full text ( / 2.174 KB)

Berg, Margit; Werner, Birgit
PRIMA®Sprache – vergleichende Analysen zum Sprachverständnis bei
Schülern der Klasse 3/4 an Grund-, Sprachheil- und Förderschulen
Sallat, Stephan [Hrsg.]; Spreer, Markus [Hrsg.]; Glück, Christian W. [Hrsg.]: Sprache professionell fördern.
Idstein : Schulz-Kirchner Verlag 2014, S. 74-82
Empfohlene Zitierung/ Suggested Citation:
Berg, Margit; Werner, Birgit: PRIMA®Sprache – vergleichende Analysen zum Sprachverständnis bei
Schülern der Klasse 3/4 an Grund-, Sprachheil- und Förderschulen - In: Sallat, Stephan [Hrsg.]; Spreer,
Markus [Hrsg.]; Glück, Christian W. [Hrsg.]: Sprache professionell fördern. Idstein : Schulz-Kirchner Verlag
2014, S. 74-82 - URN: urn:nbn:de:0111-pedocs-118685
Nutzungsbedingungen
Terms of use
Gewährt wird ein nicht exklusives, nicht übertragbares, persönliches und
beschränktes Recht auf Nutzung dieses Dokuments. Dieses Dokument ist
ausschließlich für den persönlichen, nicht-kommerziellen Gebrauch bestimmt.
Die Nutzung stellt keine Übertragung des Eigentumsrechts an diesem
Dokument dar und gilt vorbehaltlich der folgenden Einschränkungen: Auf
sämtlichen Kopien dieses Dokuments müssen alle Urheberrechtshinweise und
sonstigen Hinweise auf gesetzlichen Schutz beibehalten werden. Sie dürfen
dieses Dokument nicht in irgendeiner Weise abändern, noch dürfen Sie dieses
Dokument für öffentliche oder kommerzielle Zwecke vervielfältigen, öffentlich
ausstellen, aufführen, vertreiben oder anderweitig nutzen.
Mit
der
Verwendung
dieses
Dokuments
erkennen
Sie
die
Nutzungsbedingungen an.
We grant a non-exclusive, non-transferable, individual and limited right to
using this document.
This document is solely intended for your personal, non-commercial use. Use
of this document does not include any transfer of property rights and it is
conditional to the following limitations: All of the copies of this documents must
retain all copyright information and other information regarding legal
protection. You are not allowed to alter this document in any way, to copy it for
public or commercial purposes, to exhibit the document in public, to perform,
distribute or otherwise use the document in public.
By using this particular document, you accept the above-stated conditions of
use.
Kontakt / Contact:
peDOCS
Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF)
Informationszentrum (IZ) Bildung
E-Mail: [email protected]
Internet: www.pedocs.de
Inhalt
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis ...................................................................................................................... 7
EINFÜHRENDE HAUPTBEITRÄGE
Stephan Sallat, Markus Spreer, Christian W. Glück
Sprache professionell fördern: kompetent-vernetzt-innovativ............................................... 14
Marcus Hasselhorn, Stephan Sallat
Sprachförderung zur Prävention von Bildungsmisserfolg ....................................................... 28
Julia Siegmüller
Forschung und Praxis der Kindersprachtherapie in den letzten 30 Jahren: Annahmen zu
Wirkmechanismen der therapeutischen Intervention ............................................................ 40
THEMENBEREICH KOMPETENZ
Sprachförderung in der Kita
Susanne van Minnen
SAuS - Sprache in Alltag und Spiel kompetent fördern ........................................................... 54
Gudrun Hagge
IPK - Intensiv-Präventions-Kurse in Schleswig-Holstein im Kreis Rendsburg-Eckernförde...... 61
Andrea Fuchs, Christiane Miosga
Eltern-Kind-Interaktionen mit Bilderbüchern und / oder Tablet PC? ...................................... 66
Unterricht
Margit Berg, Birgit Werner
PRIMA®Sprache – vergleichende Analysen zum Sprachverständnis bei Schülern der Klasse
3/4 an Grund-, Sprachheil- und Förderschulen ....................................................................... 74
Markus Spreer
„Schlage nach und ordne zu!“ Bildungssprachlichen Anforderungen im
(sprachheilpädagogischen) Unterricht kompetent begegnen................................................. 83
Anja Schröder
Förderung mathematischen Lernens mit Kindern mit Spracherwerbsstörungen ................... 91
Lesen und Schreiben lernen
Hubertus Hatz, Steffi Sachse
Differenzielle Effekte des schriftsprachlichen Anfangsunterrichts ....................................... 100
Reinhard Kargl, Christian Purgstaller, Andreas Fink
Morphematik im Kontext der Rechtschreibförderung – Chancen und Grenzen eines
besonders effizienten Förderansatzes .................................................................................. 107
Karin Reber, Michael Kirch
Richtig schreiben lernen: Kompetenzorientierter, inklusiver Rechtschreibunterricht.......... 114
Inhalt
Arbeit mit Texten
Michael Kalmár
Die LeseCheckBox des Stadtschulrates für Wien .................................................................. 122
Susanne Wagner, Christa Schlenker-Schulte
Sprach-, Lese- und Schreibförderung mit Dialog Journalen .................................................. 129
Susanne Scharff, Susanne Wagner
Textoptimierung als Nachteilsausgleich für Kinder und Jugendliche mit Hör/Sprachbehinderungen ......................................................................................................... 134
Kommunikative Prozesse
Bettina Achhammer
Förderung pragmatisch-kommunikativer Fähigkeiten bei Kindern - Eine
gruppentherapeutische Intervention mit Methoden des Improvisationstheaters ............... 142
Sandra Schütz
Kommunikationsorientierte Aphasietherapie - Nette Plauderstunde oder evidenzbasierte
