Noch bis am 10. April 2016 ist im Linden-Museum in Stuttgart eine Ausstellung über die Welt des Schattentheaters zu sehen. Thailand und seine Tradition des "Nang thalung" sind darin ebenso vertreten wie andere Länder, die in diesem Zusammenhang nicht unbedingt zu erwarten sind. Das Schattenspiel gehört in Thailand zum kulturellen Bereich von Tanz und Tanztheater, die wiederum eng verknüpft sind mit der Bildenden Kunst und der Erzählwelt des Landes. Tanz und Theater haben sich im Verlauf der geschichtlichen Entwicklung Thailands zu einem Kunstschaffen eigener Prägung verdichtet. Die Pflege von Tanz und Theater hing weitgehend von den Interessen und Impulsen der jeweiligen Monarchen ab. Die Ursprünge des thailändischen Tanzes im engeren Sinn wie ein Teil der erzählerischen Überlieferungen reichen nach Indien zurück. Die Vorbilder folgten entweder direkt den Handelsrouten zwischen Indien und Thailand oder wurden indirekt über Reiche vermittelt, die ihrerseits von Indien beeinflusst waren (die Königreiche von Java und Sumatra, das Angkor-Reich der Khmer, die buddhistische Tradition Sri Lankas).1 1 Hintergrundinformationen zum Thema finden sich bei Mattani Mojdara Rutnin: Dance, Drama, and Theatre in Thailand - The Process of Development and Modernization. Silkworm Books, Chiang Mai 1996. Volkstanz (ten rabam) Jede der vier Regionen Thailands hat ihre eigenen Volkstänze. Sie widerspiegeln die Erfahrungen der ländlichen Bevölkerung (Reisanbau und -ernte) und werden anlässlich der traditionellen Feste religiösen und weltlichen Charakters von Einzelpersonen und Tanzgruppen dargeboten. Touristen dürfen bei einem dieser Tänze, nämlich dem Ram Wong, gerne mittun; dieser Tanz wurde erst von der Regierung des Premierministers Phibun Songkhram während des Zweiten Weltkriegs angeregt, um den westlichen Gesellschaftstänzen sowie dem höfisch geprägten Tanz etwas Eigenständiges entgegenzusetzen. Klassischer Tanz (nahtasin) Der klassische Tanz beruht auf den Bewegungen des Volkstanzes und dem indischen Tanz (Bharata Natayasastra). Im thailändischen Tanz bleibt die Körperachse zwischen Nacken und Hüften in der Regel gerade und bewegt sich durch das Beugen der Knies auf- und abwärts. Arme und Hände führen schlangenartige Bewegungen aus. (Im indischen Tanz werden die Körper oft s-förmig bewegt.) Der klassische Tanz ist schon in den Inschriften aus der SukhothaiPeriode erwähnt. Gegen Ende der Ayuthaya-Zeit, also in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, erreichte der klassische höfische Tanz seinen Höhepunkt. Die Tradition wurde in den späteren Perioden der thailändischen Geschichte, vornehmlich am Königshof, fortgesetzt. Bei der Eroberung Ayuthayas durch die Birmanen im Jahre 1767 wurden zahlreiche Mitglieder der königlichen Tanztruppe nach Birma verschleppt, die dort die birmanische Tanztradition beeinflusste. Einige der Tänzer und Tanzlehrer führten den klassischen Tanz an den Königshöfen von Thonburi und Bangkok weiter. Heute wird der klassische Tanz an mehreren Tanzhochschulen Thailands unterrichtet. Maskentanz (khohn) Auch der Maskentanz war schon in der Sukhothai-Periode bekannt. Die dramatisierten Geschichten des Maskentanzes beruhen meistens auf dem Ramakien (thailändische Version des indischen Ramayana-Epos)2 und erzählen vom Sieg des Guten über das Böse und von der Wiederherstellung der kosmischen Ordnung. Die Beinbewegungen sind (im Gegensatz zum klassischen Tanz) wichtiger als die Gesten von Armen und Händen. Beliebte Höhepunkte sind Schlachtszenen, wobei die Darsteller über Kampfsporterfahrung verfügen müssen, um das Kriegshandwerk früherer Zeiten möglichst realitätsnah nachzustellen. Jeder Tänzer ist auf einen Charakter festgelegt und hat ein neun- bis zehnjähriges Training für die Darstellung seiner Rolle hinter sich. Die einzelnen Charaktere unterscheiden sich durch ihre spezifischen Körperhaltungen und