Business Judgment Advisory: Neues Beratungsund Haftungsübernahmeangebot für Manager Für Geschäftsführer und Vorstände von Großunternehmen, die risikoträchtige Entscheidungen beispielsweise über eine M&A-Transaktion, eine Großinvestition, eine Kapitalmaßnahme oder eine Sonderabschreibung treffen müssen, gibt es nun ein neuartiges Angebot, das persönliche Haftungsrisiken ausschließt: „Business Judgment Advisory“. Wie es funktioniert, erläutern Sebastian Klapper und Dr. Rüdiger Theiselmann im BOARD TV Interview. Was ist Business Judgment Advisory? Theiselmann: Es handelt sich um eine Entscheidungsberatung für Vorstände und Geschäftsführer, kombiniert mit einer vollständigen Haftungsfreistellung im Innenverhältnis zur Gesellschaft. Als strategische Berater mit anwaltlichem und betriebswirtschaftlichem Hintergrund sowie eigener Erfahrung im operativen Management kapitalmarktorientierter Unternehmen begleiten wir Geschäftsleiter bei einer Großtransaktion, indem wir die Entscheidung unter Berücksichtigung aller relevanten Aspekte vorbereiten. Wir validieren die Erkenntnisse sämtlicher Berater der Gesellschaft und sprechen eine Empfehlung aus. Wenn dieser gefolgt wird, sind die Geschäftsleiter letztlich frei von persönlicher Haftung. Ist das denn nicht die typische D&O-Versicherung in etwas anderer Form? Theiselmann: Unsere Lösung zielt in erster Linie darauf ab, eine Haftung schon im Ansatz zu vermeiden – und nicht nur eine Absicherung für den Schadensfall zu bieten. Wir bei Huckberg versetzen uns in die Perspektive der Geschäftsleitung, prüfen das Vorliegen aller erforderlichen Informationen und würdigen sämtliche Aspekte, die die Geschäftsleitung rechtlich verpflichtend würdigen muss. Zudem dokumentieren wir für den Fall eines Rechtsstreits jeden Schritt des Entscheidungsprozesses und dessen Grundlagen; dies ist für Organmitglieder aus Gründen der Darlegungs- und Beweislast bedeutsam. Im Kern geht es uns darum, mit Business Judgment Advisory zu einer informierten Entscheidung beizutragen. Sollte wider Erwarten ein Haftungsfall eintreten, übernimmt Huckberg das Risiko der Geschäftsleiter vollständig. 8 Wie funktioniert das versicherungstechnisch? Klapper: Huckberg als Entscheidungsberaterin schließt mit der Geschäftsleitung und der Gesellschaft einen Vertrag, wonach sie die uneingeschränkte Haftungsfreistellung zugunsten der Gesellschaft für den Fall erklärt, dass der Handlungsempfehlung uneingeschränkt gefolgt wird. Für dieses Risiko werden zum einen Huckberg und zum anderen die Geschäftsleiter durch gespiegelte Projektpolicen Finlex GmbH / Huckberg GmbH – Frankfurt am Main, 2016 1 für die konkrete Transaktion versichert. Im Hintergrund steht ein Konsortium namhafter Versicherer. Warum kollidiert dies nicht mit der ohnehin bestehenden D&O-Versicherung? Klapper: Weil es sich um eine passgenaue Ergänzung zu der allgemeinen D&O-Versicherung handelt. Die Projektpolicen im Hinblick auf Business Judgment Advisory gelten nur in Bezug auf die konkrete Transaktion – am Beispiel einer M&A-Transaktion heißt das auf Erwerberseite: für Pflichtverletzungen zwischen dem Abschluss des Versicherungsvertrags und dem Signing. Kommt es zu einem Schaden, ist die Projektpolice vorrangig. Für die Sondersituation wird die jährliche Konzern-D&O entsprechend entlastet. Wie kann denn im Voraus festgelegt werden, wie hoch die Deckungssumme ist? Theiselmann: Nehmen wir eine M&A-Transaktion als Beispiel. Der Wert der Zielgesellschaft lässt sich indikativ ermitteln. Auf Basis von Erfahrungswerten und der vorliegenden Unterlagen schätzen wir daraufhin mit Expertenhilfe ein, wie hoch die maximale Abweichung vom tatsächlichen Wert sein und in welchem Umfang es zu weitergehenden Vermögensschäden kommen könnte. Auf dieser Basis einigen sich die Vertragsparteien auf eine Deckungssumme. Was passiert dann im Schadensfall? Klapper: Falls die Geschäftsleitung trotz der Entscheidungsberatung pflichtwidrig gehandelt hat und dies durch ein rechtskräftiges Urteil festgestellt wurde, übernimmt die Huckberg GmbH gegenüber der Gesellschaft die Haftung für sämtliche Ansprüche, die sie gegen den Geschäftsleiter hat. Die im Hintergrund stehenden Versicherer wiederum stellen die Huckberg GmbH von dieser Haftung frei. Wie geht Huckberg vor, wenn Geschäftsleiter gerichtlich in Anspruch genommen werden? Theiselmann: Huckberg verpflichtet sich vertraglich, den Geschäftsleitern auf deren Wunsch im Fall eines Rechtsstreits mit der Gesellschaft als Streithelfer beizutreten und zudem