Real Estate Trends Ausgabe 68 | März 2016 Trendbarometer 2016 Immobilienaufschwung am Ende? Die Stimmung bei den professionellen Immobilienmarktteilnehmern in Deutschland ist seit Jahren gut – daran wird sich auch 2016 nichts ändern. Beachtliche 95 Prozent der Teilnehmer, die am aktuellen EY-Trendbarometer Investmentmarkt Deutschland teilgenommen haben, bestätigen das. Dennoch könnte das Transaktionsvolumen in diesem Jahr niedriger ausfallen als 2015. Fortsetzung auf Seite 3 Inhalt 1 Trendbarometer 2016 Immobilienaufschwung am Ende? 6 Gespräch mit Jürgen Fenk Vorstand der Helaba Landesbank Hessen-Thüringen 8 Zukunft Wohnen Tradition statt Trends 10 Zuwanderung Raum für Flüchtlinge 12 Einzelhandel Neue Shops weltweit 14 Bewertung Kirchengrundstücke Kirchengrundstücke in der Wertermittlung 16 Industrieimmobilien Nische mit Anspruch 18 Vergabestrategie Zwang, Zufall oder System? 20 Immobilienmakler Unter Zugzwang 24 Immobilienfonds in Abwicklung Steuerliche Analyse für eine abgesicherte Liquiditäts- und Ausschüttungsplanung 28 Projektentwicklung Maßnahmen für Großprojekte 32 Ausländische Pensionsfonds in USA Neue Spielregeln für ausländische Pensionsfonds in den USA 34 Steuerrecht Umfang der Umsatzsteuerbefreiung bei Fondsverwaltungsleistungen für Immobilienfonds 36 Investmentsteuerreformgesetz Auswirkungen des Investment- steuerreformgesetzes (InvStG-E) auf Immobilienfonds 42 Publikationen 44 Veranstaltungen 2 | Real Estate Trends Ausgabe 68 – März 2016 Trendbarometer 2016 Limitierender Faktor Seit 2009 sind die Immobilien-Investmentmärkte in Deutschland im Aufwärtstrend, und 2015 erreichte das Transaktionsvolumen (Wohn- und Gewerbeimmobilien) hierzulande gar einen neuen Rekordwert: Der Wert liegt bei 79 Milliarden Euro. Viele Marktteilnehmer erwarten einen weiteren Anstieg. Auch unser Haus geht davon aus, dass die Nachfrage weiter hoch bleiben wird. Allerdings ist die Angebotsseite ein limitierender Faktor. So zeigt auch das aktuelle EY-Trendbarometer: Rund 85 Prozent der Befragten rechnen damit, dass sich das Angebot verknappen wird, vor allem das Angebot an Immobilien, die ein vergleichsweise geringes Risiko aufweisen und zu angemessenen Preisen erworben werden können. Denn der Umfrage zufolge könnten die Preise in den stark nachgefragten zentralen Lagen (Core) in den Top-7-Städten überhitzen. Rund 80 Prozent der Befragten rechnen damit – bezogen auf alle Nutzungsklassen. Je nach Segment dürften die Kaufpreise nicht nur in Top-Lagen, sondern auch darüber hinaus steigen. Das Bürosegment ist ein Beispiel. Sowohl in A- (63 Prozent) als auch in B-Lagen (57 Prozent) rechnet die Mehrheit der Befragten mit weiteren Preissteigerungen. Eine besondere Preisdynamik erwarten die Umfrageteilnehmer auch bei Hotelimmobilien in Bestlagen: Während hier im vergangenen Jahr nur 24 Prozent von steigenden Preisen ausgingen, sind es in diesem Jahr 56 Prozent. Mehr spekulative Projektentwicklungen erwartet Eine Folge könnten mehr Projektentwicklungen sein, auch spekulative im gewerblich genutzten Immobiliensegment – denn in der aktuellen Marktphase ist eine nennenswerte Vermietung vor Fertigstellung oft nicht mehr erforderlich. Beachtliche 81 Prozent der Befragten erwarten gar eine spürbare Zunahme spekulativer Projektentwicklungen. Im vergangenen Jahr waren es nur 62 Prozent. Der Markt scheint also offen für neue Projekte. Allerdings geben auch 77 Prozent der Befragten zu bedenken, dass die technische Inbetriebnahme von Bauleistungen ein zunehmender Risikofaktor der Projektentwicklung ist – zumindest für komplexe Großprojekte. Dennoch: Die Nachfrage weitet sich von CoreImmobilien aus und umfasst immer häufiger auch besagte Projektentwicklungen oder sonstige Investments mit Wertsteigerungspotenzial, das erst noch gehoben werden muss. Mit der Nachfrage steigt seit einiger Zeit tendenziell auch die Risikobereitschaft, wobei der Markt den meisten Marktteilnehmer allerdings nach wie vor Augenmaß zuspricht. Alternative im Niedrigzinsumfeld Die steigende Nachfrage erklärt sich über unterschiedliche Faktoren. Die Immobilie ist eine der wenigen Alternativen zur festverzinslichen Anlage und profitiert insofern vom Niedrigzinsumfeld. Daran dürfte sich in diesem Jahr wenig ändern. Eine spürbare Zinswende bleibt 2016 nach Meinung von fast allen Befragten (92 Prozent) aus. Darüber hinaus dürften aber auch die weltpolitischen Instabilitäten bei der Preisfindung eine Rolle spielen. Dieser Auffassung sind 56 Prozent der Befragten – im vergangenen Jahr waren es nur 44 Prozent. Natürlich gibt es auch in Deutschland Fragezeichen, aber das Land ist im internationalen Vergleich wirtschaftlich und politisch stabil. Das wiederum spricht dafür, dass weiteres Immobilienkapital aus dem Ausland (unter anderem aus Asien) angezogen wird, wodurch die Nachfrage und damit die Preise voraussichtlich weiter steigen. Umgekehrt zieht es deutsche Immobilienanleger aber auch schon seit einiger Zeit wieder ins Ausland. Rund acht von zehn Befragten bestätigten das Auslandsinteresse. Dabei sind auch Länder wie Italien, Spanien, Portugal oder der Niederlande als Zielländer – zumindest partiell – wieder attraktiv. Real Estate Trends Ausgabe 68 – März 2016 | 3 Trendbarometer 2016 B-Standorte rücken in den Fokus Innerhalb Deutschland gilt: Dem Trendbarometer zufolge ist Berlin für Investitionen in Büroimmobilien der attraktivste Standort. Nachdem sich im Vorjahr 16 Prozent der Umfrageteilnehmer für die Hauptstadt ausgesprochen haben, hat sich dieser Wert 2016 auf 17 Prozent erhöht. Dicht dahinter folgt München mit 16 Prozent (2015: 17 Prozent). Auch bei den Wohnimmobilien bleibt die Hauptstadt trotz eines Rückgangs des Anteils von 21 auf 16 Prozent deutlich im Investmentfokus der Umfrageteilnehmer. Auffällig ist hier, dass Städte wie Leipzig und Dresden zunehmend als attraktive Standorte wahrgenommen werden und mit insgesamt elf Prozent teilweise über dem Anteil einiger Top-7-Standorte liegen. Im Einzelhandelssegment steht Hamburg aktuell an erster Stelle, wenngleich sich der Anteil der Investoren mit Fokus auf dortige Handelsimmobilien von 17 Prozent im vergangenen Jahr auf nunmehr 14 Prozent verringert hat. Mit Berlin, Düsseldorf und München stehen gleich drei Topstandorte auf dem zweiten Platz; Frankfurt folgt mit einem Anteil von zehn Prozent dahinter. Auswirkungen der Zuwanderung auf den Immobilienmarkt In der Wohnungswirtschaft spielen in diesem Jahr zwei Faktoren eine entscheidende Rolle: Da ist zum einen die Zuwanderung durch Flüchtlinge. Rund 83 Prozent der Befragten stellen fest, dass der Zuzug von Flüchtlingen die deutsche Immobilienwirtschaft wesentlich beeinflusst. So seien Containerdörfer teilweise teurer als langfristig nutzbare Neubauten. Container und Sporthallen können ohnehin nur Übergangslösungen sein. Das zweite große Thema der Wohnungswirtschaft ist die Mietpreisbremse. Sie habe ihren Zweck bislang verfehlt. Die jeweiligen Berechnungsgrundlagen erscheinen mangelhaft, bestätigen 95 Prozent der Befragten. Statt den Mangel zu regulieren, sollte preisgünstiger Wohnraum geschaffen werden. Nach jüngsten Schätzungen und unter Berücksichtigung der Zuwanderung werden über 400.000 Wohnungen jährlich benötigt. Wie bereits oben erwähnt: Insgesamt werden weltpolitische Instabilitäten nicht hinreichend eingepreist, davon geht über die Hälfte der Befragten aus. 4 | Real Estate Trends Ausgabe 68 – März 2016 Fazit Die Nachfrage bleibt hoch, das Angebot aber knapp – vor allem bei Core-Immobilien (beziehungsweise Core-Immobilien zu attraktiven Preisen): Das Ergebnis des aktuellen Trendbarometers von EY verdeutlicht einerseits, dass deutsche Immobilien als Anlageklasse weiterhin gefragt sind. Aber auch, dass das Angebot ein ernstzunehmender limitierender Faktor sein könnte. Unser Haus hält einen Rückgang des Transaktionsvolumens auf 62 bis 65 Milliarden Euro für denkbar, was immer noch deutlich über dem Durchschnitt der vergangenen 10 Jahre (ca. 42 Milliarden Euro) liegt. Der Trans aktionszyklus scheint gegenwärtig seinem Höhepunkt nahe zu sein und dürfte ihn bis zum Jahresende überschritten haben. Lediglich Großübernahmen im Wohnimmobilienbereich hätten das Potenzial, das Transaktionsvolumen 2016 in ähnliche Größenordnungen zu heben wie im vergangenen Jahr. Über das Trendbarometer: Die Umfrage hat im Oktober 2015 stattgefunden. Rund 150 Investoren, die in den vergangenen Jahren am deutschen Immobilienmarkt aktiv waren, haben teilgenommen. Das Trendbarometer Immobilien-Investmentmarkt erscheint jährlich seit 2007. Christian Schulz-Wulkow ist Partner bei der Ernst & Young Real Estate GmbH in Berlin und leitet den Immobiliensektor in Deutschland, Österreich und der Schweiz [email protected] Paul von Drygalski ist Executive Director bei der Ernst & Young Real Estate GmbH in Berlin [email protected] Real Estate Trends Ausgabe 68 – März 2016 | 5 Vorstand der Helaba Landesbank Hessen-Thüringen Gespräch mit Jürgen Fenk Herr Fenk, wenn Sie zurückblicken auf das Jahr 2015: Wie war das Jahr aus Sicht der Immobilienfinanzierer? Jürgen Fenk: Ich kann natürlich nicht für alle Immobilienfinanzierer sprechen. Für uns war 2015 insgesamt ein gutes Geschäftsjahr. Das gilt vor allem für den Immobilienkredit, der bei uns ein wichtiger Baustein ist. Wir haben dort Neugeschäft mit einem Volumen von über 10 Milliarden Euro abgeschlossen. Damit haben wir unser Rekordniveau von 2014 übertroffen. Viel wichtiger als das Kreditvolumen ist für uns dabei allerdings die Rentabilität gemessen am Risikoprofil. Wir haben unser Portfolio weiter diversifiziert, auch im Neugeschäft, und unsere Allokation leicht verändert. Wie genau sah diese Veränderung aus? Jürgen Fenk: Wir haben vermehrt auf internationalen Märkten agiert, allerdings nur, wenn wir unser Ziel einer adäquaten risikobereinigten Rentabilität gewährleistet sahen. Natürlich bleibt Deutschland unser Heimatmarkt, aber der Risk-adjusted Return muss immer im Vordergrund stehen. Wir haben deshalb einige Transaktionen im Inland nicht durchgeführt und sind stattdessen anderenorts aktiv geworden. Aus dem Vergleich mit ausländischen Märkten können wir übrigens sagen, dass der Wettbewerb in Deutschland traditionell größer ist als in vielen anderen Ländern. Das ändert sich natürlich immer ein wenig. 2007 gab es noch wesentlich mehr Banken, die im Ausland im Immobiliengeschäft tätig waren, das hat ein wenig Druck vom deutschen Markt genommen, sofern man das in der Phase überhaupt behaupten kann. 2012 gab es dann nur noch ganz wenige Player, die sich im Ausland engagierten, der Fokus lag wieder sehr klar auf Deutschland. Momentan ändert sich das wieder, aber nur sehr langsam. Eine große Welle von Akteuren, die es wieder in andere Länder zieht, hat es noch nicht gegeben. Die meisten bleiben auf Deutschland fokussiert. Durch den starken Wettbewerb in Deutschland orientieren sich einige Finanzierer momentan zu wenig an Risk-adjusted Returns. Stehen wir also vor der nächsten Welle an Non-Performing-Loans? Jürgen Fenk: Das würde ich nicht sagen. Die Finanzierer sind insgesamt immer noch diszipliniert. Auch wenn die Risikobereitschaft tendenziell steigt, so haben wir doch immer noch eine gänzlich andere Situation als in den Jahren 2006 und 2007. Ansonsten ist es aber natürlich in jedem Einzelfall so: In dem Moment, wo man heute akquiriert und nicht aufpasst, akquiriert man potenziell einen Non-Performing-Loan von morgen. Das gehört zum Geschäft, ob nun im Inland oder Ausland. Viele Finanzierer sagen, dass das Neugeschäft zwar sehr gut läuft, aber auch, dass die Sondertilgungen sehr hoch sind… Jürgen Fenk: Wir finanzieren sehr stark auf variabler Basis, da wir viele internationale Kunden haben. Durch hohe Tilgungen können wir unser Kapital recyceln. Keine Bank der Welt kann immer nur Neugeschäfte, aber keine Tilgungen haben – dann geht uns irgendwann das Eigenkapital aus. Deshalb kommt es bei den Tilgungen auch immer auf die Jahrgänge an, die zurückgeführt werden, und wie sich das auf die Durchschnittsmarge auswirkt. Gerade die Jahrgänge ab 2008 hatten doch aber hohe Margen. Gibt es da nicht zumindest ein weinendes Auge? Jürgen Fenk: Dadurch, dass wir im vergangenen Jahr verstärkt im Ausland aktiv waren, haben wir die niedrigen Margen in Deutschland und die Tilgungen gut kompensiert. Unsere Bestandsmarge ist durch diese Substitution relativ gleich geblieben. Was sind Ihrer Meinung nach die größten Herausforderungen für die Banken, insbesondere in Bezug auf die Immobilienfinanzierung? Jürgen Fenk: Im Wesentlichen sind es drei Themen. Zum einen die Niedrigzinsphase, die schon viel zu lange dauert. Das ist für die Immobilienfinanzierung vielleicht weniger ein Problem, aber für die Banken im Allgemeinen schon. Retailbanken und Bausparer zum Beispiel reagieren sehr stark auf Niedrigzinsen. Die zweite Herausforderung sind die Regulierungen und die dadurch steigenden Kapitalanforderungen beziehungsweise die regulatorischen Aufwendungen. Die Kostenstrukturen der Banken sind enorm unter Druck, es gibt kaum eine Bank, die nicht irgendein Kostenprogramm aufgelegt hat. Das ist absolut nachvollziehbar. Die Kosten sind eine Schraube, an der man drehen kann, während auf der anderen Seite – zusätzlichen Erträgen – derzeit nur wenig Bewegung 6 | Real Estate Trends Ausgabe 68 – März 2016 möglich ist. Der dritte Punkt betrifft die Geschäftsmodelle der Banken insgesamt. Das Umfeld verändert sich, deshalb müssen Strukturen und Geschäftsmodelle überdacht werden. Es gibt einen verstärkten Fokus auf Asset-Qualität und Profitabilität, wobei es wie gesagt aber auch Player gibt, von denen ich mir noch mehr Risikobewusstsein wünschen würde. Ansonsten kommen noch Themen wie Fintechs hinzu – das alles greift die traditionellen Wertschöpfungsketten der Banken an. Deshalb kann man in naher Zukunft nicht mit einem Wachstum der Banken in Deutschland rechnen. Auf was müssen sich die Anleger mittel- und langfristig einstellen? Jürgen Fenk: Es wird noch eine Weile ein Überangebot an Finanzierungsmöglichkeiten geben. Erst wenn es wieder ein Unterangebot gibt, werden die Kredite auch wieder teurer. Dann muss man sich natürlich fragen: Sind die alternativen Finanzierer wie Versicherungen und Pensionskassen zu diesem Zeitpunkt noch im Geschäft? Ich bin mir nicht sicher, wie langfristig die Geschäftsmodelle hier gedacht sind. Die Immobilienfinanzierung ist zurzeit eine gute Anlagemöglichkeit für Versicherungen oder Pensionskassen. Wenn die Zinsen wieder steigen, orientieren sich alternative Finanzierer möglicherweise um. Davon hängt viel ab. Sind sie noch aktiv, wenn das Überangebot an Finanzierungsmöglichkeiten zurückgeht, dann könnten sie die Teuerung der Kredite absorbieren. Sind sie nicht mehr aktiv, dann werden die Kredite tatsächlich nachhaltig teurer. daran gearbeitet wird. Ich halte es für unwahrscheinlich, dass wir ein Szenario wie in Japan befürchten müssen. Japanische Ver hältnisse sind zwar nicht ausgeschlossen, aber wie gesagt sehr unwahrscheinlich. Daher mache ich mir da keine Sorgen. Welche Handlungsempfehlungen würden Sie der Immobilienwirtschaft mitgeben? Jürgen Fenk: Ich finde es wichtig, weiterhin mit Augenmaß zu handeln. Möglicherweise sind wir am Ende eines Transaktionszyklus. Es gibt zwar keine massive Gefahr, dass nach dem Höhepunkt ein großer Einbruch kommt. Die Immobilie wird weiterhin im Fokus stehen, zumal ja auch keine Zinswende absehbar ist. Aber man muss geopolitische Themen beachten und mit einer gesunden Portion Vorsicht agieren. Außerdem sollte sich die Immobilienwirtschaft nicht auf exotische Experimente einlassen. Experimente im Großen und im Kleinen, also keine neuen Zielmärkte mit fremden Kulturen, aber auch keine neuen Felder im Heimatmarkt. Wenn Sie sich jetzt beispielsweise entscheiden, in den Markt für Studentenwohnheime oder den Hotelmarkt einzusteigen, in dem Sie vorher noch nie agiert haben, dann kann ich Ihnen davon nur abraten. Sie treten dann als Neuling gegen Profis an. Das ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu empfehlen. Vielen Dank für das Gespräch! Und welche Rolle spielen Debt Funds als Alternative? Jürgen Fenk: Man muss zwischen Senior Debt Funds und Junior Debts Funds unterscheiden. Senior Debt Funds haben gegen eine starken Bankenkonkurrenz wenig Chancen. Junior Debt Funds können eine Alternative oder Substitution von Eigenkapital sein. Sie bleiben jedoch in Deutschland eher ein Nischen-Thema. Wann ist die Niedrigzinsphase vorbei? Jürgen Fenk: Ich glaube schon, dass sich die Zinsen innerhalb der nächsten fünf Jahre erhöhen werden, aber ich rechne nicht mit einer echten Zinswende. Wir erleben zurzeit eine starke Volatilität um Null herum und eine große Unsicherheit, die auch am Markt spürbar ist. Macht Ihnen die Deflation sorgen? Jürgen Fenk: Nein, das ist kein Thema, was bei uns intensiv dis kutiert wird. Die EZB macht alles, um die Inflation anzutreiben. Zugegeben mit wenig Erfolg bislang, aber ich glaube, dass weiter Kurzprofil Jürgen Fenk Jürgen Fenk ist Mitglied des Vorstands der Helaba. Nach seinem BWL-Studium in München und Stationen unter anderem in München und Paris für die Bayerische Hypo- und Vereinsbank AG bekleidete er verschiedene Vorstandspositionen innerhalb der Hypo Real Estate Gruppe in Dublin, Stuttgart und New York. Von 2009 bis 2010 war er Bereichsleiter Immobilienkreditgeschäft bei der Helaba. Danach wechselte er zur BAWAG P.S.K. in Wien als Head of Commercial Real Estate. 