Abstract

Identität und Abgrenzung. Streitschriften und reformatorische
Diskursnetzwerke
Das Forschungsvorhaben „Controversia et Confessio. Quellenedition zur Bekenntnisbildung
und Konfessionalisierung (1548-1580)“ ediert und dokumentiert die Grundsatzdiskussionen
der Nachlutherischen Zeit. Dieser religionswissenschaftliche Diskurs trug wesentlich zur
Identitätsbildung des Protestantismus bei und wurde durchaus polemisch in Form von
Streitschriften ausgetragen. Die theologische Streitkultur diente als entscheidender Anstoß
für die Präzisierung reformatorischer Lehre, für eine vielfältige Bekenntnisbildung und für
die Konsolidierung der Konfessionen.
Eine Analyse der Beziehungen zwischen den Verfassern und Adressaten der Streitschriften
verdeutlicht diesen Prozess der Identitäts- und Konfessionsbildung, der weniger integrativ
als vor allem über die Abgrenzung der eigenen Position gegenüber anderen Meinungen
funktionierte. Die einzelnen Schriften stehen dabei in dem größeren Kontext relativ
geschlossener „Streitkreise“ mit einem jeweils klar zu identifizierenden thematischen bzw.
theologischen Problem.
Mit Hilfe einer Netzwerkanalyse sollen sowohl das Wechselspiel der einzelnen Autoren
untereinander als auch ihre Eingliederung in die verschiedenen Streitthemen untersucht
werden. Neben dem Gesamtnetzwerk der Autor-Gegner-Relationen sollen daher auch die
Teilnetzwerke der einzelnen Kontroversen herausgestellt und miteinander in Beziehung
gesetzt werden. Im Vordergrund stehen dabei neben klassischen Überlegungen z. B. zu
Zentralität und Reziprozität, inwiefern sich die Rollen der einzelnen Beteiligten über den
Verlauf des Untersuchungszeitraumes verändern, und welche Auswirkungen diese
Änderungen auf den Gesamtdiskurs haben. Auch die Positionierung zentraler
Persönlichkeiten zu den Lehren Luthers und Melanchthons und die Entwicklung
religionspolitischer Standpunkte werden näher beleuchtet.
Ausgangspunkt der Untersuchung ist die Quellen- und die Personendatenbank des
Forschungsprojekts mit über 2000 Streitschriften. Aktuell werden Personen,
Personengruppen und Institutionen, die mit diesen Quellen in Verbindung stehen, normiert,
so dass neue Zugänge zur Erschließung des Datenbestands möglich werden.
Für die Netzwerkanalyse wird der für die Untersuchung relevante Teil der Daten von einer
relationalen Datenbank in eine Graphdatenbank transformiert und anschließend mit Hilfe
von UCINET und entsprechenden Visualisierungsprogrammen wie beschrieben ausgewertet.
Zuletzt wird ein Ausblick auf mögliche Erweiterungen des Netzwerkes um weitere
Beziehungsarten wie z. B. Mitautoren, Drucker, oder Widmungsempfänger und deren Rolle
in der wissenschaftlichen Diskussion gegeben.