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Geschäftszeichen:
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LVwG-2015/37/3090-9
Ort, Datum:
Innsbruck, 31.03.2016
Gemeindegutsagrargemeinschaft Mutters, Mutters;
Auseinandersetzung zwischen der Gemeindegutsagrargemeinschaft Mutters und
mehreren Agrargemeinschaftsmitgliedern – Verfahren nach § 37 Abs 7 TFLG 1996 –
Beschwerde von Mitgliedern der Agrargemeinschaft
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Wolfgang Hirn über die
Beschwerde des 1. Max Eberl, 2. Robert Eberl, 3. Engelbert Fritz, 4. Josef Fritz, 5. Gottfried
Jaufenthaler, 6. Gebhard Muigg, 7. Johann Pfurtscheller, alle in Mutters, und 8. Josef
Pfurtscheller in Birgitz, alle vertreten durch Univ. Doz. Dr. Bernd A. Oberhofer, Rechtsanwalt
in 6020 Innsbruck, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde vom
28.10.2015, Zl AGM-R285/498-2015, betreffend einen Antrag nach § 37 Abs 7 TFLG 1996
nach Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung,
zu Recht:
1. Gemäß § 28 Abs 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird die Beschwerde
als unbegründet abgewiesen.
2. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Abs 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985
(VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4
Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.
-2-
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den
Verfassungsgerichtshof,
Freyung
8,
1010
Wien,
oder
ordentliche
Revision
an
den
Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist
direkt bei diesem, die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim
Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer
bevollmächtigten
Rechtsanwältin
abzufassen
und
einzubringen,
und
es
ist
eine
Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.
Entscheidungsgründe
I.
Verfahrensablauf:
1.
Verfahren vor der belangten Behörde:
Im
Frühjahr
2015
hat
Gemeindegutsagrargemeinschaft
das
Mutters
Finanzamt
eine
Innsbruck
Steuerprüfung
betreffend
durchgeführt
und
die
dabei
festgestellt, dass für die in den Jahren 2010 bis 2013 an die Mitglieder getätigten
Ausschüttungen aus Holzverkäufen die Kapitalertragsteuer nicht ordnungsgemäß abgeführt
wurde.
Mit Haftungsbescheid vom 09.07.2015, Abgabenkontonummer 81 – 150/0016, hat das
Finanzamt Innsbruck die Gemeindegutsagrargemeinschaft Mutters im Hinblick auf die in den
Jahren 2010 bis 2013 getätigten Ausschüttungen aufgefordert, die Kapitalertragsteuer in der
Höhe von € 134.183,75 abzüglich eines Betrages von € 2.660,--, sohin insgesamt
€ 131.523,75, zu bezahlen.
In weiterer Folge hat der Substanzverwalter der Gemeindegutsagrargemeinschaft Mutters,
Bürgermeister Hansjörg Peer, mit den Schriftsätzen vom 31.07.2015 die Mitglieder der
Gemeindegutsagrargemeinschaft Mutters über den Haftungsbescheid des Finanzamtes
Innsbruck informiert und, bezogen auf die in den Wirtschaftsjahren 2010 bis 2013 erhaltenen
Ausschüttungen, die aushaftende Kapitalertragsteuer bekannt gegeben. Gleichzeitig erging
die
Aufforderung,
Kapitalertragsteuer
den
auf
jeweils
aushaftenden
das
Substanzkonto
Betrag
zu
zur
Tilgung
entrichten.
33
der
ausständigen
Mitglieder
der
Agrargemeinschaft sind dieser Aufforderung gefolgt.
Neun Agrargemeinschaftsmitglieder sind der Aufforderung des Substanzverwalters der
Gemeindegutsagrargemeinschaft
Mutters
nicht
nachgekommen.
Daher
hat
der
Substanzverwalter mit Schriftsatz vom 24.09.2015 bei der Agrarbehörde beantragt, den
namentlich genannten säumigen Mitgliedern die Zahlung jenes Betrages, für den diese
Mitglieder als Schuldner der Kapitalertragsteuer anzusehen seien, vorzuschreiben.
-3-
Die Agrarbehörde hat – unter Hinweis auf den Antrag des Substanzverwalters vom
24.09.2015 – mit Schriftsatz vom 30.09.2015, Zahl AGM-R285/494-2015, den säumigen
Mitgliedern
der
Gemeindegutsagrargemeinschaft
Mutters
aufgetragen,
innerhalb
von
14 Tagen den vom Substanzverwalter im Schreiben vom 31.07.2015 eingeforderten Betrag
auf das Substanzkonto der Gemeindegutsagrargemeinschaft Mutters einzuzahlen.
Die Agrargemeinschaftsmitglieder Max Eberl, Robert Eberl, Engelbert Fritz, Josef Fritz,
Gottfried Jaufenthaler, Gebhard Muigg, Johann Pfurtscheller und Josef Pfurtscheller, alle
vertreten durch Univ.-Doz. Dr. Bernd Oberhofer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, haben sich
zur
Aufforderung
der
Agrarbehörde
im
Schriftsatz
vom
19.10.2015
geäußert.
Zusammengefasst haben sie vorgebracht, dass die Ausschüttungen einen Zeitraum vor dem
In-Kraft-Treten
der
TFLG-Novelle
2014
beträfen
und
damit
auch
die
Rückforderungsansprüche nach den vor der TFLG-Novelle 2014 geltenden Bestimmungen zu
beurteilen seien. Der Agrargemeinschaft Mutters seien im Zeitraum von 2010 bis 2013
unbegrenzte Geldmittel zur Verfügung gestanden. Die Agrargemeinschaft wäre daher in der
Lage gewesen, jährlich die Kapitalertragsteuer auf „Ausschüttungen aus Holzverkäufen“ an
die Mitglieder zu bezahlen. Die Organe der Agrargemeinschaft Mutters hätten in Kenntnis
einer Steuerverpflichtung jedenfalls zusätzlich die anfallenden Steuern aus dem Vermögen
der Agrargemeinschaft bezahlt. Davon seien auch die Mitglieder ausgegangen. Die nunmehr
„hervorgekommene Steuerlast“ sei daher nach dem historischen, hypothetischen Willen der
Agrargemeinschaft
sowie
der
Nutzungsberechtigten
zu
beurteilen.
Die
nachträgliche
Rückbelastung der Nutzungsberechtigten sei folglich nicht gerechtfertigt.
Mit Bescheid vom 28.10.2015, Zahl AGM-R285/498-2015, hat die Tiroler Landesregierung als
Agrarbehörde
die
Eigentümer
genau
angeführter
Stammsitzliegenschaften
der
Gemeindegutsagrargemeinschaft Mutters verpflichtet, binnen zwei Wochen bei sonstigem
Zwang entsprechend der Höhe der bezogenen Kapitalerträge den jeweils angeführten Betrag
(Forderung) auf das Substanzkonto der Gemeindegutsagrargemeinschaft Mutters bei der
Raiffeisenkasse Mutters, Natters und Kreith, IBAN AT75 3628 1000 0002 0784, zu bezahlen.
Gegen diesen Bescheid haben Max Eberl, Robert Eberl, Engelbert Fritz, Josef Fritz, Gottfried
Jaufenthaler, Gebhard Muigg, Johann Pfurtscheller und Josef Pfurtscheller, alle vertreten
durch Univ.-Doz. Dr. Bernd Oberhofer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, mit Schriftsatz vom
01.12.2015 Beschwerde erhoben und beantragt, den angefochtenen Bescheid ersatzlos
aufzuheben.
2.
Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol:
Mit Schriftsatz vom 21.12.2015, Zl AGM-R285/506-2015, hat die belangte Behörde die
Mitteilung
des
Substanzverwalters
der
Gemeindegutsagrargemeinschaft
Mutters
vom
18.12.2015 an das Landesverwaltungsgericht Tirol weitergeleitet. Laut dieser Mitteilung
haben die Beschwerdeführer Gebhard Muigg und Johann Pfurtscheller die ihnen mit Bescheid
vom 28.10.2015, GZ AGM-R285/498-2015, vorgeschriebenen Beträge eingezahlt.
Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat mit den Schriftsätzen vom 07.01.2016, Zl LVwG2015/37/3090-4, und vom 25.02.2016, Zl LVwG-2015/37/3090-7, dem Rechtsvertreter der
-4-
Rechtsmittelwerber ersucht, bekannt zu geben, ob auch Gebhard Muigg und Johann
Pfurtscheller trotz Einzahlung der ihnen mit dem angefochtenen Bescheid vorgeschriebenen
Beträge ihre Beschwerde aufrecht erhalten. Im Schriftsatz vom 29.02.2016 hat der
Rechtsvertreter aller Beschwerdeführer festgehalten, dass die Beschwerdeführer Gebhard
Muigg und Johann Pfurtscheller ihr Rechtsmittel nicht zurückziehen.