2012 kehrte er zur Helaba als Mitglied des Vorstands mit Verantwortung für den Gesamtbereich Immobilien, Financial Institutions and Public Finance, Verwaltung sowie die Repräsentanzen Madrid, Shanghai, Moskau und Singapur zurück. Real Estate Trends Ausgabe 68 – März 2016 | 7 Zukunft Wohnen Tradition statt Trends EY Real Estate hat die Wohnwünsche junger Menschen (Durchschnittsalter 27 Jahre) abgefragt – das Ergebnis ist erstaunlich konservativ. So erhält das Smart Home eine Absage, dafür haben vermeintlich alte Werte wie Wohneigentum Zukunft. Eigentum und Flexibilität in jungen Jahren – ein Widerspruch? Der Umfrage zufolge ist Eigentum vor allem zur Selbstnutzung bei jungen Menschen gefragt: 90 Prozent der Teilnehmer favorisieren die eigenen vier Wände, ob als Eigentumswohnung oder Einfamilienhaus. Auch Eigentum als Kapitalanlage, in der Regel also die fremdvermiete Eigentumswohnung, spielt eine nicht unerhebliche Rolle: Immerhin rund 70 Prozent sehen hier einen Beitrag zu ihrer Altersvorsorge. Dies erscheint auf den ersten Blick als Widerspruch. Jungen Menschen wird oft zugeschrieben, dass sie sich alle Optionen offenhalten, dass sie sich nur schwerlich festlegen möchten. Auf den zweiten Blick aber wird deutlich: Die sogenannte Generation Y ist mit globalen Bedrohungen wie Terrorismus, Finanz- und Staatsschuldenkrisen aufgewachsen. Die jungen Menschen sind in einer Welt groß geworden, die stark von Veränderung geprägt ist. Der Wunsch nach Sicherheit und Beständigkeit in Form der eigenen vier Wände ist aus unserer Sicht dann doch wieder nachvollziehbar. Teilweise ist gar von einem Neo-Biedermeier die Rede: dem nostalgischen Rückzug ins eigene Heim. Traditionelle Werte – ruhig und privat Dort möchte man am liebsten traditionell mit seinem Partner leben – die Ehe oder die eheähnliche Gemeinschaft sind für insgesamt 90 Prozent der Befragten das bevorzugte Lebensmodell (76 Prozent mit Kindern, 13 Prozent ohne). Das sogenannte Mehrgenera tionenwohnen hingegen ist derzeit kein Thema: Nur 4 Prozent sehen dies als Option für die Zukunft. Wie ein roter Faden ziehen sich die vermeintlich alten Werte durch die Umfrage: Die Befragten wollen eher das Einfamilienhaus und nicht den Wohnturm. Am liebsten möchten sie in den Groß- und Mittelstädten leben (49 Prozent). Überschaubarkeit scheint in der globalisierten Welt ein wichtiger Gegenpol zu sein: Idylle in Form von Kleinstädten oder gar ländlichen Regionen ist stärker gefragt (29 Prozent) als der Puls, den die Millionenmetropolen wie Berlin, Hamburg oder München vorgeben – dorthin zieht es nur 22 Prozent. Eine ruhige, private Lage ist eher gewollt als Nähe zum Nachtleben. Bei der Wohnung selbst sind klassische Merkmale wie Balkon und Parkplatz wichtig, ausgefallene Services wie einen Concierge wollen die Befragten hingegen eher nicht. Smart Home – wenig gefragt Auffällig ist, dass auch technische Neuerungen nicht sonderlich im Fokus stehen. Smart Home mit intelligentem Kühlschrank, Haushaltsroboter, Räume für 3-D-Druck oder Wände mit projizierten Oberflächen – Themen, die bereits real sind oder es sehr bald werden, und doch Themen, die der Umfrage zufolge nicht sonderlich wichtig sind für junge Menschen. Stattdessen wünschen sich sechs von zehn Befragten eine Diebstahlsicherung – erneut ein Indikator für den Rückzugs- und Sicherheitsgedanken. Realistische Wünsche – aber wie lange noch? Die Befragten bevorzugen mindestens die gleiche Wohnungsgröße wie die, die sie aus ihrer Kindheit kennen. Verkleinern möchten sich nur 7 Prozent. Da viele neue Wohnungen heute größer konzipiert werden als die Wohnungen vergangener Tage, stimmen Angebot und (künftige) Nachfrage aktuell in vielen Märkten noch überein. Aber: Flächen sind knapp, vor allem in den attraktiven Städten, und kleinere, effiziente Grundrisse könnten schon bald die Norm werden, wenn im größeren Stil noch dringend benötigte Wohnungen geschaffen werden sollen. Die Verdichtung in den Städten dürfte zunehmen, und für 8 | Real Estate Trends Ausgabe 68 – März 2016 Einfamilienhäuser wird es in dicht besiedelten Märkten, die unter Druck stehen, wohl kaum noch neue Flächen geben. Dem Wohnturm, so schlecht er in der Umfrage abgeschnitten hat, wird von unserer Seite dagegen durchaus mehr als nur eine Zukunftschance eingeräumt. Letztendlich orientiert sich der Wohnturm von heute an internationalen Vorbildern – er ist luxuriöser und aufwendiger gestaltet als sein Pendant von früher. Aktuelle Projekte deuten mehr als nur an, dass Wohntürme in Deutschland hochwertigen und attraktiven Wohnraum bieten können, der auf eine entsprechende Nachfrage trifft. Nachhaltigkeit boomt So wenig aktuelle Trends auf Gegenliebe stoßen – ein Trend zu mindest scheint Zukunft zu haben: das zunehmende Bewusstsein für Nachhaltigkeit und Ökologie. Ob eigene Stromerzeugung beispielsweise über Solarzellen auf dem Dach (83 Prozent), eine hohe Energieeffizienz (88 Prozent) oder Green-Building-Zertifikat (71 Prozent) – junge Menschen wollen umweltbewusst wohnen. Die entsprechenden Angebote sollten hier vorhanden sein. Die Immobilienwirtschaft legt schon seit Jahren großen Wert auf nachhaltige Gebäude. Fazit Eigentum schlägt Miete, Smart Home ist derzeit kein Thema: Die sogenannten digitalen Einwohner, die angeblich – anders als ihre Eltern – nicht auf Geld und Status setzen, sondern auf Sinnhaftigkeit und Glück, sind mit Blick auf ihre Wohnträume dann doch wieder fast wie ihre Eltern. Der einzige aktuelle Trend, der auf Gegenliebe stößt, betrifft die Nachhaltigkeit der jeweiligen Wohn immobilie. Ansonsten dominieren traditionelle Vorstellungen. Aus Sicht der Immobilienwirtschaft (und auch volkswirtschaftlich) ist das Ergebnis vor allem mit Blick auf den Eigentumswunsch durchaus positiv zu werten: Die Immobilienquote dürfte perspektivisch weiter ansteigen. An der Umfrage teilgenommen haben rund 1.650 Studenten und Berufstätige in einem Durchschnittsalter von 27 Jahren. Sie leben gegenwärtig auf 85 Quadratmetern Fläche in einem durchschnittlichen 2,3-Personen-Haushalt. Christian Schulz-Wulkow ist Partner bei der Ernst & Young Real Estate GmbH in Berlin und leitet den Immobiliensektor in Deutschland, Österreich und der Schweiz [email protected] Real Estate Trends Ausgabe 68 – März 2016 | 9 Zuwanderung Raum für Flüchtlinge Ende vergangenen Jahres lag die Zahl der Flüchtlinge bereits deutlich über den flächenmäßigen Kapazitäten, die in Deutschland zur Unterbringung eigentlich zur Verfügung standen. Bestehende Wohnimmobilien waren dabei das bevorzugte Ziel der Kommunen: Dort sollten mehr Menschen eine Bleibe finden als in ehemaligen Schulen oder Kasernen sowie in Wohncontainern zusammen. In diesem Jahr wird erneut die Wohnimmobilie im Fokus stehen. Kommunen setzen auf bestehende Wohnungen, aber auch auf Neubau So zeigt eine Umfrage von EY: Die Mehrheit der Kommunen in Deutschland (73 Prozent der Befragten) wird vor allem darauf setzen, Flüchtlinge in bereits vorhandenen Wohn gebäuden unterzubringen. Immerhin gut jede dritte Kommune (36 Prozent) denkt aber auch über den Neubau von Wohngebäuden für Flüchtlinge nach. Lange galt allerdings: Eine verlässliche Planung, wie der Flüchtlingszustrom konkret zu managen ist, konnte in vielen Kommunen noch nicht zum Abschluss gebracht werden – schon allein deshalb, weil unklar ist, wie sich die Flüchtlingszahlen in den kommenden Monaten entwickeln. So wird das Fehlen belastbarer Zahlen als eine der großen Herausforderungen genannt (62 Prozent) – noch größer ist nur die Sorge der befragten Kommunen, dass es an geeigneten Räumlichkeiten zur Unterbringung mangeln könnte (76 Prozent). Investments unabdingbar Es wird also in den kommenden Monaten erheblich in die Bereitstellung zusätzlichen Wohnraums investiert werden müssen. Der deutsche Wohnungsmarkt war und ist schlicht nicht auf die Situation vorbereitet. Gerade in den Großstädten ist der Wohnungsmarkt vielfach schon angespannt – dort wird es perspektivisch noch schwerer, auf die steigende Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum mit einem entsprechenden Angebot zu reagieren, so dass die Städte zum Handeln gezwungen sind. Insgesamt positiv zu werten ist, dass trotz der erforderlichen Investitionen laut Umfrage meist keine Steuererhöhungen geplant sind. Die entsprechenden finanziellen Ressourcen werden über zusätzliche kommunale Verschuldungen aufgebracht, die – anders als Steuererhöhungen – für den Bürger keine Zusatzbelastung mit sich bringt. Zudem werden positive volkswirtschaftliche Effekte durch die neuen Mitbürger erwartet. Nicht nur aus moralisch-menschlicher Sicht lohnt es sich also, in die Zuzügler zu investieren. Andererseits gilt: Angesichts des Zeitdrucks und des Fehlens belastbarer Prognosen besteht die Gefahr, dass es zu Fehlallokationen der investierten Mittel kommt. Daher sollte – so sehr die Zeit auch drängt – zunächst eine gründliche Bedarfsanalyse durchgeführt und der Bestand an Liegenschaften und Frei flächen gesichtet und analysiert werden. Inwiefern ist es – auch langfristig – sinnvoll, an einem spezifischen Standort neuen Wohnraum zu errichten? Aktivieren und Umnutzen Naheliegender dürfte es in vielen Fällen sein, leer stehende Wohnungen zu aktivieren oder stillgelegte Objekte wie Flughäfen umzunutzen – aber auch hier gilt, dass sich nicht alle Objekte tatsächlich eignen. Außerdem gilt: Die Nutzung leer stehenden Wohnraums und die Umnutzung etwa gewerblicher Bauten oder stillgelegter Objekte dürfte zwar zumeist der kostengünstigste Weg sein – allerdings sind die Potenziale in vielen Kommunen nicht ausreichend, um dadurch den gesamten Bedarf zu decken. Gerade in wirtschaftsstarken Ballungszentren, die auch auf viele Flüchtlinge eine hohe Anziehungskraft haben, ist nicht nur eine entsprechende Planung erforderlich. Es sollte auch darüber nachgedacht werden, den lange Zeit brachliegenden sozialen Wohnungsbau neu zu beleben. 10 | Real Estate Trends Ausgabe 68 – März 2016 Fazit Der Flüchtlingszustrom ist eine Herausforderung für die Kommunen. Vor allem bestehende Wohnimmobilien sollen der Unter bringung dienen, wobei aber auch Neubau und Umnutzung beispielsweise von Konversionsflächen eine Rolle spielen. Insgesamt mangelt es noch an Planungen mit Langzeitperspektive – dies ist dem großen akuten Druck sowie noch fehlenden (verlässlichen) Prognosen geschuldet. Mehr als 6 von 10 Kommunen sehen die fehlende Datenbasis als große Herausforderung. Nur die Sorge, dass es an geeigneten Räumlichkeiten zur Unterbringung der Flüchtlinge mangeln könnte, wird von noch mehr Kommunen geteilt (76 Prozent). Positiv ist: Die Finanzierung der erforderlichen Investments ist nur in Ausnahmefällen über Steuererhöhungen geplant. Umgekehrt scheint eine zusätzliche Verschuldung der Kommunen zwar unabdingbar. Gleichzeitig werden aber durch den Zuzug der neuen Bürger auch deutlich positive Impulse für Volkswirtschaft erwartet. Hintergrund der Ergebnisse: EY hatte eine repräsentative Umfrage unter rund 300 deutschen Kommunen mit mehr als 10.000 Einwohnern durchgeführt. Insgesamt gibt es in Deutschland 1.554 Städte und Gemeinden mit mehr als 10.000 Einwohnern. Die Befragung deckt also 19 Prozent der Grundgesamtheit ab. Dietmar Fischer Hans-Peter Busson ist Partner bei der Ernst & Young Real Estate GmbH in Eschborn/Frankfurt [email protected] ist Partner bei der Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in Eschborn/Frankfurt [email protected] Real Estate Trends Ausgabe 68 – März 2016 | 11 Einzelhandel Neue Shops weltweit Das Trendbarometer Immobilien-Investmentmarkt 2016 zeigt: Die Akteure rechnen mehrheitlich mit stabilen, meist aber mit steigenden Preisen für Einzelhandelsimmobilien in Deutschland. Eine Ursache dafür mag der anhaltende Druck der Mieter sein. Sie expandieren – und sind dabei häufig auf externe Unterstützung angewiesen. Mehr Präsenz, weniger Franchise Dem Online-Handel zum Trotz gilt: Viele internationale Handelsketten wollen ihre Präsenz in den Städten erhöhen. Nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Wieder andere haben bisherige Franchise-Lösungen zurückgefahren und wollen wieder die volle Kontrolle über Geschäfte, die ihr Label in den Einkaufsstraßen hoch halten. In beiden Fällen stellt sich für die Handelsunternehmen eine ähnliche Herausforderung. Es müssen in kurzer Zeit viele Läden neu geschaffen oder umgebaut werden – und zwar meist dergestalt, dass sie dem zum Label passenden Design folgen: Es geht um einheitliche Materialien und Gestaltungselemente von der Fassade bis zum Mobiliar. Kunden wollen ihr Geschäft wiedererkennen, ob sie nun in Berlin, Paris, New York oder Hongkong den entsprechenden Laden betreten. Komplexe Aufgabe Was einfach klingt, ist in der Praxis höchst komplex. Denn viele Händler haben Spezialanforderungen an die zu verwendenden Materialien. Das Schaufensterglas ist hier ein Beispiel. Von einer besonderen Stärke (Einbruchsschutz) über Reflexionseigenschaften (Entspiegelung) bis hin zur teilweise enormen Größe (ein Glaselement für die komplette Fassade) – oft gibt es weltweit nur wenige Lieferanten, die die jeweiligen Anforderungen erfüllen können. Ähnliches gilt für Bodenbeläge oder Deckenelemente. Die Liste an Feldern, in denen Spezialanfertigungen gefragt sind, ließe sich fortsetzen. Und wenn solche Spezialhersteller gleichzeitig in mehrere Länder und an unterschiedliche lokale bauausführenden Unternehmen liefern sollen, dann erfordert dies eine adäquate Steuerung. Es gilt, die unterschiedlichen Verträge mit Blick auf die jeweiligen Lieferanten anzupassen. Und die ausführenden Firmen vor Ort möglicherweise zu schulen, wie sie den Einbau vornehmen müssen, so dass er auch fachgerecht ist. Hinzu kommen Einfuhr- und Zollfragen. Zudem müssen trotz Einheitlichkeit natürlich auch regionale Besonderheiten berücksichtigt werden. In Russland schätzt es der Käufer beispielsweise, wenn ein Geschäft etwas mehr Pomp ausstrahlt als in Mitteleuropa. Es braucht also nicht einen Standard, sondern ein modular aufgebautes Standardsystem, aus dem der Händler vor Ort wählen kann. Zentral plus dezentral Nun klingt auch das alles auf den ersten Blick möglicherweise noch nicht nach einer sonderlich schwierigen Aufgabe. Sie wird es spätestens dann, wenn die Zahl der Shops groß ist – oft geht es darum, gleichzeitig hunderte von Geschäften einzurichten. Um der Aufgabe gerecht zu werden, sind zwei Aspekte maßgeblich. Erstens: Es ist Personal vor Ort erforderlich, das die Umsetzung begleitet. Zweitens: Darüber hinaus muss es eine zentrale Steuerungseinheit geben, die IT-unterstützt die Gesamtkoordination übernimmt. Je nach Handelsunternehmen sind die erforderlichen Ressourcen intern vorhanden, teilweise übernehmen auch externe Berater die Aufgabe. Und je nach Zeitpunkt unterstützen sie beispielsweise auch dabei, die jeweiligen Qualitäten der Flächen, Räume und Materialien (in Modulen) zu definieren. Oft identifizieren sie zudem die Lieferanten und stellen den Materialfluss sicher, überwachen den Bauablauf bis hin zur Abnahme. Je mehr Läden, desto weniger sollte die Aufgabe dezentral angegangen werden. Und Umgekehrt gilt: Nur zentral ohne Mannschaft vor Ort geht es in vielen Fällen auch nicht. 