Tanzposen. Die Haupttypen des Khohn-Tanztheaters mit Masken sind: menschliche oder göttliche Wesen männlichen Geschlechts, Göttinnen, Prinzessinnen oder hochgestellte Frauen, kräftige Dämonen sowie Affen (für das Affenheer Hanumans). Seit den dreissiger Jahren des letzten Jahrhunderts sind auch Frauen für die Darstellung von weiblichen Figuren zugelassen. Der Maskentanz, eine Art hinduistisches Ritualtanz-Drama, wird häufig in den Dienst der politischen Erziehung oder Indoktrination gestellt und ist deshalb eine entsprechend seriöse Angelegenheit. Das Maskentanz-Training ist auf allen Ebenen der schulischen und universitären Bildung recht populär. Khohn-Masken werden übernatürliche Kräfte zugeschrieben und deshalb von den Tänzern hochverehrt. Die Darsteller tragen kostbare und kunstvoll gestaltete Kostüme, deren Herstellung manchmal bis zu einem Jahr dauert. Am linken Rand der Szene 2 Eine Zusammenfassung findet sich hier: http://thaihom.ch/fileadmin/thom/filemounts/PDF/Literatur_Teil_2_Ramakien.pdf © Thaihom Enterprises und Josef Burri - Die Spezialisten für Kultur und Geschichte 2016 2 begleiten die Musiker des Pie-phath-Ensembles sowie Sängerinnen, Sänger und Sprecher die Bewegungen der Tänzer auf der Bühne. Der thailändische Maskentanz, vergleichbar in etwa mit dem japanischen Noh-Theater, hat in den letzten Jahrzehnten etwas von seinem Glanz verloren, da der Aufwand für hochstehende Aufführungen sehr gross ist und in keinem angemessenen Verhältnis zum kommerziellen Ertrag steht. Besonders verdient gemacht für die Erhaltung und Weiterentwicklung des thailändischen Khohn-Tanzes hat sich eine von Königin Sirikit ins Leben gerufene Stiftung (Her Majesty the Queen's Support Foundation). Schattenspiel (nang thalung) Eine Sonderform des Khohn-Tanztheaters ist das Schattenspiel (nang thalung) mit kunstvollen, scheibenartigen Figuren aus Rinds- und Büffelleder (nang), die wie ein (teilweise farbiger) Scherenschnitt aus Pergament aussehen. Der Name ist abgeleitet von "Phatthalung", einer südlichen Provinz, wo das Schattenspiel heimisch war. Zwischen einer Lichtquelle (früher ein Feuer aus Kokosnussschalen) und einer hellen Leinwand bewegen die Spieler die Figuren entsprechend der Handlung. Im Schattenspiel mit grossen, bis zu sieben Kilo schweren Figuren (nang yai) wird jede einzelne von einem mit körperlicher Agilität ausgestatteten Spieler bewegt. Besteht das Schattenspiel aus kleineren Figuren, so kann ein Spieler auch mehrere Figuren bedienen. Das Publikum sitzt auf der anderen Seite der Leinwand und sieht darauf die Schattenrisse der Figuren, im Nang yai auch die Schattenrisse der Köpfe der Spieler. Links und rechts der Leinwand befinden sich die Musiker und Chorsänger sowie der SpreRama versucht, Kumbhakarnas Zaubercher, der durch die Handlung führt. Heutzutage bespeer aus dem Körper seines Bruders zu ziehen. © Copyright Linden-Museum Stuttgart, nutzen die Schattenspieler elektrisches Licht, MikFoto A. Dreyer rophone und Lautsprecher. Das „klassische“ Orchester (bestehend aus Pie, Thap, Ching, MessingGong oder Mong, Krab, Kloong, Sooh-uh) wird durch moderne Instrumente (elektrische Gitarre, Keyboard, Saxophon und andere) ergänzt. Das Schattenspiel und das Linden-Museum in Stuttgart Das Linden-Museum in Stuttgart besitzt eine Sammlung von 75 Bildscheiben für das thailändische Nang-Yai-Schattenspiel. Ein kleiner Teil davon ist in der Ausstellung unter dem Titel "Die Welt des Schattentheaters von Asien bis Europa" zu sehen (noch bis am 10. April 2016). Neben Thailand sind auch Indonesien, Südindien, China, Ägypten, die Türkei und Griechenland in der Ausstellung vertreten. Eine 184 Seiten starke Publikation, herausgegeben von Jasmin li Sabai Günther und Inés de Castro, beleuchtet die Entwicklung, die Technik und die Erzählinhalte des Schattentheaters (Linden-Museum Stuttgart und Hirmer Verlag, München 2015). Wer sich in Thailand