Die belangte Behörde hat sich im Schriftsatz vom 19.01.2016, Zl AGM-R285/507-2016, zum
Beschwerdevorbringen geäußert. Ergänzend dazu hat die Agrarbehörde mit Schriftsatz vom
24.02.2016 die Information des Bundesministeriums für Finanzen vom 10.02.2016, Zl SZK010203/0013-ESt/2016 [„Rückstellung für Steuernachforderungen (unter Berücksichtigung
der USt)“] dem Landesverwaltungsgericht Tirol zur Kenntnis gebracht.
Am
14.03.2016
hat
das
Landesverwaltungsgericht
Tirol
eine
öffentliche
mündliche
Verhandlung durchgeführt, in der die beschwerdeführenden Mitglieder der Gemeindegutsagrargemeinschaft Mutters ihr bisheriges Vorbringen, insbesondere jenes in der Beschwerde
vom 01.12.2015, wiederholt und ergänzt haben. Der Substanzverwalter in seiner Funktion
als vertretungsbefugtes Organ der Gemeindegutsagrargemeinschaft Mutters hat durch seine
Rechtsvertreterin zu den Darlegungen der Beschwerdeführer ein Vorbringen erstattet.
Beweis
wurde
aufgenommen
durch
die
Einvernahme
des
Substanzverwalters
der
Gemeindegutsagrargemeinschaft Mutters als Partei, durch die Einvernahme des Zeugen
Mag. Othmar Schönherr und durch Einsichtnahme und Verlesung des Aktes der belangten
Behörde und des Landesverwaltungsgerichtes Tirol.
Die Beschwerdeführer und der Substanzverwalter als vertretungsbefugtes Organ der
Gemeindegutsagrargemeinschaft Mutters haben die Einholung weiterer Beweismittel nicht
beantragt.
II.
Beschwerdevorbringen,
Stellungnahme
der
belangten
Behörde
und
des
Substanzverwalters:
1.
Beschwerdevorbringen:
Zunächst bringen die Beschwerdeführer vor, die belangte Behörde bleibe jeden konkreten
Hinweis
auf
eine
Rechtsgrundlage
für
die
ihnen
gegenüber
ausgesprochene
Zahlungsverpflichtung schuldig. Möglicherweise stütze sich die belangte Behörde auf
steuerrechtliche Vorschriften, wonach der Empfänger eines Kapitalertrages steuerpflichtig,
die
Körperschaft,
in
der
der
Ertrag
erwirtschaftet
worden
sie,
jedoch
lediglich
„abfuhrpflichtig“ sei. Auch wenn die Gemeindegutsagrargemeinschaft Mutters im Sinne der
steuerrechtlichen
Vorschriften
abfuhrpflichtig
sei,
könne
sie
nicht
auf
die
nutzungsberechtigten Mitglieder der Gemeindegutsagrargemeinschaft zurückgreifen.
Davon ausgehend bringen die Beschwerdeführer vor, die Rechtsverhältnisse zwischen einer
Agrargemeinschaft und ihren Mitgliedern seien nach dem Flurverfassungsrecht zu beurteilen.
-5-
Demgegenüber regle das Steuerrecht nur das Rechtsverhältnis der Steuerpflichtigen zum
Staat.
Entsprechend
dem
Tiroler
Flurverfassungslandesgesetz
1996
(TFLG
1996)
seien
die
Mitglieder der Gemeindegutsagrargemeinschaft Mutters bis zum Stichtag 30.06.2014
berechtigt gewesen, alle Überschüsse des Rechnungskreises I vollständig zu entnehmen.
Davon seien auch alle Erträgnisse aus der Holzwirtschaft umfasst gewesen. Zudem habe eine
Auseinandersetzung
zwischen
der
Gemeindegutsagrargemeinschaft
Mutters
und
den
Mitgliedern wegen des Zeitraumes vor dem Stichtag 30.06.2014 gemäß § 86d TFLG 1996 zu
erfolgen.
Die Beschwerdeführer halten fest, dass die verfahrensgegenständlichen „Zuwendungen“ zur
Gänze
aus
Erträgnissen
der
Holzwirtschaft
und
somit
aus
dem
Rechnungskreis
I
zuzuordnenden Überschüssen stammen würden. Zudem sei zu berücksichtigen, dass bis zum
30.06.2014 Erträgnisse aus all den Liegenschaften, die von der Agrargemeinschaft nach der
Regulierung zusätzlich erworben worden seien, dem Rechnungskreis I zuzuordnen gewesen
wären. In den Rechnungskreis I seien deshalb auch die aus der Verpachtung des
Bergrestaurants anfallenden Einnahmen geflossen.
Aus den Geldmitteln des Rechnungskreises I hätte auch die Kapitalertragsteuer für die
verfahrensgegenständlichen „Zuwendungen“ abgedeckt werden können.
Die Beschwerdeführer betonen, dass die Gemeindegutsagrargemeinschaft Mutters sie wegen
der Entnahmen aus dem Rechnungskreis I auch nach dem durch die Novelle LGBl Nr 70/2014
geänderten Rechtsregime des TFLG 1996 nicht belangen könne. Gemäß § 86d Abs 1 lit a
TFLG 1996 sei ein Vermögensausgleich nicht nur wegen Entnahmen im Umfang des
„Überlings“ ausgeschlossen, sondern wegen aller Entnahmen, die nach der bis 30.06.2014
geltenden Rechtslage rechtmäßig gewesen seien.
Im Hinblick auf die verfahrensgegenständlichen Zuwendungen gäbe es generell keine
„vermögensrechtliche Auseinandersetzung für die Vergangenheit“ (§ 86d Abs 1 lit a TFLG
1996).
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung haben die Beschwerdeführer zudem vorgebracht,
die Agrargemeinschaft Mutters habe der Gemeinde Mutters zusätzlich einen Betrag von über
Euro 100.000,-- übergeben, der in den Abrechnungen zu den Rechnungskreisen I und II
nicht erfasst gewesen sei. Dieser Betrag stamme aus der unter dem Begriff „Rechtholz“ in
Form von Gemeinschaftsschlägerungen betriebenen Holzwirtschaft. Darunter sei bis zu dem
mit
Haftungsbescheid
gemeinschaftliche
vom
09.07.2015
Holzbewirtschaftung
abgeschlossenen
verstanden
Finanzprüfverfahren
worden,
die
außerhalb
eine
der
agrargemeinschaftlichen Rechnungslegung stattgefunden habe und direkt den bäuerlichen
Grundbesitzern zuzurechnen gewesen sei. Tatsächlich sei dieser Betrag jedoch zusätzlich
dem Rechnungskreis I nach dem TFLG 1996 in der Fassung vor der Novelle LGBl Nr 70/2014
zuzuschreiben gewesen. Bei den auf einem gesonderten Sparbuch angelegten Euro 100.000,habe es sich um ein freies, dem Rechnungskreis I zuzuschreibendes Vermögen der Mitglieder
der Agrargemeinschaft Mutters gehandelt.
-6-
In Summe habe daher die Agrargemeinschaft Mutters dem österreichischen Staat in Form
der Ortsgemeinde Mutters rund Euro 500.000,-- abgeliefert. Im Hinblick auf diesen
außerordentlichen Ertrag des Staates sei es unzulässig, mit Rückgriff auf andere Normen,
beispielsweise den zivilrechtlichen Regress, in der gegenständlichen Form auf die Mitglieder
zu greifen. Eine Belastung von Mitgliedern einer Gemeindegutsagrargemeinschaft sei nur auf
der Grundlage des § 86d TFLG 1996 zulässig.
Darüber hinaus verweisen die Beschwerdeführer auf die Bestimmung des § 1409 Allgemeines
Bürgerliches Gesetzbuch (AGBG). Nach dieser Vorschrift hafte der Übernehmer eines
Vermögens für alle mit dem Vermögen verbundenen Ansprüche. Es sei daher unzulässig,
dass der Staat in Form der Ortsgemeinde Mutters im gegenständlichen Fall zwar das
Vermögen
in
Höhe
Zusammenhang
von
rund
stehende
Euro
30,000.000,--
Verbindlichkeiten
„einkassiert“
aber
habe,
damit
im
auf
die
enteigneten
Stellungnahme
vom
19.01.2016,
Agrargemeinschaftsmitglieder abwälzen wolle.
2.
Stellungnahme der belangten Behörde:
Die
belangte
Behörde
hält
in
ihrer
Zahl AGM-R285/507-2016, fest, dass bei Abzugssteuern, wie etwa der Kapitalertragsteuer,
zwischen dem Steuerschuldner (Gläubiger oder Empfänger der Kapitalerträge) und dem
Abzugsverpflichteten (Schuldner der Kapitelerträge) zu unterscheiden sei. Die Person dessen,
der die Steuer berechne und abführe, decke sich also nicht mit jener des Steuerschuldners.
