Kaufberatung Schlafsäcke - 4

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Kaufberatung
Interview & Fotos:
Lars Schneider
Kaufberatung
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So finden Sie den richtigen Schlafsack
Eine Tüte Schlaf
Je nach Jahreszeit verbringt ein Outdoorer bis zu 12 Stunden täglich in der Horizontalen.
Sein bester Freund dabei: ein kuschlig-warmer Schlafsack. Es leuchtet also ein, dass
man diesen besten Freund mit besonderer Sorgfalt und der Unterstützung eines kompetenten Fachberaters auswählen sollte.
Jan, wie viele Schlafsäcke lagern in
deinem privaten Ausrüstungslager?
Eigentlich nur zwei, die ich aber sehr schätze.
Ein Yeti Pound und ein Cat Light von The Nort­h
Face. Einer mit Daunenfüllung, einer mit Kunstfaserfüllung. Was aber nicht bedeutet, dass ich
nur diese beiden Modelle kenne. Geschla­fen
habe ich schon in vielen, das bringt die Arbeit
hier so mit sich.
Daune und Kunstfaser – ein gutes Stichwort.
Was empfiehlt der Fachmann?
Ganz so einfach ist das nicht. Beide Füllstoffe haben ihre Vor- und Nachteile. Das Einsatzgebiet,
das dort vorherrschende Klima und die Art der
Reise bestimmen letztendlich, welcher Schlafsack der richtige ist. Für Touren, für die beide
Materialien in Frage kommen, würde ich immer
einen Daunensack wählen. Daune hat im Vergleich zur Kunstfaser mehr Vor- als Nachteile.
Welche Vorteile sind das?
Ganz oben steht das angenehmere, natürlichere
und vor allem trockenere Schlafklima. Es folgen
geringeres Gewicht und kleineres Packmaß.
Daunenschlafsäcke kosten zwar etwas mehr als
Kunstfasermodelle, haben aber bei richtiger Pflege eine viel längere Lebensdauer, ohne dabei ihre
Isolationsfähigkeiten zu verlieren. Kunstfaserschlafsäcke wärmen bereits nach einigen Jahren
weniger stark als im Neuzustand. Bei ihnen auf
der Habenseite: die Fähigkeit, auch im nassen
Zustand noch zu wärmen. Daune ist bei Nässe
ein echter Totalausfall, da hilft auch die Teflonimprägierung bei manchen Modellen nichts.
Jan Mertens, 24 Jahre, hat seine Ausbildung
bei Globetrotter Ausrüstung in Bonn gemacht und ist seit der ersten Stunde Mitarbeiter der neuen Filiale Köln. Seit drei Jahren
ist er der Bereichsleiter der Schlafsack-Abteilung. Jan schläft im Winter oft im Schlafsack
unter freiem Himmel, bevorzugt in der Eifel
oder im Westerwald.
Kann man die Wärmeleistung nicht wieder
auffrischen, ähnlich einer Imprägnierung
bei Regenjacken?
Bei Kunstfasern geht das leider nicht. Irgendwann sind sie platt. Zusammengesackte Daunenschlafsäcke hingegen kann man durch eine fachmännische Reinigung und Trocknung zumindest
weitestgehend wieder zum Leben erwecken.
Ist Daune gleich Daune?
Nicht ganz. Es gibt Qualitätsunterschiede, die
sich besonders im Bauschverhalten zeigen – angegeben wird das in Fillpower und der Einheit
»cubic inches«. Eine Zahl ab 550 aufwärts ist
gut, 800 cubic inches sind absolute Spitzen­
klasse. Außerdem gibt es bei Daunenschlaf­
säcken unterschiedliche Mischungsverhältnisse
von Daunen und Federn, die sich ebenfalls im
Preis niederschlagen. Eine Beimischung von
Federn in einer Größenordnung von zehn bis
maximal 20 Prozent ist nötig, da die Federn für
Stabilität in den Kammern sorgen und ihre Kiele
durch einen erhöhten Flex das Bauschverhalten
positiv beeinflussen. Beim Preis eines Schlafsacks gilt dann allerdings wieder: je weniger
Federn, desto höher der Preis.
Werden die gerupften Daunen vor dem
Einfüllen behandelt?
Daunen werden vor ihrer Verarbeitung erst
einmal gewaschen, da sie schmutzig sind und
un­angenehm riechen. Danach werden sie getrocknet und sortiert. Bei der Sortierung werden
die Daunen in eine Kammer gegeben, in die von
unten Luft einströmt, und über eine Reihe von
Behältern gepustet. Die schweren Federn fallen
in den ersten, die leichten Daunen verteilen sich
bis zum letzten Behälter. Anschließend werden
Die Daunen und Federn wieder vermischt, um
verschiedene Mischverhältnisse zu bekommen.
