BJA_Interview_2016 03 26

Business Judgment Advisory: Neues Beratungsund Haftungsübernahmeangebot für Manager
Für Geschäftsführer und Vorstände von Großunternehmen, die risikoträchtige Entscheidungen beispielsweise über eine M&A-Transaktion, eine Großinvestition, eine Kapitalmaßnahme oder eine Sonderabschreibung treffen müssen, gibt es nun ein neuartiges Angebot, das persönliche Haftungsrisiken
ausschließt: „Business Judgment Advisory“. Wie es funktioniert, erläutern Sebastian Klapper und
Dr. Rüdiger Theiselmann im BOARD TV Interview.
Was ist Business Judgment Advisory?
Theiselmann: Es handelt sich um eine Entscheidungsberatung für Vorstände und Geschäftsführer, kombiniert
mit einer vollständigen Haftungsfreistellung im Innenverhältnis zur Gesellschaft. Als strategische Berater mit
anwaltlichem und betriebswirtschaftlichem Hintergrund sowie eigener Erfahrung im operativen Management kapitalmarktorientierter Unternehmen begleiten
wir Geschäftsleiter bei einer Großtransaktion, indem wir
die Entscheidung unter Berücksichtigung aller relevanten Aspekte vorbereiten. Wir validieren die Erkenntnisse
sämtlicher Berater der Gesellschaft und sprechen eine
Empfehlung aus. Wenn dieser gefolgt wird, sind die Geschäftsleiter letztlich frei von persönlicher Haftung.
Ist das denn nicht die typische D&O-Versicherung in etwas
anderer Form?
Theiselmann: Unsere Lösung zielt in erster Linie darauf
ab, eine Haftung schon im Ansatz zu vermeiden – und
nicht nur eine Absicherung für den Schadensfall zu bieten. Wir bei Huckberg versetzen uns in die Perspektive
der Geschäftsleitung, prüfen das Vorliegen aller erforderlichen Informationen und würdigen sämtliche Aspekte,
die die Geschäftsleitung rechtlich verpflichtend würdigen
muss. Zudem dokumentieren wir für den Fall eines
Rechtsstreits jeden Schritt des Entscheidungsprozesses
und dessen Grundlagen; dies ist für Organmitglieder aus
Gründen der Darlegungs- und Beweislast bedeutsam. Im
Kern geht es uns darum, mit Business Judgment Advisory
zu einer informierten Entscheidung beizutragen. Sollte
wider Erwarten ein Haftungsfall eintreten, übernimmt
Huckberg das Risiko der Geschäftsleiter vollständig.
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Wie funktioniert das versicherungstechnisch?
Klapper: Huckberg als Entscheidungsberaterin schließt
mit der Geschäftsleitung und der Gesellschaft einen Vertrag, wonach sie die uneingeschränkte Haftungsfreistellung zugunsten der Gesellschaft für den Fall erklärt, dass
der Handlungsempfehlung uneingeschränkt gefolgt wird.
Für dieses Risiko werden zum einen Huckberg und zum anderen die Geschäftsleiter durch gespiegelte Projektpolicen
Finlex GmbH / Huckberg GmbH – Frankfurt am Main, 2016
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für die konkrete Transaktion versichert. Im Hintergrund
steht ein Konsortium namhafter Versicherer.
Warum kollidiert dies nicht mit der ohnehin bestehenden
D&O-Versicherung?
Klapper: Weil es sich um eine passgenaue Ergänzung zu
der allgemeinen D&O-Versicherung handelt. Die Projektpolicen im Hinblick auf Business Judgment Advisory
gelten nur in Bezug auf die konkrete Transaktion – am
Beispiel einer M&A-Transaktion heißt das auf Erwerberseite: für Pflichtverletzungen zwischen dem Abschluss
des Versicherungsvertrags und dem Signing. Kommt es
zu einem Schaden, ist die Projektpolice vorrangig. Für
die Sondersituation wird die jährliche Konzern-D&O
entsprechend entlastet.
Wie kann denn im Voraus festgelegt werden, wie hoch die
Deckungssumme ist?
Theiselmann: Nehmen wir eine M&A-Transaktion als
Beispiel. Der Wert der Zielgesellschaft lässt sich indikativ
ermitteln. Auf Basis von Erfahrungswerten und der vorliegenden Unterlagen schätzen wir daraufhin mit Expertenhilfe ein, wie hoch die maximale Abweichung vom
tatsächlichen Wert sein und in welchem Umfang es zu
weitergehenden Vermögensschäden kommen könnte.
Auf dieser Basis einigen sich die Vertragsparteien auf
eine Deckungssumme.
Was passiert dann im Schadensfall?
Klapper: Falls die Geschäftsleitung trotz der Entscheidungsberatung pflichtwidrig gehandelt hat und dies durch ein
rechtskräftiges Urteil festgestellt wurde, übernimmt die
Huckberg GmbH gegenüber der Gesellschaft die Haftung
für sämtliche Ansprüche, die sie gegen den Geschäftsleiter
hat. Die im Hintergrund stehenden Versicherer wiederum
stellen die Huckberg GmbH von dieser Haftung frei.
Wie geht Huckberg vor, wenn Geschäftsleiter gerichtlich in
Anspruch genommen werden?
Theiselmann: Huckberg verpflichtet sich vertraglich, den
Geschäftsleitern auf deren Wunsch im Fall eines Rechtsstreits mit der Gesellschaft als Streithelfer beizutreten
und zudem alle Rechtsverteidigungskosten zu tragen.
