Folien Woche 11 - Rechtswissenschaftliches Institut

Rechtswissenschaftliches Institut
Staatsrecht III (Gruppe 3)
Bachelorstudium Rechtswissenschaft, FS 2016
18. März 2016
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Rechtswissenschaftliches Institut
Zur Person: MLaw Michael E. Meier
•
Abschluss Studium an der Universität Zürich 2014
•
Seit Oktober 2014 Assistent am LS Prof. Th. Gächter
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Schwerpunkt: Sozialversicherungsrecht & Verwaltungsrecht
•
[email protected]
•
LS Tel.: 044 634 31 04
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Übersicht (18. März 2015)
I.
Begriff und Einordnung des Rechtsschutzes
II. Verfassungsgerichtsbarkeit
III. Überblick über die Ausgestaltung der Staats- und
Verwaltungsrechtspflege
IV. Insbesondere: Prozessvoraussetzungen
V. Zur «Massgeblichkeit» von Bundesgesetzen (Art. 190 BV)
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I. Begriff und Einordnung des Rechtsschutzes
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Begriff und Funktionen
In erster Linie «Individualrechtsschutz»
In zweiter Linie Verwirklichung objektiven Rechts
In der Regel Rechtsschutz durch (unabhängige) Gerichte, d.h.
prozessualer Rechtsschutz
«Justizgewährungspflicht», Rechtsweggarantie (Art. 29a BV)
Verfahrensrecht und Prozessrecht
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Grundbegriffe
Rechtsmittel: Erledigungsanspruch bei erfüllten
Prozessvoraussetzungen
Prozessentscheid (i.d.R. Eintreten/Nichteintreten) und
Sachentscheid (Gutheissung, teilweise Gutheissung,
Abweisung)
Rechtsbehelf: Kein Anspruch auf Eintreten/Materielle
Behandlung
Ursprüngliche und nachträgliche Gerichtsbarkeit
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II. Verfassungsgerichtsbarkeit
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Begriffe und Merkmale (I)
Definition: Verfassungsgerichtsbarkeit ist die Überprüfung
staatlichen Handelns auf seine Übereinstimmung mit der
Verfassung durch unabhängige Gerichte, die in einem
justizförmigen Verfahren über Verfassungsverletzungen
verbindlich entscheiden (Haller/Kölz/Gächter, Rz. 968)
Doppelfunktion: Schutz der Einzelnen und Schutz der
objektiven, verfassungsrechtlichen Ordnung
Abgrenzung zur Verwaltungsgerichtsbarkeit: Prüfung von
Akten der Verwaltung auf ihre Übereinstimmung mit Gesetzen
und Verordnungen (d.h. Massstab bildet nicht primär die
Verfassung)
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Begriffe und Merkmale: Arten (II)
Einzelaktkontrolle: Überprüfung eines Einzelaktes (z.B.
Verfügung) auf Verfassungskonformität.
Normenkontrolle
Abstrakte Normenkontrolle: Abstrakte Überprüfung einer
Norm auf ihre Verfassungsmässigkeit
Konkrete Normenkontrolle: Anfechtung eines Einzelaktes
und vorfrageweise («inzidente», «akzessorische»)
Überprüfung des zugrunde liegenden Erlasses auf seine
Verfassungsmässigkeit
Konzentrierte und diffuse Verfassungsgerichtsbarkeit
Nachträgliche oder präventive Verfassungsgerichtsbarkeit
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Rechtsmittel für die Verfassungsgerichtsbarkeit
Keine zwingende Bindung an ein bestimmtes Rechtsmittel
(«Verfassungsbeschwerde»)
Verfassungsgerichtsbarkeit auch im Rahmen eines Rekursoder Beschwerdeverfahrens
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ans
Bundesgericht als kombiniertes Rechtsmittel zum
Verwaltungs- und Verfassungsrechtsschutz
Subsidiäre Verfassungsbeschwerde (Art. 113 ff. BGG) dient
ausschliesslich der Verfassungsgerichtsbarkeit
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Abstrakte Normenkontrolle
Höherrangige Norm
Vereinbarkeit
Tieferrangige Norm
Anfechtungsobjekt
CH: Nur im Verhältnis zwischen Bundesrecht und kantonalem
Recht. Auf der Ebene des Bundesrechts gibt es grundsätzlich
keine abstrakte Normenkontrolle. (Ausnahme: Klage nach Art.
120 BGG).
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Konkrete Normenkontrolle
Höherrangige Norm
Vereinbarkeit
Tieferrangige Norm
Anwendungsakt/
Verfügung
Anfechtungsobjekt
CH: Auch im Bund möglich, unter Vorbehalt von Art. 190 BV.
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Grobüberblick über die (nationale) Normenkontrolle
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III. Überblick über die Ausgestaltung der Staats- und
Verwaltungsrechtspflege
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Grundlagen (I)
Rechtsmittelordnung knüpft grundsätzlich an die Zuweisung
der Vollzugskompetenzen an.
Typischwerweise Anfechtung von Verfügungen
eidgenössischer Behörden beim
Bundesverwaltungsgericht.
Typischerweise Anfechtung kantonaler Akte bei
kantonalen Instanzen (letzte Instanz, d.h. Vorinstanz des
Bundesgerichts, i.d.R. kantonale Verwaltungs- oder
Obergerichte).