Schuldner der Kapitalertragsteuer sei und bleibe auch bei Bezügen aus Anteilen an
Agrargemeinschaften
das
jeweilige
Mitglied,
das
die
Kapitalerträge
bezogen
habe.
Demgemäß bestimme § 95 Einkommenssteuergesetz 1988 (EStG 1988), dass der Empfänger
der Kapitalerträge der Schuldner der Kapitalertragsteuer sei, demgegenüber der Abzugsverpflichtete jedoch für die Einbehaltung und Abfuhr der Kapitalertragsteuer hafte. Schuldner
der Kapitalertragsteuer sei und bleibe daher auch bei Bezügen aus Anteilen an Agrargemeinschaften das jeweilige Mitglied, das die Kapitalerträge bezogen habe. Werde daher
der Abzugsverpflichtete – wie im gegenständlichen Fall die Gemeindegutsagrargemeinschaft
Mutters – zur Haftung herangezogen, könne dieser die Kapitalertragsteuer vom Empfänger
des Kapitalertrages zurückfordern.
Davon
ausgehend
betont
die
belangte
Behörde,
dass
die
Kapitalertragsteuer
kein
wechselseitig abgegoltener vermögenswerter Anspruch im Sinne des § 86d TFLG 1996 sein
könne. Steuerschuldner der Kapitalertragsteuer seien gemäß § 95 EStG 1988 die Mitglieder
der Gemeindegutsagrargemeinschaft. Dieses Steuerschuldverhältnis bestehe unmittelbar
zwischen jedem Mitglied und der Abgabenbehörde (Finanzamt). Keine der sich aus diesem
Steuerschuldverhältnis ergebenden Rechtsfolgen könne von § 86d TFLG 1996 erfasst sein.
Die belangte Behörde bringt zudem vor, die Zahlungsverpflichtung ergebe sich gem § 3
Abs 2 lit d und § 2 Abs 2 lit c der geltenden Satzung, erlassen mit Bescheid vom 31.07.2012,
Zahl AgrB-R285/425-2012, auch unmittelbar aus der Mitgliedschaft zur Gemeindegutsagrargemeinschaft Mutters.
-7-
Die belangte Behörde bestreitet nicht, dass die Ausschüttungen der „Verkaufsholzerlöse“ an
die Agrargemeinschaftsmitglieder vor dem Stichtag 28.11.2013 erfolgt seien und hinsichtlich
dieser Zuwendungen selbst eine vermögensrechtliche Auseinandersetzung nicht mehr
stattzufinden habe. Dies treffe aber auf die im Zusammenhang mit diesen Ausschüttungen
nachträglich durch das Finanzamt Innsbruck vorgeschriebene Kapitalertragsteuer nicht zu.
Grundlage für den Abgabenanspruch des Finanzamtes gegenüber der Gemeindegutsagrargemeinschaft Mutters sei der Haftungsbescheid des Finanzamtes Innsbruck vom
09.07.2015. Der vermögensrechtliche Anspruch der abzugsverpflichtenden Gemeindegutsagrargemeinschaft Mutters gegenüben den Steuerschuldnern sei wiederum erst mit der
Bezahlung der Kapitalertragsteuer an das Finanzamt am 17.08.2015 entstanden.
Abschließend hält die belangte Behörde fest, dass – entgegen der Auffassung der
Beschwerdeführer – § 86d TFLG 1996 nur die vermögensrechtliche Auseinandersetzung für
Zuwendungen in der Vergangenheit regle. Damit sei diese Bestimmung auf die erst am
17.08.2015 bezahlte Kapitalertragsteuer nicht anzuwenden.
3.
Stellungnahme des Substanzverwalters:
Der Substanzverwalter hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung vorgebracht, die
Beschwerdeführer würden sich zu Unrecht auf § 86d TFLG 1996 beziehen. Gegenstand des
anhängigen Beschwerdeverfahrens sei weder ein vermögenswerter Anspruch aus dem
Mitgliedschaftsverhältnis, noch ein Anspruch, der vor dem 01.07.2014 entstanden sei. Die
vom Finanzamt Innsbruck vorgeschriebene Steuernachzahlung sei zwar in den in den Jahren
2010 bis 2013 vorgenommenen Ausschüttungen begründet, die Steuerschuld sei aber
aufgrund des Haftungsbescheides des Finanzamtes vom 09.07.2015, der Rückforderungsanspruch der Gemeindegutsagrargemeinschaft Mutters wiederum erst mit der Bezahlung der
Kapitalertragssteuer am 17.08.2015 entstanden.
Zudem bringt der Substanzverwalter vor, das Bestreiten der Zahlungspflicht durch die
Beschwerdeführer verstoße gegen Treu und Glauben. Grundlage des Haftungsbescheides
vom 09.07.2015 sei gewesen, dass die Kapitalertragssteuer von den einzelnen Mitgliedern
zurückgefordert werde. Der Vorgehensweise – Vorschreibung der Kapitalertragssteuer durch
das Finanzamt an die Gemeindegutsagrargemeinschaft und anschließend Rückforderung von
den einzelnen Mitgliedern – habe der Obmann der Gemeindegutsagrargemeinschaft mit
Abgabe des Rechtsmittelverzichtes zum Haftungsbescheid ausdrücklich zugestimmt.
III.
Sachverhalt:
1.
Allgemeine Feststellungen zur Gemeindegutsagrargemeinschaft Mutters:
Die Agrargemeinschaft Mutters besteht im Sinne des § 33 Abs 2 lit c Z 2 TFLG 1996
betreffend genau bezeichneter Liegenschaften des GB 81120 Mutters [vgl die Auflistung von
Grundstücken und von zwei Teilflächen im Spruchteil B)/I./2. des Erkenntnisses des
Landesverwaltungsgerichtes vom 23.06.2014, Zl LVwG-2014/37/0060-9] auf Gemeindegut.
Damit ist sie eine Gemeindegutsagrargemeinschaft.
-8-
Die als Gemeindegut qualifizierten Grundstücke und Teilflächen der EZ 20, 29, 31, 32, 601,
603, 605, 607, 609, 611, 616, 631, 634, 636, 639 und 683, alle GB 81120 Mutters, stehen
im Eigentum der Agrargemeinschaft Mutters. Der Substanzwert gemäß § 33 Abs 5 TFLG
1996 steht der Gemeinde Mutters zu.
Die Agrargemeinschaft Mutters besteht aus der Gesamtheit der jeweiligen Eigentümer der
Stammsitzliegenschaften mit den im Regulierungsplan mit überprüfter Haupturkunde vom
10.10.1945, Zl I-103/61 idgF, definierten Anteilsrechten und der substanzberechtigten
Gemeinde Mutters.
2.
Vermögensübergabe an den Substanzverwalter:
Vier Wochen nach dem In-Kraft-Treten der Novelle LGBl Nr 70/2014 am 01.07.2014 wurden
dem Substanzverwalter der Gemeindegutsagrargemeinschaft Mutters
Gelder in Höhe von
rund Euro 400.000,--- insofern übergeben, als er die für die einzelnen Konten erforderlichen
Zeichnungsberechtigungen eingeräumt erhielt.
Die Agrargemeinschaft Mutters hat das Sparbuch Nr 30.072.581 der Raiffeisenkasse für
Mutters, Natters und Kreith reg Gen.m.b.H., lautend auf „Bauern“, am 01.07.2002 angelegt.
Seit diesem Zeitpunkt wurden auf dem genannten Sparbuch alle aus Holzverkäufen
erwirtschafteten Erlöse eingezahlt.
Jedes Jahr wurden aus den durch Holzverkäufe erwirtschafteten Geldern Ausschüttungen an
die Mitglieder der Agrargemeinschaft Mutters vorgenommen, so auch in den Jahren 2010 bis
2013. Seit dem Jahr 2013 kam es zu keinen Ausschüttungen mehr.
Dieses Sparbuch hat der Obmann der Agrargemeinschaft Mutters zu dem in § 86e Abs 4
TFLG 1996 festgelegten Zeitpunkt dem Substanzverwalter nicht übergeben. Aufgrund dieser
Vorgehensweise hat die Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde mit Straferkenntnis vom
12.11.2014, Zl AGM-ST/36-2014, Josef Fritz als Obmann der Agrargemeinschaft Mutters und
somit einer Agrargemeinschaft auf Gemeindegut im Sinne des § 33 Abs 2 lit c Z 2 TFLG 1996
zur Last gelegt, der Verpflichtung gemäß § 86e Abs 4 TFLG 1996 dahingehend nicht nachgekommen zu sein, als er das Sparbuch Nr 30.072.581 der Raiffeisenkasse für Mutters,
Natters und Kreith reg Gen.m.b.H., lautend auf „Bauern“, dem Substanzverwalter der
Gemeinde Mutters bis zum 30.07.2014 nicht übergeben habe und für diese Verwaltungsübertretung
eine
Geldstrafe
verhängt.