Intervention? ......................................................................................................................... 149
Förderkompetenzen entwickeln
Yvonne Adler
Sprachförderkompetenz entwickeln - aber wie? .................................................................. 156
Detta Sophie Schütz
Die Language Route –Erzieherinnen als kompetente Sprachförderkräfte............................ 162
Margrith Lin-Huber
Sprachbiografische Reflexionen in sprachheilpädagogischen Praxisfeldern ........................ 169
Professionalisierung
Manfred Grohnfeldt
Die Sprachheilpädagogik und ihre Dozentenkonferenz ........................................................ 176
Ulrich von Knebel
“Sprache kompetent fördern”: Was macht sprachbehindertenpädagogische
Kompetenz aus? .................................................................................................................... 182
Anja K. Theisel
Qualitätsmerkmale des Unterrichts mit sprachbeeinträchtigten Kindern und
Schulleistungsentwicklung .................................................................................................... 189
Ute Schräpler
Sprachtherapeutische Praktika – Was können wir von der Schweiz lernen?........................ 196
THEMENBEREICH VERNETZUNG
Interdisziplinarität in der Kita
Susanne Krebs
Interdisziplinäre Zusammenarbeit im schulischen Kontext am Beispiel der logopädischen
Reihenuntersuchung (Triage) im Kindergarten ..................................................................... 204
Inhalt
Inklusive Schule
Ellen Bastians
Best Practice Beispiel: Sprachheilpädagogik in der Inklusion................................................ 214
Marcella Feichtinger, Angelika de Antoni, Christine Merhaut, Deniz Zink-Böhm-Besim
„Wiener Sprachheilschule“ integrativ und inklusiv ............................................................... 221
Christiane Miosga
„Diversity in speech“: LehrerInnenstimme(n) in der inklusiven Schule ................................ 228
Herausforderung genetishe Syndrome
Anke Buschmann, Stephan Schmid
Heidelberger Elterntraining zur Kommunikations- und Sprachanbahnung als WochenendWorkshop bei Kindern mit Deletionssyndrom 22q11 ........................................................... 238
Reiner Bahr
Herausforderung Asperger-Syndrom: Möglichkeiten und Grenzen der Förderung in der
Sprachheilschule und in inklusiven Settings .......................................................................... 244
Jeannine Baumann, Judith Beier, Irmhild Preisinger, Julia Siegmüller
Syndromspezifische Anpassungen an die Therapie der Wortfindungsstörung bei Kindern und
Jugendlichen mit Williams- Beuren- Syndrom. ..................................................................... 250
Herausforderung auditive Verarbeitung und Wahrnehmung
Vera Oelze
Ist kompetente Sprachförderung im Lärm möglich? ............................................................. 258
Michael Willenberg
Möglichkeiten der individuellen und schulischen Versorgung mit
elektronischen Hörhilfen ....................................................................................................... 265
Herausforderung unterstützte und unterstützende Kommunikation
Dorothee von Maydell, Heike Burmeister, Anke Buschmann
KUGEL: Kommunikation mit unterstützenden Gebärden – ein Eltern-KindGruppenprogramm zur systematischen Anleitung der engsten Bezugspersonen ............... 276
Andrea Liehs
Unterstützte Kommunikation in der Sprachtherapie - (Sprach-) spezifische Diagnostik bei
Kindern mit unzureichender Lautsprache ............................................................................. 283
Birgit Appelbaum
Gebärden / Handzeichen in der Arbeit mit sinnesbeeinträchtigten Menschen.................... 290
Interaktion in der Kita
Simone Kannengieser, Katrin Tovote
Frühe alltagsintegrierte Sprachförderung – die Fachperson-Kind-Interaktionen unter der
Lupe ....................................................................................................................................... 296
Stephanie Kurtenbach, Ines Bose
Sprachförderstrategien im Kita-Alltag - Analysen von Gesprächen zwischen Fachkräften und
Kindern .................................................................................................................................. 303
9
Inhalt
Ulrich Stitzinger
Bilinguale pädagogische Fachkräfte als vorteilhafte Ressource in der Arbeit mit
mehrsprachigen Kindern? ..................................................................................................... 311
THEMENBEREICH INNOVATION
Diagnostik und Förderung
Sandra Neumann, Sandra Salm, Prisca Stenneken
Evaluation des „Fokus auf die Kommunikation von Kindern unter sechs (FOCUS-G)“ als neues
ICF-CY Diagnostikum ............................................................................................................. 320
Wilma Schönauer-Schneider, Karin Reber
Schüler im Blick: Bausteine zur sprachheilpädagogischen Diagnostik IM Unterricht ........... 327
Ulla Licandro
Peerbeziehungen im Vorschulalter - Chancen für Sprachförderung und Sprachtherapie .... 335
Stephan Sallat
Musik: Ein neuer Weg für die Diagnostik bei Sprachentwicklungsstörungen? ..................... 341
Benjamin P. Lange, Nicole von Steinbüchel, Christiane Kiese-Himmel
Ausgesuchte Sprachentwicklungsleistungen von Kindergartenkindern mit und ohne
musikpädagogische Förderung ............................................................................................. 348
Evaluation von Fördermaßnahmen
Janina Müller, Anna Rysop, Christina Kauschke