Für die meisten Outdoorer ist ja ein klassischer Dreijahreszeiten-Schlafsack bis
minus 5 Grad Celsius die beste Wahl. Wel-
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Schlafsäcke sollten so wenig wie möglich
gewaschen werden. Um zu verhindern,
dass das Innenfutter Schweiß und Dreck
annimmt, benutzt man ein Inlet. Wer kein
Inlet hat, benutzt lange Unterwäsche.
che Ausstattung sollte ein durchdachtes
3-Seasons-Modell mitbringen?
Ganz wichtig ist eine gut zuziehbare Kapuze.
Außerdem braucht es einen Wärmekragen, der
einen Wärmeverlust über den Kapuzenbereich
vermindert, eine Abdeckleiste über dem Reißverschluss (RV) und ein ordentlich geschnittenes Fußteil. Ein Klemmschutz am RV ist ebenfalls sinnvoll.
Worauf muss ich bei der Größe des
Schlafsacks achten?
Die meisten Säcke gibt es in zwei bis drei
Längen. Um die richtige Größe zu ermitteln,
legt man sich am besten hinein und prüft, ob
Länge und Breite stimmen. Füße, Knie oder
Schultern sollten nicht eingeengt sein, da an
solchen Berührungspunkten Kältebrücken entstehen. Gleichzeitig dürfen die Säcke nicht zu
lang und zu weit geschnitten sein, damit der
Körper nicht unnötig viel Luft erwärmen muss.
Unsere Katalogangaben beziehen sich auf die
Körpergröße, nicht auf die Schlafsackmaße
Zart gebaute Menschen haben oft das
Problem, dass auch die kleineren Aus-
führungen eines Modells zu weit und
lang sind. Gibt es Firmen, die anhand
der Körpermaße auch maßgeschneiderte
Schlafsäcke anbieten?
Ja, die deutsche Firma Yeti bietet so etwas an,
aber auch Western Mountaineering aus den
USA. Es gibt aber auch Hersteller wie Macpac
oder Marmot, die Schlafsäcke im Sortiment
haben, die speziell für schmalere Körper konzipiert wurden. Hier sind dann manchmal auch
die Fußteile verstärkt, weil Frauen häufig kalte
Füße haben.
Die klassische Mumienform ist mir zu eng,
ich brauche Platz beim Schlafen. Kann mir
geholfen werden?
Na klar. Außer dem engen Mumienschnitt gibt es
noch die Deckenform und die Eiform. Die Decke
bietet den meisten Platz, weil sie von oben bis
unten gerade geschnitten ist. Die Eiform bieten
den meisten Platz in Knie und Hüftbereich, damit
man (Frau auch) sich ausgiebig bewegen kann.
Leider bieten solche Modelle nicht die optimale
Isolation, weil einfach zu viel Luft im Schlafsack
ist, die man erwärmen muss. Deshalb werden solche Säcke von uns nur im Bereich bis etwa 0 Grad
Das A und O eines guten Schlafsacks ist die
Konstruktion von Wärmekragen und Kapuze.
angeboten. Es gibt aber auch Säcke bis etwa minus 20 Grad, die wir bestellen können, wie etwa
den Bristlecone von Western Mountaineering.
Wie viele Schlafsackmodelle hat die Globe­
trotter-Filiale Köln im Angebot?
Etwa 70. Neben der Katalogware führen wir vor
allem im Daunenbereich speziellere Modelle wie
die Dryloft-Serie von Western Mountaineering
mit einer stark wasserabweisenden, atmungs­
aktiven und zu 100 % winddichten Außenhaut.
Einige Modelle gibt es wahlweise mit
Reißverschluss rechts oder links, sie
können gekoppelt werden. Ist es zu zweit
in einem großen Sack wärmer?
Ja. Denn auch wenn ein wenig mehr Wärme
nach oben hin entweicht, weil man einen
gekoppelten Schlafsack nicht ganz so eng zu­
ziehen kann, sorgt die doppelte Körperwärme
für eine höhere Temperatur insgesamt.
Gibt es auch hochwertige Kinderschlaf­
säcke, die bei Minusgraden warm halten?
Ja, die gibt es. Wir bieten beispielsweise den
Ajungilak Little Viking und den Tundra Junior an.
Wobei die meisten Eltern es nicht einsehen, so
viel Geld für einen Schlafsack auszugeben, der
Erst frieren, dann kaufen
– oder eben auch nicht.
Praxistest in der Klimakammer der Filiale Köln.
