Geschäftsjahr 2015 - Oberverwaltungsgericht - Sachsen

Jahresbericht
der Verwaltungsgerichtsbarkeit
des Landes Sachsen-Anhalt
- Geschäftsjahr 2015 -
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Sehr geehrte Damen und Herren,
ich freue mich über Ihr Interesse an der Arbeit der Verwaltungsgerichtsbarkeit des Landes
Sachsen-Anhalt. Gern lege ich Ihnen meinen zusammenfassenden Bericht über die Tätigkeit
der beiden erstinstanzlichen Verwaltungsgerichte in Magdeburg und Halle sowie des Oberverwaltungsgerichts in Magdeburg im Jahr 2015 vor.
Wie gewohnt, so haben die Verwaltungsgerichte auch im vergangenen Jahr wiederum einen
unverzichtbaren Beitrag für die Rechtssicherheit und damit für die Rechtsstaatlichkeit in unserem Bundesland geleistet. Sie haben dabei in vielen Fällen nicht nur den rechtsuchenden
Bürgerinnen und Bürgern, sondern auch der Anwaltschaft, den Behörden und letztlich auch
der Politik wertvolle Hinweise auf die Rechtslage gegeben. Immer wieder treten Konstellationen auf, in denen sich die Rechtslage nicht durch den einfachen „Blick ins Gesetz“ erschließt
- man denke nur an die aktuelle Diskussion um das Beitragsrecht -, sondern hier sind der
Sachverstand und die Erfahrung von Spezialisten wie eben unserer Verwaltungsrichterinnen
und Verwaltungsrichter gefragt.
Das Jahr 2015 hat die Verwaltungsgerichte insofern vor besondere Herausforderungen gestellt, als sie sich in einem Umfang, den noch vor wenigen Jahren wohl niemand prognostiziert hätte, mit Asylverfahren zu befassen hatten. So hat sich die Zahl der Eingänge in Asylverfahren bei dem (bisher) ausschließlich zuständigen Verwaltungsgericht Magdeburg in den
Jahren 2013-2015 nahezu verdreifacht und damit einen Großteil der richterlichen Arbeitskraft
(und auch derjenigen der Bediensteten in den Serviceeinheiten) in Anspruch genommen.
Besonders erfreulich ist daher, dass sich gleichwohl die Zahl der Erledigungen der NichtAsylverfahren auf dem bisherigen hohen Niveau gehalten hat. Zur Erreichung dieses ambitionierten Ziels hat auch die Neueinstellung einer erheblichen Anzahl von Richterinnen und
Richtern und die Verstärkung des Servicebereichs beigetragen, für welche dem zuständigen
Ministerium für Justiz und Gleichstellung besonderer Dank gilt.
Über die Geschäftsentwicklung im Einzelnen informieren Sie sich bitte anhand des Statistikteils, den wir wiederum mit vergleichenden Grafiken versehen haben. Dem anschließenden
Bericht über wichtige Entscheidungen unserer Verwaltungsgerichte können Sie die Vielfalt
der Rechtsgebiete entnehmen, auf denen wir tätig sind. Ein weiterer Abschnitt gibt Ihnen
eine Vorschau auf wichtige Verfahren des laufenden Jahres.
Erneut möchte ich darauf hinweisen, dass Sie unter der Internetadresse
www.landesrecht.sachsen-anhalt.de kostenfrei die Entscheidungen von Gerichten in Sachsen-Anhalt abrufen können. Spezifische Informationen über die Verwaltungsgerichtsbarkeit
in Sachsen-Anhalt erhalten Sie unter der Internetadresse www.justiz.sachsen-anhalt.de/ovg.
Dort finden Sie auch Hinweise auf bevorstehende mündliche Verhandlungen - schauen Sie
doch einfach mal vorbei!
Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre und verbleibe mit freundlichen Grüßen
(Dr. Michael Benndorf, Präsident des Oberverwaltungsgerichts)
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Inhaltsverzeichnis
Seite
2
Vorwort
Seite
3
Inhaltsverzeichnis
Seite
4-6
Das Jahr 2015
Seite
7 - 12
Geschäftsentwicklung der Verwaltungsgerichtsbarkeit des
Landes Sachsen-Anhalt im Geschäftsjahr 2015
Seite
13 - 20
Rückblick auf Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts
des Landes Sachsen-Anhalt im Geschäftsjahr 2014
Seite 13 - 14
Seite 14 - 17
Seite 17 - 19
Seite 19 - 21
1. Senat
2. Senat
3. Senat
4. Senat
Seite
21 - 23
Ausblick auf anstehende Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt im Geschäftsjahr 2015
Seite
23 - 26
Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Halle 2015 und Ausblick auf anstehende Entscheidungen im Geschäftsjahr 2015
Seite
27 - 32
Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Magdeburg 2015
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Das Jahr 2015
Das Jahr 2015 war für die Verwaltungsgerichtsbarkeit ein Jahr besonderer Herausforderung.