Inputspezifizierung in der Sprachförderung – eine effektive Methode zur Verbesserung der
Pluralbildung bei bilingualen Kindern?.................................................................................. 356
Dorothea Posse, Felix Golcher, Nathalie Topaj, Stefanie Düsterhöft, Natalia Gagarina
Die Wirksamkeit unterschiedlicher Sprachfördermaßnahmen bei jüngeren türkisch- und
russisch-deutschen Kindern in Berliner Kindertageseinrichtungen - eine Studie des Berliner
Interdisziplinären Verbundes für Mehrsprachigkeit (BIVEM) ............................................... 361
Raphaela Schätz, Heinz Mandl
Evaluation eines 2-jährigen Sprachförderprogramms für Grundschüler nicht-deutscher
Erstsprache ............................................................................................................................ 368
Beiträge von Forschungs- und Arbeitsgruppen
Ulrike Morawiak, Marlene Meindl, Daniel Stockheim, Maria Etzien, Tanja Jungmann
Alltagsorientierte Sprach- und Literacyförderung und dessen Effektivität – Erste Befunde des
KOMPASS-Projektes .............................................................................................................. 378
Andreas Mayer
Früherkennung und Prävention von Schriftspracherwerbsstörungen
im inklusiven Unterricht ........................................................................................................ 390
Forschungsgruppe Ki.SSES-Proluba
Die Ki.SSES-PROLUBA Längsschnittstudie: Entwicklungsstand zur Einschulung von Kindern mit
sonderpädagogischem Förderbedarf „Sprache“ bei separierender und integrativer
Beschulung. ........................................................................................................................... 402
Inhalt
Anke Buschmann, Brigitte Degitz, Steffi Sachse
Alltagsintegrierte Sprachförderung in der Kita auf Basis eines Trainings zur Optimierung der
Interaktion Fachkraft-Kind .................................................................................................... 416
Kathrin Mahlau
Das Rügener Inklusionsmodell (RIM) im Förderbereich Sprache Längsschnittstudie zur
sprachlichen und schulleistungsbezogenen Entwicklung in unterschiedlichen schulischen
Settings .................................................................................................................................. 426
Hans-Joachim Motsch, Dana-Kristin Marks
Der Wortschatzsammler -Strategietherapie lexikalischer Störungen im Schulalter ............. 433
PRAXIS- UND WORKSHOPBEITRÄGE
Erika Menebröcker, Anne-Katrin Jordan
Durch Musik zur Sprache - Musiktherapeutische Sprachförderung in Kita, Schule oder freier
Praxis ..................................................................................................................................... 444
Katja Subellok, Kerstin Bahrfeck-Wichitill, Ilka Winterfeld
Schweigen braucht vernetzte Kommunikation - Transferarbeit in der Dortmunder Mutismus
Therapie (DortMuT) .............................................................................................................. 454
Maja Ullrich
Modellorientierte Diagnostik und Therapie kindlicher Aussprachstörungen ....................... 465
Kristin Golchert, Astrid Korneffel
Blockaden lösen- Praktische Einblicke in die Arbeit der Kasseler Stottertherapie ............... 477
Veronika Molin (geb. Rank)
Das Konzept Schlaffhorst-Andersen in der Stimmtherapie ................................................... 484
Arno Deuse
Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen (AVWS) - Risikofaktoren für weitere
Störungen? ............................................................................................................................ 491
Marina Ruß
Das iPad in der schulischen und sprachtherapeutischen Arbeit ........................................... 498
Heiko Seiffert
Methodische Möglichkeiten für die Unterstützung des Fast mappings sowie der
phonologischen und semantischen Elaboration von Fachbegriffen im Unterricht ............... 508
Katharina Kubitz, Olaf Reinhardt
Berufswegplanung mit hör- und sprachbeeinträchtigten jungen Menschen unter besonderer
Berücksichtigung kommunikationspragmatischer Inhalte der Sprachtherapie .................... 519
STICHWORTVERZEICHNIS ............................................................................ 527
AUTORENVERZEICHNIS ............................................................................... 533
11
Margit Berg, Birgit Werner
PRIMA®Sprache – vergleichende Analysen
zum Sprachverständnis bei Schülern der Klasse 3/4
an Grund-, Sprachheil- und Förderschulen
1
Fragestellung und Studiendesign
Sprache ist das wichtigste Kommunikations- und Interaktionsmittel der Menschen. Im
Unterricht ist sie sowohl Lehrgegenstand als auch Medium und daher von großer Bedeutung für den Lernerfolg. Entsprechend hoch sind die Auswirkungen von Einschränkungen des Sprachverständnisses auf die Entwicklung von Kindern. Im Alltag sind Einschränkungen im Sprachverständnis häufig eher unauffällig. Unerkannt und bei ausbleibender spezifischer Förderung stellen sie jedoch ein hohes Entwicklungsrisiko dar
und sind oftmals mit Sekundärproblemen in der emotionalen, psychosozialen und
schulisch-beruflichen Entwicklung verbunden. So können aus Einschränkungen des
Sprachverständnisses erhebliche Nachteile entstehen, die sich nicht auf den schulischen Bereich beschränken, sondern sich darüber hinaus langfristig gravierend im außer- und nachschulischen Bereich, vor allem im Kontext der beruflichen Ausbildung
und –eingliederung, auswirken und die soziale Teilhabe erschweren.