Die
dagegen
erhobene
Beschwerde
hat
das
Landesverwaltungsgericht Tirol mit Erkenntnis vom 17.03.2015, Zl LVwG-2014/37/3406-8,
als unbegründet abgewiesen.
Aufgrund
dieses
Erkenntnisses
hat
in
weiterer
Folge
der
Obmann
der
Gemeindegutsagrargemeinschaft Mutters das Sparbuch Nr 30.072.581 der Raiffeisenkasse
für Mutters, Natters und Kreith reg Gen.m.b.H., lautend auf „Bauern“, mit einer Einlage von
rund Euro 111.000,-- dem Substanzverwalter übergeben.
-9-
3.
Finanzverfahren:
Im
Frühjahr
2015
hat
Gemeindegutsagrargemeinschaft
das
Finanzamt
Mutters
eine
Innsbruck
Steuerprüfung
betreffend
durchgeführt
und
die
dabei
festgestellt, dass für die in den Jahren 2010 bis 2013 an die Mitglieder getätigten
Ausschüttungen aus Holzverkäufen die Kapitalertragssteuer nicht ordnungsgemäß abgeführt
wurde.
Im
Rahmen
dieses
Finanzverfahrens
hat
am
08.07.2015
eine
Amtshandlung
samt
Schlussbesprechung stattgefunden, an der neben dem Vertreter des Finanzamtes ua
Bürgermeister Hansjörg Peer als Substanzverwalter und Josef Fritz als Obmann der
Gemeindegutsagrargemeinschaft Mutters teilgenommen haben. Bei dieser Amtshandlung hat
das Finanzamt Innsbruck die für die Jahre 2010 bis 2013 aushaftende Kapitalertragsteuer,
bezogen auf das jeweilige Jahr, ziffernmäßig bestimmt. Bürgermeister Hansjörg Peer als
Substanzverwalter und Josef Fritz als Obmann der Gemeindegutsagrargemeinschaft Mutters
haben
zu
den
vom
Finanzamt
Innsbruck
getroffenen
Feststellungen
einen
Rechtsmittelverzicht abgegeben.
Mit Haftungsbescheid vom 09.07.2015, Abgabenkonto Nummer 81 – 150/0016, hat das
Finanzamt Innsbruck die Gemeindegutsagrargemeinschaft Mutters im Hinblick auf die in den
Jahren 2010 bis 2013 getätigten Ausschüttungen aufgefordert, die Kapitalertragssteuer in
der Höhe von Euro 134.183,75 abzüglich eines Betrages von Euro 2.660,--, sohin insgesamt
Euro 131.523,75, zu bezahlen.
In weiterer Folge hat der Substanzverwalter der Gemeindegutsagrargemeinschaft Mutters,
Bürgermeister Hansjörg Peer, mit den Schriftsätzen vom 31.07.2015 die Mitglieder der
Gemeindegutsagrargemeinschaft Mutters über den Haftungsbescheid des Finanzamtes
Innsbruck informiert und, bezogen auf die in den Wirtschaftsjahren 2010 bis 2013 erhaltenen
Ausschüttungen, die aushaftende Kapitalertragssteuer bekannt gegeben. Gleichzeitig erging
die
Aufforderung,
den
Kapitalertragssteuer
jeweils
auf
das
aushaftenden
Betrag
Substanzkonto
zu
zu
tilgen
und
entrichten.
33
die
ausständige
Mitglieder
der
Agrargemeinschaft sind dieser Aufforderung gefolgt.
Am
17.08.2015
hat
die
Gemeindegutsagrargemeinschaft
Mutters
die
aushaftende
Kapitalertragssteuer bezahlt. Da mehrere Agrargemeinschaftsmitglieder der Aufforderung zur
Bezahlung des aushaftenden Betrages nicht nachgekommen sind, hat der Substanzverwalter
der Gemeindegutsagrargemeinschaft Mutters mit Schriftsatz vom 24.09.2015 bei der
Agrarbehörde beantragt, den namentlich genannten säumigen Mitgliedern die Zahlung jenes
Betrages, für den diese Mitglieder als Schuldner der Kapitalertragssteuer anzusehen seien,
vorzuschreiben.
Nach der Erlassung des Bescheides vom 28.10.2015, Zl AGM-R285/498-2015, haben die
Beschwerdeführer Gebhard Muigg und Johann Pfurtscheller den ihnen vorgeschriebenen
Betrag auf das Substanzkonto einbezahlt.
- 10 -
IV.
Die
Beweiswürdigung:
allgemeinen
Feststellungen
zur
Agrargemeinschaft
Mutters
des
Kapitels
1.
der
Sachverhaltsdarstellung des gegenständlichen Erkenntnisses sind der Entscheidung des
Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 23.06.2014, Zl LVwG-2014/37/0060-9, entnommen
und nicht weiter strittig.
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 14.03.2015 hat der Substanzverwalter
Bürgermeister Hansjörg Peer dargelegt, dass ihm zu dem in § 86e Abs 4 TFLG 1996
festgelegten Zeitpunkt – vier Wochen nach dem 01.07.2014 – die Zeichnungsberechtigungen
für verschiedene Konten und damit die Verfügungsberechtigung über Gelder in Höhe von
rund Euro 400.000,-- eingeräumt wurden. Dies ist auch nicht weiter strittig.
Die Beschwerdeführer haben ausdrücklich vorgebracht, dass zusätzlich zu den Geldern in
Höhe von Euro 400.000,-- dem Substanzverwalter auch ein Sparbuch mit einer Einlage in
Höhe von rund Euro 100.000,-- übergeben worden sei. Die auf diesem Sparbuch angelegten
Gelder würden aus der Holzbewirtschaftung stammen.
Substanzverwalter Bürgermeister Peer hat die Übergabe dieses Sparbuches bestätigt,
allerdings ergänzend hinzugefügt, dass die Aushändigung dieses Sparbuches erst nach einer
Entscheidung
des
Landesverwaltungsgerichtes
Tirol
erfolgt
sei.
Auf
diese
landesverwaltungsgerichtliche Entscheidung vom März 2015 hat auch der Zeuge Mag.
Othmar Schönherr Bezug genommen.
Das Finanzamt Innsbruck hat in seinem Bericht gemäß § 150 Bundesabgabenordnung (BAO),
auf den der Haftungsbescheid vom 09.07.2015 verweist, ausdrücklich festgehalten, dass das
Rechtholz der Mitglieder Agrargemeinschaft Mutters an Dritte verkauft und die gesamte
Abwicklung dieser Tätigkeit über das Konto Nr 30.072.581 bei der Raika Mutters/Natters
abgewickelt worden sei. Zudem nimmt das Finanzamt Bezug auf das Erkenntnis des
Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 17.03.2015, Zl LVwG-2014/37/3406-8.
Das Landesverwaltungsgericht Tirol geht daher davon aus, dass es sich bei den von den
Beschwerdeführern erwähnten Sparbuch um das von der Agrargemeinschaft Mutters bei der
Raiffeisenkasse für Mutters, Natters und Kreith reg Gen.m.b.H. angelegte Sparbuch
Nr 30.072.581, lautend auf „Bauern“, handelt. Dieses Sparbuch war Gegenstand des zu
Zl LVwG-2014/37/3406 abgewickelten Beschwerdeverfahrens, abgeschlossen mit Erkenntnis
des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 17.03.2015, Zl LVwG-2014/37/3406-8. Im
Kapitel 3. der Sachverhaltsdarstellung des Erkenntnisses vom 17.03.2015, Zl LVwG2014/37/3406-8, hat das Landesverwaltungsgericht Tirol, ausgehend von den Darlegungen
des als Partei einvernommenen Obmannes der Gemeindegutsagrargemeinschaft Mutters,
Feststellungen zu diesem Sparbuch getroffen.
Die Ausführungen in Kapitel 2. der Sachverhaltsdarstellung des gegenständlichen Erkenntnisses stützen sich daher auf das Vorbringen der Beschwerdeführer, die Aussage des
Substanzverwalters anlässlich der mündlichen Verhandlung am 14.03.2016 und die im
Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 17.03.2015, Zl LVwG-2014/37/3406-8,
- 11 -
zum Sparbuch Nr 30.072.581 der Raiffeisenkasse Mutters, Natters und Kreith reg Gen.m.b.H.
getroffenen Feststellungen.