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Grundlagen (II)
Grundsätzliche Einbettung der Staatsrechtspflege ins
Rechtsmittelsystem der Verwaltungsrechtspflege.
Sonderfall I: Subsidiäre Verfassungsbeschwerde gegen
Entscheide letzter kantonaler Instanzen (Art. 113 BGG),
wenn die Verletzung verfassungsmässiger Rechte geltend
gemacht wird.
Sonderfall II: «Stimmrechtsbeschwerde». Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit einigen
Besonderheiten (v.a. Anfechtungsobjekt, breite Legitimation,
Beschwerdegründe)
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Organisation der Gerichtsbarkeit (Übersicht)
(Wiederholung)
Bundesgericht
Vorinstanzen
Kt.
Gerichte
Bundesverwaltungsgericht
Bundesstrafgericht
Weitere Gerichte:
Patentgericht,
Schätzungskommission
Militärjustiz
Rahmenbedingungen
Rechtsweggarantie (Art. 29a BV)
Entlastung des Bundesgerichts
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IV. Insbesondere: Prozessvoraussetzungen
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Prozessvoraussetzungen, die von vornherein
erfüllt sein müssen (Grobüberblick I)
Anfechtungsobjekt
Verwaltungsrechtspflege: I.d.R. Verfügung
Staatsrechtspflege: Einzelakte, Erlasse, ev. auch andere
Akte (z.B. bei «Stimmrechtsbeschwerde»)
Beispiel: Art. 82 BGG
Das Bundesgericht beurteilt Beschwerden:
a. gegen Entscheide in Angelegenheiten des öffentlichen Rechts;
b. gegen kantonale Erlasse;
c. betreffend die politische Stimmberechtigung der Bürger und
Bürgerinnen sowie betreffend Volkswahlen und -abstimmungen.
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Prozessvoraussetzungen, die von vornherein
erfüllt sein müssen (Grobüberblick II)
Persönliche Voraussetzungen
Partei- und Prozessfähigkeit
Beschwerdelegitimation
Ausschluss der «Popularbeschwerde»
Einzelakte: Mehr als Allgemeinheit berührt und
schutzwürdiges Interesse.
Enger: Rechtlich geschütztes Interesse bei subsidiärer
Verfassungsbeschwerde.
Bei Erlassen: «Virtuelle Betroffenheit»
Stimmrechtssachen: Jede i.c. stimmberechtigte Person
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Prozessvoraussetzungen, die von vornherein
erfüllt sein müssen (Grobüberblick III)
Sonderfälle der Beschwerdelegitimation
Behördenbeschwerderecht
Ideelle Verbandsbeschwerde
«Egoistische» Verbandsbeschwerde
Ausnahmsweise juristische Personen des öffentlichen
Rechts (Häufig: Beschwerde von Gemeinden wegen
Autonomieverletzungen)
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Prozessvoraussetzungen, die von vornherein
erfüllt sein müssen (Grobüberblick IV)
• Beschwerdegrund
Beispiel: Art. 95 BGG
Mit der Beschwerde kann die Verletzung gerügt werden von:
a. Bundesrecht;
b. Völkerrecht;
c. kantonalen verfassungsmässigen Rechten;
d. kantonalen Bestimmungen über die politische Stimmberechtigung
der Bürger und Bürgerinnen und über Volkswahlen und abstimmungen;
e. interkantonalem Recht.
(Merke: Nicht Verletzung sonstigen kantonalen Rechts!)
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Prozessvoraussetzungen, die der Beschwerdeführer selber aktiv erfüllen muss
Beschwerdefrist
Anforderungen an die Beschwerdeschrift
Rechtsbegehren
Minimale Begründung
BGer: Gedrängte Darstellung der Rechtslage
Qualifiziertes Rügeprinzip: Ausdrückliches
Rügeerfordernis bei behaupteter Verletzung von
Grundrechten, von kantonalem Recht oder von
interkantonalem Recht (Art. 106 Abs. 2 BGG)
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V. Zur «Massgeblichkeit» von Bundesgesetzen (Art. 190 BV)
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Massgeblichkeitsgebot gem. Art. 190 BV
Vorrangstellung der Bundesversammlung und des Volkes
Massgeblichkeit nur für Bundesgesetze und Völkerrecht
Anwendungsgebot, nicht Prüfungsverbot
Völkerrechtskonformität von Bundesgesetzen: Vorrang der
EMRK (PKK-Urteil); partielle Ausdehnung der Verfassungsgerichtsbarkeit.
Bundesverordnungen überprüfbar, sofern dadurch nicht
indirekt ein durch Art. 190 BV geschütztes Bundesgesetz
überprüft wird
Sonderfall: Vorfrageweise Überprüfung von Kantonsverfassungen (hat nicht direkt mit Art. 190 BV zu tun)
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Aufhebung von Art. 190 BV? (Dokument 17)
Pa. Iv. zur Aufhebung von Art. 190 BV, d.h. zur Einführung
der Verfassungsgerichtsbarkeit auch in Bezug auf Bundesgesetze
Angestrebt wird nur Einführung der konkreten Normenkontrolle (vgl. Art. 189 Abs. 4 BV)
Weiterhin diffuses System der Verfassungsgerichtsbarkeit.
Stand der Dinge:
Zustimmung NR am 6. Dezember 2011
Nichteintreten SR am 5. Juni 2012
Nichtentreten NR am 3. Dezember 2012 (erledigt)
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