12 | Real Estate Trends Ausgabe 68 – März 2016 Fazit In kurzer Zeit neue Geschäfte einer Kette oder einer Marke weltweit zu eröffnen – und zwar so, dass sie einem einheitlichen Look folgen und dennoch regionale Besonderheiten berücksichtigen: Das ist eine Managementaufgabe, die auf den ersten Blick nicht sonderlich herausfordernd erscheint, auf den zweiten Blick aber Tücken offenbart. Vor allem dann, wenn die Zahl der neuen Geschäfte groß ist. Um die Aufgabe bewältigen zu können, empfiehlt sich ein IT-gestütztes zentrales PMO (Projektmanagement-Office) mit entsprechenden Steuerungswerkzeugen („cockpit“) sowie ein einheitlicher, mit allen Beteiligten abgestimmter Planungs- und Realisierungsprozess mit entsprechenden „Quality gates“. Fabian Schuster ist Partner bei der Ernst & Young Real Estate GmbH in Stuttgart [email protected] Real Estate Trends Ausgabe 68 – März 2016 | 13 Bewertung Kirchengrundstücke Kirchengrundstücke in der Wertermittlung 14 | Real Estate Trends Ausgabe 68 – März 2016 Die Kirchen zählen zu den größten Immobilieneigentümern in Deutschland. Schätzungen zufolge befinden sich mehr als 500.000 Hektar Land im Eigentum evangelischer und katholischer Kirchen. Hierbei handelt es sich in der Regel um unbebaute Grundstücke, häufig sind es Flächen der Land- oder Forstwirtschaft. Aber auch bebaute Grundstücke sind darunter – die evangelische Kirche soll rund 68.000 Gebäude im Bestand haben, wovon etwa 35 Prozent auf Kirchengebäude, 25 Prozent auf Pfarrhäuser, 21 Prozent auf Betriebsgebäude und 19 Prozent auf Gemeindezentren und -häuser entfallen. Bei der katholischen Kirche gehen Schätzungen sogar von rund 150.000 Gebäuden aus. Die Wertermittlung ist in vielen Fällen eine Herausforderung. Wenig Transparenz Auch wenn vereinzelt Hochrechnungen existieren, der Wert des kirchlichen Immobilienvermögens ist offiziell nicht bekannt. Dies liegt zum einen an der Zurückhaltung und mangelnden Transparenz in der Offenlegung der Kirchenfinanzen. Ein weiterer wesentlicher Grund ist aber vor allem die Besonderheit, dass kirchliche und kirchlichen Zwecken dienende Flächen im engeren Sinne üblicherweise dem privatwirtschaftlichen Gewinnstreben ent zogen sind und daher nicht in nennenswertem Umfang am allgemeinen Grundstücksverkehr teilnehmen. Schon diese beide Besonderheiten – die mangelnde Transparenz und die geringe Zahl gehandelter Grundstücke – erschweren eine Wertermittlung. Abgrenzung Bei der Bewertung von Kirchenliegenschaften ist zunächst zu unterscheiden, ob es sich um Kirchengrundstücke im engeren Sinne handelt, also um Flächen, die religiösen Zwecken dienen (Kirchengebäude, Klöster, Friedhöfe) – oder ob die Flächen Nutzungen dienen, die auch auf nicht kirchlichen Flächen zulässig und unter Umständen auch privatwirtschaftlich nutzbar sind. Beispiele sind hier Pfarrhäuser, Wohnheime, Schulen, Kitas oder Alten- und Pflegeheime. Bei solchen Kirchengrundstücken können die Grundsätze der Verkehrswertermittlung für privatwirtschaftlich nutzbare Grundstücke angewendet werden, natürlich unter Berücksichtigung der jeweiligen objektspezifischen Besonderheiten. Als Bewertungsverfahren kommt generell das Vergleichswert-, Ertragswert- und Sachwertverfahren in Frage. Kirchengrundstücke im engeren Sinne Prinzipiell stehen auch bei der Bewertung von Kirchengrundstücken im engeren Sinne die drei genannten Verfahren zur Verfügung. Hierbei besteht die Herausforderung, möglichst marktorientierte Parameter anzusetzen, obwohl das Bewertungsobjekt einer eingeschränkten Marktfähigkeit unterliegt. Dies gilt zumindest für dauerhaft kirchlich genutzte Grundstücke. Vor dem geschilderten Hintergrund scheidet das Vergleichswertverfahren dann in der Regel wieder aus, da bei Kirchenliegenschaften nur wenige aktuelle reale Kauffälle als Basis für die Bewertung herangezogen werden könnten – Kauffälle, die zudem mit Blick auf Nutzbarkeit, Beschaffenheit, Lage etc. vergleichbar sein müssten. Auch das Ertragswertverfahren findet letztlich nur selten Anwendung, da die rentierliche Nutzung bei Kirchengrundstücken im engeren Sinne in der Regel eine Umnutzung beziehungsweise Neupositionierung erfordert, die sich nicht immer realisieren lässt. In der Praxis wird daher oft das Sachwertverfahren angewendet. Sofern es sich um einfache Kirchen ohne besondere Merkmale handelt, sind dabei allerdings nicht etwa die Rekonstruktionskosten entscheidend, sondern die gewöhnlichen Herstellungskosten im Sinne von neuzeitlichen Ersatzbeschaffungskosten. Bei Kirchengebäuden von besonderem architektonischem und kirchengeschichtlichem Rang hingegen erscheint der Einbezug von Kosten zur werksgetreuen Rekonstruktion in heutiger Bautechnik sinnvoll. Sinkender Flächenbedarf: Umnutzungschancen Es klang bereits an: Es gibt durchaus auch immer wieder kirchliche Flächen, bei denen die sakrale Zweckbindung aufgegeben wird und Kirchen oder Klöster fortan anderweit genutzt werden. Die Gründe waren und sind vielfältig: Kriege, ökomische Aspekte und die Folgen der Säkularisierung sind häufige Ursachen gewesen. Hierbei handelt es sich wie gesagt ausdrücklich nicht nur um ein Phänomen aus der Vergangenheit. Im Gegenteil: Sinkenden Mitgliederzahlen und die damit einhergehende Unterauslastung von Gebäuden, sinkende Kirchensteuereinnahmen, ein erheblicher Instandhaltungsstau sowie hohe Bewirtschaftungs- und Personalkosten sind gegenwärtige und zukünftige Gründe für die Umnutzung, Aufgabe oder den Verkauf von sakralen Flächen. In der Praxis sind diese Gründe dann häufig auch der eigentliche Anlass für die Bewertung. Ertragswertverfahren Entfällt die sakrale Nutzungsbindung, so ist für die Bewertung und die Wahl des Bewertungsverfahrens die alternative beziehungsweise zukünftige Nutzung entscheidend, die unter Berücksichtigung der tatsächlichen und absehbaren rechtlichen und wirtschaftlichen Möglichkeiten realisierbar ist. Sollten mehrere Alternativnutzungen in Frage kommen, wird üblicherweise auf die Nutzungsart abgestellt, die die höchste Ertragsfähigkeit bei geringstem Risiko erwarten lässt. Eine Kosten-Nutzen-Analyse im Vorfeld der eigent lichen Wertermittlung erscheint daher sinnvoll. Auf Grundlage der jeweiligen Alternativnutzung kann die Wertermittlung anhand der üblichen Verfahren erfolgen, in der Praxis ist dies meist das Ertragswertverfahren. Ungeachtet des jeweiligen Verfahrens sind bei der Wertermittlung zum einen die für die Realisierung der alternativen Nutzung erforderlichen Kosten in Ansatz zu bringen, wie zum Beispiel Umbau-, Abriss-, oder Planungskosten. Zum anderen ist die entsprechende Dauer bis zur Realisierung zu berücksichtigen. Dies kann zum Beispiel über die Diskontierung des ermittelten Wertes über die geplante Projektdauer erfolgen. Fazit Die Ausprägung kirchlicher Grundstücke ist groß. Für die Bewertung von Kirchengrundstücken kommt je nach Art, Anlass und unter Berücksichtigung der jeweiligen Besonderheiten grundsätzlich das Vergleichswert-, Sachwert- oder Ertragswertverfahren in Betracht. Insbesondere bei Flächen und Gebäuden, bei denen die sakrale Zweckbestimmung aufgeben werden soll, kommt schwerpunktmäßig das Ertragswertverfahren zum Einsatz. Sarah Schraub ist Senior Consultant bei der Ernst & Young Real Estate GmbH in Eschborn/Frankfurt [email protected] Real Estate Trends Ausgabe 68 – März 2016 | 15 Industrieimmobilien Nische mit Anspruch Deutschland kann sich mit Blick auf die ImmobilienmarktTransparenz eigentlich nicht beklagen: Zwar zählt man nicht zur absoluten Spitzengruppe, spielt aber seit Jahren sehr weit oben mit. Und doch gibt es in Deutschland immer noch Teilsegmente, die vergleichsweise wenig transparent sind. Für Investoren können in solchen Fällen nicht nur die Risiken, sondern auch die Chancen steigen. In jedem Fall gilt: Für die Immobilienbewertung steigt der Anspruch. Steigender Anteil Ein Beispiel für ein Teilsegment, das vergleichsweise wenig transparent ist, ist die Industrieimmobilie. Zwar taucht sie mittlerweile in fast allen Marktberichten auf. Allerdings fast immer gemeinsam mit der Logistikimmobilie. Wobei auf letzterer dann der deutliche Schwerpunkt liegt. Sicherlich könnte man sagen: Der Markt für Logistikimmobilien spielt ja – aus Sicht der Investoren – auch die größere Rolle. Mit anhaltender Niedrigzinsphase rückt aber die Immobilie als Anlagesegment insgesamt immer mehr in den Vordergrund, und so auch ehemalige Nischen wie die Industrieimmobilie. Wir sehen das nicht zuletzt durch den steigenden Anteil, den Industrieimmobilien in der Bewertungsarbeit durch unser Haus ausmachen. Höhere Renditen Dabei fällt auf: Industrieimmobilien bieten im Vergleich zu den bereits länger etablierten Nutzungsarten wie Büro oder Wohnen in der Regel (noch) deutlich höhere Renditen. Nun können höhere Renditen natürlich wiederum eine Folge mangelnder Transparenz sein – der Markteintritt wird erschwert, die Nachfrage wird vergleichsweise gering gehalten, und potenzielle Käufer haben weniger Mitbewerber. Die Industrieimmobilie ist im Augenblick vielleicht so etwas wie eine der letzten Nischen innerhalb der boomenden Immobilienlandschaft. Sie ist zwar definitiv auf dem Weg, sich zu etablieren, aber so lange es unter anderem an Transparenz mangelt (es mangelt darüber hinaus zum Beispiel auch an investmentfähigen Produkten), wird sie zumindest vorübergehend noch einen Sonderstatus einnehmen. Bewertungsaufgabe Aus Sicht eines Immobilienbewerters bedeutet der TransparenzSonderstatus: Die ohnehin anspruchsvolle Aufgabe, einen Wert zu bestimmen, den ein Objekt oder ein Portfolio im normalen Geschäftsverkehr erzielen kann, ist im Fall von Industrieimmobilien tendenziell noch einmal anspruchsvoller. Denn wenn es darum geht, relevante Paratmeterfür die Wertermittlung zu bestimmen, sind gerade die Lagequalität und Drittverwendungsfähigkeit der Immobilie von entscheidender Bedeutung. Es erfordert ein besonderes Vertrauen zwischen Investor und Bewerter, braucht ersterer doch eine realistische Einschätzung, um über Kauf oder Nichtkauf (beziehungsweise Verkauf oder Nichtverkauf) und die damit verbundenen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu diskutieren. 16 | Real Estate Trends Ausgabe 68 – März 2016 Fazit Aus Sicht der Investoren bedeutet die vergleichsweise geringe Transparenz bei Industrieimmobilien unter Umständen Chancen – im Sinne von höheren Renditen. Umgekehrt bedeutet sie aber auch Risiken, wenn bewerterseitig aufgrund fehlender Daten falsche Annahmen getroffen werden. Bei der Wahl des Bewerters empfiehlt sich entsprechend, die spezifische Erfahrung der jewei ligen Kandidaten genau unter die Lupe zu nehmen. Dietmar Meister ist Partner bei der Ernst & Young Real Estate GmbH in Eschborn/Frankfurt [email protected] Christoph Schulz ist Director bei der Ernst & Young Real Estate GmbH in Eschborn/Frankfurt [email protected] Real Estate Trends Ausgabe 68 – März 2016 | 17 Vergabestrategie Zwang, Zufall oder System? Die Wahl der richtigen Vergabestrategie und damit die Festlegung der richtigen Vergabeart ist für private und auch für öffentliche Bauherren von großer Bedeutung: Hier lassen sich die Weichen in Sachen Wirtschaftlichkeit stellen. Vor diesem Hintergrund ist die bereits seit langer Zeit geführte Diskussion Generalunternehmervergabe versus Einzelunternehmervergabe sowie Generalplaner versus Einzelplaner aktueller denn je. Die Herausforderung für den Bauherrn Es handelt sich um eine der zentralen Fragen, die sich jeder Bauherr im Vorfeld seines Vorhabens stellen sollte: „Welche Vergabeart greift am besten meine projektspezifischen Einflussfaktoren auf?“ Für Praktiker – die entsprechende Fachkompetenz und Erfahrung vorausgesetzt – scheint die Frage auf den ersten Blick verhältnismäßig einfach zu beantworten. Auf den zweiten Blick aber wird deutlich: Der zunehmend komplexer werdende rechtliche Ordnungsrahmen im öffentlichen wie auch im privaten Bereich – zum Beispiel im Zuge existierender Compliance-Richtlinien – sowie eine in diesem Zusammenhang zwingend analytische Herangehensweise, die häufig binnen kürzester Zeit umgesetzt werden muss, stellt selbst erfahrene Bauherrn vor immer neue Herausforderungen. Vergabestrategie: Zwang, Zufall oder System? Außerdem gilt: Häufig kennen Bauherren die entsprechenden Einflussfaktoren für ihr Projekt, es gelingt ihnen jedoch oftmals nicht, diese systematisch, das heißt konkret messbar und voneinander abgrenzbar zu definieren. Die Entscheidung für die Wahl des vermeintlich richtigen Vergabeverfahrens erscheint vor diesem Hintergrund mehr oder weniger zufällig beziehungsweise erfolgt oft auf der Grundlage einer intuitiven Einschätzung. Öffentliche Bauherren Bei öffentlichen Bauherren wiederum kommt ein weiteres Phänomen hinzu: Sie sehen sich zunehmend derart stark an den rechtlichen Ordnungsrahmen gebunden, dass sie ihre Vergabeart häufig als alternativlos wahrnehmen und sich mehr oder weniger zur Wahl einer Vergabeart gezwungen fühlen. Die Frage, welche Vergabeart die jeweiligen projektspezifischen Einflussfaktoren am besten aufgreift, tritt somit in der Praxis oftmals in den Hintergrund. Die zentralen Aspekte der Vergabe Zu den zentralen Aspekten zählen in der Regel: • das Wettbewerbsprinzip in Anlehnung an § 97 Abs. 1 GWB, • das Transparenzgebot in Anlehnung an § 97 Abs. 1 GWB, • das Gleichbehandlungsgebot in Anlehnung an § 97 Abs. 2 GWB, • das Vertraulichkeitsgebot und • die erforderliche Wirtschaftlichkeit. Jeder dieser Punkte hat seine Berechtigung – sie zählen zurecht zu den zentralen Anforderungen, die ein Vergabeverfahren erfüllen muss. Für die meisten hier genannten Punkte gilt dabei, dass der rechtliche Ordnungsrahmen herangezogen werden kann. Der letztgenannte Punkt der Wirtschaftlichkeit des Projekts jedoch ist komplexer - zumal die Frage zu Beginn (oder besser: vor dem Projektbeginn!) angegangen werden muss. Viele Auftraggeber beschäftigen sich zu spät mit der Frage, oder aber sie setzen den günstigsten angebotenen Preis mit dem wirtschaftlichsten Angebot gleich. Gerade diese Betrachtung führt in der Praxis regelmäßig zu Problemen, die sich anhand von Nachträgen und enormen Mehrkosten widerspiegeln können. 