Die Feststellungen des Kapitels 3. der Sachverhaltsdarstellung des gegenständlichen
Erkenntnisses zu den vom Finanzamt Innsbruck durchgeführten Prüfverfahren betreffend die
Gemeindegutsagrargemeinschaft Mutters ergeben sich insbesondere aus der „Niederschrift
über die Erklärung von Rechtsmittelverzichten gem § 255 Abs. 2 BAO anlässlich der
Außenprüfung gem § 147 BAO“ vom 08.07.2015 sowie dem Haftungsbescheid des
Finanzamtes Innsbruck vom 09.07.2015 und sind nicht weiter strittig
V.
Rechtslage:
1.
Einkommenssteuergesetz 1988:
Die entscheidungswesentliche Bestimmung des § 95 Einkommensteuergesetz 1998 (EStG
1988), lautet samt Überschrift auszugsweise wie folgt:
„Schuldner und Abzugsverpflichteter
§ 95. (1) Schuldner der Kapitalertragsteuer ist der Empfänger der Kapitalerträge. Der
Abzugsverpflichtete (Abs 2) haftet dem Bund für die Einbehaltung und Abfuhr der
Kapitalertragsteuer.[…]
(2) Abzugsverpflichteter ist:
1. Bei
Einkünften
aus
der
Überlassung
von
Kapital,
einschließlich
tatsächlich
ausgeschütteter Erträge und als ausgeschüttet geltender Erträge aus einem § 186
oder § 188 des Investmentfondsgesetzes 2011 oder einem § 40 oder § 42 des
Immobilien-Investmentfondsgesetzes unterliegende Gebilde.
a) Der Schuldner der Kapitalerträge, wenn dieser Wohnsitz, Geschäftsleitung oder
Sitz
im
Inland
hat
oder
inländische
Zweigstelle
eines
ausländischen
Kreditinstitutes ist und es sich um Einkünfte aus der Überlassung von Kapital
gemäß § 27 Abs. 2 Z 1, § 27 Abs. 5 Z 7 oder Zinsen aus Geldeinlagen bei
Kreditinstituten oder aus sonstigen Forderungen gegenüber Kreditinstituten im
Sinne des § 27a Abs. 1 Z 1 handelt.
[…]“
2.
Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch:
Die entscheidungswesentlichen Bestimmung des des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches
(ABGB), JGS 946/1811 idF RGBl Nr 69/1916 bzw BGBl I Nr 29/2010 lauteen wie folgt:
㤠1358
Wer eine fremde Schuld bezahlt, für die er persönlich oder mit bestimmten
Vermögensstücken haftet, tritt in die Rechte des Gläubigers und ist befugt, von dem
Schuldner den Ersatz der bezahlten Schuld zu fordern. Zu diesem Ende ist der befriedigte
- 12 -
Gläubiger verbunden, dem Zahler alle vorhandenen Rechtsbehelfe und Sicherungsmittel
auszuliefern.“
§ 1409
(1) Übernimmt jemand ein Vermögen oder ein Unternehmen, so ist er unbeschadet der
fortdauernden Haftung des Veräußerers den Gläubigern aus den zum Vermögen oder
Unternehmen gehörigen Schulden, die er bei der Übergabe kannte oder kennen mußte,
unmittelbar verpflichtet. Er wird aber von der Haftung insoweit frei, als er an solchen
Schulden schon so viel berichtigt hat, wie der Wert des übernommenen Vermögens oder
Unternehmens beträgt.
[…]“
3.
Tiroler Flurverfassungslandesgesetz 1996
Die entscheidungswesentlichen Bestimmungen des Tiroler Flurverfassungslandesgesetz 1996
(TFLG 1996), LGBl Nr 74/1996 idF LGBl Nr 70/2014, lauten samt Überschriften auszugsweise
wie folgt:
„Aufsicht über die Agrargemeinschaften; Streitigkeiten
§ 37. (1) Die Agrargemeinschaften unterliegen der Aufsicht durch die Agrarbehörde. Die
Aufsicht erstreckt sich auf
a)
die Einhaltung dieses Gesetzes, der Verordnungen aufgrund dieses Gesetzes
und der Regulierungspläne einschließlich der Wirtschaftspläne und Satzungen
sowie
b)
die
Zweckmäßigkeit
der
Bewirtschaftung
der
agrargemeinschaftlichen
Grundstücke und des sonstigen Vermögens der Agrargemeinschaften.
[...]
(7) Die Agrarbehörde hat auf Antrag unter Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges zu
entscheiden über Streitigkeiten
a)
zwischen der Agrargemeinschaft und ihren Mitgliedern oder zwischen den
Mitgliedern untereinander aus dem Mitgliedschaftsverhältnis sowie
b)
zwischen der Gemeinde und einer Agrargemeinschaft auf Gemeindegut im Sinn
des § 33 Abs. 2 lit. c.
Anträge nach lit. a und b sind bei der Agrarbehörde schriftlich einzubringen und zu
begründen. Richten sich solche Anträge gegen Beschlüsse der Vollversammlung, so sind sie
innerhalb von zwei Wochen nach der Beschlussfassung, richten sie sich gegen Beschlüsse
oder Verfügungen anderer Organe der Agrargemeinschaft, so sind sie innerhalb von zwei
Wochen nach der satzungsgemäßen Bekanntmachung einzubringen. Nicht zulässig sind
Anträge, die sich gegen vom Substanzverwalter einer Agrargemeinschaft auf Gemeindegut
im Sinn des § 33 Abs. 2 lit. c Z 2 in den im § 36c Abs. 1 genannten Angelegenheiten
getroffene Verfügungen richten, sowie Anträge von Mitgliedern, die dem von ihnen
angefochtenen Beschluss bei der Beschlussfassung zugestimmt oder an dieser trotz
ordnungsgemäßer Einladung nicht teilgenommen haben. Die Agrarbehörde hat Beschlüsse
- 13 -
(Verfügungen) von Organen der Agrargemeinschaft aufzuheben, wenn sie gegen dieses
Gesetz, eine Verordnung aufgrund dieses Gesetzes oder gegen den Regulierungsplan
einschließlich eines Wirtschaftsplanes oder einer Satzung verstoßen, und dabei wesentliche
Interessen des Antragstellers verletzen.
(8) In Verfahren nach den Abs. 3 und 4 ist nur die Agrargemeinschaft Partei. In Verfahren
nach den Abs. 6 und 7 sind jedenfalls die Agrargemeinschaft und die den Antrag stellenden
Mitglieder Parteien; bei Streitigkeiten zwischen einer Gemeinde und einer Agrargemeinschaft
nach § 33 Abs. 2 lit. c ist auch die Gemeinde Partei.“
„Vermögensrechtliche Auseinandersetzung für die Vergangenheit bei Agrargemeinschaften
auf Gemeindegut im Sinn des § 33 Abs 2 lit c Z 2
§ 86d. (1) Vermögenswerte Ansprüche aus dem Mitgliedschaftsverhältnis und aufgrund des
Mitgliedschaftsverhältnisses zwischen einer Agrargemeinschaft auf Gemeindegut im Sinn des
§ 33 Abs. 2 lit. c Z 2, den Nutzungsberechtigten und der substanzberechtigten Gemeinde, die
vor dem Ablauf des Tages der Kundmachung des Gesetzes LGBl. Nr. 70/2014 entstanden
sind, gelten als wechselseitig abgegolten, sofern im Folgenden nichts anderes bestimmt ist.
Eine vermögensrechtliche Auseinandersetzung über solche Ansprüche findet nur statt in
Bezug auf
a) geldwerte unentgeltliche Zuwendungen der Agrargemeinschaft an Nutzungsberechtigte
oder Dritte aus dem Substanzwert (§ 33 Abs. 5), die nach dem 10. Oktober 2008 erfolgt
sind, jedoch mit Ausnahme von solchen Zuwendungen, die aus dem Überling (§ 33 Abs. 5
lit. b) oder nach dem Inkrafttreten des Gesetzes LGBl. Nr. 7/2010 mit Zustimmung der
substanzberechtigten Gemeinde aus Substanzerlösen (§ 33 Abs. 5 lit. a) erfolgt sind,
b) geldwerte unentgeltliche oder entgeltliche Zuwendungen der Agrargemeinschaft an
Nutzungsberechtigte oder Dritte aus dem Substanzwert (§ 33 Abs. 5), die nach dem
28. November 2013 ohne Zustimmung der substanzberechtigten Gemeinde erfolgt sind,
[…]“
4.
Die
Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz:
entscheidungswesentliche
Bestimmung
des
§
28
des
Verwaltungsgerichts-
verfahrensgesetzes (VwGVG), BGBl I Nr 33/2013 idF BGBl I Nr 122/2013, einschließlich der
Überschrift lautet auszugsweise wie folgt:
„Erkenntnisse
§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist,
hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen […]“
- 14 -
VI.
1.