Zusammen mit Studierenden der sonderpädagogischen Fachrichtungen Sprachbehindertenpädagogik / Pädagogik der Lernförderung wurden im Frühjahr 2013 insgesamt
125 Schüler1 aus den drei Schulformen Grund-, Sprachheil- und Förderschule untersucht2. Terminologisch ist darauf hinzuweisen, dass im Folgenden -im Sinne des baden-württembergischen Sprachgebrauchs- mit „Förderschulen“ ausschließlich Förderschulen im Schwerpunkt Lernen gemeint sind.
Zusätzlich wurde in allen drei Schulformen zwischen mono- und bilingualen Kindern
unterschieden und bei der Gruppenzusammensetzung angestrebt, in jeder Schulform
jeweils zur Hälfte monolinguale und zur Hälfte bilinguale Probanden einzubeziehen.
Anzumerken ist, dass innerhalb der Gruppe bilingualer Schüler insgesamt 23 verschiedene Herkunfts- bzw. Erstsprachen ermittelt worden sind. Diese gruppenspezifische
Heterogenität muss aus forschungsmethodischen Gründen vernachlässigt werden.
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird bei der Bezeichnung „Schüler“, die männliche Form
verwendet. Die weibliche Form ist hierbei eingeschlossen
2
Die Daten stammen aus unveröffentlichten Wissenschaftlichen Hausarbeiten im Rahmen der Ersten Staatsprüfung für das Lehramt Sonderpädagogik. Den Autorinnen Sarah Bayha, Dajana Benz,
Mareike Egeler, Saskia Heinrich, Anna Müller und Katrin Wellmann sei an dieser Stelle herzlich gedankt.
1
Berg, M.; Werner, B. (2014): PRIMA®Sprache – vergleichende Analysen zum Sprachverständnis bei Schülern der Klasse 3/4 an Grund-, Sprachheil- und Förderschulen
In: S. Sallat; M. Spreer; C.W. Glück(Hrsg.): Sprache professionell fördern. kompetent-vernetzt-innovativ. Idstein: Schulz-Kirchner. Idstein: Schulz-Kirchner, 74-82
PRIMA®Sprache - vergleichende Analysen zum Sprachverständnis
25
20
15
10
5
0
Grundschule
Förderschule
Sprachheilschule
monolingual
21
23
18
bilingual
20
22
21
Abb. 1: Verteilung der Probanden nach Schulart und Spracherwerbsmodus
Die Studie - angelegt als vergleichende Studie zwischen Grund-, Förder- und Schülern
der Sprachbehindertenschule in Klasse 3 und 4 - erhebt verschiedene Komponenten
des Sprachverständnisses. Vergleichende Studien (hier ein 3- bzw. 6 Gruppen-Design)
geben einerseits Hinweise auf zielgruppenspezifische
Charakteristika, andererseits lassen sich auf der Grundlage dieser Ergebnisse individuelle Fördermaßnahmen generieren.
Im Mittelpunkt der Studie steht das Sprachverständnis im engeren Sinne, das in engem Zusammenhang mit dem schulischen Lernerfolg steht und das Verstehen von
Sprache anhand des Dekodierens lexikalischer Einheiten, sowie syntaktischer und
morphologischer Strukturen, umfasst (Amorosa, H. & Noterdaeme, M., 2003). Dieses
wird in der Studie mit folgenden Verfahren erfasst:
rezeptiver Wortschatz: Wortschatz- und Wortfindungstest (Rezeptiver Subtest aus
dem WWT, Glück 2011)
Satzverstehen: Test zur Überprüfung des Grammatikverständnisses (TROG-D, Fox
2013, 6. Aufl.)
Textverstehen: Sprachentwicklungstest (Subtest Textverständnis aus SET 5-10, Petermann 2012, 2. Aufl.)