18 | Real Estate Trends Ausgabe 68 – März 2016 Der Nachweis der Wirtschaftlichkeit Hier wiederum schließt sich der Kreis zur Vergabeart, denn ein Ansatz zur Lösung der Wirtschaftlichkeitsfrage liegt in einem Nachweis der Wirtschaftlichkeit, der die Vergabewahl in den richtigen Kontext zum Projekt und zu den Projektrahmenbedingungen setzt. Ein solcher Nachweis sollte bereits in der Projektfrühphase geführt werden. Mögliche Schritte umfassen hier unter anderem: • Die exakte Analyse des Projekts und der Projektrahmenbedingungen. • Die Erstellung eines projektspezifischen Anforderungskatalogs und eine sorgsame, transparente Abwägung. • Die Aufstellung und Auswertung einer vergabeprojektspezifischen Bewertungsmatrix. • Die Ermittlung der Wirtschaftlichkeit unter Berücksichtigung von zu erwartenden Projektkosten- und Risiken in Abhängigkeit der möglichen Vergabeverfahren. • Der Begründung der Vergabewahl unter Gesichtspunkten der Revision. Fazit Die Praxis zeigt: Bei Verfolgung einer Vergabestrategie mit der Zielsetzung des wirtschaftlichsten Vergabeverfahrens können die Projektkosten und Risiken nachhaltig gesenkt werden. Die dabei im Vorfeld entstehenden Ermittlungskosten sind gemessen an dem Optimierungspotenzial der Vergabeart sowie der Risiko minimierung im späteren Bauablauf, der sich insbesondere bei Großprojektenüber mehrere Jahre erstreckt, marginal. Um unsere Beobachtungen hier weiter zu stützen, führen wir aktuell eine Befragung unter Bauherren durch - unter anderem fragen wir ab, welche Vergabestrategie derzeit am häufigsten zur Anwendung kommt, auf welcher Entscheidungsbasis die Wahl der Vergabeart gefällt wird und ob beziehungsweise wie der Nachweis der Wirtschaftlichkeit geführt wird. Die Ergebnisse werden wir in Form einer Studie veröffentlichen. Sollten Sie Interesse haben, an der Befragung teilzunehmen, dann schreiben Sie uns bitte eine E-Mail. Frank Weißkirchen Kai Kiefer ist Executive Director bei der Ernst & Young Real Estate GmbH in Köln [email protected] ist Senior Consultant bei der Ernst & Young Real Estate GmbH in Köln [email protected] Real Estate Trends Ausgabe 68 – März 2016 | 19 Immobilienmakler Unter Zugzwang Mitte letzten Jahres trat das Bestellerprinzip in Kraft – mit weitreichenden Folgen für die Wohnraumvermittlung. In einer ersten Zwischenbilanz zur Gesetzesänderung zeigt sich, dass Vermieter häufig nicht bereit sind, die übliche Vermietungscourtage in Höhe von zwei Monatsmieten zu übernehmen, die bis zur Gesetzesänderung in der Regel vom künftigen Mieter zu tragen war. Teils erhebliche Umsatzeinbußen auf Seiten der Vermietungsmakler sind die Folge. Die Chance der Neuordnung des Marktes nutzen Start-ups, die mit innovativen digitalen Geschäftsmodellen auf den Markt drängen und sich bewusst nicht an die bestehenden „Branchenspielregeln“ halten. Der Markt der Wohnraumvermittlung vor Einführung des Bestellerprinzips Die Maklerbranche befand sich vor Einführung des Bestellerprinzips in der Reifephase ihres Marktzyklus. Mit Blick auf die überregionale Vermittlung dominierten einige wenige große Unternehmen. Daneben behaupteten sich kleinere Immobilienmakler, die zumeist mit einer räumlichen Spezialisierung auf lokale und ländliche Regionen punkteten. Sparkassen-Finanzgruppe 388 Engel & Völkers* 102 103 1 LBS Immobilien Nordwest Sparkassen-Immobilien Vermittlungs GmbH 79 Postbank Immobilien 2 50 36 RE/MAX* 4 ■ Nettoprovisionsumsatz Verkauf ■ Nettoprovisionsumsatz Vermietung 35 1 DIP** Angaben in Mio. Euro *Franchise **Maklerverbund 24 LBS Immobilien (Potsdam) Corpus Sireo 8 21 1 LBS Immobilien (Ffm/Erfurt) 21 0 100 200 300 400 Ranking der Immobilienvermittler nach Nettoumsatz durch Verkauf und Vermietung in 2014, Quelle: Capital 2015 und Immobilienmanager 2015 Am Beispiel anderer Branchen zeigt sich immer wieder, wie schnell sich Märkte ändern können und Marktführer von neuen Unternehmen verdrängt werden. Im Buchhandel hat es Amazon vorgemacht und die gesamte Branche revolutioniert. Kaufte man früher Bücher überwiegend in stationären Geschäften, wird der Großteil des Buchhandels inzwischen online abgewickelt. Äußere Einflüsse durch Digitalisierung und Regulatorik Die Maklerbranche hingegen hat seit der Einführung von Online-Immobilienportalen lange keine tiefgreifenden Innovationsimpulse mehr erfahren. Zwar hat die Digitalisierung längst auch große Bereiche der Immobilienwirtschaft erfasst – die Maklerbranche aber bislang kaum. Die vielfältigen Digitalisierungspotenziale, die sich in diesem Marktsegment der Immobilienwirtschaft bieten (beispielsweise virtuelle Besichtigungen), sind aufgrund fehlender Innovationsimpulse bisher ausgeblieben. Zum Teil ist dies auf die (bis dato) geringe Preissensitivität der Auftraggeber beziehungsweise Vermieter zurückzuführen. So war es bei Vermietungen in den großen Ballungsräumen mit hoher Mieternachfrage üblich, dass der Vermieter den Makler bestellt, die Kosten jedoch vom Mieter getragen werden. 20 | Real Estate Trends Ausgabe 68 – März 2016 Die Einführung des Bestellerprinzips sorgte für großes Aufsehen in der Immobilienwirtschaft. Seit Juni vergangenen Jahres werden Immobilienmakler, die in der Vermietung von Wohnraum tätig sind, von demjenigen bezahlt, der sie bestellt – mit weitreichenden Folgen. Einer Studie zufolge sehen 47 Prozent der Immobilien makler das Bestellerprinzip als Bedrohung für ihre wirtschaftliche Existenz. Die seit der Einführung beobachteten Umsätze bestätigen diese Einschätzung. Rund 84 Prozent der befragten Makler sehen sich erheblichen Umsatzeinbußen gegenüber. Vermietungsmakler in nachfrageschwachen (zumeist ländlichen) Gebieten sind dabei weitaus weniger stark vom Bestellerprinzip betroffen als Makler in Ballungszentren. In vielen ländlichen Märkten mit schwacher Wohnungsnachfrage ist es schon längere Zeit üblich, dass der Vermieter die Maklercourtage bezahlt. Im Übrigen gilt: Beim Immobilienverkauf ergeben sich durch das Bestellerprinzip keine Änderungen im Vergleich zur bisherigen Gesetzesgrundlage. Der Markt der Wohnraumvermittlung seit Einführung des Bestellerprinzips – eine erste Bilanz Die Immobilienmakler, die in der Vermietung von Wohnraum tätig sind, reagieren bislang mit Kosten- und Preissenkungen auf den Einbruch ihres Nettoprovisionsumsatzes. So haben einige Makler ihr Honorar bei der Vermittlung von Mietwohnungen gesenkt (vor Einführung des Bestellerprinzips lag das Honorar in den meisten Ballungszentren üblicherweise bei zwei Monatsmieten). Auch die Reduzierung des Personals ist eine häufig ergriffene Maßnahme. Fest steht: Die Leistungen des Maklers werden von den Eigen tümern genauer hinterfragt als früher. Es wird abgewogen, ob das Honorar im Verhältnis zum geleisteten Mehrwert steht. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass der Umsatzeinbruch und die daraus resultierenden Reaktionen der Makler eine Momentaufnahme darstellen. So ist eine (spätere) Stabilisierung des Provisionsgeschäfts durchaus denkbar, gründet doch der Umsatzrückgang zum Teil auf dem Versuch der Eigenvermarktung von Wohnungen durch die Vermieter. Nicht wenige Maklerunternehmen gehen davon aus, dass die Eigentümer bald feststellen werden, dass die Vermietung trotz der zunächst höheren Kosten (Provisionen) effizienter durch einen Makler betrieben werden kann. Der Möglichkeit einer Stabilisierung zum Trotz gilt: Es herrscht insgesamt eine spürbare Unsicherheit hinsichtlich der Marktentwicklung und somit auch der Ausrichtung der zukünftigen Geschäftsstrategie. Innovationstendenzen als mögliche Antwort auf das Bestellerprinzip Neben Kosten- und Preissenkungen bieten sich weitere Wege als Antwort auf den Umsatzrückgang an, vor allem die Potenziale der Digitalisierung. Vorbilder sind hier zahlreiche Start-ups, die der Einführung des Bestellerprinzips mit dem Einsatz von Digitalisierung und innovativen Strategien begegnen. Gleichzeitig werden solche Start-ups als Profiteure des Bestellerprinzips gesehen. Analog zum Einzelhandel kann mittlerweile zwischen reinen Online-Wohnungsvermittlern und hybriden Geschäftsmodellen mit Online- plus stationärer Präsenz unterschieden werden. Das Geschäftsmodell der reinen Online-Wohnungsvermittler wird dabei teilweise ganz ohne Maklereinbindung betrieben. So wird mithilfe von Algorithmen der am besten geeignete Mieter ermittelt. Besichtigungstermine können via Smartphone gebucht und koordiniert werden. Hybride Anbieter setzen digitale Lösungen ein, um die Kostenstrukturen möglichst effizient zu halten. Wichtige Kernbereiche wie die Bestandsaufnahme der Wohnung oder Wohnungsbesichtigungen werden jedoch nach wie vor durch lokales Personal vorgenommen. Real Estate Trends Ausgabe 68 – März 2016 | 21 Immobilienmakler Regulatorik Markt Bestellerprinzip Maklerbranche Digitalisierung Äußere Einflüsse Äußere Einflüsse Wohnraumvermittlung im Innovationsprozess Rückkopplung Innovationsprozess Innovative Preismodelle Digitale Services •Festpreise •Rahmenverträge •Prozent der Nettokaltmiete •Algorithmen zur Mietersuche •„Mieter-Vermieter Matching“ Modulare Leistungen •Standard- und Premiumpakete Bewertungs-/ Suchportale •Kundenbewertungen für Makler •Transparenter Leistungsvergleich Beispiele •Mc-Makler •Smmove.de •Opcio Estate •Mietercasting.de •Faceyourbase •Moovin.de •Devepo •WunderAgent Neben den bereits erwähnten Preissenkungen zeigen sich am Markt auch gänzlich neue Vergütungsmodelle: Einige Maklerunternehmen bieten neuerdings Festpreise für Vermietungs- und Verkaufsleistungen an – in Abweichung zu den bisher üblichen variablen mietoder kaufpreisabhängigen Vergütungsmodellen. Andere Unternehmen bieten Rahmenverträge an, wobei der Makler sich gegen eine vereinbarte Vergütung um alle notwendigen Leistungen für den Eigentümer kümmert. Bewertungs- und Suchportale erhöhen zudem die Leistungs- und Kostentransparenz. These 1 zur Neuordnung des Marktes: Innovative Akteure etablieren sich und dominieren Es besteht gegenwärtig die Chance einer Neuordnung im Maklerbereich. Wie eine solche Neuordnung aussehen kann, ist unsicher. Eine denkbare These ist: Innovative Unternehmen werden zu etablierten Marktteilnehmern und nehmen einen großen Teil des Volumenmarktes für sich ein. Hintergrund: Die Positionierung der neuen Unternehmen zielt überwiegend auf eine Kostenführerschaft im Gesamtmarkt. Diese kennzeichnet sich durch die Ansprache eines breiten Publikums mit niedrigen Preisen, aber auch niedrigen Umsatzmargen. Die geringen Preise stellen vor allem im Vermietungsmarkt einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil dar. Im Gegensatz zum Verkauf von Immobilien erfordert die Vermietung von Immobilien tendenziell weniger Aufwand und Service. Folglich sind die Kunden oftmals preissensitiver als bei der größeren und weitreichenderen Entscheidung eines Immobilienverkaufs. Es gilt entsprechend: Für Unternehmen, die sich auf das Vermietungsgeschäft fokussieren, ist das Erreichen von Skalenvorteilen erfolgsentscheidend, um niedrige Preise anbieten zu können. In ländlichen Gebieten lassen 22 | Real Estate Trends Ausgabe 68 – März 2016 •123makler.de •MaklerMeile •Maklerkompass Quelle: Eigene Darstellung EY Real Estate sich kaum Skalenvorteile erzielen, weshalb diese Märkte für eine Strategie der umfassenden Kostenführerschaft nicht interessant erscheinen. Auch der Markt für Premiumimmobilien ist mit dieser Strategie nur schwer zu bespielen, da hier vor allem individuelle Betreuung und die Erfüllung der Erwartungen an den Service von großer Bedeutung sind. Skalenvorteile lassen sich durch die hohe Individualität in der Kundenbetreuung deshalb nur eingeschränkt realisieren. Der Erfolg eines Premiumimmobilienmaklers gründet vielmehr auf der Erzielung von hohen Umsatzmargen in einem Teilmarkt. These 2 zur Neuordnung des Marktes: Verschiebung bei den traditionellen Maklerunternehmen Ebenfalls denkbar ist, dass die traditionellen Maklerunternehmen ihren Geschäftsfokus verschieben. Er könnte infolge der Neuordnung des Marktes (noch) mehr auf dem Verkauf von Immobilien liegen. Das Vermietungsgeschäft würde nur noch selektiv (zum Beispiel im hochpreisigen Segment) betrieben. Hintergrund: Viele herkömmliche Makler könnten durch Unternehmen mit kostengünstigeren Strukturen aus dem Vermietungsgeschäft gedrängt werden und setzen deshalb auf Service und hohe Beratungsqualität. Sie generieren ihre Umsätze in der Folge vermehrt aus Verkaufsprovisionen und hochpreisigen Vermietungen. Hier sind Kunden erfahrungsgemäß eher bereit, „das Mehr“ an Beratung und Service monetär zu honorieren. Manch traditionelles Unternehmen wird verstärkt eine Qualitätsführerschaft anstreben. Diese Positionierung erscheint auch für viele Einzelmakler sinnvoll, die Wohnungsvermittlung in lokalen Märkten betreiben. Hier können sie durch lokale Marktexpertise sowie lokale Präsenz Vorteile gegenüber den anderen Marktteilnehmern ausspielen. Wettbewerbsvorteil Kosten Qualität Umfassende Qualitätsführerschaft Marktabdeckung Gesamtmarkt Umfassende Kostenführerschaft Digitale Maklerunternehmen u. a. Mc-Makler, Smmove.de, Opcio Estate Sparkassen und Banken u. a. Sparkasse, LBS Immobilien, Postbank Teilmarkt Stuck in the middle Premiummakler u. a. Engel & Völkers, Dahler & Company, Remax Lokale Einzelmakler u. a. Aigner, Duken & Wangenheim, Eschner-Immobilien etc. Selektive Kostenführerschaft Selektive Qualitätsführerschaft Quelle: Eigene Darstellung; EYRE Research These 3 zur Neuorientierung des Marktes: Professionalisierungsprozess geht mit Konsolidierung einher Das Bestellerprinzip übt – auch über den Markteintritt neuer Firmen – einen gewissen Professionalisierungsdruck auf die Maklerbranche aus. Unternehmen, die ihren Mehrwert nicht gezielt herausarbeiten, laufen Gefahr, nicht mehr wettbewerbsfähig zu sein und im Zuge einer möglichen Marktkonsolidierung auszuscheiden. Fazit und Ausblick Das Maklergeschäft befindet sich derzeit in einem weitreichenden Veränderungsprozess. Die Potenziale der Digitalisierung werden (erstmals) in größerem Stil gehoben. Mit dem Eintritt neuer Wettbewerber, die den Markt um neue Geschäftsmodelle erweitern, sehen sich viele traditionelle Maklerunternehmen unter Zugzwang. Um diesem Zugzwang zu begegnen, sollte der Kundennutzen noch sehr viel deutlicher als bislang herausgestellt werden. Die Nach ahmung der Strategie einiger Start-ups (zum Beispiel: geringe Preise durch eine effizientere Kostenstruktur anzubieten) ist nur für solche Unternehmen ratsam, die in kurzer Zeit große strukturelle Veränderungen herbeiführen können und wollen. Die Besinnung auf eine hohe Servicequalität und die Konzentration auf Kunden, die bereit sind, für diesen Mehrwert zu bezahlen, ist die wohl in vielen Fällen strategisch näher liegende Handlungsoption. In der Regel würde dies mit einer stärkeren Fokussierung auf das hochpreisige Segment einhergehen. Für die etablierten Maklerunternehmen bedeutet der Schritt in Richtung Premiummakler aber keineswegs, die Digitalisierung ignorieren zu dürfen. Sie sollten vielmehr die sich daraus ergebenden Vorteile im Hinblick auf eine bessere Servicequalität und die Steigerung des Kundennutzens erkennen und für sich in Wert setzen. Christian Seizer ist Manager bei der Ernst & Young Real Estate GmbH in München [email protected] Philipp Wittl ist Consultant bei der Ernst & Young Real Estate GmbH in München [email protected] Real Estate Trends Ausgabe 68 – März 2016 | 23 Immobilienfonds in Abwicklung Steuerliche Analyse für eine abgesicherte Liquiditäts- und Ausschüttungsplanung 24 | Real Estate Trends Ausgabe 68 – März 2016 Auch wenn in den vergangenen Monaten mehrere große Teilportfolien von offenen Fonds in Abwicklung verkauft werden konnten, befindet sich noch immer eine Vielzahl von Immobilien in den aktuell abgewickelten Sondervermögen. Die Untersuchung etwaiger Steuerrisiken aus bestehenden und veräußerten Investments sowie die Analyse der Steuerfolgen aus der Übertragung der Investments auf die Verwahrstelle darf dabei als Aufgabe nicht unterschätzt werden – vor allem auch mit Blick auf die Liquiditäts- und Ausschüttungsplanung der abwickelnden Sondervermögen. Hintergrund Als Folge der weltweiten Finanzkrise musste eine Vielzahl deutscher offener ImmobilienSondervermögen die Rücknahme von Anteilsscheinen aussetzen. Grund hierfür war eine zu große Anzahl verunsicherter Investoren, die um Rückgabe ihrer Anteile ersuchten. Eine deutliche Reduzierung dieser Rückgaben war auch nach Ausreizung der investmentrechtlich maximal zulässigen zweijährigen Frist nicht absehbar, in der die Anteilsscheinrücknahme ausgesetzt werden konnte. Daher haben die betroffenen Fonds die Abwicklung und Liquidation der Sondervermögen