtschaftlichen Zusammenarbeit in ganz Deutschland ständig verschlechtert. Z e n t r a l e deutsche Verwaltungsabteilungen auf dem Gebiete der Finanz, der Industrie, des Außenhandels, des Transportes und der Eisenbahnverbindungen, wie sie in den Potsdamer Vereinbarungen festgelegt wurden, sind von den vier Besatjungsmächten n o ch n i ch t geschaffen worden. Diese Verwaltungen sollen unter der Leitung des Alliierten Kontrollrats arbeiten. Da sie aber nicht existieren, wurde die Verwirklichung der von den Alliierten erklärten Politik, Deutschland während der Besatjungszeit als wirtschaftliche Einheit zu behandeln, bis jetjt verhindert. Jede Besaitjungszone hat ihre eigene Methode befolgt, um das Wirtschaftsleben in den vergangenen Monaten aufrecht zu erhalten. Sehr v e r s c h i e d e n e Systeme wirtschaftlicher Verwaltung und Planung und infolgedessen unzusammenhängende Wirtschaftsprogramme haben 6ich daher in jeder der vier Zonen entwickelt. Als Hauptgründe für die in der US-Besagungszone bestehende u n g ü n s t i g e Wirtschaftslage führt der Bericht die d a u e r n d f o r t s c h r e i t e n d e E r s c h ö p f u n g der L a g e r an Material und Vorräten wegen des Fehlens eines internationalen Handels an. Weitere Gründe sind das,» mangelnde V e r t r a u e n des Volkes! in die Beständigkeit der W ä h r u n g und d e infolgedessen auftretende Tendenz, greifbare Waren zu horten, der Mangel an einer geeigneten Grundlage für normale Finanzgeschäfte, die Tränsportprobleme und der Mangel an N a h r u n g s m i t t e l n . Alle diese ungünstigen Faktoren haben die Entschlußkraft, die das deutsche Volk durch die schwierigen Wintermonate führte, unterminiert. Ueber die allgemeinen Wirtschaftsbedingungen sagte der Bericht, daß trotj des außerordentlich großen Geldumlaufs und der wenigen Waren, die außer Nahrungsmittel noch für den Verbraucher ve-füsbar sind, die P r e i s k o n t r o l l e wirksam geblieben ist. Die Preise der rationierten Nahrungsmittel waren besonders f e s t. In den B a n k e n wurde mehr Geld angelegt als abgehoben. Die W o h n u n g s l a g e war besser, ajs vorausgesehen war. B a u m a t e r i a l i e n wurden n i ch t in genügendem Umfange geliefert. Die telegraphisehen und telephonischen Verbindungen besserten sich. Für die Zone ist ein Programm für Import und Export ausgearbeitet worden. Einige der Haupthindernisse, die zur Erreichung eines Mindest - Niveaus industrieller Tätigkeit in der USA-Zone und in Deutschland überhaupt zu überwinden sein werden, betreffen Lieferung von Kohle, Stahl, Chemikalien und Nahrungsmittel. Der Abbau der - Handelsschranken zwischen den Zonen, die Entwicklung eines geeigneten Importund Exportprogramms, die Verbesserung der Transportlage, die Währungsstabilisierung und die Stabilisierung und Verminderung der inneren Schulden sind zu erstreben. Der Bericht sagt schließlich über die in der amerikanischen Zone sich aufhaltenden v e r - s c h l e p p t e n Personen, daß ihre Anzahl im Februar 524 655 betrug. Sehätjungsweise ein Drittel davon wird in diesem Frühjahr heimgeschafft werden können. Viele von diesen, welche hier bleiben wollen, sind entweder in ihren} Heimatland politische Verfolgte oder offiziell als staatenlos erklärte. Von den 164 570 Verschleppten, die heimtransportiert werden sollen, sind 99 330 Polen, 14 393 Ungarn, 5510 Jugoslawen, 4962 Russen und 40 365 verschiedener Nationalität. Von den 365 085 wahrscheinlich nicht heimzuschaffenden Verschleppten sind 106 266 Polen, 50 000 Juden, 45 923 Letten, 3854 Ungarn, 33 373 Litauer, 29 000 Staatenlose, 16 671 Estländer, 12 511 Jugoslawen, 1718 Russen und 27 796 verschiedener Nationalität. Das Befreiungs-Gesefj wird wirksam Nächste Lebensmittelmarken nur gegen Quittung über abgegeb. (Meldebogen S t u t t g a r t , 10. 