alle Rechtsverteidigungskosten zu tragen. Damit werden die Geschäftsleiter „aus der Schusslinie“ genommen, weil Huckberg vor Gericht auftritt und die Prozesshandlungen vornimmt. Im Hintergrund erfolgt eine enge Abstimmung mit den Geschäftsleitern. Über welchen Zeitraum gilt die Haftungsfreistellung? Klapper: Der Versicherungsvertrag läuft typischerweise 12 Monate ab dem Zeitpunkt, in dem Huckberg die Beratungstätigkeit aufgenommen hat und geht vier Wochen über das Signing hinaus. Daraufhin folgt eine Nachmeldefrist von zehn Jahren, also für den gesetzlichen Verjährungszeitraum. Sind auch Krisenfälle und Insolvenzsachverhalte versichert? Theiselmann: Business Judgment Advisory gilt – wie sich aus der Bezeichnung ergibt – für Situationen, in denen unternehmerische Entscheidungen unter Unsicherheit zu treffen sind. In Krisenfällen sind hingegen meist gebundene Entscheidungen zu treffen. Für die Beratung in solchen Situationen gibt es andere Spezialisten. Ist bei AG-Vorständen der gesetzliche Selbstbehalt in Höhe von 10% des Schadens und bis mindestens zur Höhe des anderthalbfachen Jahresfixgehalts ebenfalls versichert? Klapper: Sofern eine Selbstbehalt-D&O bereits besteht, genügt eine Ergänzung im Versicherungsschein. Ansonsten empfehlen wir den Abschluss einer SelbstbehaltD&O als Ergänzung zu den Projektpolicen. Was geschieht, wenn der Schaden höher ist als die vereinbarte Deckungssumme? Warum braucht es eine Business Judgment Advisory, wenn Geschäftsleiter ja ohnehin versichert sind und zudem auch für ihr Risiko bezahlt werden? Klapper: In diesem unwahrscheinlichen Fall haftet die Huckberg GmbH, für die eine eigene Haftpflichtversicherung ergänzend besteht. Theiselmann: Dass wir Geschäftsleitern ihr Risiko abnehmen, reflektiert die deutlich gestiegene Haftungsträchtigkeit ihrer Aufgaben. Gerade in börsennotierten Board TV – Frankfurt am Main, 2016 2 Großunternehmen erreichen Transaktionen und Investitionen mittlerweile oft Größenordnungen, die bei einem Fehlschlag existenzielle Folgen haben können sowohl für das Unternehmen als auch das Management – für letzteres nicht nur finanziell, sondern auch reputatorisch. Damit es dazu gar nicht erst kommt, ist eine informierte und durch einen neutralen Dritten validierte sowie dokumentierte Entscheidung dienlich. Klapper: Versicherungstechnisch gilt die allgemeine D&O-Versicherung ja generell für schuldhafte Pflichtverletzungen und unterliegt aufgrund der jährlichen Verlängerung einem immanenten Änderungsrisiko. Eine Projektpolice hingegen, die nur spezielle Risiken der einzelnen Transaktion versichert, wirkt daher ergänzend und birgt zudem kein Änderungsrisiko für die Geschäftsleiter. Vielen Dank für das Gespräch, Herr Klapper und Herr Dr. Theiselmann. Sebastian Klapper ist geschäftsführender Gesellschafter der FINLEX GmbH in Frankfurt am Main. Als Betriebswirt und Wirtschaftsjurist ist er auf die Beratung von Geschäftsleitern hinsichtlich deren Haftung und der Strukturierung des entsprechenden Risikotransfers spezialisiert. Er war zuvor bei einem Großmakler aus Frankfurt in verschiedenen Leitungsfunktionen tätig und sammelte Erfahrung im Bereich Risikomanagement als Berater von Banken und Finanzdienstleistern in London, UK. Hervorzuheben sind seine Erfahrung, Expertise und Umsetzungskompetenz bei der Beratung, Strukturierung und Platzierung von Versicherungslösungen insbesondere bei Kapitalmarkt- und Transaktionsrisiken (Börsengänge, Anleiheemissionen, Unternehmenskäufe, Fusionen, Spin-Offs u.ä.). FINLEX ist ein Spezialversicherungsmakler mit dem Fokus auf Vermögensschadenversicherungen (Financial Lines). Dr. Rüdiger Theiselmann ist geschäftsführender Gesellschafter der Huckberg GmbH in Frankfurt am Main. Zugleich ist er als Rechtsanwalt und Partner der Sozietät Theiselmann & Cie. auf die juristische Beratung von Vorständen, Geschäftsführern und Aufsichtsräten spezialisiert. Er verfügt über Erfahrungen im operativen Management kapitalmarktorientierter Großunternehmen sowie in der Aufsichtsratspraxis und ist als Organmitglied tätig. Diese Kenntnisse bringt er in das Business Judgment Advisory ebenso ein, wie seine fachliche Expertise aus der Finanzbranche und aus der Restrukturierungspraxis. Parallel lehrt Dr. Rüdiger Theiselmann über Rechtsfragen für Manager an der Universität zu Köln und hat zahlreiche Publikationen zu Fragen der Organpflichten und Haftung von Geschäftsleitern veröffentlicht. Board TV – Frankfurt am Main, 2016 3
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