Erwägungen:
Zur Rechtzeitigkeit:
Gemäß § 7 Abs 4 VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den
Bescheid einer Behörde gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG vier Wochen. Der Bescheid der
belangten Behörde wurde den Beschwerdeführern zuhanden ihres Rechtsvertreters am
04.11.2015 zugestellt. Die am 02.12.2015 auf digitalem Weg bei der Agrarbehörde
eingebrachte Beschwerde vom 01.12.2015 ist daher fristgerecht.
2.
Zur Zulässigkeit der Beschwerde:
Gegenstand des vom bekämpften Bescheid erfassten Antrages des Substanzverwalters vom
24.09.2015 ist eine Streitigkeit zwischen der Gemeindegutsagrargemeinschaft Mutters und
mehreren
Agrargemeinschaftsmitgliedern.
Die
Gemeindegutsagrargemeinschaft
Mutters
fordert – auf der Grundlage des Haftungsbescheides des Finanzamtes Innsbruck vom
09.07.2015
–
von
den
beschwerdeführenden
Mitgliedern
der
Agrargemeinschaft
als
Schuldner der Kapitalertragsteuer im Sinne des § 95 Abs 1 EStG 1988 die anteilsmäßige
Rückerstattung der von ihr als Abzugsverpflichteter geleisteten Kapitalertragsteuer. Die
Beschwerdeführer bestreiten den von der Gemeindegutsagrargemeinschaft Mutters geltend
gemachten Anspruch.
Der
Antrag
der
Gemeindegutsagrargemeinschaft
Mutters,
vertreten
durch
deren
Substanzverwalter Bürgermeister Hansjörg Peer, vom 24.09.2015 ist als solcher nach § 37
Abs 7 lit a TFLG 1996 zu qualifizieren. Die Beschwerdeführer waren daher berechtigt, gegen
den
Bescheid
der
belangten
Behörde
vom
28.10.2015,
Zahl
AGM-R285/498-2015,
Beschwerde zu erheben.
Der Sechst- und Siebtbeschwerdeführer haben den ihnen mit dem angefochtenen Bescheid
vorgeschriebenen
Betrag
bezahlt.
Beide
Rechtsmittelwerber
haben
allerdings
ihre
Beschwerde ausdrücklich aufrechterhalten, um die ihnen von der belangten Behörde
aufgetragene Verpflichtung durch das Verwaltungsgericht prüfen zu lassen. Von einer
mangelnden Beschwer ist daher nicht auszugehen.
3.
In der Sache:
3.1.
Zum Haftungsbescheid vom 09.07.2015, Abgabenkonto Nr. 81 – 150/0016:
Mit Haftungsbescheid vom 09.07.2015, Abgabenkontonummer 81 – 150/0016, hat das
Finanzamt Innsbruck die Gemeindegutsagrargemeinschaft Mutters im Hinblick auf die in den
Jahren 2010 bis 2013 getätigten Ausschüttungen verpflichtet, die Kapitalertragsteuer in der
Höhe von € 134.183,75 abzüglich eines Betrages von € 2.660,--, sohin insgesamt
€ 131.523,75, zu bezahlen.
- 15 -
In der Begründung dieses Bescheides verweist das Finanzamt auf den Bericht gemäß § 150
BAO über das Ergebnis der Außenprüfung vom 09.07.2015. Darin heißt es unter anderem
wörtlich:
„Die Agrargemeinschaft Mutters hat das Rechtholz ihrer Mitglieder an Dritte verkauft und ist
bei diesem Verkauf nach außen als Agrargemeinschaft Mutters aufgetreten. Die gesamte
Abwicklung
dieser
Tätigkeit
erfolgte
über
das
Konto
30.072.581
bei
der
Raika
Mutters/Natters.
Somit ist im steuerlichen Sinn diese Tätigkeit der Agrargemeinschaft zuzurechnen, sodass die
Einkünfte daraus von der KESt befreit sind (L+F-Einkünfte), die Ausschüttungen jedoch der
KESt unterliegen. …
Die KESt wird von den Empfängern getragen. Daher wird die KESt iHv 25% des
Ausschüttungsbetrages vorgeschrieben.
Die
KESt
ist
grundsätzlich
vom
Schuldner
(Agrargemeinschaft)
abzuführen,
nur
ausnahmsweise wird der Empfänger der Kapitalerträge in Anspruch genommen. Da für die
Agrargemeinschaft erkennbar war, dass eine steuerpflichtige Ausschüttung vorliegt, wird die
Haftung beim Schuldner geltend gemacht. …
Die
Vorschreibung
der
KESt
erfolgt
daher
bei
der
abzugsverpflichtenden
Gemeindegutsagrargemeinschaft Mutters … .“
Die Agrargemeinschaft Mutters hat aus den in den Jahren 2010 bis 2013 durch den Verkauf
des „Rechtholzes“ erzielten Erlösen Ausschüttungen an ihre Mitglieder vorgenommen. Diese
Ausschüttungen hat das Finanzamt Innsbruck als Kapitalerträge qualifiziert. Gemäß § 95
Abs 3 Z 1 EStG hat das Finanzamt Innsbruck die Gemeindegutsagrargemeinschaft Mutters
als abzugsverpflichtete Schuldnerin der Kapitalerträge angesehen und ihr die Leistung der
Kapitalertragsteuer mit dem Haftungsbescheid vom 09.07.2015 vorgeschrieben.
Die anteilsberechtigten Mitglieder als Empfänger der Kapitalerträge sind folglich die
Schuldner der Kapitalertragsteuer im Sinne des § 95 Abs 2 EStG 1988.
3.2.
Zum Regressanspruch der Gemeindegutsagrargemeinschaft Mutters (Antrag vom
24.09.2015):
Die
Gemeindegutsagrargemeinschaft
Mutters
hat
die
ihr
mit
Haftungsbescheid
vom
09.07.2015 vorgeschriebene Kapitalertragsteuer entrichtet. Sie hat somit anstelle der
Schuldner der Kapitalertragsteuer, nämlich der Mitglieder der Agrargemeinschaft Mutters als
Empfänger der Kapitalerträge, die aushaftende Kapitalertragsteuer bezahlt.
Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 1358 ABGB tritt in die Rechte des Gläubigers ein, wer
eine
fremde
Schuld
bezahlt.
Bei
der
vom
Finanzamt
Innsbruck
gegenüber
der
Gemeindegutsagrargemeinschaft geltend gemachten Steuerforderung handelt es sich um
einen öffentlich-rechtlichen Anspruch. Nach § 1358 ABGB gehen auch öffentlich-rechtliche
Ansprüche über, soweit dies nicht besondere Vorschriften ausschließen (Gamerith in
Rummel3 § 1358 Rz 7). Die Forderung des Finanzamtes ist im gegenständlichen Fall im Wege
der Legalzession gemäß § 1358 ABGB auf die Gemeindegutsagrargemeinschaft Mutters als
Schuldnerin der Kapitalerträge und Abzugsverpflichtete gemäß § 95 Abs 3 EStG 1988
- 16 -
übergegangen
(vgl
Norbert
Bramerdorfer,
Der
zivilrechtliche
Regressanspruch
des
Steuerhaftenden gegenüber dem Steuerschuldner, JBl 2002, 82f).
In diesem Zusammenhang weisen die Beschwerdeführer allerdings darauf hin, dass eine
Auseinandersetzung
zwischen
der
Gemeindegutsagrargemeinschaft
Mutters
und
ihren
Mitgliedern im Hinblick auf die vor dem 30.06.2014 erfolgten verfahrensgegenständlichen
Ausschüttungen ausschließlich nach den Bestimmungen des § 86d TFLG 1996 zu erfolgen
habe. Dementsprechend dürfe die Gemeindegutsagrargemeinschaft Mutters ihre Mitglieder
wegen aller Entnahmen aus dem Rechnungskreis I auch nach dem durch die Novelle LGBl Nr
70/2014 geänderten Rechtsregime nicht belangen. Ein Vermögensausgleich könne somit
wegen aller Entnahmen, die nach der bis 30.06.2014 geltenden Rechtslage rechtmäßig
gewesen seien, nicht stattfinden.
Das Landesverwaltungsgericht Tirol hält dazu Folgendes fest:
Entsprechend
der
(verfassungswidrige)
Judikatur
des
Übertragung
Verfassungsgerichtshofes
des
Gemeindegutes
in
das
wurde
durch
Eigentum
der
die
Agrar-
gemeinschaft das Substanzrecht der Gemeinde – ursprünglich in Form des Eigentums – in ein
agrargemeinschaftliches Anteilsrecht umgewandelt (VfGH 02.10.2013, Zl B 550/2012 ua).
Die Gemeinde ist somit an der Agrargemeinschaft anteilsberechtigt, ihr Anteil ist der
Substanzwert abzüglich der Belastung durch land- und forstwirtschaftliche Nutzungsrechte im
Umfang
des Haus-
und
agrargemeinschaftliches
Gutsbedarfes (VfGH 02.10.2013, Zl
Anteilsrecht
kann
der
B 550/2012
Substanzwertanspruch
weder
ua). Als
ersessen
werden, noch kann er verjähren (VwGH 24.07.2008, Zl 2007/07/0100; 21.10.2004,
Zl 2003/07/0107).