eingeleitet. In der Abwicklungs- und Liquidationsphase müssen alle Immobilien und sonstige Investments der Fonds veräußert und die Erlöse an die Anleger ausgeschüttet werden. Die Verwaltung dieser Sondervermögen wird im Zuge der Abwicklung von den Kapitalverwaltungsgesellschaften auf die Verwahrstellen über tragen. Verkehrssteuern bei der Übertragung auf die Verwahrstelle Die Übertragung des Verwaltungsrechts eines Immobilien-Sondervermögen von einer Kapitalverwaltungsgesellschaft (KVG) auf eine Verwahrstelle stellt in vielen Jurisdiktionen einen steuerpflichtigen Vorgang für Ertrag-, Umsatz- und sonstige Verkehrssteuerzwecke dar. Schließlich ist die KVG regelmäßig Eigentümer der im Immobilienfonds verwalteten Immobilien oder Gesellschafter der Immobilien-Gesellschaften. Der Rechtsträgerwechsel auf die Verwahrstelle löst daher häufig Verkehrssteuern aus. Deutschland: Keine Grunderwerbsteuer In Deutschland hat der Gesetzgeber Ende letzten Jahres zumindest mit Blick auf die Grunderwerbsteuer Abhilfe geschaffen. Denn das Grunderwerbsteuergesetz besteuert grundsätzlich jeden zivilrechtlichen Eigentümerwechsel an einem inländischen Grundstück sowie – bei Überschreitung von gewissen Schwellenwerten – auch den Gesellschafterwechsel an Immobilien-Gesellschaften (§ 1 GrEStG). Dies hat in der Vergangenheit bei der Übertragung der Fondsverwaltung auf die Verwahrstelle regelmäßig Grunderwerbsteuer für die zugrundeliegenden Immobilien ausgelöst. Durch die Neueinführung der §§ 100a, 357 KAGB werden jedoch von der Grunderwerbsteuer solche Erwerbsvorgänge nach dem 31. Dezember 2015 befreit, die sich aus dem Übergang eines Immobilien-Sonder vermögens auf die Verwahrstelle ergeben und deren Immobilien die Verwahrstelle in den folgenden 3 Jahren weiterveräußern kann. Dies stellt unseres Erachtens eine sinnvolle steuerliche Ergänzung des aufsichtsrechtlichen Mechanismus der Übertragung der Fondsverwaltung dar. Schließlich ist das Auslösen von Grunderwerbsteuer lediglich der Besonderheit geschuldet, dass nicht die Anleger der Immobilienfonds Eigentümer der zugrunde liegenden Immobilien sind, sondern die KVG. Das Auslösen von Grunderwerbsteuer würde daher eine wirtschaftlich nicht vertretbare Belastung der Anleger in den betroffenen Sondervermögen bedeuten. zeugung bringen, dass hier ein etwaiger Wertzuwachs zu besteuern ist. Die fehlende monetäre oder sonstige Gegenleistung für die Übertragung kann hier zudem schenkungssteuerliche Folgen haben. Frühzeitige Analyse Es sind demnach nicht unerhebliche steuerlichen Risiken (im In-, vor allem aber im Ausland) vorhanden, die sich mit dem Übertragen der Verwaltung des Immobilienfonds ergeben. Vor diesem Hintergrund ist eine Untersuchung der jeweiligen steuerlichen Folgen ratsam. Diese Untersuchung sollte mit einem Vorlauf von mindestens 6 Monaten vor dem eigentlichen Übertragungszeitpunkt erfolgen, um Optionen zu sondieren, die eine steuerliche Belastung des jeweiligen Eigentümerwechsels abmildern oder sogar vermeiden können. In Betracht kämen Umstrukturierungen oder die Einholung von verbindlichen Auskünften bei den entsprechenden Fisken. In bestimmten Fällen wird das Auslösen von Steuern im Übertragungsfall jedoch unvermeidbar sein. Dann gilt es, die betroffenen Immobilien zu identifizieren und für den Abverkauf zu priorisieren, damit die entsprechenden Investments zum Zeitpunkt der Übertragung an die Verwahrstelle nicht mehr im Sondervermögen sind. Lässt sich eine Besteuerung endgültig nicht vermeiden, sind im Sondervermögen entsprechende (Liquiditäts-) Rückstellungen zu bilden. Grunderwerbsteuer im Ausland Ausländische Rechtssysteme kennen jedoch in der Regel keine vergleichbaren Regelungen, die eine Befreiung von Grunderwerbsteuern bei einem Rechtsträgerwechsel zwischen KVG und Verwahrstelle vorsehen. Daher löst der zivilrechtliche Eigentümeroder Gesellschafterwechsel nicht selten Grunderwerbsteuer in den entsprechenden Ländern aus. Umsatz- und/oder Ertrag-/Schenkungssteuer kann anfallen Zudem kann der Übergang auf die Verwahrstelle auch andere Verkehrssteuern wie insbesondere Umsatzsteuer auslösen. Bei der Umsatzsteuer stellt es eine besondere Herausforderung dar, dass die Übertragung auf die Verwahrstelle ohne monetäre oder sonstige Gegenleistung erfolgt. Des Weiteren kann der Übergang auch ertragsteuerliche Folgen haben. Dies wird in den Jurisdiktionen der Fall sein, in denen die KVG und nicht das jeweilige Sondervermögen als Steuerpflichtiger angesehen wird und sich somit durch den Übergang auf die Verwahrstelle ein Wechsel des Steuerpflichtigen ergibt. Dies dürfte die lokalen Fisken zunächst zu der Über- Durchführung einer steuerlichen Sorgfältigkeitsprüfung (Tax Due Diligence) durch KVG und Verwahrstelle Neben der Analyse der steuerlichen Folgen aus der Übertragung der Fondsverwaltung auf die Verwahrstelle sollte jedoch auch eine Due Diligence hinsichtlich etwaiger laufender Steuerrisiken aus den bestehenden oder auch bereits veräußerten Investments durchgeführt werden. Gerade bei komplexen Investitionsstrukturen im Ausland können gegebenenfalls unbekannte (strukturelle) Steuerrisiken vorliegen – so ist die im Rahmen der Steuerdeklaration vertretene Ansicht gegebenenfalls nicht gesichert. Dies betrifft zum Beispiel die Höhe angewandter Quellensteuersätze auf Dividendenausschüttungen oder Zinszahlungen auf Gesellschafterdarlehen. Die Behandlung deutscher offener Immobilienfonds ist im internationalen Steuerrecht nicht gesichert und variiert von Land zu Land. Nicht selten ändert sich hier auch die Behandlung durch die ausländischen Fisken im Rahmen von Außenprüfungen durch die lokalen Steuerbehörden. Ein weiterer steuerlicher Risikobereich stellt der Themenkomplex Verrechnungspreise dar. Insbesondere bei der Höhe vereinbarter Zinssätze auf Gesellschafterdarlehen oder beim Abzug von indirekten Kosten wie Fondsver waltungsgebühren im Ausland kann es zu abweichenden Ansichten und im Ergebnis zu Steuernachzahlungen kommen. Real Estate Trends Ausgabe 68 – März 2016 | 25 Immobilienfonds Auswirkungen der Steuerrisiken auf die Liquiditätsplanung Eine Analyse der Steuerrisiken sollte nicht nur Vorkehrungen treffen, um zukünftige Steuerbelastungen zu vermeiden. Vielmehr hilft die Kenntnis über vorhandene Steuerrisiken oder bevorstehende Steuernachzahlungen dabei, finanzielle Vorsorge für die Zukunft zu treffen. Schließlich kann der Fondsverwalter – sei es die KVG oder bereits die Verwahrstelle - nur so eine richtige Liquiditäts- und Ausschüttungsplanung erstellen. Denn grundsätzlich hat der Fondsverwalter bei Immobilienfonds in Abwicklung nach Veräußerung der Immobilien den Veräußerungserlös unmittelbar über eine Ausschüttung an die Anleger auszukehren. Sofern keine Analyse von Steuerrisiken erfolgt ist, besteht die Gefahr, dass ein Steuerrisiko erst nach einer Ausschüttung zum Tragen kommt und vorher mangels Kenntnis nicht in der Liquiditätsplanung berücksichtig wurde. Problematisch wäre dann, dass der Veräußerungserlös bereits an die Anleger ausgekehrt wurde und nicht genügend Liquidität vorhanden ist, um die Steuernachforderung zu begleichen. Als Folge könnte je nach Jurisdiktion und Sachverhalt schlimmstenfalls die KVG oder die Verwahrstelle für die Begleichung der Steuerforderung in Haftung genommen werden. Um gekehrt gilt: Sollte sich bei frühzeitig identifizierten Steuerrisiken das Risiko nicht manifestieren, kann die entsprechende Liquiditätsrückstellung zum Zeitpunkt der Verjährung oder endgültigen Klärung des Sachverhaltes wieder aufgelöst und der entsprechende Betrag mit der nächsten Ausschüttung an die Anleger ausgekehrt werden. Die Liquiditätsplanung sollte daher auch die Verjährungsregeln der jeweiligen Länder berücksichtigen. Analyse außersteuerlicher Zahlungsrisiken Ein weiterer Problemkreis, der beim Übertragen der Fondsver waltung besteht, sind die Zahlungsverpflichtungen, die sich typischerweise im Zusammenhang mit der Verwaltung von Immobilienvermögen ergeben. Gerade für die Verwahrstelle, die bisher keinen Einblick in die vertraglichen Details der Kaufverträge der Immo bilien oder in die Dienstleistungsverträge beispielsweise mit den Property Managern hatte, lässt sich nur schwer abschätzen, inwieweit neben den steuerlichen Risiken noch solche aus zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen oder Garantien aus Kaufverträgen resultieren. Insofern gilt: Neben der Analyse der immanenten Steuerrisiken des Immobilienportfolios sollten auch weitere Zahlungsrisiken untersucht werden, um zivilrechtliche Haftungsfallen und Liquiditätsengpässe zu vermeiden. 26 | Real Estate Trends Ausgabe 68 – März 2016 Fazit Hauptaufgabe der KVG und der Verwahrstelle bei in Abwicklung befindlichen Immobilien-Sondervermögen ist es, sämtliche Immobilien zu veräußern und die entsprechenden Veräußerungserlöse an die Anleger auszukehren. Vor der Ausschüttung an die Anleger sollte allerdings eine detaillierte Liquiditätsplanung erfolgen, die etwaige Steuerrisiken aus dem laufenden Geschäft sowie der Übertragung der Fondsverwaltung auf die Verwahrstelle mit abdeckt. Dabei gilt es, etwaige Haftungsrisiken für die KVG und die Verwahrstelle zu vermeiden. Jan Kiesel ist Partner bei der Ernst & Young GmbH irtschaftsprüfungsgesellschaft in Eschborn/Frankfurt [email protected] Oliver Joch ist Senior Consultant bei der Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in Eschborn/Frankfurt [email protected] Real Estate Trends Ausgabe 68 – März 2016 | 27 Projektentwicklung Maßnahmen für Großprojekte Viel später und vor allem viel teurer: Deutschlandweit sind in den vergangenen Jahren Großbauprojekte der öffentlichen Hand meist nur mit erheblichen Zielabweichungen fertiggestellt worden. Die Folge war ein Imageverlust für die deutsche Bauindustrie insgesamt. Die öffentliche Hand hat daraufhin Verbesserungsmaßnahmen eruiert. Mittlerweile liegt der Endbericht vor. Er dürfte nur bedingt helfen. Endbericht nicht nur für die öffentliche Hand Bei dem Endbericht handelt es sich um ein 112 Seiten starkes Werk, das zehn maßgebliche Punkte thematisiert (10-Punkte-Plan/„Aktionsplan Großprojekte“). Federführung war das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) beziehungsweise die „Reformkommission Bau von Großprojekten“. Die Analyse umfasste sämtliche Phasen von der ursprünglichen Projektidee beziehungsweise Vision bis zur schlussendlichen Inbetriebnahme. Die Empfehlungen sind zwar auf Beschaffungsmaßnahmen der öffentlichen Hand ausgerichtet, betreffen jedoch im Kern jede wirtschaftliche Projektentwicklung, sei sie nun privat oder öffentlich. Maßnahmen sind bekannt Als Maßnahmen stehen im Ergebnis unter anderem die zwingende Erfordernis einer detaillierten und vorgezogenen Bedarfsplanung, diverse Strukturierungs- und Organisationserfordernisse, ein von Beginn an zu installierendes Risikomanagement, eine fest vorzuschreibende Wirtschaftlichkeitsuntersuchung, diverse Empfehlungen zu Vergabestrategien und unterschiedliche Feststellungen zu Soft-Skill-Themen. Letztere betreffen zum Beispiel die Stellung der Projektpartner zueinander (Arbeit auf Augenhöhe/Gleichheit der Projektpartner) sowie die Kommunikationsfähigkeit der beteiligten Akteure. Praktiker, die mit den Problemen von Großprojekten vertraut sind, werden hier insgesamt kaum neue Erkenntnisse gewinnen. Lobenswert ist, dass die Probleme erkannt und klar verschriftlicht werden. Mögliche Blockaden Viele Handlungsempfehlungen werden mit der zwingenden Maßgabe verknüpft, dass Haushaltsmittel nachweisgestützt freigegeben werden sollen. So sehr dies in der Theorie sinnvoll sein mag, so sehr ist dies in der Praxis mit Herausforderungen verbunden. Einerseits lässt der Endbericht das Thema mit Blick auf vorlaufende Kosten eher vage. Andererseits ist es bei den Nachweisen immer wieder erforderlich, dass hierfür eigens externe Planungsleistungen eingekauft werden müssen, was wiederum eine ungesicherte Vor finanzierung zur Folge hat und möglicherweise Blockaden hervorruft. Mehr Eigenverantwortung Durch die Vielzahl der aufgelisteten Erfordernisse, die es zum frühestmöglichen Projektzeitpunkt zu berücksichtigen gilt, und darüber hinaus durch die vorgenannten Herausforderungen mit Blick auf eine ungesicherte Vorfinanzierung externer Leistungen verschiebt sich automatisch die Verantwortlichkeit der Maßnahmenumsetzung ausserhalb von externen Leistungsbildern in die hauptsächliche Verantwortungs- und Entscheidungssphäre des Bauherrn. Sprich: Der Bauherr läuft Gefahr, weniger externen Support zu haben, dabei wäre dieser in den wichtiger werdenden Vorlaufphasen in jedem einzelnen Schritt je nach Projekt durchaus ratsam. Generell verlagern sich viele Entscheidungen nach vorne, die zeitliche Einordnung der Maßnahmen zeigt, dass eine frühe Strategie- und Strukturphase an Bedeutung gewinnt. 28 | Real Estate Trends Ausgabe 68 – März 2016 Projektmanagementphasen (DIN 69901) 1–5 (Initialisierung, Definition, Planung, Steuerung, Abschluss) Projektsteuerungsphasen (AHO) 1–5 (Projektvorbereitung, Planung, Ausführungsvorbereitung, Ausführung, Abschluss) Leistungsphasen Planer (HOAI) 1–9 (Grundlagenermittlung bis Objektbetreuung) Strategie- und Strukturphase 1. Kooperatives Planen im Team Detaillierte Bedarfsanalyse/Projektanforderung als Voraussetzung | Freigabe Haushaltsmittel/Frühzeitiger Aufbau interdisziplinärer Teams 2. Erst planen, dann bauen Baustart erst nach lückenloser Dokumentation | Abschluss Ausführungsplanung 3. Risikomanagement und Erfassen von Risiken im Haushalt Umfassendes Risikomanagement als Voraussetzung | Freigabe Haushaltsmittel/Orientierung an ISO 3100/DIN EN 31010 | Start bei Bedarfsanalyse 4. Vergabe an den Wirtschaftlichsten, nicht den Billigsten Aufbau der Ausschreibung nicht nur auf Preisbasis, sondern auch auf Basis qualitativer Wertungskriterien | Beachtung Vergabestrategie 5. Partnerschaftliche Projektzusammenarbeit Verpflichtung der Leitungsebenen aller Projektbeteiligten in Form z. B. einer Projekt-Carta | Aufbau Kooperationskultur | Gleichwertigkeit aller Projektpartner 6. Außergerichtliche Streitbeilegung Verankerung in Vertägen von internem und externem Konfliklösungsmechanismus | Streitbeilegungsverfahren 7. Verbindliche Wirtschaftlichkeitsuntersuchung Standardmäßige Untersuchung Beschaffungsmodelle gemäß § 7 BHO | Wirtschaftlichkeitsuntersuchung 8. Klare Prozesse und Zuständigkeiten/Kompetenzzentren Frühzeitige Organisation interne/externe Besetzung Projektleitung und Projektsteuerung | Sicherstellung Besetzung Kompetenz des Bauherren 9. Stärkere Transparenz und Kontrolle Schaffung Organisationsstruktur mit kontinuierlichem Controlling | Frühzeitige, offene und kontinuierliche Bürgerbeteiligung und Unterrichtung Öffentlichkeit 10. Nutzung digitaler Methoden – Building Information Modeling Verstärkung Nutzung des Bauherren und aller Planungsbeteiligten digitaler Methoden z. B. BIM Zeitliche Einordnung des 10-Punkte-Plans bezogen auf Projektmanagement- und Planungsleistungen Fallstrick Vernetzung Wo liegen Fallstricke in der Umsetzung des 10-Punkte-Plans? Wichtig ist, die 10 Felder nicht nur oberflächlich und isoliert abzuarbeiten. Diese Gefahr besteht durchaus, denn die Themen werden im Endbericht weitestgehend sequentiell und in sich geschlossen betrachtet. Dabei ist jedes Einzelpaket in sich durchaus stimmig, nur fehlen besagte Verknüpfungen, der zeitliche Gesamt strang oder (wie im Bericht punktuell benannt) die „konkreten Gates“, also freizugebende Phasenabschlüsse. Zudem mangelt es an der Konsequenz, bei fehlender Plausibilität „zurück auf Start“ zu gehen, auch themenübergreifend. Das grundsätzliche Problem der Abhängigkeit der unterschiedlichen Themen wird zwar durch die Kommission als besondere Schwierigkeit herausgestellt, der gewählte Ansatz der kommentierten Verlinkung einzelner Themen untereinander ist jedoch eher nur in