4. (DANA). Der Länderrat gab die ersten Maßnahmen zur Durchführung des Gesetjes zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus bekannt. Danach sollen a l l e Deutschen über 18 Jahre in der amerikanischen Zone r e g i s t r i e r t werden. Die Registrierung wird Mitte April beginnen, kann aber in einigen Gemeinden durch eine spätere Zustellung der Meldebogen um einige Tage verzögert werden. Bei der A u s g a b e der Lebensmittelkarten für die am 29. April beginnende Zutoilungsperiode hat j e d e Person eine polizeiliche Bestätigung vorzulegen, daß sie den M e l d e b o g e n abgegeben hat. Zu diesem Zweck enthält der 14 Fragen umfassende Meldebogen einen Abschnitt, auf dem die Abgabe des Meldebogens polizeilich b e s t ä t i g t wird. Dieser Abschnitt verMcsbt dem Inhaber und muß auf behördliche Aufforderung vorgelegt werden. Gemäß der von dem Lär.derrat getroffenen und von dem Beauftragten des General Clay in Fragen der politischen Säuberung genehmigten Bestimmungen, werden die mit der Registrierung betrauten Polizetstellen alle Meldebogen umgehend dem ö f f e n t l i c h e n A n k l ä g e r des K r e i s e s überleben. Der öffentliche Ankläger kann in alle die politische Säuberung betreffenden Schriftstücke der Militärregierung Einsicht nehmen. Er wird eine vorläufige Einteilung der Gemeldeten in z w e i K l a s s e n vornehmen. Die Klasse 1 der vermutlich politisch s cli w e r Belasteten soll z u e r s t überprüft werden. Die e n d g ü l t i g e Einteilung der Gemeldeten in die vorgesehenen f ü n f Gruppen wird nach nochmaliger TTeberprüfiing <!er einzelnen Fälle vor den Spruchkammern der Kreise vorgenommen. Der Entscheid der Spruchkammern wird dann in der Kennkarte vermerkt, cBis zur vollständigen Uebernahme der polili- Durchführung der getroffenen Entscheidungen verantwortlich sind. Nach dem Geseg zur politischen Säuberung ist eine bloße V e r s e j u n g innerhalb eines Betriebes n i ch t genügend, wenn die Spruchkammern auf die E n t f e r^n u n g von einem Posten , erkannt haben, sondern die betroffene Person muß den Betrieb v e r l a s s e n . Die Arbeitgeber haben in monatlichen Berichten alle Angestellten unter Angabe der erfolgten Einteilung dem A r b e i t s a m t zu melden, welche die von den Spruchkammern gefällten Entscheidungen ebenfalls e r h ä l t . Die Durchführung verhängter F r e i h e i t s strafen obliegt den einzelnen Gefängnissen. Die Mitglieder der Spruchkammern werden auf Vorschlag der Bürgermeister, der politischen Parteien und der Gewerkschaften von dem Minister für politische Säuberung ernannt. In B a y e r n werden rund 222, in Großhessen und W ü r t t e m b e r g -Baden etwa je 80 Spruchkammern errichtet werden. Die drei Minister für politische Säuberung sind: Heinrich S ch m i 11 für Bayern, Gottlob K a m m für Württemberg-Baden und Dr. Valentin H e c k e r t als Vertreter des erkrankten Ministers Gottlob Binder, für G r o ß hessen. Wer ist Staatssekretär Kamm? Staatssekretär K a m m , dessen Aufgabenkreis mit der Durchführung des Geseges zur Befreiung von Nationalsozialismus urtil Militarismus umrissen ist, ist ein führendes Mitglied der württembergischen Sozialdemokratie und steht seit 'Jahrzehnten