Die Nutzungsrechte der Mitglieder der Gemeindegutsagrargemeinschaft Mutters bestehen
und bestanden ausschließlich im Bezug von Naturalleistungen zur Deckung des Haus- und
Gutsbedarfes. Auch mit Eintritt der Rechtskraft des Regulierungsplanes vom 10.10.1945,
Zl I-103/61, ging – entsprechend der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes – die rechtliche
Qualifikation der betroffenen Grundstücke als Gemeindegut insofern nicht unter, als das
ursprünglich in Form des Eigentums bestehende Substanzrecht der Gemeinde in ein
agrargemeinschaftliches Anteilsrecht umgewandelt wurde. Damit blieb der Anspruch der
Gemeinde
Mutters
auf
den
Substanzwert
und
somit
auf
die
dem
Substanzwert
zuzuordnenden Überschüsse aus der land- und forstwirtschaftlichen Tätigkeit auch mit
Eintritt
der
Rechtskraft
des
Regulierungsbescheides
vom
10.10.1945
aufrecht.
Dementsprechend waren auch nach dem Eintritt der Rechtskraft des Regulierungsbescheides
die Nutzungsrechte auf den Bezug von Naturalleistungen zur Deckung des Haus- und
Gutsbedarfes beschränkt.
Die TFLG-Novelle LGBl Nr 70/2014 sichert den Substanzanspruch der Gemeinden dadurch,
dass die Bewirtschaftung der Substanz der Grundstücke des atypischen Gemeindegutes
einschließlich
Vermögen
aller Dispositionen
der
über Substanzerlöse und
Agrargemeinschaft
mit
ihrem
das
In-Kraft-Treten
gesamte
zur
vorhandene
Gänze
auf
den
Substanzverwalter übergingen. Schon seit der Novelle LGBl Nr 7/2010 konnte zudem in
Angelegenheiten, die den Substanzwert der agrargemeinschaftlichen Grundstücke betreffen,
- 17 -
ein Organbeschluss nur mit Zustimmung der Gemeinde rechtswirksam gefasst werden.
Konkret erfolgt die Sicherstellung des Substanzanspruches der Gemeinde durch die neuen
Bestimmungen über die Wirtschaftsführung und die Substanzverwaltung (§ 36a bis 36k TFLG
1996; insbesondere gilt es die §§ 36d und 36f Abs 1 TFLG 1996 zu beachten), sowie die
vermögensrechtlichen Übergangsbestimmungen (§ 86e Abs 4 und 5 TFLG 1996). Dadurch
erhielten
die
substanzberechtigten
Gemeinden
Zugriff
auf
das
gesamte
vorhandene
Vermögen der atypischen Gemeindegutsagrargemeinschaften.
Die an dem gemäß § 86e Abs 4 TFLG 1996 festgesetzten Stichtag übergebenen, auf
verschiedenen Konten veranlagten Gelder in Höhe von Euro 400.000,-- waren und sind dem
Substanzwert zuzuordnen und waren daher der Gemeinde Mutters aufgrund des ihr
zustehenden Substanzwertanspruches zurückzugeben.
Bei dem auf dem Sparbuch Nr 30.072.581 veranlagten Geld – Erlöse aus Holzverkäufen –
handelt es sich um Überschüsse aus der land- und forstwirtschaftlichen Tätigkeit. Auch diese
stehen und standen der Gemeinde aus dem Titel des Eigentumsrechtes zu (vgl VfGH
02.10.2013, Zlen B 550/2012 ua mit Hinweis auf die Judikatur, ebenso VfGH 09.12.2014,
Zlen B 891/2013-10 ua). Entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführer unterlagen die auf
dem genannten Sparbuch veranlagten Gelder keineswegs der freien Verfügung durch die
Mitglieder der Agrargemeinschaft Mutters, sondern standen als Überschüsse aus der landund forstwirtschaftlichen Tätigkeit der Gemeinde zu. Mit der Aushändigung dieses Sparbuchs
an
den
Substanzverwalter
der
Gemeindegutsagrargemeinschaft
Mutters
erfolgte
die
Rückgabe an die über diese Gelder verfügungsberechtigte Gemeinde Mutters.
Die im § 86d TFLG 1996 geregelte vermögensrechtliche Auseinandersetzung für die
Vergangenheit
ergänzt
Substanzverwaltung
und
die
Bestimmungen
dient
ebenfalls
der
über
die
Wahrung
Wirtschaftsführung
des
Substanzanspruchs
und
der
substanzberechtigten Gemeinde. § 86d TFLG 1996 erfasst vor allem jene Fälle, in denen aus
der Substanz erwirtschaftete Vermögenswerte die Agrargemeinschaft ohne Gegenleistung
verlassen haben. Allerdings gilt es auch gegenläufige Ansprüche der Nutzungsberechtigten zu
berücksichtigen und zwischen diesen Ansprüchen und dem Substanzanspruch der Gemeinde
einen angemessenen Ausgleich zu schaffen.
Mit
In-Kraft-Treten
der
Novelle
LGBl
Nr
70/2014
am
01.07.2014
erhielten
die
substanzberechtigten Gemeinden Zugriff auf das gesamte vorhandene Vermögen der
atypischen Gemeindegutsagrargemeinschaften. § 86e Abs 4 TFLG 1996 stellt sicher, dass das
vorhandene Vermögen in die Dispositionsbefugnis des Substanzverwalters gelangt. § 86d
TFGL 1996 regelt jene Fälle, in denen aus der Substanz erwirtschaftete Vermögenswerte die
Agrargemeinschaft ohne Gegenleistung verlassen haben und somit nicht vorhanden sind.
Unbestritten ist, dass die als „Überling“ zu qualifizierenden Ausschüttungen der Jahre 2010
bis 2013 die Agrargemeinschaft verlassen haben. Gemäß § 86d Abs 1 lit b TFLG 1996 findet
eine vermögensrechtliche Auseinandersetzung über diese als Überling zu qualifizierende
Ausschüttungen nicht statt.
- 18 -
Mit Schriftsatz vom 24.09.2015 hat die Gemeindegutsagrargemeinschaft Mutters allerdings
die im Wege der Legalzession auf sie übergegangene Steuerschuld, nämlich die vom
Finanzamt Innsbruck für die in den Jahren 2010 bis 2013 getätigten Ausschüttungen
vorgeschriebene Kapitalertragsteuer, geltend gemacht. Es handelt sich somit um keinen
vermögenswerten Anspruch zwischen der Gemeindegutsagrargemeinschaft Mutters und den
Mitgliedern dieser Agrargemeinschaft als Nutzungsberechtigten. Darüber hinaus ist der von
der Gemeindegutsagrargemeinschaft Mutters gegenüber den beschwerdeführenden Agrargemeinschaftsmitgliedern geltend gemachte Anspruch erst mit der Bezahlung der vom
Finanzamt
vorgeschriebenen
Kapitalertragsteuer
einschließlich
der
damit
bewirkten
Legalzession und folglich nach dem Ablauf des Tages der Kundmachung des Gesetzes LGBl
Nr 70/2014 entstanden.
Die Gemeindegutsagrargemeinschaft Mutters hat als Abzugsverpflichtete die ihr vom
Finanzamt
Innsbruck
mit
Haftungsbescheid
vom
09.07.2015
vorgeschriebene
Kapitalertragsteuer geleistet. Schuldner der Kapitalertragsteuer sind allerdings die Mitglieder
der
Agrargemeinschaft
als
Empfänger
der
Kapitalerträge.
Durch
die
Zahlung
der
Steuerschuld ist die entsprechende Forderung auf die Gemeindegutsagrargemeinschaft
Mutters im Wege der Legalzession gemäß § 1358 ABGB übergegangen. Entgegen dem
Vorbringen der Beschwerdeführer handelt es sich bei dieser Steuerschuld um keinen
vermögenswerten
Anspruch
aufgrund
des
Mitgliedschaftsverhältnisses
zwischen
einer
Agrargemeinschaft auf Gemeindegut im Sinne des § 33 Abs 2 lit c Z 2 und den
Nutzungsberechtigten.
§
86d
TFLG
1996
ist
im
Hinblick
auf
die
von
der
Gemeindegutsagrargemeinschaft Mutters mit Schriftsatz vom 24.09.2016 geltend gemachten
Ansprüche folglich nicht anwendbar.