den ersten Kapiteln gelungen. Ob ein mit Abhängigkeiten versehener „Standardmaßnahmen katalog Großprojekte“ überhaupt möglich ist, ist hierbei generell zu hinterfragen. Die Individualität jedes einzelnen Vorhabens ist bekanntlich eines der herausragenden Merkmale der Projektentwicklung. Real Estate Trends Ausgabe 68 – März 2016 | 29 Projektentwicklung Fallstrick Startphase Ob medienwirksames Großprojekt (nach der Definition der Reformkommission mit Investitionsvolumen größer 100 Millionen Euro) oder „kleinere“ Großprojekte (weniger als 100 Millionen Euro) – fehlt die politische Rückendeckung, dürfte es schwierig werden, dass sich die Akteure auch tatsächlich die erforderliche Zeit im Vorfeld nehmen und die Handlungsempfehlungen des Berichts von Beginn an plausibilisieren. Fest steht: Eines der häufigsten Probleme liegt in der Startphase, und innerhalb der Startphase wiederum darin, dass regelmäßig kein (geeigneter) Projektver antwortlicher auf Bauherrenseite zur Verfügung steht, der in die Rolle eines professionellen Projektentwicklers schlüpft und die Prozesse strukturiert sowie entsprechend strategisch eingreift und agiert. Es ist fraglich, ob das vorliegende Papier hier Abhilfe schafft. Das Papier benennt zwar auch hier das Problem, allerdings ungeachtet der politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen sowie der Personalien im Einzelfall. Zielführende Vorgehensweise Sinnvoll wäre es, die Empfehlungen konkret und umsetzbar je Projekt zum frühestmöglichen Zeitpunkt im Rahmen einer Strukturund Strategiephase auszuloten und in eine sinnvolle zeitliche Abfolge und Abhängigkeit zu setzen, die auch die Möglichkeiten des spezifischen Planungs- und Bauablaufs widerspiegelt. Der jeweilige Projektverantwortliche sollte dabei durch Fachspezialisten (ent weder intern oder extern) unterstützt werden und die vorliegenden Empfehlungen mit allen sonstigen Vorgaben (Arbeitsweisungen, Regelwerken, Bauordnungen, Vergabehandbüchern etc.) abgleichen. Zu einem frühestmöglichen Zeitpunkt sind sinnvolle von weniger sinnvollen Maßnahmen zu unterscheiden. Je später etwaige Weichen gestellt werden, desto unwahrscheinlicher wird es, die jeweiligen Maßnahmen im wertschöpfenden Sinne des 10-Punkte-Papiers tatsächlich realistisch im Projekt zu verankern. Fazit Seit Ende 2015 liegt der „Aktionsplan Großprojekte“ vor, ein in der Gesamtheit betrachtet gelungenes Werk zur Situationsver besserung. Jedoch gilt es zu beachten, dass solange es an den für die Zukunft geplanten Kompetenzzentren mangelt und solange eine in Teilen praxisferne Abhängigkeit einzelner Arbeitsschritte zur Bewilligung von Haushaltsmitteln vorliegt, besteht die Gefahr, dass der Aktionsplan an entscheidenden Stellen einen eher hemmenden als helfenden Charakter entfaltet. So sinnvoll die Idee ist, die Probleme von Großprojekten zu analysieren und zu benennen, so sehr steht der Endbericht nicht für eine Klarheit der Vorgehensweise, sondern zunächst eher nur für ein neues zu beachtendes Werk. Etwaige daraus erwachsende Unsicherheiten sollten von Beginn an geklärt werden. Es empfiehlt sich, die internen Strukturen auf Bauherrenseite dafür herzustellen – und zwar in einem vorgelagerten Schritt. Zudem sollten die erforderlichen Ressourcen im Sinne der Handlungsfähigkeit realistisch eingeschätzt und eingeplant werden sowohl für interne als auch externe Leistungen und Wissen. Frank Weißkirchen ist Executive Director bei der Ernst & Young Real Estate GmbH in Köln [email protected] Klaus Küppers ist Senior Consultant bei der Ernst & Young Real Estate GmbH in Köln [email protected] 30 | Real Estate Trends Ausgabe 68 – März 2016 Real Estate Trends Ausgabe 68 – März 2016 | 31 Ausländische Pensionsfonds in USA Neue Spielregeln für ausländische Pensionsfonds in den USA 32 | Real Estate Trends Ausgabe 68 – März 2016 Am 18. Dezember 2015 hat Präsident Obama den „Protecting Americans from Tax Hikes Act 2015“ („PATH Act“) unterzeichnet. Das Gesetz ändert einige der Steuerspielregeln für ausländische Investoren, die über 30 Jahre lang Bestand hatten. Signifikant sind die Änderungen insbesondere bei der Besteuerung von US-Immobilieninvestitionen durch ausländische Pensionsfonds. Quellensteuer-Einbehalt Die wichtigsten Änderungen betreffen zwei Felder: Der erste Punkt betrifft einen Einbehalt auf Kaufpreise. Bisher galt, dass Steuerausländer mit Gewinnen aus der Veräußerung von US-Immobilien oder US-Immobiliengesellschaften in den USA steuerpflichtig sind (so genannte „FIRPTA-Besteuerung“). Zur Sicherung des US-Besteuerungsrechts war bei Veräußerungen durch Ausländer ein Quellensteuer-Einbehalt auf den Kaufpreis durchzuführen (so genannte „FIRPTA-Quellensteuer“). Diese Regelungen wurden nun durch den PATH-Act modifiziert: Der Einbehalt wird erhöht. Der FIRPTA-Quellensteuersatz steigt von 10 Prozent auf 15 Prozent. Nach wie vor gilt aber: Die einbehaltene Quellensteuer kann auf die sich letztlich ergebende endgültige Steuer angerechnet werden. Und: Unter bestimmten Voraussetzungen kann der Käufer auch weiterhin vom Quellensteuer-Einbehalt absehen. Im Ergebnis führt der PATH Act also hier nicht zu einer „echten“ Steuererhöhung. Neue Ausnahmeregelungen für bestimmte ausländische Pensionsfonds Der zweite Punkt betrifft so genannte „Qualified Foreign Pension Funds“. Für sie sieht der PATH Act durchaus weitreichende Ausnahmen von der FIRPTA-Besteuerung vor. Das bedeutet: Gewinne eines Qualified Foreign Pension Fund aus der Veräußerung von USImmobilien sowie aus der Veräußerung von US-Immobiliengesellschaften sind in den USA auf Bundesebene steuerbefreit. Die Steuerbefreiung gilt auch dann, wenn die Veräußerung über einen Rechtsträger erfolgt, der ausschließlich von einem Qualified Foreign Pension Fund gehalten wird. Und: Bei REIT-Investitionen durch einen Qualified Foreign Pension Fund gilt die Steuerbefreiung auch für die entsprechende Ausschüttung des Veräußerungsgewinns durch den US-REIT (so genannte „Capital Gain Dividend“). Steuerlich attraktiver – aber wer profitiert? Hintergrund der Neuregelung ist, ausländische Investitionen in den USA dadurch steuerlich attraktiver zu machen, dass für ausländische Pensionsfonds dieselben steuerlichen Privilegien gelten wie für US-Pensionsfonds. In der Praxis stellt sich damit die Frage, wann ein Investor als Qualified Foreign Pension Fund eingestuft werden kann. Dem neuen Gesetz zufolge sind dafür im Wesentlichen die folgenden Voraussetzungen zu erfüllen: • Der Pension Fund wurde nach dem Recht eines ausländischen Staates gegründet. • Sein Geschäftszweck besteht darin, Pensionsleistungen für Anspruchsberechtigte zu gewähren, die Arbeitnehmer eines Arbeitgebers sind oder waren. • Kein Anspruchsberechtigter hat einen Anspruch auf mehr als 5 Prozent der Vermögensgegenstände oder Einkünfte des Pension Funds. • Der Pension Fund unterliegt einer behördlichen Aufsicht und hat jährliche Melde pflichten gegenüber den örtlich zuständigen Finanzbehörden zu erfüllen. • Der Pension Fund unterliegt einem bestimmten privilegierten Besteuerungsregime in der Weise, dass entweder (i) Beitragszahlungen auf Ebene des Pension Fund steuerbefreit sind beziehungsweise ermäßigt besteuert werden oder (ii) auf Ebene des Pension Fund erzielte Erträge zu einem späteren Zeitpunkt oder einem niedrigeren Steuersatz besteuert werden. Im Hinblick auf die Gesellschaftsform des Pension Funds sieht das Gesetz einen weiten Anwendungsbereich vor. Erfasst sind nach dem Wortlaut des Gesetzes „any trust, corporation, or other organization or arrangement“. Hier dürften sich in der Praxis kaum Schwierigkeiten ergeben. Fragestellungen für deutsche Investoren mit Blick auf die Ausnahmeregelungen Mit Blick auf die oben genannten Voraussetzungen ergeben sich indes – insbesondere für deutsche Investoren wie Versorgungswerke oder Pensionskassen – verschiedene Fragestellungen. So erscheint zum Beispiel nicht einleuchtend, warum sich der Kreis der Anspruchsberechtigten eines Qualified Foreign Pension Fund auf Arbeitnehmer beschränken muss – oder ob gegebenenfalls Selbständige als „self-employed persons“ auch in diesem Sinn als „Arbeitnehmer“ gelten könnten. Unklar ist auch, warum nach dem Wortlaut des US-Gesetzes die Aufsicht über den Pension Fund letztlich gerade von einer Steuerbehörde ausgeübt werden muss – oder ob gegebenenfalls auch andere behördliche Stellen, die insoweit eine Aufsichtsfunktion der öffentlichen Verwaltung ausüben, in diesem Sinn als „Steuerbehörden“ angesehen werden können. Bundesstaat beachten Für die Praxis wichtig ist schließlich die Auswirkung der Steuerbefreiung für „Qualified Foreign Pension Funds“ auf die Besteuerung in den US-Bundesstaaten. Grundsätzlich hat jeder US-Bundesstaat eigenständige steuerliche Regelungen. Diese knüpfen jedoch in vielen Fällen an das nach den Grundsätzen des US-Bundessteuerrechts ermittelte steuerpflichtige Einkommen als Ausgangsbasis an. Darauf aufbauend werden dann verschiedene Hinzurechnungen und Kürzungen vorgenommen. Es kommt hier also auf die im jeweiligen US-Bundesstaat anwendbaren Regelungen an. Fazit Im Ergebnis lässt sich sagen: Der erhöhte Quellensteuersatz führt in der Praxis zu keiner „echten“ Steuererhöhung. Und: Die neuen Ausnahmeregelungen führen zu einer erheblichen steuerlichen Verbesserung für in Deutschland steuerbefreite institutionelle Investoren – vorausgesetzt, die Einstufung als „Qualified Foreign Pension Fund“ in den USA gelingt. Insgesamt ist das neue Gesetzt daher zu begrüßen. Angesichts einer Reihe von Unklarheiten im Gesetzeswortlaut bleibt allerdings zu wünschen, dass der Internal Revenue Service möglichst bald zur Auslegung und Anwendung der Voraussetzungen im Einzelnen Stellung beziehen wird. Hubert Eisenack ist Partner bei der Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in München [email protected] Stefanie Stenger ist Managerin bei der Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in München [email protected] Abschließend sei erwähnt, dass der PATH Act noch eine Reihe von weiteren Änderungen im US-Steuerrecht vorsieht. Real Estate Trends Ausgabe 68 – März 2016 | 33 Steuerrecht Umfang der Umsatzsteuerbefreiung bei Fondsverwaltungs leistungen für Immobilienfonds Ein Verfahren am Europäischen Gerichtshofs (EuGH) hat jüngst für Aufsehen gesorgt. Es ging um die Frage, ob die Umsatzsteuerbefreiung für die Verwaltung von Fonds auch die Leistungen umfasse, die mit dem Bewirtschaften von Fondsimmobilien in den Niederlanden zusammenhängen. Ein Verfahren mit Folgewirkung auch hierzulande: Einerseits wuchs die Furcht vor Vorsteuerkorrekturen und Anpassungen vor allem bei Property Management-Verträgen. Andererseits wurde auch auf Chancen gehofft. Das Urteil wurde Ende 2015 gesprochen und zeigt: Die Furcht war unbegründet. Die teils unklare Behandlung von ausgelagerten Fondsverwaltungsleistungen gerade über die Grenze wird zumindest in diesem Punkt beseitigt. Hintergrund Der fragliche Fall: Mehrere niederländische Pensionsfonds hatten drei Gesellschaften gegründet, die sich mit dem Handel und der Bewirtschaftung von Immobilien befassen. Eine weitere Gesellschaft hatte sämtliche Verwaltungsaufgaben wahrgenommen – einschließlich der Verwaltung des Vermögens der Gesellschaften, insbesondere der Verwaltung ihrer Immobilien sowie des An- und Verkaufs von Objekten sowie der Akquisition neuer Anteilseigner. Strittig vor dem EuGH war, ob alle Tätigkeiten oder nur der An- und Verkauf der Immobilien sowie die Akquisition neuer Anteilseigner als umsatzsteuerbefreit einzustufen seien. Umsatzsteuerbefreiung Von der Umsatzsteuerbefreiung für die Verwaltung von Fonds sollen laut EuGH solche Sondervermögen profitieren, die auf nationaler Ebene einer besonderen staatlichen Aufsicht unterliegen. Historisch betrachtet habe die Harmonisierung des Umsatzsteuerrechts vor der Harmonisierung des Aufsichtsrechts stattgefunden. Daher bestimmten ursprünglich die Mitgliedsstaaten eigenständig, welche Anlagevermögen auf nationaler Ebene reguliert wurden. Die Einführung der OGAW-Richtlinie habe den Ermessensspielraum, über den die Mitgliedsstaaten für die Definition des Sondervermögens im Sinne der Umsatzsteuerbe freiung verfügten, eingeschränkt. Der Begriff des Sondervermögens werde daher gleichzeitig durch nationales wie auch durch Unionsrecht bestimmt. Laut EuGH bestehe zwischen Anlagevermögen, die einer besonderen staatlichen Aufsicht unterstehen, ein unmittelbarer Wettbewerb – unabhängig davon, ob sie aus Wertpapieren oder aus Immobilien bestehen. Daher könnten andere Arten von Anlagevermögen als OGAW dann unter die Steuerbe freiung fallen, wenn die Mitgliedsstaaten auch für sie eine besondere staatliche Aufsicht vorsehen und sie mit OGAW vergleichbar seien. Vergleichbar mit einem OGAW Nach den Ausführungen des EuGH ist ein Anlagevermögen für Zwecke der Umsatzsteuerbefreiung grundsätzlich dann mit einem OGAW vergleichbar, wenn • bestimmte Personen Anteilsrechte am Fonds gekauft haben, • diese beim Publikum beschafften Gelder nach dem Grundsatz der Risikostreuung angelegt werden, • der Ertrag von den Ergebnissen der Anlagen abhängt, die der Verwalter des Fonds im Laufe des Zeitraums erwirtschaftet hat, in dem die betreffenden Personen diese Anteilsrechte innehaben, • die Anteilsinhaber ein Anrecht auf die Gewinne haben oder das Risiko im Zusammenhang mit der Verwaltung des Fonds tragen, • die Anteilsscheine auf Verlangen des Inhabers zulasten des Vermögens zurück genommen oder ausgezahlt werden. Dies sei im vorliegenden Fall erfüllt gewesen. Der EuGH führt weiter aus, dass die Umsatzsteuerbefreiung lediglich auf den Terminus „Sondervermögen“ abstelle und gerade keine bestimmte Anlageform nenne, sodass die Umsatzsteuerbefreiung nicht ausschließlich auf 34 | Real Estate Trends Ausgabe 68 – März 2016 die Anlage in Wertpapieren beschränkt sei. Letztlich spreche auch die spätere Einführung der AIFM-Richtlinie dafür, dass Immobilienfonds Sondervermögen im Sinne der Steuerbefreiung seien, da diese auch Immobilienfonds einer besonderen staatlichen Aufsicht unterwirft. Begriff der Verwaltung Abweichend von den Schlussanträgen der Generalanwältin entschied der EuGH, dass unter dem Begriff der „Verwaltung von Sondervermögen“ im Sinne der Befreiungsnorm nicht die von einem Investmentfonds auf einen Dritten übertragene tatsächliche Bewirtschaftung der Immobilien dieses Investmentfonds zu verstehen ist. Vielmehr stellte der EuGH klar, dass es sich bei den Umsätzen, für die die Befreiung der „Verwaltung von Sondervermögen“ gilt, um solche Umsätze handelt, die für die Tätigkeit der Organismen für gemeinsame Anlagen spezifisch sind. Rein materielle oder technische Dienstleistungen fielen hingegen nicht unter den Begriff der steuerfreien Verwaltung. Würden Verwaltungsdienstleistungen von außenstehenden Dritten erbracht, müssten sie ein eigenständiges Ganzes bilden und für die Verwaltung von Sondervermögen spezifisch und wesentlich sein. Der EuGH stellte aber fest, dass die spezifische Tätigkeit eines Sondervermögens darin besteht, die beschafften Gelder für gemeinsame Rechnung anzulegen. Die spezifischen Tätigkeiten umfassten daher zum einen die Auswahl sowie den An- und Verkauf der Immobilien, zum anderen Tätigkeiten der Verwaltung und des Rechnungswesens. Die tatsächliche Bewirtschaftung der Immobilien sei nach den Ausführungen des EuGH hingegen für die Bewirtschaftung eines Sondervermögens insoweit nicht spezifisch, als dass sie über die verschiedenen Tätigkeiten hinausgeht, die mit der Anlage der beschafften Gelder auf gemeinsame Rechnung verbunden sind. Soweit die tatsächliche Bewirtschaftung der Immobilien die Erhaltung und Vermehrung des angelegten Vermögens bezwecke, sei ihr Zweck nicht spezifisch für die Tätigkeit eines Fonds, mit dem ein Sondervermögen verwaltet wird, sondern gelte für jede Anlageart. Fazit Die von weiten Teilen der