für Schattenspielfiguren interessiert, sollte unbedingt das Museum im Wat Khanon (Tambon Soifa, Amphoe Photharam, Provinz Ratchaburi) besuchen. Dort finden auch Aufführungen statt (jeweils am Samstag zwischen 10 und 11 Uhr). Eine schöne Sammlung mit Figuren aus dem NangYai zeigt der King Rama II Memorial Park in Amphawa. Beide Orte lassen sich gut innerhalb eines Tages besuchen, am besten an einem Samstag, weil es dann auch in Amphawa viel zu sehen gibt. © Thaihom Enterprises und Josef Burri - Die Spezialisten für Kultur und Geschichte 2016 3 Früher bildeten die Vorführungen des Schattentheaters einen angenehmen Zeitvertreib während den tage- oder wochenlangen Totenzeremonien von hoch gestellten Persönlichkeiten, wobei dann vor allem Heldengeschichten aus dem Ramakien nacherzählt wurden. Heute widmen sich nur noch wenige Truppen vorwiegend im Süden und Nordosten des Landes dieser Form des thailändischen Dramas. Dennoch behauptet sich das Schattenspiel trotz einer Vielzahl von anderen Unterhaltungsangeboten und erneuert und verändert sich ständig. Inhaltlich stützen sich die Schattenspieler auf das überlieferte Erzählgut, flechten aber auch neuzeitliche Themen wie AIDS oder Drogen in die Geschichten ein. „Moderne“ Charaktere benutzen Telefone, Autos und Flugzeuge. Besonders beliebt beim Publikum sind die komischen und grotesken Figuren, die auf Themen „unterhalb der Gürtellinie“ spezialisiert sind: Sexualität, Fruchtbarkeit, Verdauung. Sie durchbrechen die Regeln von Anstand und Respekt und kommentieren das politische Geschehen aus der Perspektive des einfachen Volkes. Sie machen sich über korrupte Praktiken lustig und persiflieren sexuelle Vorlieben und Verhaltensweisen. Mit dem Lachen entledigte sich früher die ländliche Bevölkerung der täglichen Furcht vor den Mächtigen und ihren Drohungen. Das ländliche Schattenspiel verfügte auch über die magische Kraft, böse Geister zu bändigen oder für den erwünschten Nachwuchs bei einem jungen oder nicht mehr ganz jungen Paar zu sorgen. Insbesondere dem Clown wurden übernatürliche Fähigkeiten zugeschrieben, die bei der Bewältigung der Lebensprobleme nützlich sein konnten. Das thailändische Schattenspiel lebt von dieser Tradition, hat aber den Sprung in ein urbanes Milieu geschaffen. Die Puppenspieler, Sprecher und Musiker eines Ensembles gehören oft derselben Familie an, und die Kunst des Schattenspiels wird innerhalb der Familie weitergegeben. Das thailändische Schattenspiel geht nach Meinung der einen Experten auf javanische und balinesische Vorbilder (wayang kulit) zurück und wäre wahrscheinlich gegen Ende der AyuthayaPeriode eingeführt worden. Andere Experten vermuten einen indischen Ursprung und sprechen von einem viel höheren Alter. Für diese These spricht, dass der Süden, wo das Schattenspiel eine lange Tradition hat, über Jahrhunderte starken indischen Einflüssen ausgesetzt war. Verbindung von Schattenspiel und Kunst: Chusak Srikwan (1983 im südlichen Songkla geboren), Kaulapapruk, 2010, Leather carving. Der Künstler hat sich intensiv mit dem Schattenspiel auseinandergesetzt. Die Installation war 2015 in der Saatchi Gallery in London zu sehen. © Thaihom Enterprises und Josef Burri - Die Spezialisten für Kultur und Geschichte 2016 4 Manora Die rührende und melodramatische Geschichte von Manora (sprich: Manohra oder abgekürzt Nohra) ist im thailändischen Drama (Tanz und Theater) seit langer Zeit sehr populär. Ihr Alter wird auf 500 bis 700 Jahre geschätzt. Es existieren zwei Versionen der Geschichte, wobei die erste weit über Thailand hinaus bekannt ist: In Vollmondnächten pflegen sieben Prinzessinnen in einem Waldsee ein Bad zu nehmen. Es sind die Töchter eines Königs aus dem Himalaja. Sie haben ein Vogelkleid, das sie während des Bades ablegen. Eines Nachts entdeckt ein Jäger die Vogelprinzessinnen, und er bemächtigt sich mit der Hilfe des Schlangengottes der jüngsten