Auch der von den Beschwerdeführern herangezogene § 1409 ABGB vermag die mit dem
angefochtenen
Bescheid
den
Beschwerdeführern
aufgetragene Verpflichtung nicht
zu
beseitigen. Zweck des § 1409 ABGB ist, zu verhüten, dass den Gläubigern durch die
Übertragung des (ganzen) Vermögens ihres Schuldners im Wege eines schuldrechtlichen
Vertrages unter Lebenden auf eine andere Person ihre bisherige Haftungsgrundlage entzogen
wird. Die Übertragung des vorhandenen Vermögens der Gemeindegutsagrargemeinschaft
Mutters in die Dispositionsbefugnis des Substanzverwalters gemäß § 86e Abs 4 TFLG 1996
steht in keinem Zusammenhang mit der mit Haftungsbescheid vom 09.07.2015 festgestellten
Steuerschuld der Mitglieder der Gemeindegutsagrargemeinschaft Mutters. Diese Steuerschuld
ist entstanden, da den Mitgliedern der Agrargemeinschaft Mutters in den Jahren 2010 bis
2013 aus den durch Holzverkäufe („Rechtholz“) erzielten Erlöse Ausschüttungen gewährt
wurden, die steuerrechtlich als Kapitalerträge zu qualifizieren sind. Nach dem eindeutigen
Wortlaut
des
§
86d
Abs
1
lit
b
TFLG
1996
findet
eine
vermögensrechtliche
Auseinandersetzung über diese als Überling zu qualifizierende Ausschüttungen nicht statt und
hat dieses, sich aus den Ausschüttungen zusammensetzende Vermögen die Gemeinde
Mutters auch nicht übernommen. Vielmehr gelten diese Vermögenswerte als abgegolten
gemäß § 86d Abs 1 erster Satz TFLG 1996. Folglich findet § 1409 ABGB auf den
gegenständlichen Fall keine Anwendung.
- 19 -
3.3.
Zur Zuständigkeit der Agrarbehörde:
Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 37 Abs 7 lit a TFLG 1996 hat die Agrarbehörde unter
Ausschluss
des
ordentlichen
Rechtsweges
über
Streitigkeiten
zwischen
der
Agrar-
gemeinschaft und ihren Mitgliedern oder zwischen den Mitgliedern untereinander aus dem
Mitgliedschaftsverhältnis zu entscheiden.
Die Gemeindegutsagrargemeinschaft Mutters hat die im Wege der Legalzession auf sie
übergegangene Steuerforderung von den Mitgliedern der Agrargemeinschaft als Empfänger
der
Kapitalerträge
und
damit
Schuldner
der
Kapitalertragsteuer
eingefordert.
Die
Beschwerdeführer haben allerdings insbesondere unter Hinweis auf § 86d TFLG 1996 die
Zahlung
verweigert.
Über
die
daraus
entstehende
Streitigkeit
zwischen
der
Gemeindegutsagrargemeinschaft Mutters und den beschwerdeführenden Mitgliedern der
Gemeindegutsagrargemeinschaft
Mutters
hat
die
Agrarbehörde
unter
Ausschluss
des
ordentlichen Rechtsweges zu entscheiden. Daher ist es rechtlich unerheblich, ob sich die
Rechtsnatur der auf die Gemeindegutsagrargemeinschaft übergegangene Steuerforderung
durch die Legalzession geändert hat oder nicht (Näheres siehe Gamerith in Rummel3 § 1358
Rz 7 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung und Lehre).
VIII.
Ergebnis:
Gegenstand des vom bekämpften Bescheid erfassten Antrages vom 24.09.2015 ist ein von
der Gemeindegutsagrargemeinschaft Mutters gegenüber den Nutzungsberechtigten der
Gemeindegutsagrargemeinschaft Mutters geltend gemachter Anspruch. Die Gemeindegutsagrargemeinschaft fordert von jedem Mitglied, bezogen auf dessen Anteil, die Rückerstattung
der von ihr geleisteten Kapitalertragsteuer. Diese Steuerforderung ist im Wege der
Legalzession
gemäß
§
1358
ABGB
auf
die
Gemeindegutsagrargemeinschaft
Mutters
übergegangen. Bei der von der Gemeindegutsagrargemeinschaft Mutters geltend gemachten
Forderung handelt es sich um keinen vermögenswerten Anspruch im Sinne des § 86d TFLG
1996, diese Bestimmung ist daher im gegenständlichen Verfahren nicht anzuwenden.
Die
Gemeindegutsagrargemeinschaft
Mutters,
vertreten
durch
den
Substanzverwalter
Bürgermeister Hansjörg Peer, hat beantragt, die Agrarbehörde möge über den von ihr
gegenüber den beschwerdeführenden Mitgliedern der Agrargemeinschaft geltend gemachten
Anspruch
auf
anteilsmäßige
Erstattung
der
von
ihr
geleisteten
Kapitalertragsteuer
entscheiden. Den von der Gemeindegutsagrargemeinschaft Mutters behaupteten Anspruch
haben die beschwerdeführenden Agrargemeinschaftsmitglieder bestritten. Die Zuständigkeit
zur Entscheidung über diese Streitigkeit fällt nach dem eindeutigen Wortlaut des § 37 Abs 7
lit a TFLG 1996 in die Zuständigkeit der Agrarbehörde.
Entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführer ist der angefochtene Bescheid nicht
rechtswidrig.
Agrarbehörde
abzuweisen.
Die
Beschwerde
vom
gegen
28.10.2015,
den
Bescheid
der
AGM-R285/498-2015
Tiroler
war
Landesregierung
daher
als
als
unbegründet
- 20 -
Zwar hat der Sechst- und Siebtbeschwerdeführer nach Erlassung des angefochtenen
Bescheides den vorgeschriebenen Betrag bezahlt, beide Rechtsmittelwerber haben allerdings
ihre Beschwerde nicht zurückgezogen. Da entsprechend Kapitel 2. der „Erwägungen“ des
gegenständlichen Erkenntnisses von keiner mangelnden Beschwer auszugehen ist, war keine
gesonderte Entscheidung (Einstellungsbeschluss) über die Beschwerde des Sechst- und
Siebtbeschwerdeführers zu erlassen.
IX.
Zulässigkeit der ordentlichen Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder
Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der
Ausspruch ist kurz zu begründen.
Gemäß Art 133 Abs 4 B-VG ist die Revision gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes
zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung
zukommt,
insbesondere
wenn
das
Erkenntnis
von
der
Rechtsprechung
des
Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende
Rechtsfrage
von
der
bisherigen
Rechtsprechung
des
Verwaltungsgerichtshofes
nicht
einheitlich beantwortet wird.
Das
Landesverwaltungsgericht
Tirol
hat
im
gegenständlichen
Verfahren
mehrere
Rechtsfragen – Übergang eines öffentlich-rechtlichen Anspruches (Steuerforderung) im Wege
der Legalzession auf die Gemeindegutsagrargemeinschaft Mutters, Anwendbarkeit des § 86d
TFLG 1996 auf eine solche Forderung etc – zu beurteilen, die von weitreichender Bedeutung
sind und bislang nicht Gegenstand der höchstgerichtlichen Rechtsprechung waren. Daher
erklärt das Landesverwaltungsgericht Tirol die ordentliche Revision für zulässig.
Ergeht an:
1.
Herrn Max Eberl, Dorfstraße 2, 6162 Mutters;
2.
Herrn Robert Eberl, Nockhofweg 36a/1, 6162 Mutters;
3.
Herrn Engelbert Fritz, Natterer Straße 8, 6162 Mutters
4.
Herrn Josef Fritz, Natterer Straße 15/2, 6162 Mutters
5.
Herrn Gottfried Jaufenthaler, Kirchplatz 9, 6162 Mutters
6.
Herrn Gebhard Muigg, Dorfstraße 24/1, 6162 Mutters
7.
Herrn Johann Pfurtscheller, Dorfstraße 10, 6162 Mutters
8.
Herrn Josef Pfurtscheller, Am Bachrain, 6092 Birgitz
alle zH Herrn RA Univ. Doz. Dr. Bernd A. Oberhofer, Schöpfstraße 6b, 6020 Innsbruck,
samt
einer Ausfertigung
der Niederschrift über die mündliche Verhandlung am
14.03.2016
9.
die Gemeindegutsagrargemeinschaft Mutters, vertreten durch Herrn Substanzverwalter
Bürgermeister Hansjörg Peer, zH Herrn Rechtsanwalt Dr. Markus Heis, Anichstraße 3/III,
6020
Innsbruck, samt
einer Ausfertigung der Niederschrift
Verhandlung am 14.03.2016
über die mündliche
- 21 -
10. die
Tiroler
Landesregierung
als
Agrarbehörde,
Abteilung
Agrargemeinschaften,
Heiliggeiststraße 7 – 9, 6020 Innsbruck (do Zl AGM-R285/503-2015)
11. das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft,
Stubenring 1, 1010 Wien
Landesverwaltungsgericht Tirol
Dr. Wolfgang Hirn
(Richter)