4-Seasons Info
Schlafsacknorm EN 13537
Seit 2005 werden Schlafsäcke nach
einem einheitlichen Verfahren unter
anderem auf ihre Isolierfähigkeit
überprüft. Die ermittelten Werte
müssen dann gut sichtbar an jedem
Schlafsack angebracht werden.
Denn nur wer einen warmen Kopf hat, kriegt auch warme Füße. Je nach Außentemperatur
schließt man zunächst den Wärmekragen und variiert dann die Kapuzenöffnung.
ohnehin in zwei Jahren schon nicht mehr passt.
Sie nehmen dann lieber einen langen Schlafsack, den sie im Fußbereich abbinden. Was eine
schlechte Alternative ist, da diese Schlafsäcke
auch im Schulterbereich viel zu weit sind.
Manch einer wundert sich, dass bei
bestimmten Schlafsäcken der Reißverschluss nur über die halbe Länge herunterreicht. Was verbirgt sich dahinter?
Ein verkürzter Reißverschluss wird aus zwei
Gründen eingesetzt: Zum einen kann hier Gewicht gespart werden. Zweitens stellt ein Reißverschluss immer eine Kältebrücke dar und muss
durch eine Abdeckleiste geschützt werden. Ist
ein Reißverschluss nur halb so lang, besteht die
Gefahr des Kälteeinbruchs nur auf der halben
Länge. Halbe Reißverschlüsse findet man so vor
allem bei extrem leichten oder extrem warmen
Schlafsäcken.
Wie pflege ich meinen Schlafsack?
Die Pflege sollte bereits unterwegs beginnen
und ist extrem wichtig für die Lebensdauer. Das
heißt zum Beispiel, dass Schlafsäcke möglichst
jeden Morgen ausgeschüttelt, gelüftet und
erst komplett trocken verpackt werden sollten.
Zuhause ist eine offene Lagerung oder zumindest die Aufbewahrung in einem großen, dafür
geeigneten Baumwoll- oder Netzsack wichtig.
Den Schlafsack niemals über Wochen oder gar
Mona­t­e im Kompressionssack lassen. Unterwegs den Sack immer stopfen, nie rollen oder
falten, um eine Belastung an den stets gleichen
Stellen zu vermeiden.
Und wie häufig darf ich meinen Schlafsack waschen? Einmal im Jahr oder nach
jeder Tour?
Nein, bloß das nicht. Schlafsäcke sollten so selten
wie möglich gewaschen werden. Um zu verhindern, dass das Innenfutter Schweiß und anderen
Dreck annimmt, benutzt man ein dünnes Inlet.
Das gibt es aus Baumwolle, Seide oder Fleece
und kann beliebig oft gewaschen werden. Wer
kein Inlet hat, trägt lange Unterwäsche.
Und wenn ich eine Wäsche nicht mehr
vermeiden kann?
Dann den Schlafsack im Schongang bei 30 Grad
und mit einem speziellen Schlafsack-Waschmittel in der Waschmaschine waschen. Kunstfaserschlafsäcke kann man relativ leicht selbst waschen, sie trocknen auch schnell. Daunensäcke
sind etwas schwieriger zu handhaben, da die
Daunen während des Trocknens ständig aufgeschüttelt werden müssen.
Kann ich meinen Schlafsack auch bei
Globetrotter reinigen lassen?
Nicht direkt. Kunden können den Schlafsack
aber bei uns abgeben, wir leiten ihn an Yeti
weiter, die Daunenschlafsäcke professionell
waschen können. Kostenpunkt: rund 25 €. Eine
solche Wäsche lohnt sich nicht nur hinsichtlich
der Hygiene, auch Inletnutzer freuen sich anschließend über eine »reaktivierte« Bauschkraft.
Wie schätzt du – korrekte Pflege natürlich vorausgesetzt – die Lebensdauer
eines Schlafsacks ein?
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So ist es nun
möglich, die
Angaben der
unterschiedlichen Modelle
und Hersteller
vergleichen zu
können, da
alle Angaben
nach den gleichen Normvorgaben bei unabhängigen
Prüfinstituten ermittelt werden müssen.
Drei Messwerte finden sich anschließend
auf dem Schlafsack wieder ...
Komforttemperatur »T comf«: gilt für
eine »Standard-Frau« (25 Jahre, 60 kg,
1,60 m), die gerade noch nicht friert.
Grenztemperatur »T lim«: gilt für einen »Standard-Mann« (25 Jahre, 70 kg,
1,73 m), der gerade noch nicht friert.
Extremtemperatur »T ext«: gilt für
eine »Standard-Frau« (25 Jahre, 60 kg,
1,60 m) unter starker Kältebelastung.
Hier besteht bereits ein Risiko der Unterkühlung.