Prinzessin namens Manora. Schwanz und Flügel muss sie am Ufer zurücklassen. Der Jäger bringt die bildhübsche Prinzessin an den Hof seines Königs, wo sich Prinz Suthon in das Mädchen verliebt und es heiratet. Der Prinz kümmert sich im Auftrag seines Vaters um die Krieger und gibt Manora während seiner Abwesenheit in die Obhut der Eltern. Der König hat einen schlechten Traum, und ein bösartiger Mitarbeiter des Hofes rät ihm, dass von jeder Tierart ein Mitglied den Göttern geopfert werden müsse, einschliesslich der Vogelprinzessin Manora; sonst wäre er selbst des Todes. Alles Bitten und Betteln nützt nichts. Eine einzige Bitte gewährt ihr der König und Schwiegervater: Sie darf zum letzten Mal im Federschmuck tanzen. Doch damit kann sie sich in die Lüfte erheben und fliehen. Suthon kehrt nach Hause zurück und erfährt von dem Ereignis. Sogleich macht er sich auf in die Berge, um seine Frau zu wiederzufinden. Sieben Jahre, sieben Monate und sieben Tage ist er unterwegs und muss unzählige Abenteuer bestehen, bis er endlich in das Reich des Vogelkönigs gelangt. Nun steht Suthon vor der letzten Bewährungsprobe. Alle sieben Prinzessinnen gleichen sich aufs Haar. Falls es Suthon gelingt, seine einzig geliebte Prinzessin auf Anhieb zu erkennen, soll er sie endgültig zur Frau erhalten. Suthon besteht die Prüfung mit einer List. Manora hatte ihm nämlich bei einem Einsiedler einen Ring hinterlassen, den Suthon die ganze Zeit seiner langen Suche bei sich getragen hatte und den er ihr gerade noch rechtzeitig zukommen lassen kann. So geht er bei der Prüfung zielstrebig auf seine Frau zu, die eben diesen Ring trägt. Bald darauf findet im Himalaja ein prächtiges Hochzeitsfest statt. Im Süden Thailands kursiert eine andere, lokale Version der Manora-Geschichte: Ein König setzt seine Tochter Nora auf einem Floss aus, weil sie auf übertriebene Art getanzt hat (in einer Variante: weil sie schwanger wurde). Ein Engel weist die Tochter an, vom Lotus-Blütenstaub zu essen. Darauf gebiert sie auf einer Insel einen begabten Sohn, den sie in kunstvollem Tanz unterrichtet. Später kehrt der Sohn ins Königreich seines Grossvaters zurück, der ihm den Ehrentitel „Khun Sisattha“ verleiht und ihm prächtige Tanzkostüme schenkt. Rund um den Songkla-See, besonders in der Provinz Phathalung, treten Manora-Theatertruppen auf, deren Gründer sich auf Khun Sisattha berufen. Früher waren die Darsteller, Sänger und Musiker ausschliesslich Männer. Heute sind Frauen auch als Leiterinnen und als Darstellerinnen tätig, während die Musiker meistens noch immer männlich sind. Einige der Tänzer oder Tänzerinnen geraten vor oder während den Aufführungen in Trance. Sie sind von Geistern besessen und sprechen in ihrem Auftrag. Meistens sind es verstorbene Verwandte, die aus dem Mund der Besessenen sprechen. Aber auch die Brahmanen-Götter, Khun Sisattha, Manora selbst, buddhistische Mönche oder Figuren aus der thailändischen Geschichte können sich auf diese Weise äussern. Die Manora-Truppen treten, wie auch die Schattenspielgruppen, bei verschiedenen Gelegenheiten auf: bei der Kremation von Verstorbenen, der Ordination von Mönchen und auf Tempelmärkten zum Beispiel. Die Kunst des südthailändischen Nora-Tanzes wird innerhalb der Familie sowie an Schulen weitervermittelt. Besonders qualifizierte Nora-Darsteller führen auch religiöse und rituelle Zeremonien durch. © Thaihom Enterprises und Josef Burri - Die Spezialisten für Kultur und Geschichte 2016 5 Tanztheater (lakhon) Das thailändische Tanztheater (lakhon) greift ursprünglich auf die Jataka-Geschichten zurück: Sie erzählen von früheren Leben Buddhas mit Romanzen und Abenteuern von Königen und Prinzessinnen. Im Verlaufe der Entwicklung des Tanztheaters wurden auch andere Inhalte oder Quellen berücksichtigt, bis hin zur thailändischen Umformung von westlichen Theaterstücken. Auch in den Melodien, Rhythmen und Gesangstexten