Fondsbranche diskutierten und befürchteten gravierenden Konsequenzen, die eine etwaige Steuerbefreiung für Property Management-Dienstleistungen und hieraus auf Seiten der Dienstleister und der Kapitalverwaltungsgesellschaften resultierende Rechnungskorrekturen und Vorsteuerabzugsbeschränkungen mit sich gebracht hätten, treten nicht ein. Somit bleiben den Gesellschaften aufwendige Vorsteuerkorrekturen und Anpassungen von Property Management-Verträgen erspart. Unabhängig davon bedarf es bei sonstigen ausgelagerten Dienstleistungen einer Immobilien-KVG, gerade wenn diese grenzüberschreitend erbracht werden, weiterhin der genauen Prüfung, inwiefern diese umsatzsteuerfrei erbracht werden können. Ferner könnten sich aus dem Urteil des EuGH Argumente dafür ergeben, dass auch die Verwaltung von nicht als Investmentfonds im Sinne des InvStG qualifizierenden Investmentvermögen von der Umsatzsteuer zu befreien sein könnte. Nach deutschem Recht findet die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 8 Buchst. h UStG nur auf die Verwaltung von Investmentfonds im Sinne des InvStG Anwendung. Um als Investmentfonds zu qualifizieren, müssen verschiedene Voraussetzungen erfüllt sein, unter anderem muss den Anlegern mindestens einmal jährlich das Recht zur Rückgabe der Anteile zustehen. Demzufolge erfüllen beispielsweise geschlossene Investmentvermögen oder solche, die nicht mindestens einmal jährlich die Anteilsrückgabe ermöglichen, grundsätzlich nicht diese Anforderung und qualifizieren somit nicht als Investmentfonds. Da jedoch im Rahmen der nationalen Umsetzung der AIFM-Richtlinie im KAGB unter anderem auch Investmentkommanditgesellschaften einer entsprechenden nationalen Regulierung unterliegen, könnten diese gegebenenfalls unter Bezugnahme auf die Argumentation des EuGH ebenfalls von der Steuerbefreiung für die Verwaltung von Sondervermögen profitieren. Daher sollten insbesondere die Verwalter von Investmentkommanditgesellschaften prüfen, ob und inwieweit sie Vorteile aus einer möglichen steuerfreien Verwaltung generieren können. Es ist darüber hinaus auch zu überprüfen, ob weitere Anlageformen bei entsprechender Regulierung und Vergleichbarkeit mit OGAW nach der Rechtsprechung des EuGH von der Steuerbefreiung Gebrauch machen können. Jürgen Bauderer ist Partner bei der Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in München [email protected] Patrick Faller ist Senior Manager bei der Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in Eschborn/Frankfurt [email protected] Real Estate Trends Ausgabe 68 – März 2016 | 35 Investmentsteuerreformgesetz Auswirkungen des Investmentsteuerreformgesetzes (InvStG-E) auf Immobilienfonds 36 | Real Estate Trends Ausgabe 68 – März 2016 Für Anleger offener Immobilienfonds ergeben sich durch den am 16. Dezember 2015 veröffentlichten Referentenentwurf zur „Großen Investmentsteuerreform“ grundsätzlich Verbesserungen gegenüber dem Diskussionsentwurf vom 22. Juli 2015, allerdings auch weiterhin einige Nachteile. Der neue Entwurf sieht nach wie vor eine grundlegende Anpassung des InvStG vor. Ziele der Reform sind insbesondere, EUrechtliche Risiken zu beseitigen, den administrativen Aufwand zu reduzieren sowie den Mangel einer rückwirkenden Fehlerkorrektur bei Publikumsfonds zu beheben. Das Besteuerungsregime von Publikumsfonds soll dabei erhebliche Modifikationen erfahren. An die Stelle des bisherigen so genannten eingeschränkten Transparenzprinzips soll ein intransparentes Besteuerungsregime treten. Dies bringt entsprechende weitreichende Besteuerungskonsequenzen für die Investoren. Nachfolgend sollen die wesentlichen Änderungen zwischen Referenten- und Diskussionsentwurf dargelegt werden. Anwendungsbereich Klarstellend wurde nunmehr in den Referentenentwurf aufgenommen: Nicht operativ tätige Kapitalgesellschaften, die nach dem Recht des Sitzstaates keiner Ertragsbesteuerung unterliegen, sowie nach § 2 Abs. 3 KAGB ausgenommene Investmentvermögen, das heißt im Wesentlichen konzerninterne AIF, sollen in den Anwendungsbereich des InvStG-E fallen. Außerdem wurde klargestellt, dass Unternehmensbeteiligungsgesellschaften sowie REITs nach dem REITG nicht vom Anwendungsbereich des InvStG-E erfasst sein sollen. Weiterhin wird in der Begründung des Referentenentwurfs ausgeführt, dass Vermögensver waltungsmandate wie auch Zertifikate nicht in den Anwendungsbereich fallen sollen. Wünschenswert wäre eine entsprechende gesetzliche Klarstellung. Besteuerung des Investmentfonds Während im Diskussionsentwurf noch sämtliche inländischen Erträge des Investmentfonds im Sinne des § 49 EStG der inländischen Körperschaftsteuerpflicht unterliegen sollten, sieht der Referentenentwurf eine Ausnahme für Erträge im Sinne des § 17 EStG vor. Die Veräußerung von Beteiligungen an inländischen Immobilien-Kapitalgesellschaften wäre somit von der Besteuerung auf Fondsebene ausgenommen. Steuerpflichtige Einkünfte Bei Ermittlung der steuerpflichtigen Einkünfte des Investmentfonds soll bei Einkünften, die dem Steuerabzug unterliegen, wie bereits im Diskussionsentwurf der Abzug von Werbungskosten ausgeschlossen sein. Neu in den Referentenentwurf wurde jedoch die Regelung aufgenommen, dass bei Einkünften, die nicht dem Steuerabzug unterliegen, lediglich direkt zuordenbare Werbungskosten in Abzug gebracht werden können. Für Immobilienfonds würde dies bedeuten, dass inländische Immobilienerträge nicht um Gemeinkosten gemindert werden könnten, was zu einer erheblich höheren steuerlichen Bemessungsgrundlage führen würde. Zudem wurde – unseres Erachtens klarstellend – aufgenommen, dass eine Verrechnung positiver und negativer inländischer Immobilienerträge möglich sein soll. Steuerbefreiung aufgrund steuerbegünstigter Anleger Der Diskussionsentwurf sah bereits eine partielle Steuerbefreiung des Investmentfonds vor, soweit eine spezielle Gruppe steuerbefreiter Anleger daran beteiligt war. Der Kreis wurde durch den Referentenentwurf klargestellt und erweitert. Unter anderem sollen auf Antrag und unter gewissen Voraussetzungen Immobilienerträge fortan auch für Pensionskassen, Unterstützungskassen sowie sonstige Einrichtungen im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 3 KStG oder vergleichbare ausländische Körperschaften steuerfrei gestellt werden. Hiervon nicht umfasst sind jedoch weiterhin nach § 5 Abs. 1 Nr. 8 KStG steuerfrei gestellte Versorgungswerke. Eine Einbeziehung dieser Investorengruppe in die Steuerbefreiung wäre wünschenswert. Haftung bei unberechtigter Steuerbefreiung oder Erstattung Im Referentenentwurf wurden die Haftungsnormen erweitert. Hiernach können unter gewissen Voraussetzungen die unterschiedlichsten Stellen für die Steuern haftbar sein, die gegenüber einem Investmentfonds oder einer Anteilsklasse zu Unrecht erstattet oder nicht erhoben wurde: die Anleger, die Anbieter von Altersvorsorge- oder Basisrentenverträgen, die depotführende Stelle sowie die KVG. Die Haftung wirkt im Verhältnis der möglichen Haftungsschuldner zueinander gesamthänderisch. Allerdings ist eine vorrangige Haftungsreihenfolge vorgesehen. Wenn mehrere Haftungsschuldner nebeneinander existieren, ist die KVG zuletzt in Anspruch zu nehmen. Gewerbesteuer Der Referentenentwurf sieht nunmehr vor: Eine aktive unternehmerische Bewirtschaftung der Vermögensgegenstände des Investmentfonds soll nicht gegeben sein, wenn die Einnahmen aus einer gewerblichen Tätigkeit in einem Geschäftsjahr weniger als 5 Prozent der gesamten Einnahmen des Investmentfonds betragen. Die gesamten Einnahmen umfassen ausweislich der Begründung des Referentenentwurfs nicht nur die inländischen, sondern alle weltweiten Einnahmen. Greift keine Gewerbesteuerbefreiung, wird der Investmentfonds lediglich mit seinen gewerblichen Einkünften gewerbesteuerpflichtig. Erträge aus Investmentfonds Gegenüber dem Diskussionsentwurf sollen Liquidationszahlungen bei Investmentfonds in Abwicklung von den Erträgen aus Investmentfonds ausgenommen sein und somit bei Ausschüttung an die Anleger nicht der Besteuerung unterliegen; sie sollen vielmehr die Anschaffungskosten des Investmentanteils mindern. Demgegenüber soll es bei Substanzausschüttungen bei der Teil freistellung und einer partiellen Besteuerung verbleiben. Substanzausschüttungen können insbesondere bei Immobilienfonds auftreten (zum Beispiel AfA oder Kapitalrückführungen). Ferner sollen keine Vorabpauschalen anzusetzen sein, wenn die Investmentanteile entweder im Rahmen der betrieblichen Altersvorsorge nach dem Betriebsrentengesetz oder von Versicherungsunternehmen im Rahmen von Lebensversicherungsverträgen gehalten werden. Vorabpauschale Die Vorabpauschale soll gegenüber dem Diskussionsentwurf gesenkt werden: Statt 80 Prozent sollen nun 70 Prozent des Basiszinses nach § 203 BewG mit dem Rücknahmepreis des Investmentanteils zu Beginn des Kalenderjahres multipliziert werden. Teilfreistellung Aktienfonds Das Konzept der Teilfreistellung zur Berücksichtigung der Vorbelastung auf Investmentfondsebene soll beibehalten werden. Allerdings ändern sich die Prozentsätze. Im Falle von Aktienfonds sollen bei natürlichen Personen als Anleger nicht wie bisher 20 Prozent, sondern nun 30 Prozent der Erträge steuerfrei gestellt werden. Sofern diese Investmentanteile im Betriebsvermögen einer natür lichen Person gehalten werden, erhöht sich die Steuerfreistellung auf 60 Prozent. Bei den KStG unterfallenden Anlegern erhöht sich die Aktienfreistellung auf 80 Prozent. Diese Erhöhung gilt jedoch nicht bei Kreditinstituten, Finanzdienstleistungsinstituten, Finanz unternehmen, sowie Lebens- und Krankenversicherungsunter nehmen. Bei Mischfonds (Aktienanteil mindestens 25 Prozent) ist die Hälfte der für Aktienfonds anwendbaren Teilfreistellung zu berücksichtigen. Real Estate Trends Ausgabe 68 – März 2016 | 37 Investmentsteuerreformgese Teilfreistellung Immobilienfonds Die Immobilienfreistellung bei Immobilienfonds soll sich von 40 Prozent auf 60 Prozent erhöhen. Sofern mindestens 51 Prozent in ausländischen Immobilien und Auslands-Immobiliengesellschaften angelegt werden, soll sich die anzuwendende Teilfreistellung von 60 Prozent auf 80 Prozent erhöhen. Dies trägt in wesentlich größerem Umfang als nach dem Diskussionsentwurf der branchen üblichen Strukturierung über Auslands-Immobiliengesellschaften Rechnung. Im Übrigen gilt: Sofern sich der anwendbare Teilfrei stellungssatz ändert oder die Voraussetzungen der Teilfreistellung wegfallen, ist nunmehr eine fingierte Veräußerung und Neuanschaffung der Investmentanteile vorgesehen. Gewerbesteuerliche Teilfreistellung Für Zwecke der Gewerbesteuer sollen die oben genannten Teil freistellungen um die Hälfte reduziert werden. Voraussetzungen eines Spezial-Investmentfonds Für eine Qualifikation als Spezial-Investmentfonds gilt unter anderem, dass keine aktive unternehmerische Bewirtschaftung der Vermögensgegenstände vorliegen darf. Die gesetzlich fixierte 5-Prozent-Grenze soll auch hierbei Anwendung finden. Daneben darf nicht wesentlich gegen die in § 20 InvStG-E aufgeführten Voraussetzungen verstoßen werden. Dies stellt gegenüber dem Diskussionsentwurf eine Entschärfung und eine Anlehnung an das aktuelle Rechtsverständnis dar, wonach unwesentliche Verstöße nicht zu einer Disqualifikation als Investmentfonds führen sollen. Nicht jede geringfügige Abweichung von den Anlagebestimmungen soll eine Veräußerungsfiktion des § 38 InvStG-E auslösen. Die Aberkennung des Status als Spezial-Investmentfonds soll lediglich als Ultima Ratio verstanden werden. Wesentlich soll nach der Begründung des Referentenentwurfs ein Verstoß unter anderem dann sein, wenn bewusst und zweckgerichtet missbräuchliche Steuergestaltungen herbeigeführt werden. Unwesentlich sollen Verstöße dann sein, wenn sie nicht durch einen Geschäftsabschluss verursacht werden, so dass bloße Wertveränderungen der Vermögensgegenstände grundsätzlich nicht zum Verlust des Status führen sollen. Außerdem sollen einzelne aktive Überschreitungen von Anlagegrenzen unwesentlich sein, wenn die Überschreitung kurzfristig wieder zurückgeführt wird. Zulässige Vermögensgegenstände Eine maßgebende Änderung gegenüber der aktuellen Rechtslage ergibt sich insbesondere mit Blick auf die zulässigen Vermögensgegenstände. Fortan soll nur noch der enge Wertpapierbegriff des § 193 KAGB anstelle des weiteren Wertpapierbegriffs des § 284 Abs. 2 KAGB Anwendung finden. Zielfonds sollen nur noch als zulässige Vermögensgegenstände qualifizieren, wenn diese • entweder OGAW sind, 38 | Real Estate Trends Ausgabe 68 – März 2016 • die Voraussetzungen zur Qualifikation als Spezial-Investmentfonds mit Ausnahme der Begrenzung auf 100 Anleger, die keine natürlichen Personen sind, erfüllen oder • Spezial-Investmentfonds sind. Ferner sollen sich natürliche Personen zukünftig an Spezial-Investmentfonds beteiligen können, sofern sie ihre Anteile im Betriebsvermögen halten. Inländische Beteiligungseinnahmen und sonstige inländische Einkünfte mit Steuerabzug § 8b KStG soll unter gewissen Voraussetzungen auf Gewinnausschüttungen von Immobilien-Gesellschaften anwendbar sein. Voraussetzung soll dabei insbesondere sein, dass der Anleger durchgerechnet zu mindestens 10 Prozent an der ausschüttenden Gesellschaft beteiligt ist. Eine weitere Änderung gegenüber dem Diskussionsentwurf ergibt sich für den Fall, in dem der SpezialInvestmentfonds die Transparenzoption für inländische Beteiligungseinnahmen oder sonstige inländische Einkünfte mit Steuerabzug gewählt hat. Dann soll eine Anrechnung der Kapitalertragsteuer beim Anleger lediglich möglich sein, wenn die Voraussetzungen des § 36 Abs. 2a EStG-E erfüllt sind. Dieser sieht einen Ausschluss von der Anrechnungsberechtigung vor, wenn der An leger innerhalb eines Zeitraums von 45 Tagen vor und 45 Tagen nach der Fälligkeit der Kapitalertragsteuer weniger als 45 Tage wirtschaftlicher und zivilrechtlicher Eigentümer war. Dies sollte allerdings keine materiellen Auswirkungen auf Immobilienfonds haben. Inländische Immobilienerträge und sonstige inländische Einkünfte ohne Steuerabzug Inländische Immobilienerträge sollen vergleichbar der aktuellen Rechtslage bei beschränkt steuerpflichtigen Anlegern als unmittelbar bezogene Einkünfte nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f, Nr. 6 oder Nr. 8 EStG gelten. Dies zielt insbesondere darauf ab, für Zwecke der Anwendung von Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) auch in diesen Fällen Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen anzunehmen. Darüber hinaus wird klargestellt, dass der Abzug von Kapital ertragsteuer keine abgeltende Wirkung entfalten soll. Erträge aus Spezial-Investmentfonds Auf die Erträge aus Spezial-Investmentfonds sollen fortan grundsätzlich § 3 Nr. 40 EStG sowie § 8b KStG wieder Anwendung finden können. Dies ist insbesondere mit Blick auf die Anlage von Immobilienfonds über Kapitalgesellschaften sachgerecht und beseitigt die massive Benachteiligung aus dem Diskussionsentwurf. Die Voraussetzungen werden unten ausgeführt. tz Ausschüttungsgleiche Erträge Laut Referentenentwurf sind Erträge aus Stillhalterprämien, bestimmte Gewinne aus Derivaten, Gewinne aus der Veräußerung von Aktien, Renten und Investmentanteilen sowie Spezial-Investmentanteilen steuerfrei thesaurierbar. Die zuvor angedachte Regelung des Diskussionsentwurfs, wonach 10 Prozent der Ver äußerungsgewinne als ausschüttungsgleiche Erträge gelten sollen, ist im Referentenentwurf nicht mehr enthalten. Dafür sollen die steuerfrei thesaurierbaren Kapitalerträge nach 15 Jahren als ausgeschüttet gelten, soweit sie nicht mit Verlusten verrechnet werden konnten oder bereits ausgeschüttet wurden. Steuerfreistellung, Abzugsbeschränkung In § 32 InvStG-E werden fortan sämtliche Steuerfreistellungen in Bezug auf ausgeschüttete und ausschüttungsgleiche Erträge geregelt. Insbesondere sollen entgegen dem Diskussionsentwurf § 