Als Orientierungswert beim Kauf sollte
der erste Wert (Komfortwert T comf) dienen. Einen vierten Wert der Norm, den
Maxi­m al­w ert, gibt Globetrotter Ausrüstung im Handbuch nicht an. Er bezieht
sich auf den Temperaturwert, an dem
ein Mensch anfangen würde, im Schlafsack zu schwitzen. Globetrotter-Kunden
beugen dem aber durch Öffnen des Reißverschlusses vor. Die Temperaturwerte
werden in Forschungslaboren mit einer
Gliederpuppe ermittelt, die nur mit einem
Trainings­anzug und Strümpfen bekleidet
im Schlafsack liegt. Gemessen werden
die Wärmeverluste in der jeweiligen Umgebungstemperatur. Alle Angaben bei
Globe­t rotter entsprechen der Norm, mit
Ausnahme der Kinderschlafsäcke. Hier
ist bis heute keine einheitliche Lösung
gefunden worden. Daher werden dort weiter die früher üblichen Werte angegeben,
ein Mix aus Herstellerangabe und der Einschätzung von Globetrotter-Mitarbeitern.
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Kaufberatung
Um eine mechanische Belastung an stets
denselben Stellen zu vermeiden, sollte
ein Schlafsack beim Packen nicht gerollt
oder gefaltet werden. Stopfen geht aber
ohnehin schneller.
Mittels Kompressionsriemen am Packsack
wird das Bündel dann wechselseitig aufs
halbe Maß gebracht.
Egal ob Daune oder Kunstfaser: Daheim sollte der Schlafsack ausgepackt gelagert werden.
Einen guten Schlafsack erkennt man nicht nur an Material und Verarbeitung, auch der Lieferumfang ist ein Indiz. So gehören ein robuster
Kompressionssack und ein Aufbewahrungssack zum guten Ton.
Ein guter Daunenschlafsack kann zehn Jahre
lang Freude bereiten, bei Kunstfaser sinkt die
Wärmeleistung bereits nach wenigen Jahren.
Wie viel Geld muss ich für ein ordentliches Standardmodell investieren?
Im Daunenbereich etwa 350 Euro, entsprech­
ende Kunstfasermodelle starten bei 200 Euro.
Es gibt zumeist Temperaturangaben auf
den Schlafsäcken. Aber darf ich den Her­
steller­angaben wirklich trauen?
Seit 2005 gibt es eine europaweite Norm, die EN
13537 (siehe auch Kasten S. 55). Diese braucht
es, will man Schlafsäcke für einen bestimmten
Temperaturbereich verkaufen. Überprüft werden die Schlafsäcke von einigen wenigen unabhängigen Instituten wie dem Hohenstein-Insti-
Bis hierher und nicht weiter. Schlafsäcke, deren Reißverschluss
vor dem Fußteil endet, sind entweder besondes warm oder besonders leicht. Der Ventilation ist das allerdings abträglich.
tut. Und auch wenn das Kälteempfinden jedes
einzelnen variiert, kann man dank dieser Norm
zumindest zwei Schlafsäcke miteinander vergleichen. Und wer daran Zweifel hat, für den bietet
Globetrotter einen ganz besonderen Service: In
den Filialen Hamburg, Berlin und Köln kann man
ordentlich bibbern. Nach dreißig Minuten in der
Klimakammer bei minus 15 Grad weiß man, was
der Schlafsack kann.
Brauche ich für eine Nacht unter freiem
Himmel einen Biwaksack?
Nein, eigentlich nicht. Solange es nicht regnet,
ist man gegen die normale Luftfeuchte bestens
gewappnet. Wer öfter aufs Zelt verzichtet,
sollte aber gleich einen Schlafsack mit wasser­
abweisendem Außenmaterial wie Gore Dryloft
(Western Mountaineering) oder Aquashell (Yeti)
wählen.
Was trage ich bestenfalls im Schlafsack,
um seine Wärmeleistung optimal nutzen
zu können? Meinen Baumwoll-Pyjama?
Funktionswäsche ist erste Wahl, da sie Feuchtigkeit schnell weiterleitet. Ein Pyjama würde
den Schweiß, den ein Körper auch nachts absondert, aufnehmen, was zu einem kälteren
Schlafgefühl führt.
Fehlt nur noch eine Isomatte zum Tiefschlaf­glück, oder?
Genau. Ohne die richtige Isomatte versagt der
wärmste Schlafsack, denn nach unten ist nur
wenig Isolierung möglich, da Daunen oder
Kunstfaser plattgelegen werden. Doch die
Auswa­hl der richtigen Isomatte ist eine ganz
andere Story ...
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