Zusätzlich werden als Basiskompetenzen des Sprachverstehens im Bereich der
Sprachverarbeitung und –speicherung die Lautdifferenzierung und das phonologische
Arbeitsgedächtnis wie folgt erhoben:
Lautdifferenzierung: Heidelberger Lautdifferenzierungstest (H-LAD, Brunner,
Dierks & Seibert 1998)
Phonologisches Arbeitsgedächtnis: Hamburg-Wechsler Intelligenztest für Kinder
(Subtest Zahlennachsprechen aus HAWIK, Wechsler; deutsche Fassung von Petermann & Petermann 2010)
Berg, M.; Werner, B. (2014): PRIMA®Sprache – vergleichende Analysen zum Sprachverständnis bei Schülern der Klasse 3/4 an Grund-, Sprachheil- und Förderschulen
In: S. Sallat; M. Spreer; C.W. Glück(Hrsg.): Sprache professionell fördern. kompetent-vernetzt-innovativ. Idstein: Schulz-Kirchner. Idstein: Schulz-Kirchner, 74-82
75
Margit Berg, Birgit Werner
2
Ergebnisse
2.1 Deskriptive Statistik und Gruppenvergleiche
2.1.1 Vergleich der Schularten
Sowohl für den Faktor Schulform als auch für den Faktor des Spracherwerbs (monoversus bilingual) lassen sich signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen beschreiben. Die Grundschüler erreichten in den Tests zur Lautdifferenzierung (H-LAD),
zum phonologischen Arbeitsgedächtnis (ZNS) und zum Grammatikverständnis (TROGD) durchschnittliche Mittelwerte und lagen im Textverständnis (SET) sogar knapp im
überdurchschnittlichen Bereich. Die Sprachheilschüler zeigen erwartungsgemäß niedrigere Ergebnisse, die im H-LAD und TROG-D im unterdurchschnittlichen Bereich liegen, im ZNS und SET-Textverständnis allerdings durchschnittlich sind. Die Förderschüler hingegen erbrachten zusätzlich auch im Textverständnis (SET) und im phonologischen Arbeitsgedächtnis (ZNS) unterdurchschnittliche Werte und waren in diesen beiden Teilbereichen auch den Sprachheilschülern signifikant unterlegen.
Tab. 1: Mittelwertvergleich nach Schulformen
Schulart
Grundschule
Förderschule
Sprachheilschule
Mittelwert
Mittelwert
Mittelwert
HLAD
gesamt
T-Wert
50,07
33,42
37,97
ZNS
Skalenwert
11,78
6,36
7,74
WWT rez.
Rohwert
TROG-D
T-Wert
SET-Text
T-Wert
85,07
77,38
81,24
45,05
33,40
34,95
61,10
40,40
50,63
Auch bei einem Gruppenvergleich, der nur die monolingualen Schüler einbezieht, erzielen die Grundschüler in allen Bereichen bessere Ergebnisse als die Sprachheil und
die Förderschüler. Die festgestellten Unterschiede lassen sich also nicht durch den
Faktor „Mehrsprachigkeit“ erklären.
Damit erweisen sich sowohl das Sprachverständnis als auch dessen Basiskompetenzen in der Sprachverarbeitung als differenzierende Merkmale zwischen Sonder- und
Grundschülern.
2.1.2 Vergleich mono- und bilingualer Schüler
Ein Vergleich der mono- und bilingualen Schüler zeigt, dass die monolinguale Gruppe
signifikant bessere Verständnisleistungen auf Wort-, Satz- und Textebene erbringt als
die bilinguale Teilgruppe (WWT und TROG-D: p <.01; SET-Text: p < .05). Anders verhält
es sich hingegen bei den Basiskompetenzen: diese unterscheiden sich in beiden Gruppen nicht signifikant. Die niedrigeren Werte der bilingualen Probanden im Sprachverstehen sind daher offensichtlich nicht auf Einschränkungen basaler Fähigkeiten in der
Sprachverarbeitung zurückzuführen.
In den unterschiedlichen Schulformen zeigt sich ein noch differenzierteres Bild: In der
Grundschule unterscheiden sich die mono- und bilingualen Schüler ausschließlich im
rezeptiven Wortschatz zugunsten der monolingualen Probanden (p<.01) und damit in
76
Berg, M.; Werner, B. (2014): PRIMA®Sprache – vergleichende Analysen zum Sprachverständnis bei Schülern der Klasse 3/4 an Grund-, Sprachheil- und Förderschulen
In: S. Sallat; M. Spreer; C.W. Glück(Hrsg.): Sprache professionell fördern. kompetent-vernetzt-innovativ. Idstein: Schulz-Kirchner. Idstein: Schulz-Kirchner, 74-82
PRIMA®Sprache - vergleichende Analysen zum Sprachverständnis
dem Bereich des Sprachverständnisses, der am stärksten durch den konkret erfahrenen sprachlichen Input beeinflusst ist. In der Förderschule liegt hingegen zusätzlich
zum schlechteren Abschneiden der bilingualen Teilnehmer im rezeptiven Wortschatz
auch das Ergebnis im Grammatikverständnis (TROG-D) signifikant unter dem Mittelwert der monolingualen Teilnehmer (jeweils p<.01). Bei den Sprachheilschülern ist
der Unterschied noch breiter beobachtbar und umfasst das Wort-, Satz- und Textverständnis, wobei jeweils die monolingualen Schüler die besseren Leistungen erbringen.
Aus den niedrigeren Ergebnissen der bilingualen Schüler darf jedoch keinesfalls auf
das Vorliegen einer rezeptiven Sprachstörung geschlossen werden. Für die Klärung,
ob die beobachteten Verständniseinschränkungen in der Zweitsprache Deutsch sich
im Einzelfall auf die bilingualen Spracherwerbsbedingungen oder aber tatsächlich auf
das Vorliegen einer Sprachentwicklungsstörung zurückführen lassen, wären weiterführende Abklärungen erforderlich, die unter anderem auch die Entwicklung der Erstsprache umfassen müssten. Unabhängig vom Hintergrund der niedrigeren Sprachverständnisleistung zeigt sich jedoch, dass besonders bilinguale Schüler Unterstützung in
ihrem Sprachverständnis benötigen. Wie die vorliegenden Befunde zeigen, kann diesem Bedarf offenbar noch nicht ausreichend durch kurzfristige Förderangebote im
Vorschulalter entsprochen werden, sondern erfordert langfristige spezifische Sprachfördermaßnahmen.