3 Nr. 40 EStG sowie § 8b KStG grundsätzlich auf die Anleger von Spezial-Investmentfonds anwendbar sein. Ausländische Beteiligungseinnahmen sollen grundsätzlich von der Steuerfreistellung profitieren können, wenn • im Rahmen der Direktanlage grundsätzlich eine Steuerfreistellung nach § 8b KStG möglich wäre, • die auf die Spezial-Investmentanteile entfallende durchgerechnete Beteiligung die 10-Prozent-Grenze erreicht und wenn • es sich bei der ausschüttenden Gesellschaft um eine Gesellschaft im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 6 InvStG-E handelt, das heißt im Wesentlichen um eine ausländische Immobilien-Gesellschaft. Die Steuerfreistellung nach § 8b Abs. 2 KStG für Veräußerungsgewinne soll dann anwendbar sein, wenn im Rahmen der Direktanlage eine entsprechende Begünstigung möglich wäre. Die vorgenannten Steuerfreistellungen sollen jedoch nicht greifen, wenn die ausschüttende Gesellschaft keiner steuerlichen Vorbelastung unterliegt. Nicht greifen soll die Freistellung auch dann, wenn die Gesellschaft sachlich insoweit von der Ertragsbesteuerung befreit ist, wie sie Ausschüttungen vornimmt. Diese Regelung zielt unter anderem darauf ab, dass REIT-Dividenden nicht steuerlich privilegiert vereinnahmt werden sollen. Für inländische Beteiligungseinnahmen, die vom Spezial-Investmentfonds versteuert wurden, soll zukünftig eine 60-Prozent-Steuerfreistellung erfolgen. Soweit in den ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträgen inländische Immo bilienerträge oder sonstige inländische Einkünfte enthalten sind, die von dem Spezial-Investmentfonds versteuert wurden, soll eine 20-Prozent-Steuerfreistellung erfolgen. Für Anleger, die der Körperschaftsteuer unterliegen, ist jedoch eine vollständige Steuerbefreiung vorgesehen, wenn der Spezial-Investmentfonds einer vollen Besteuerung mit dem Körperschaftsteuersatz von 15 Prozent unterlegen hat. DBA-Schachtelprivileg Begrüßenswert für Immobilienfonds ist die Aufnahme des so genannten Schachtelprivilegs bei DBA. Hiernach sollen ausländische Dividenden steuerfrei von den Anlegern eines Spezial-Investmentfonds vereinnahmt werden können, wenn • der Anleger selbst die persönlichen Voraussetzungen nach dem DBA erfüllt, • die auf die Spezial-Investmentanteile durchgerechnete Beteiligung die Voraussetzungen zur Steuerfreiheit nach dem DBA erfüllt und • es sich bei der ausschüttenden Gesellschaft um eine ausländische Immobilien-Gesellschaft handelt. Gewerbesteuerliche Privilegierung Abweichend von der bisherigen Verwaltungsauffassung sollen gewerbesteuerliche Privilegierungen insoweit von den Anlegern eines Spezial-Investmentfonds in Anspruch genommen werden können, • als es sich bei der ausschüttenden Gesellschaft um eine Immobilien-Gesellschaft handelt, • der Anleger dem KStG unterliegt und im Rahmen einer Direktanlage von § 8b KStG profitieren könnte und • die auf die Spezial-Investmentanteile durchgerechnete Beteiligung des Anlegers die Voraussetzungen zur Kürzung nach § 9 Nr. 2a beziehungsweise 9 GewStG erfüllt. Aktiengewinn, Abkommensgewinn, Teilfreistellungsgewinn, Teilwertansatz und Veräußerung von Spezial-Investmentanteilen Durch die Berücksichtigung der Steuerfreiheit nach § 8b KStG sowie § 3 Nr. 40 EStG sieht der Referentenentwurf in Abweichung zum Diskussionsentwurf folgerichtig auch wieder eine Regelung zur bewertungstäglichen Ermittlung des Fonds-Aktiengewinns vor. Daneben sollen bewertungstäglich die Größen „Fonds-Abkommensgewinn“ (entspricht dem Fonds-Immobiliengewinn nach derzeitigem Recht) sowie „Fonds-Teilfreistellungsgewinn“ pro Spezial-Investmentanteil als absoluter Wert in Euro ermittelt und dem Anleger bekannt gemacht werden. Hinsichtlich des Fonds-Aktiengewinns ist vorgesehen, dass dieser im Gegensatz zur derzeitigen Rechtslage nur realisierte und unrealisierte Gewinne aus Beteiligungen an Kapitalgesellschaften enthalten soll, nicht jedoch ausländische Dividendenerträge. Laut Begründung zum Referentenentwurf würde die Einbeziehung der Dividenden einen unangemessenen Ermittlungsaufwand für die Spezial-Investmentfonds und einen unangemessenen Kontrollaufwand für die Finanzverwaltung erzeugen. Im Übrigen gilt für die Ermittlung des Fonds-Abkommensgewinns, dass keine wesentlichen Änderungen zur derzeitigen Rechtslage vorgesehen sind. Auf den Fonds-Teilfreistellungsgewinn wird hier nicht näher eingegangen, er sollte bei Immobilienfonds (wenn überhaupt) nur selten eine Rolle spielen. Real Estate Trends Ausgabe 68 – März 2016 | 39 In Unabhängig davon gilt: Steuerfreiheiten nach § 32 InvStG-E sollen nur dann gewährt werden, wenn der Spezial-Investmentfonds den Fonds-Aktiengewinn, den Fonds-Abkommensgewinn sowie den Fonds-Teilfreistellungsgewinn ermittelt und bekannt macht oder wenn der Anleger die entsprechenden Kennzahlen nachweist. Änderungen des aktuellen InvStG Um gewisse von dem Gesetzgeber identifizierte (vermeintliche) Reglungslücken bereits vor dem 1. Januar 2018 zu schließen, ist eine Änderung des aktuellen InvStG vorgesehen. Bei der Prüfung der Besteuerungsgrundlagen nach § 5 InvStG soll im Rahmen der Veröffentlichung durch den Berufsträger angegeben werden, welche Anhaltspunkte dafür gefunden wurden, dass Gestaltungen 40 | Real Estate Trends Ausgabe 68 – März 2016 des Investmentfonds der Steuerreduzierung, der Steuerumgehung oder der Erzielung von unberechtigten Steuererstattungen bei den Anlegern, dem Investmentfonds oder Dritten gedient haben. Berufsträger sollen zukünftig bei Ausstellung einer fehlerhaften Richtigkeitsbescheinigung mit einem Bußgeld von bis zu 1 Million Euro belegt werden, wenn die Fehlerhaftigkeit vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt wurde. Ferner wurde eine Regelung hinsichtlich der Pauschalbesteuerung des § 6 InvStG aufgenommen, die im Wesentlichen die Regelung des BMF-Schreibens vom 28. Juli 2015 aufgreift. Darüber hinaus soll der temporäre Bestandsschutz des § 22 Abs. 2 InvStG für bestandsgeschützte Investmentfonds nach dem InvStG in der Fassung vom 1. Juli 2013 bis zum 31. Dezember 2017 verlängert werden. vestmentsteuerreformgesetz Fazit Für Anleger offener Immobilienfonds ergeben sich durch den vorliegenden Referentenentwurf grundsätzlich Verbesserungen gegenüber dem Diskussionsentwurf, allerdings auch einige Nachteile. Bei Publikums-Immobilienfonds ist unter anderem positiv zu be werten, dass die Vorabpauschale gesenkt sowie die Teilfreistellung erhöht wurde, wobei auch der branchenüblichen Strukturierung über Auslands-Immobiliengesellschaften mehr Rechnung getragen wird. Auch die partielle Steuerbefreiung des Investmentfonds bei der Beteiligung spezifischer steuerbefreiter Anleger wurde durch den Referentenentwurf klargestellt und erweitert. Negativ für Immobilienfonds zu bewerten ist, dass bei Einkünften, die nicht dem Steuerabzug unterliegen, lediglich direkt zuordenbare Werbungskosten in Abzug gebracht werden können. Für Immobilienfonds würde dies bedeuten, dass inländische Immobilienerträge nicht um Gemeinkosten gemindert werden könnten, was zu einer erheblich höheren steuerlichen Bemessungsgrundlage führen würde. Ferner ist auch zu kritisieren, dass – wie bereits im Diskussionsentwurf enthalten - die zehnjährige Spekulationsfrist für Immobilienver äußerungen nicht mehr auf Fondsebene gelten soll. Mit Blick auf Spezial-Immobilienfonds gilt: Auch hier gibt es eine Reihe von Verbesserungen, zum Beispiel die „Wiedereinführung“ von § 8b KStG. Außerdem sollen – abweichend von der bisherigen Verwaltungsauffassung – gewerbesteuerliche Privilegierungen von den Anlegern eines Spezial-Investmentfonds (je nach Fall) in Anspruch ge nommen werden können. Abschließend ist zu begrüßen, dass der temporäre Bestandsschutz des § 22 Abs. 2 InvStG für noch bestandsgeschützte Investmentfonds bis zum 31. Dezember 2017 verlängert werden soll. Ende Februar soll es mit dem Regierungsentwurf zur „Großen Investmentsteuerreform“ weitergehen. Das Gesetzgebungsver fahren vor der parlamentarischen Sommerpause abzuschließen, erscheint daher möglich. Patrick Faller ist Senior Manager bei der Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in Eschborn/Frankfurt [email protected] Frederik Wolf ist Senior Manager bei der Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in München [email protected] Real Estate Trends Ausgabe 68 – März 2016 | 41 Publikationen Trendbarometer ImmobilienInvestmentmarkt Deutschland 2016 Das Kapital sei da, nur die geeigneten Produkte fehlen – das ist eine Kernaussage des aktuellen Trendbarometers zum Immobilien-Investmentmarkt Deutschland. 150 Investoren haben sich zu ihren Zukunftseinschätzungen geäußert. Die Studie erscheint seit 2007 jährlich und analysiert den Standort Deutschland im Hinblick auf Preisentwicklungen, Attraktivität, Kapitalmärkte und Trends. Für 2016 lässt sich eine auffallend positive Stimmung ausmachen. Besonders beliebt sind demnach Büro- und Wohnimmobilien. Die Publikation steht unter diesem Link zur Verfügung: http://www.ey.com/Publication/vwLUAssets/EY-RE-Trendbarometer-2016Deutschland/$FILE/EY-RE-Trendbarometer-2016-Deutschland.pdf Trendbarometer ImmobilienInvestmentmarkt Schweiz 2016 Zum sechsten Mal in Folge hat EY Real Estate eine Einschätzung des Schweizer Immobilien-Investmentmarktes vorgenommen. 40 aktive Marktteilnehmer und Investoren haben zu ihren Erwartungen und Strategien für dieses Jahr Stellung bezogen. Die Schweiz gilt weiterhin als attraktiver Standort für Immobilieninvestitionen und gewinnt auch international weiter an Ansehen. Die Publikation erscheint jährlich. Die Publikation kann bezogen werden über: [email protected] Trendbarometer ImmobilienInvestmentmarkt Österreich 2016 Von Oktober bis November 2015 wurden 35 Investoren von EY Real Estate zu ihren Erwartungen für den ImmobilienInvestmentmarkt in Österreich befragt. Österreich befindet sich demnach weiterhin im Aufwind. Die Mehrheit der Befragten schätzt den deutschen Nachbar als einen attraktiven Standort für Immobilieninvestments ein, auch im Vergleich zu anderen europäischen Ländern. Die Publikation kann bezogen werden über: [email protected] 42 | Real Estate Trends Ausgabe 68 – März 2016 Flüchtlingszustrom: Kommunen müssen massiv in Wohnimmobilien investieren – 370.000 Plätze fehlen Mangel an Wohnraum ist Hauptsorge der Städte und Gemeinden. Jede dritte Kommune plant Neubau von Wohngebäuden – Chancen für Handwerk und regionales Baugewerbe Schuldenstand soll 2015 zusätzlich um 1,1 Milliarden Euro, 2016 um 1,2 Milliarden Euro steigen. Die Publikation steht unter diesem Link zur Verfügung: http://www.ey.com/Publication/vwLUAssets/EY-Fluechtlingszustrom-Herausforderungen-Kommunen2015/$FILE/EY-Fluechtlingszustrom-Herausforderungen-Kommunen-2015.pdf Wohnen der Zukunft: Eigentum statt Miete, Tradition statt Trends Wohnwünsche junger Menschen sind erstaunlich konservativ: Die sogenannten digitalen Einwohner, die angeblich – anders als ihre Eltern – nicht auf Geld und Status setzen, sondern auf Sinnhaftigkeit und Glück, sind mit Blick auf ihre Wohnträume dann doch wieder fast wie ihre Eltern. Die Publikation steht unter diesem Link zur Verfügung: http://www.ey.com/Publication/vwLUAssets/EY-RE-Wie-will-die-junge-Generation-in_der-Zukunftwohnen/$FILE/EY-RE-Wie-will-die-junge-Generation-in%20der-Zukunft-wohnen.pdf Global hospitality insights 2016 Der Report „Global hospitality insights – Top thoughts for 2016“ beleuchtet die weltweiten Hotelmärkte für dieses Jahr. Unter anderem thematisiert der Bericht Wachstumsstrategien und den steigenden Einfluss von Innovationen und Technologien im Hotelmarkt-Sektor. Die Publikation kann bezogen werden über: [email protected] Global Capital Confidence Barometer Oktober 2015 Für die 13. Edition des „Global Capital Confidence Barometers“ wurden mehr als 1.600 leitende Angestellte von Großunternehmen aus 53 Ländern zur wirtschaftlichen Entwicklung und zu Trends im Bereich Kapitalmanagement befragt. Im Vergleich zur Umfrage im April 2015 hat die Zuversicht in Bezug auf die wirtschaftliche Entwicklung weiter zugenommen. Auch das Vertrauen in Unternehmensgewinne ist deutlich gewachsen. Die Publikation kann bezogen werden über: [email protected] Real Estate Trends Ausgabe 68 – März 2016 | 43 Veranstaltungen EY Real Estate After Work Besuchen Sie unsere Veranstaltungen zum Thema: Restrukturierung von Immobilien und Finanzierungen • 3. März 2016 – EY Office München • von ca. 18.00 bis 20.00 Uhr Anmeldung und weitere Details über: [email protected] EY Real Estate Funds Breakfast Besuchen Sie unsere Veranstaltungen zum Thema: Real Estate Funds • 22. März 2016 – EY Office Eschborn/Frankfurt • 24. März 2016 – EY Office Hamburg • 14. April 2016 – EY Office München • von ca. 9.00 bis 11.30 Uhr Anmeldung und weitere Details über: [email protected] Hamburger Real Estate Breakfast Besuchen Sie unser Real Estate Breakfast in Hamburg • 28. April 2016 – EY Office Hamburg • von ca. 8.30 bis 10.30 Uhr Anmeldung und weitere Details über: [email protected] 44 | Real Estate Trends Ausgabe 68 – März 2016 Real Estate US Tax Roadshow Besuchen Sie unsere Real Estate US Tax Roadshow • 26. April 2016 – EY Office München • 27. April 2016 – EY Office Eschborn/Frankfurt • 28. April 2016 – EY Office Hamburg • von ca. 14.00 bis 17.30 Uhr Anmeldung und weitere Details über: [email protected] Real Estate Trends Ausgabe 68 – März 2016 | 45 EY | Assurance | Tax | Transactions | Advisory Die globale EY-Organisation im Überblick Die globale EY-Organisation ist einer der Marktführer in der Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung, Transaktionsberatung und Managementberatung. Mit unserer Erfahrung, unserem Wissen und unseren Leistungen stärken wir weltweit das Vertrauen in die Wirtschaft und die Finanzmärkte. Dafür sind wir bestens gerüstet: mit hervorragend ausgebildeten Mitarbeitern, starken Teams, exzellenten Leistungen und einem sprichwörtlichen Kundenservice. Unser Ziel ist es, Dinge voranzubringen und entscheidend besser zu machen – für unsere Mitarbeiter, unsere Mandanten und die Gesellschaft, in der wir leben. Dafür steht unser weltweiter Anspruch „Building a better working world“. Die globale EY-Organisation besteht aus den Mitgliedsunternehmen von Ernst & Young G lobal Limited (EYG). Jedes EYG-Mitgliedsunternehmen ist rechtlich selbstständig und unabhängig und haftet nicht für das Handeln und Unterlassen der jeweils anderen Mitgliedsunternehmen. Ernst & Young Global Limited ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach englischem Recht und erbringt keine Leistungen für Man danten. Weitere Informationen finden Sie unter www.ey.com. In Deutschland ist EY an 22 Standorten präsent. „EY“ und „wir“ beziehen sich in dieser Publikation auf alle deutschen Mitgliedsunternehmen von Ernst & Young Global Limited. © 2016 Ernst & Young Real Estate GmbH All Rights Reserved. BKR 1603-499 ED None Ansprechpartner Herausgeber Ernst & Young Real Estate GmbH Verantwortlich für den Inhalt Christian Schulz-Wulkow [email protected] Redaktion Karin Vogt [email protected] Diese Publikation ist lediglich als allgemeine, unverbindliche Information gedacht und kann daher nicht als Ersatz für eine detaillierte Recherche oder eine fachkundige Beratung oder Auskunft dienen. Obwohl sie mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt wurde, besteht kein Anspruch auf sachliche Richtigkeit, Voll ständigkeit und/oder Aktualität; insbesondere kann diese Publi kation nicht den besonderen U mständen des Einzelfalls Rechnung tragen. Eine Verwendung liegt damit in der eigenen Verant wortung des Lesers. Jegliche Haftung seitens der Ernst & Young Real Estate GmbH und/oder anderer Mitgliedsunternehmen der globalen EY-Organisation wird ausgeschlossen. Bei jedem spezifischen Anliegen sollte ein g eeigneter Berater zurate gezogen werden. www.de.ey.com
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