auf Grund schwerer im ersten Weltkrieg erlittener Verwundung in der Kriegsbeschädigtenbewegung. Unter dem Nationalsozialismus wurde er verfolgt und befand sich im Konzentrationslager. Im Sommer 1945 wurde er durch ,d>e Militärregierung zum Bürgermeister von Schorndorf bestellt und der auf Grund der Wahlen sehen Säuberung durch die Körnern bleiben die j 2 ? F e h r u : ; r 1 9 4 6 n e u gebildete Gemeinderat der entsprechenden Stellen der Militärbehörden Stadt Schorndorf hat Herrn Kamm im März d. J. T ä t i g k e i t . Späterhin werden sie durch die einstimmig zum Bürgermeister gewählt. Amtsstelle des Ministers für politische Säuberung nur eine Oberaufsicht führen. In Fällen, wo genügend B e w e i s e gegen einen Frankreich und deutscher Westen Beschuldigten vorliegen, können die Spruchkammern die Untersuchung schon v o r der AusLille, 10. 4. (DANA). Der französische Außenfüllung des Meldebogens beginnen. minister, George B i d a u l t , erklärte in einer Die in den legten zwei Wochen getroffenen Be- Rede, Frankreich bestehe auf Internationalisierung stimmungen des Länderrats enthalten ferner An- des Ruhrgebietes, auf militärischer Kontrolle ü - r ordnungen für diejenigen Behörden, die für das Rheinland und auf E i n g l i e d e r u n g des Saargebietes in die französische Wirtschaftseinheit. Bidault führte im einzelnen aus: In der ganzen französischen Geschichte ist Deutschland immer das Hauptproblem gewesen, es bleibt auch das der Zukunft. Wir können nicht in Ein Ersuchen Polens - Noch keine Zustimmung des amerik. Außenministers Hauptproblem jeder Generation die Blüte unseres Volkes opfern. N e w - Y o r k , 10. 4. (AP). Der p o l n i s c h e der iranischen Frage von der Tagesordnung des Wir können nicht wieder mit offenen Augen einer neuen Katastrophe entgegengehen. Das RuhrDelegierte Dr. Oskar Lange ersuchte den General- Weltsicherheitsrates abgesetjt werde. Auf einer Pressekonferenz sprach sich Außen- gebiet muß als eine von Deutschland unabhängige sekretär der Vereinten Nationen Trygvelie, den Sicherheitsrat aufzufordern, die zu internationalen minister B y r n e s g e g e n diese sowjetische For- politische Einheit behandelt werden. Frankreich Reibungen führende Situation, welche sich durch derung aus, die iranische Streitfrage von der erstrebt jedoch keine Annektion. Eines der reichdie Existenz und die Tätigkeit des F r a n c o - Tagesordnung des Sicherheitsrates zu streichen. sten Kohlengebiete der Erde darf nicht als Waffe für einen neuen Revanchekrieg in den Händen von R e g i m e s in Spanien ergibt, auf die Tagesord- Der amerikanische Außenminister • erklärte, nach Kriegstreibern belassen werden. Die Sehäge des Ansicht der Vereinigten Staaten könne die Fragenung des Rates zu setjen. nicht vor dem 6. Mai fallen gelassen werden, an Ruhrgebietes sollten von nun an unter Berück* welchem Tage beide Länder dem Sicherheitsrat sichtigung der Weltsicherheit und der Interessen In einem Kommentar zu diesem polnischen Er- die Berichte über die erfolgte Zurückziehung der der Menschheit ausgebeutet werden. Sollte eine suchen erklärte der amerikanische Außenminister russischen Truppen aus Iran zu übermitteln hätten. deutsche Regierung souveräne Rechte über das Ruhrgebiet erhalten, wird jede Gewähr für SicherByrnes, daß die Vereinigten Staaten noch immer heit schwinden. Die Gewinne der Ruhrproduktion gegen eine gemeinsame Aktion der Vereinten Außenminister treffen sich könnten dazu verwendet werden, Deutschlands Nationen seien. Der Außenminister unterstrich jedoch, daß die Vereinigten Staaten noch keine Washington, 10. 