3
Zusammenhänge zwischen Sprachverständnisleistungen und Basiskompetenzen bei mono- und bilingualen Schülern
Bei den monolingualen Schülern finden sich mittlere bis hohe Korrelationen nach
Pearson (p‹.01) zwischen den Sprachverständnisleistungen auf Wort-, Satz- und Textebene. Darüber hinaus bestehen mittlere bis hohe Korrelationen der Verständnisfähigkeiten auf allen drei überprüften linguistischen Ebenen mit den Basiskompetenzen.
Tab. 2: Korrelationen (nach Pearson) zwischen Sprachverständnisleistungen und Basiskompetenzen bei monolingualen Schülern (n = 62)
HLAD gesamt ZNS
WWT
T-Wert
Skalenwert
Rohwert
HLAD gesamt T-Wert 1
,558**
,558**
ZNS Skalenwert
,558**
1
,412**
WWT Rohwert
,558**
,412**
1
TROG-D T-Wert
,697**
,487**
,656**
SETText T-Wert
,477**
,451**
,541**
**Korrelation ist bei Niveau 0,01 signifikant (zweiseitig).
TROG-D
T-Wert
,697**
,487**
,656**
1
,528**
SETText
T-Wert
,477**
,451**
,541**
,528**
1
Bei den bilingualen Schülern ergibt sich hingegen ein anderes Bild: hier bestätigt sich
die mittlere bis hohe Korrelation zwischen dem Wort- und dem Satzverständnis sowie
Berg, M.; Werner, B. (2014): PRIMA®Sprache – vergleichende Analysen zum Sprachverständnis bei Schülern der Klasse 3/4 an Grund-, Sprachheil- und Förderschulen
In: S. Sallat; M. Spreer; C.W. Glück(Hrsg.): Sprache professionell fördern. kompetent-vernetzt-innovativ. Idstein: Schulz-Kirchner. Idstein: Schulz-Kirchner, 74-82
77
Margit Berg, Birgit Werner
dem Satz- und Textverständnis, jedoch nicht zwischen Wort- und Textverständnis. Das
phonologische Arbeitsgedächtnis steht bei den bilingualen Schülern jedoch innerhalb
der Sprachverständnisleistungen nur mit dem Satz- und Textverständnis signifikant
positiv im Zusammenhang, jedoch in geringerem Maße als bei den monolingualen
Schülern. Auch der Zusammenhang der zwischen den Werten der Lautdifferenzierungsfähigkeit und den Maßen des Sprachverständnisses ist wesentlich geringer als
bei den monolingualen Schülern.
Tab. 3: Korrelationen (nach Pearson) zwischen Sprachverständnisleistungen und Basiskompetenzen bei bilingualen Schülern (n = 63)
WWT
HLAD gesamt ZNS
T-Wert
Skalenwert
Rohwert
HLAD gesamt T-Wert 1
,223
,256*
ZNS Skalenwert
,223
1
-,446**
WWT Rohwert
,256*
-,446**
1
TROG-D T-Wert
,393**
,307*
,332**
SETText T-Wert
,326**
,398**
,183
* Korrelation ist bei Niveau 0,05 signifikant (zweiseitig).
** Korrelation ist bei Niveau 0,01 signifikant (zweiseitig).
TROG-D
T-Wert
,393**
,307*
,332**
1
,450**
SETText
T-Wert
,326**
,398**
,183
,450**
1
4
Ausgewählte qualitative Befunde: Wortschatzanalyse bei Förderschülern
Aus der Vielzahl möglicher qualitativer Aussagen werden hier exemplarisch die Befunde zur Wortschatzanalyse bei Förderschülern skizziert.
Die Ergebnisse monolingualer und bilingualer Förderschüler unterscheiden sich bezüglich des rezeptiven Wortschatzes signifikant von denen der Grundschüler und liegen tendenziell auch unter den Werten der Sprachheilschüler. Zudem verfügen bilinguale Förderschüler über einen signifikant niedrigeren Wortschatz als ihre monolingualen Mitschüler. Dies begründet die Aussage, dass die Förderschüler - unabhängig
von ihrer Erst- bzw. Herkunftssprache - über einen deutlich eingeschränkten rezeptiven Wortschatz verfügen.
Der eingesetzte rezeptive Subtest des WWT ist als Bildwahlverfahren aufgebaut: Die
Probanden zeigen jeweils aus einer Auswahl von vier Bildern das jeweilige Bild, das
zum vorgesprochenen Wort passt. Die jeweils drei anderen angebotenen Bilder stellen semantische, phonologische und nicht-relationierte Ablenker dar. Ein differenzierter Blick auf die Ergebnisse der Förderschüler zeigt, dass diese hauptsächlich semantisch und phonologisch relationierte Ablenker wählen wenn ihnen ein Wort nicht bekannt ist. Der Anteil nicht-relationierter Ablenker ist eher gering und bestätigt, dass
die Schwierigkeiten bei Förderschülern vorrangig im phonologischen und semantischen Bereich liegen. Viele Wörter sind ihnen demnach nicht gänzlich unbekannt,
78
Berg, M.; Werner, B. (2014): PRIMA®Sprache – vergleichende Analysen zum Sprachverständnis bei Schülern der Klasse 3/4 an Grund-, Sprachheil- und Förderschulen
In: S. Sallat; M. Spreer; C.W. Glück(Hrsg.): Sprache professionell fördern. kompetent-vernetzt-innovativ. Idstein: Schulz-Kirchner. Idstein: Schulz-Kirchner, 74-82
PRIMA®Sprache - vergleichende Analysen zum Sprachverständnis
aber semantisch und phonologisch nicht hinreichend ausdifferenziert, um einem gesicherten Verständnis zur Verfügung zu stehen.