passte sich das Tanztheater dem modernen Lebensgefühl an. Die moralischen Intentionen des Tanztheaters richten sich nach dem buddhistischen Weltbild. Das Lieben und Leiden an Königshöfen und beim gewöhnlichen Volk sind bevorzugte Themen. In Abgrenzung zum Maskentanz bewegen die Darsteller des Tanztheaters mehr die Hände und Arme, weniger die Beine und Körper. Die Art der Darstellung reicht von graziös und lieblich (im höfisch geprägten Tanztheater) bis hin zu drastischer Komik (im Volkstanztheater). Die Hauptarten des Tanztheaters sind: das Tanzdrama (lakhon ram) mit poetischen Erzähltexten, die von Solisten und Chor gesungen werden, und gesprochenen Prosatexten; die Operette (lakhon roong) mit Erzähltexten, die vom Chor gesungen werden, und gesungenen oder gesprochenen Dialogen der Darsteller; das Sprechdrama (lakhon phuht) in Reimform oder Prosa. Eine Weiterentwicklung sind die thailändischen Soaps am Fernsehen (lakhon thorathat). Die Ausbildung für das Tanzdrama beginnt schon in der Kindheit und geht bis zur Hochschulreife an der Tanzhochschule. Die Darsteller des Sprechdramas sind oft Autodidakten. Likeh-Tanzdrama Das Likeh-Tanzdrama hat verschiedene Vorläufer, die sich zu einer neuen Form verdichtet haben: das Volkstanztheater in mehreren Ausprägungen (lakhon chahtrie, lakhon nohk) sowie den religiösen Sprechgesang einer malaysischen Muslim-Sekte in Südthailand. Das Likeh-Tanzdrama beginnt gewöhnlich mit dem Auftritt eines Komödianten, der in Kleidung, Tonfall, Tanz und Gesang einen Inder parodiert. Damit ist schon ausgedrückt, worum es im Likeh-Tanzdrama eigentlich geht, nämlich das Publikum mit allen Mitteln zum Lachen zu bringen. Männliche und weibliche Gesangsdarsteller necken einander, oft mit sexuellen Anspielungen oder Zweideutigkeiten. Der Körper bewegt sich leicht schwingend, und auch die Gesten sind einfach. Ursprünglich lehnten sich die Kostüme an den malaysischen und indischen Bekleidungsstil an, mit einem deutlichen Hang zur Übertreibung. Heute ist die Kleidung, zumindest bei den Darstellerinnen, meistens westlich, wobei die Zuspitzung und die Parodie als wichtige Zutaten geblieben sind. Das Erzähltempo ist hoch, wobei sich die Darsteller an ein Script halten, aber auch frei improvisieren können. Das volksnahe und humoristische Likeh-Tanzdrama hat in Thailand zwar etwas an Schwung verloren, lebt jedoch bis heute weiter. Berühmte Schauspielerinnen und Schauspieler stellen sich in den Dienst der Likeh-Unterhaltung und vermögen dadurch ihre Popularität noch zu steigern. Allerdings hat die Artistik des früheren Likeh-Tanzdramas gelitten. Puppenspiel (hun) Das Puppenspiel erscheint hauptsächlich in drei Formen, je nach der Art der Marionetten: Beim Faden-Puppenspiel werden die Figuren fast unsichtbar an Fäden bewegt, die von unten durch den hohlen Körper geführt sind, so dass die Illusion eines Theaters mit lebenden Darstellern entsteht. Für das Königs-Puppenspiel (hun luang) werden Fadenpuppen verwendet, die etwa einen Meter gross sind und den Figuren des klassischen Hoftheaters nachgebildet sind. Beim Stab-Puppenspiel (hun krabohk) werden die Figuren nur an den Armen mit Stäben bewegt. Diese Form mit wenig Musik und viel Dialog spricht vor allem Kinder an. Für ein breiteres Publikum und für Touristen arbeiten mehrere Puppenspiel-Gruppen (hun lek): Joe Louis Puppet © Thaihom Enterprises und Josef Burri - Die Spezialisten für Kultur und Geschichte 2016 6 Troupe3, Aksra Hoon Lakorn Lek und die in Chiang Mai beheimatete Hobby Hut Puppet Troupe. Das Königs-Puppenspiel trat nach der Herrschaft von König Rama VI. einen langen Winterschlaf an, wurde aber ab 1992 dank einer Initiative des Kulturdepartements zu neuem Leben erweckt. 3 Siehe http://www.joelouistheatre.com/eng/ © Thaihom Enterprises und Josef Burri - Die Spezialisten für Kultur und Geschichte 2016 7
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