Damit werden die Geschäftsleiter „aus der Schusslinie“
genommen, weil Huckberg vor Gericht auftritt und die
Prozesshandlungen vornimmt. Im Hintergrund erfolgt
eine enge Abstimmung mit den Geschäftsleitern.
Über welchen Zeitraum gilt die Haftungsfreistellung?
Klapper: Der Versicherungsvertrag läuft typischerweise
12 Monate ab dem Zeitpunkt, in dem Huckberg die Beratungstätigkeit aufgenommen hat und geht vier Wochen
über das Signing hinaus. Daraufhin folgt eine Nachmeldefrist von zehn Jahren, also für den gesetzlichen Verjährungszeitraum.
Sind auch Krisenfälle und Insolvenzsachverhalte versichert?
Theiselmann: Business Judgment Advisory gilt – wie sich
aus der Bezeichnung ergibt – für Situationen, in denen
unternehmerische Entscheidungen unter Unsicherheit
zu treffen sind. In Krisenfällen sind hingegen meist gebundene Entscheidungen zu treffen. Für die Beratung in
solchen Situationen gibt es andere Spezialisten.
Ist bei AG-Vorständen der gesetzliche Selbstbehalt in Höhe
von 10% des Schadens und bis mindestens zur Höhe des anderthalbfachen Jahresfixgehalts ebenfalls versichert?
Klapper: Sofern eine Selbstbehalt-D&O bereits besteht,
genügt eine Ergänzung im Versicherungsschein. Ansonsten empfehlen wir den Abschluss einer SelbstbehaltD&O als Ergänzung zu den Projektpolicen.
Was geschieht, wenn der Schaden höher ist als die vereinbarte Deckungssumme?
Warum braucht es eine Business Judgment Advisory, wenn
Geschäftsleiter ja ohnehin versichert sind und zudem auch
für ihr Risiko bezahlt werden?
Klapper: In diesem unwahrscheinlichen Fall haftet die
Huckberg GmbH, für die eine eigene Haftpflichtversicherung ergänzend besteht.
Theiselmann: Dass wir Geschäftsleitern ihr Risiko abnehmen, reflektiert die deutlich gestiegene Haftungsträchtigkeit ihrer Aufgaben. Gerade in börsennotierten
Board TV – Frankfurt am Main, 2016
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Großunternehmen erreichen Transaktionen und Investitionen mittlerweile oft Größenordnungen, die bei einem
Fehlschlag existenzielle Folgen haben können sowohl für
das Unternehmen als auch das Management – für letzteres nicht nur finanziell, sondern auch reputatorisch. Damit es dazu gar nicht erst kommt, ist eine informierte
und durch einen neutralen Dritten validierte sowie dokumentierte Entscheidung dienlich.
Klapper: Versicherungstechnisch gilt die allgemeine
D&O-Versicherung ja generell für schuldhafte Pflichtverletzungen und unterliegt aufgrund der jährlichen Verlängerung einem immanenten Änderungsrisiko. Eine
Projektpolice hingegen, die nur spezielle Risiken der einzelnen Transaktion versichert, wirkt daher ergänzend
und birgt zudem kein Änderungsrisiko für die Geschäftsleiter.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Klapper und
Herr Dr. Theiselmann.
Sebastian Klapper ist
geschäftsführender
Gesellschafter der
FINLEX GmbH in
Frankfurt am Main.
Als Betriebswirt und
Wirtschaftsjurist ist
er auf die Beratung von Geschäftsleitern
hinsichtlich deren Haftung und der
Strukturierung des entsprechenden
Risikotransfers spezialisiert. Er war zuvor bei
einem Großmakler aus Frankfurt in
verschiedenen Leitungsfunktionen tätig und
sammelte Erfahrung im Bereich
Risikomanagement als Berater von Banken und
Finanzdienstleistern in London, UK.
Hervorzuheben sind seine Erfahrung, Expertise
und Umsetzungskompetenz bei der Beratung,
Strukturierung und Platzierung von
Versicherungslösungen insbesondere bei
Kapitalmarkt- und Transaktionsrisiken
(Börsengänge, Anleiheemissionen,
Unternehmenskäufe, Fusionen, Spin-Offs u.ä.).
FINLEX ist ein Spezialversicherungsmakler mit
dem Fokus auf Vermögensschadenversicherungen (Financial Lines).
Dr. Rüdiger Theiselmann
ist geschäftsführender
Gesellschafter der Huckberg GmbH in Frankfurt
am Main. Zugleich ist er
als Rechtsanwalt und
Partner der Sozietät
Theiselmann & Cie. auf
die juristische Beratung von Vorständen, Geschäftsführern und Aufsichtsräten spezialisiert.
Er verfügt über Erfahrungen im operativen Management kapitalmarktorientierter Großunternehmen sowie in der Aufsichtsratspraxis und ist
als Organmitglied tätig. Diese Kenntnisse bringt
er in das Business Judgment Advisory ebenso
ein, wie seine fachliche Expertise aus der Finanzbranche und aus der Restrukturierungspraxis.
Parallel lehrt Dr. Rüdiger Theiselmann über
Rechtsfragen für Manager an der Universität zu
Köln und hat zahlreiche Publikationen zu Fragen
der Organpflichten und Haftung von Geschäftsleitern veröffentlicht.
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