250
230
218
200
150
123
monolingual
106
bilingual
100
76
39
50
0
Sem. Ablenker
Phonol. Ablenker Nicht-rel. Ablenker
Abb. 2: Anzahl und Arten der gewählten Ablenker bei mono- und bilingualen Förderschülern
(WWT-rezeptiv)
Der prozentuale Anteil bekannter Wörter ist innerhalb der verschiedenen überprüften Wortarten bei monolingualen Förderschüler höher als bei bilingualen. Dies sei
exemplarisch anhand der Wortart Nomen illustriert.
25
20
15
10
5
monolingual
Gipfel
Henkel
Schnalle
Armreif
Absatz
Klinge
Wappen
Fackel
Riegel
Schleier
Ventilator
Mantel
Ferse
Knospe
Orchester
Satellit
Geländer
Ellenbogen
Kompass
Federball
Pyramide
Container
Automat
Krücke
Hocker
Schubkarre
0
bilingual
Abb.3: Anzahl der unbekannten (nicht-gewussten) Nomen (WWT rezeptiv)
Bei der weiteren qualitativen Auswertung wurden die Wörter ermittelt, die von ca.
50 % von mono- und bilingualen Schülern nicht gewusst wurden. Mehr als die Hälfte
Berg, M.; Werner, B. (2014): PRIMA®Sprache – vergleichende Analysen zum Sprachverständnis bei Schülern der Klasse 3/4 an Grund-, Sprachheil- und Förderschulen
In: S. Sallat; M. Spreer; C.W. Glück(Hrsg.): Sprache professionell fördern. kompetent-vernetzt-innovativ. Idstein: Schulz-Kirchner. Idstein: Schulz-Kirchner, 74-82
79
Margit Berg, Birgit Werner
der bilingualen Schüler verstand die folgenden Wörter nicht: Geländer, Ferse,
Schleier, Riegel, Wappen, Klinge und Henkel. Bei den monolingualen Schülern ist dies
lediglich bei den Wörtern Schleier und Klinge festzustellen.
Insgesamt lässt sich anhand der qualitativen Analyse feststellen, dass die bilingualen
Schüler in allen vier überprüften Wortklassen (Nomen, Verben, Adjektive/Adverbien
und kategoriale Nomen) deutlich größere Schwierigkeiten haben als monolinguale
Schüler. Ein entsprechendes Bild ergibt sich auch bei der Analyse unter thematischen
Aspekten des Wortschatzes: untersucht wurde, welche Items in welchen Themengebieten die Förderschüler nicht korrekt lösten. Mit Ausnahme des Themenfeldes "Charakter" verfügten die bilingualen Förderschüler in allen überprüften Themenbereichen über einen geringeren Wortschatz als die monolingualen Förderschüler. Die Differenzen zwischen den beiden Gruppen fallen allerdings in den einzelnen Themenbereichen unterschiedlich stark aus.
100
80
60
40
20
0
monolingual
bilingual
Abb. 4: Anzahl der unbekannten (nicht-gewussten) Items in spezifischen Themenfeldern (WWT
rezeptiv)
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der rezeptive Wortschatz monolingualer Förderschüler im Vergleich zu bilingualen Förderschülern signifikant besser ist, jedoch im
Vergleich zu den Ergebnissen der Schüler in anderen Schulformen wiederum deutlich
geringer. Wortschatzarmut erweist sich demnach als ein Charakteristikum für Schüler
an Förderschulen.
In weiteren Studien u.a. mit größeren repräsentativen Stichproben wären nachfolgend Einflussfaktoren wie die sprachlichen Anregungen, die Qualität des sprachlichen
Inputs, aber auch Faktoren wie ethnisch-religiöse Kulturen, sozial-räumliche Gegebenheiten, Familienstruktur und Lebenshintergrund zu berücksichtigen.
80
Berg, M.; Werner, B. (2014): PRIMA®Sprache – vergleichende Analysen zum Sprachverständnis bei Schülern der Klasse 3/4 an Grund-, Sprachheil- und Förderschulen
In: S. Sallat; M. Spreer; C.W. Glück(Hrsg.): Sprache professionell fördern. kompetent-vernetzt-innovativ. Idstein: Schulz-Kirchner. Idstein: Schulz-Kirchner, 74-82
PRIMA®Sprache - vergleichende Analysen zum Sprachverständnis
5
Schlussfolgerung
Einschränkungen des Sprachverständnisses können sich hinderlich auf den Bildungserfolg und die soziale Teilhabe auswirken. Sie stellen – wenn auch aus unterschiedlichen Gründen – sowohl bei Förder- und Sprachheilschülern als auch bei bilingual aufwachsenden Kindern Entwicklungsrisiken dar. Während der entsprechende Förderbedarf bei Förder- und Sprachheilschülern zumeist in Zusammenhang mit der Sprachverarbeitung steht, die entsprechend in die Förderung einbezogen werden muss, lässt
sich ein entsprechender Zusammenhang mit den Sprachverständnisleistungen der bilingualen Schüler als Gesamtgruppe nur teilweise und in deutlich geringerem Maße
nachweisen. Eine breit angelegte Sprachförderung, die den individuellen Hintergrund
und die spezifische Ausprägung von Einschränkungen im Sprachverständnis nicht berücksichtigt, greift zu kurz. Folglich sind Förderangebote zielgruppenspezifisch differenziert anzulegen.