4. (AP). Die Sowjetunion und Importe zu finanzieren, die dazu dienen sollen, endgültige Antwort geben könnten, bevor die Tat- England haben, wie der amerikanische Außen- dem deutschen Volk ein Existenzminimum zu sache, die Polen vorzubringen hätte und die Art minister Byrnes bekannt gibt, einem Treffen der sichern. Die Einwohner des Ruhrgebietes werden der Aktion, die dieses Land vorschlagen wolle, Außenminister der „Großen Vier", das am mit Ausnahme etwaiger unversöhnlicher Elemente nicht bekannt sei. 26. April in Paris beginnen soll, zugestimmt. Von in ihrer Heimat verbleiben und dort für ihr eigenes Wohl unter einer Verwaltung arbeiten Frankreich sei noch keine Antwort eingegangen. Byrnes hatte den Vorschlag für das Treffen ge- können, die ihnen einen ausreichenden LebensNadiklänge zur Iranfrage macht, um, wie er sagte, eine Verschiebung der standard sichern wird. Aus New-York wird weiterhin gemeldet: Der Friedenskonferenz, deren Beginn auf den 1. Mai sowjetische Delegierte Gromyko erklärte in einem festgelegt war, zu vermeiden. Prinzen scheiden aus. Die j a p a n i s c h e ReBrief an den Sicherheitsrat, die Sowjetunion beNach Byrnes Erklärung werden die Außen- gierung forderte nach einer Reutermeldung das stehe jetjt, nachdem die Iranfrage durch beider- minister, falls das Treffen am 25. April zustande sofortige Ausscheiden von 15 japanischen Prinseitiges Uebereinkommen zwischen Moskau und kommt, über den Beginn der Friedenskonferenz zen, darunter 3 Brüdern des Kaisers, aus dem Teheran gelöst sei, darauf, daß die Behandlung zu entscheiden haben. Oberhaus Kommt Franco - Regime vor Sicherheitsrat? H E I L B R O N N Einzelpreis 20 Pfg. Die Faust der Sieger Vor ku&zem ist in der Oeffentliehkeit ein Wort gefallen, das seinem Urheber eine große Volkstümlichkeit verschafft hat. Ein Minister sagte in einer großen Rede: „Unheimlich lastet die Faust der Sieger auf uns". Das war denen aus der Seele gesprochen, die schon wieder alles vergessen haben, den ewig Unbelehrbaren. Sie frohlockten: „Endlich einmal einer, der den Mut hat, es unsern Feinden zu sagen! Es war aber auch höchste Zeit.** Wir "hätten zu dieser Entgleisung — mehr war es wohl nicht — geschwiegen, wenn nicht gerade in diesen Tagen der Weltöffentlichkeit so grell vor die Augen gestellt worden wäre, was denn die Faust des Siegers in W i r k l i c h k e i t ist. Wir meinen den „Nacht- und Nebelerlaß", der in Nürnberg bei der Vernehmung Keitels ausführlich erörtert worden ist. ' Durch diesen Erlaß wurden die deutschen Dienststellen in Frankreich angewiesen, alle Franzosen, die der Beteiligung an der Widerstandsbewegung auch nur verdächtig seien, unauffällig („bei Nacht und Nebel") zu verhaften und nach Deutschland in Lager zu schaffen, wo sie dann vergast, gehenkt oder totgeprügelt wurden. Weder die französischen Behörden, noch die Familien der Betroffenen sollten davon etwa6 erfahren. Man bedenke: alle V e r d ä c h t i g e n , also auch solche, die ein böswilliger Nachbar verdächtigte, vielleicht ohne jeden Grund. Ob der Verdacht b e g r ü n d e t war, wurde nicht untersucht. „Ja, damals war aber Krieg!" wird einem sofort entgegengehalten. Mit Verlaub, das stimmt nicht. Der Krieg mit Frankreich war vorbei, beendet durch einen /mit großem Theaterpomp abgeschlossenen Waffenstillstand, der freilich von unserer Seite vom ersten Tage an gebrochen wurde, — man braucht nur an die Verjagung der Elsäßer und