Fazit für die Praxis
Für die Schüler mit Einschränkungen des Sprachverständnisses in allen untersuchten
Teilgruppen wird empfohlen, sprachstrukturierende und sprachverständniserleichternde Veränderungen der Lehrersprache vorzunehmen. Derartige Hilfen sind zum
Beispiel gekennzeichnet durch korrekte Sätze mit reduzierter Komplexität, eine deutliche Aussprache, die Vermeidung von Aufforderungsketten, die Nutzung außersprachlicher Sinnstützen (Visualisierung, Mimik und Gestik) und parasprachliche Hinweisreize (Tonhöhe, Akzentsetzung). Für die Probandengruppen der Förderschüler
sowie der bilingualen Schüler stellt nicht nur die sprachliche, sondern auch die soziale
und kulturelle Diversität eine didaktische Herausforderung dar. Es ist zu sichern, dass
der spezifische sprachlich-kulturelle Zugang zur Begrifflichkeit als individuelle Lernvoraussetzung berücksichtigt und einbezogen wird. Eine derartige kultur- und milieusensible Förderung des Sprachverständnisses bedarf einer anregenden und alltagsintegrierten Sprachförderung zur Erweiterung und Modifizierung des je kultur- bzw.
herkunftsbedingten Wortschatzes. Dabei sind ein handlungsbegleitendes Sprechen
und die Einbettung neuer Wörter und sprachlicher Strukturen in konkreten Situationen hilfreich. Somit gilt es, das gesamte Unterrichtsgeschehen sprachanregend und förderlich zu gestalten und dabei eine Wortschatzarbeit zu integrieren, in der durch
die Auseinandersetzung mit Sach-, Bildsituationen bzw. Materialen neue Begriffe erarbeitet und semantisch erläutert werden.
Bei sprachentwicklungsgestörten Kindern kann hingegen nicht davon ausgegangen
werden, dass ein reichhaltiges alltagsintegriertes Sprachangebot sich bereits als hinreichend zur Überwindung von Sprachverständnisproblemen erweist, da dieses auf
Grund der Sprachverarbeitungsprobleme nur unzureichend genutzt werden kann.
Der Zusammenhang zwischen Lautdifferenzierung, phonologischem Arbeitsgedächtnis und Sprachverständnis ist daher in besonderem Maße zu berücksichtigen. So stellt
bei sprachentwicklungsgestörten Kindern eine alltags- und unterrichtsintegrierte
Berg, M.; Werner, B. (2014): PRIMA®Sprache – vergleichende Analysen zum Sprachverständnis bei Schülern der Klasse 3/4 an Grund-, Sprachheil- und Förderschulen
In: S. Sallat; M. Spreer; C.W. Glück(Hrsg.): Sprache professionell fördern. kompetent-vernetzt-innovativ. Idstein: Schulz-Kirchner. Idstein: Schulz-Kirchner, 74-82
81
Margit Berg, Birgit Werner
Sprachförderung im oben beschriebenen Sinne selbstverständlich eine unverzichtbare sprachheilpädagogische Maßnahme dar, die jedoch durch spezifische sprachtherapeutische Interventionen zu unterstützen ist. Insbesondere gilt es, den Erwerb
neuer Wörter bis auf die phonologische Elaboration auszudehnen, so dass die Kinder
eine möglichst genaue Speicherung der Wortform im mentalen Lexikon vornehmen
können.
Literatur
Amorosa, H.; Noterdaeme, M. (2003): Rezeptive Sprachstörungen. Ein Therapiemanual. Göttingen:
Hogrefe.
Weiterführende Literatur
Berg, M. (2010): „Vulkane kenn´ ich!“ – Sprachverständnis von Schülerinnen und Schülern mit dem
Förderschwerpunkt Lernen. In: Frontzek, G. (Hrsg.): Zur Sprache bringen – Disziplinen im Dialog.
Dortmund: dgs, 283-288.
Chilla, S., Rothweiler, M. & Babur, E. (2013). Kindliche Mehrsprachigkeit. Grundlagen - Störungen Diagnostik. München: Reinhardt(2. Auflage).
Hachul, C. & Schönauer-Schneider, W. (2012): Sprachverstehen bei Kindern. Grundlagen, Diagnostik
und Therapie. München: Elsevier. Urban & Fischer.
82
Berg, M.; Werner, B. (2014): PRIMA®Sprache – vergleichende Analysen zum Sprachverständnis bei Schülern der Klasse 3/4 an Grund-, Sprachheil- und Förderschulen
In: S. Sallat; M. Spreer; C.W. Glück(Hrsg.): Sprache professionell fördern. kompetent-vernetzt-innovativ. Idstein: Schulz-Kirchner. Idstein: Schulz-Kirchner, 74-82