Lothringer zu denken — 4 e n aber die Franzosen peinlich genau einhalten mußten. Unter anderem mußten sie t ä g l i c h 400 000 000 Franken Kriegssteuer bezahlen. Da konnte man wohl von der Faust des Siegers sprechen. Bei uns jedoch — auch das haben die Herren schon längst vergessen — herrscht noch der Kriegszustand, der durch keinerlei Abmachung beendet worden ist. Nach den g e r a d e von uns immer so ! -edt verfo>!;tenen Grundsägen des Krieg?rechts, wären die Sieger vollauf berechtigt, mit uns ganz anders zu verfahren, als sie es tun — wenn ihre M e n s c h l i c h k e i t es zuließe. Das verdient wieder einmal in Erinnerung ge« bracht zu werden. Das bloße Darandenken, wie u n s e r e Faust auf den unterworfenen Ländern, auf Frankreich» Belgien, Holland, Norwegen, Polen, Rußland gelastet hat, sollte es jedem Deutschen, aus ein« fächern Schamgefühl, unmöglich machen, mit Bezug auf unsere gegenwärtigen Herren von der „Faust der Sieger" zu sprechen. Wir ernten, was wir ge« sät haben. Man kann es nie oft; genug sagen. WeF Wind sät, erntet Sturm. „Mit welch- rlei Maß ihr messet, wird euch gemessen werden." Jede Schuld m u ß ihre Sühne haben, eher kommt sie nicht zu Ruh. Weigert man sich, die Folgen seiner Schuld auf sich zu nehmen, versucht man andere für seine Leiden verantwortlich zu machen, so frißt die Schuld eben unterirdisch weiter und vergiftet das ganze Leben, und eines Tages bricht das Geschwür auf. Weil das deutsche Volk nach dem ersten Weltkrieg seine Schuld nicht nur nicht einsah, sondern leidenschaftlich abstritt, deshalb kam das Ge-chwür Hitler: Ursache und Wirkung. Denn nicht um „Strafe" handelt es sich dabei, sondern eben um Ursache und Wirkung. Wir sind auf dem besten Wege, alle alten Fehler wieder von neuem zu begehen. Man meint, wir seien ganz und gar verblendet. Dabei betrügen wir unä doch nur selbst und machen uns vor der ganzen Welt unmöglich, di» ja ganz genau Bescheid weiß und ihrerseits nichts, nicht das Geringste vergessen Jiat. Und darf man denn einfach über die Tatsache hinweggleiten, daß es die „unheimliche Faust" der Sieger war, die im vorigen Jahre Hunderttausende Deutscher vor dem sicheren Hungertode gerettet hat? Wieviel Menschen im Ruhrgebiet, in den sächsischen Industriezentren, wären denn nach dem Zusammenbruch am Leben geblieben, wenn nicht die unbarmherzigen Sieger sich ihrer erbarmt hätten? Und dürfen vor allem w i r in der amerikanischen Zone, die wir in so vieler Hinsicht bevorzugt worden sind, im Ernst von der „Faust der Sieger" sprechen. Besinnen wir uns doch! Daß ein Deutscher, dem die Zukunft seines Volkes am Herzen liegt, erschrickt, wenn er über die Folgen nachdenkt, die die legten Beschlüsse des alliierten Kontrollrates haben werden, ist erklärlich und braucht nicht begründet zu werden. Wir können und müssen den Siegern vorstellen, was an diesen Bestimmungen zu hart und undurchführbar ist. Wir können aber auch die bestimmte Hoffnung hegen, daß schließlich doch Einsicht und Menschlichkeit das Schlimmste verhüten werden. Zuerst aber müssen wir zeigen, was wir auch unter so schwierigen Bedingungen leisten können. Vor allem aber muß jeder Versuch, von welcher Seite er auch komme, unterbleiben, der die Verantwortlichkeiten verwirrt und den Siegern die Schuld an dem zuschiebt, was wir selber verschuldet haben. Daher sollten Worte, wie das von der „Faust der Sieger" um unserer selbst, -u m u n s e r e r E h r e willen nie wieder ausgesprochen werden. Paul H. Distelbarth.
© Copyright 2024 ExpyDoc