Der weiter starke Anstieg der Asylverfahren - etwa eine Verdreifachung gegenüber dem Jahr
2013 - forderte eine personelle Aufstockung im richterlichen wie auch im nichtrichterlichen
Bereich, um dem Anspruch an ein zügiges und rechtsstaatliches Verfahren gerecht werden
zu können. Dank der Unterstützung durch das Ministerium für Justiz und Gleichstellung
konnte eine erfreuliche Verstärkung sowohl des richterlichen sowie auch des nichtrichterlichen Dienstes erreicht werden. Sieben Richterinnen auf Probe, die zum Teil in den Ruhestand getretene Kollegen ersetzen, sind dem Verwaltungsgericht Magdeburg zugewiesen
worden; weitere fünf Proberichter und -richterinnen kommen noch im Jahr 2016 hinzu; zudem ist auch die über einen Großteil des Jahres 2015 bestehende Vakanz in der Besetzung
von Vorsitzendenstellen glücklicherweise beendet. Dadurch konnte das Verwaltungsgericht
Magdeburg umfangreiche Umstrukturierungen vornehmen und unter anderem zwei weitere
Kammern bilden, so dass sich eine noch bessere Verteilung der Sachgebiete allgemeiner
Verfahren sowie Herkunftsländer in Asylverfahren mit dem Ziel weiterer Spezialisierung erreichen ließ.
Aus unserer Sicht hat sich die seit nunmehr über 20 Jahre bestehende Konzentration der
Asylverfahren bei dem Verwaltungsgericht Magdeburg gut bewährt. Gleichwohl hat der
Landtag durch Gesetz zum 1. Februar 2016 auch die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts
Halle für die Bearbeitung von Asylverfahren geregelt. Welche Auswirkungen dieses Gesetz
auf die Verteilung von Asylverfahren zwischen den Gerichten haben wird, ist aufgrund der
sich ständig wandelnden politischen Rahmenbedingungen, wie der Ansiedlung Zentraler
Anlaufstellen, dem Zeitpunkt der Zuweisung der Flüchtlinge an die Kommunen und vielem
mehr kaum zu prognostizieren. Entscheidend wird sein, die Entwicklung genau zu beobachten und personalpolitisch zu begleiten. Sollte das angekündigte Ziel des Bundesamts für
Migration und Flüchtlinge, in 2016 eine Million Asylanträge bearbeiten zu wollen, allerdings
zu einem vergleichbaren Verfahrensanstieg wie 2014 führen, muss klar sein, dass dies auch
zu einem weiteren Personalbedarf führen wird. Hierbei wird auch zu berücksichtigen sein, ob
den Verwaltungsgerichten im Rahmen der sich stetig wandelnden Asylgesetzgebung die
Zuständigkeit für Abschiebehaftsachen übertragen wird.
Eng verknüpft vor allem mit Asylverfahren ist auch der in der Verwaltungsgerichtsbarkeit seit
2009 eröffnete elektronische Rechtsverkehr. Die hierbei auftretenden Belastungen durch die
bislang notwendige „doppelte Aktenführung“ (Papierakte und elektronische Akte) veranschaulichen eindringlich die Notwendigkeit, so schnell wie möglich neben dem elektronischen Gerichtspostfach (EGVP) auch die ausschließlich elektronische Akte zu etablieren und
zur führenden Akte zu machen. Die Verwaltungsgerichtsbarkeit bringt sich mit ihren Erfahrungen umfänglich in den Prozess zur Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs in der
gesamten Justiz des Landes Sachsen-Anhalt ein.
In personeller Hinsicht konnte die lange vakante Stelle des Vizepräsidenten des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt mit Herrn VPräsOVG Becker besetzt werden. Die
weitere personelle Stabilisierung des Oberverwaltungsgerichts bleibt Aufgabe für 2016.
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Geschäftsentwicklung 2015
Die Geschäftsentwicklung in der Verwaltungsgerichtsbarkeit des Landes Sachsen-Anhalt in
2015 ist weiter geprägt durch die hohe Zahl der Eingänge erstinstanzlicher Asylverfahren,
insbesondere asylverfahrensrechtlicher Eilanträge.
Bei den Verwaltungsgerichten Halle und Magdeburg sind im Geschäftsjahr 2015 insgesamt 7613 Verfahren neu eingegangen; dies entspricht einer Zunahme gegenüber dem Geschäftsjahr 2014 (6925 Eingänge) um etwa 8 Prozent. Zu beobachten ist eine weitere Steigerung der Eingänge in den Asylverfahren, wenngleich sich insoweit eine gewisse Stabilisierung auf hohem Niveau abzuzeichnen scheint. Auch bei den allgemeinen Verfahren zeichnet
sich eine im Wesentlichen gleichbleibende Eingangssituation ab; die erhebliche Zunahme
von Eingängen bei dem Verwaltungsgericht Halle ist im Wesentlichen auf einen Einmaleffekt
(etwa 600 beamtenrechtliche Verfahren wegen sog. besoldungsrechtlicher Altersdiskriminierung) zurückzuführen.
Die Entwicklung der Bestände ist geprägt durch ein signifikantes Anwachsen der Zahl offener Asyl-Hauptsacheverfahren bei dem Verwaltungsgericht Magdeburg auf nunmehr fast
1500 Verfahren zum Ende des Jahres 2015. Es besteht aber Anlass zu der Annahme, dass
die vor kurzem erfolgte erhebliche Personalaufstockung „greift“ und zu einem deutlichen Abbau der Bestände führen wird. Im Übrigen hatte die weiterhin starke Belastung durch Asylverfahren - insbesondere bei den Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes - bei dem Verwaltungsgericht Magdeburg eine „Verlagerung“ richterlicher Arbeit in diesen Bereich zur Folge, was nicht ohne Auswirkungen auf die Bearbeitung der Nicht-Asylverfahren bleiben konnte. Auch insoweit wird mit einer erheblichen Verbesserung der - vorübergehend - angespannten Situation zu rechnen sein.
Bei dem Verwaltungsgericht Halle ist ebenfalls eine erhebliche Zunahme der Bestände (um
ca. 600 Verfahren gegenüber Ende 2014) festzustellen; dies ist jedoch auf den Einmaleffekt
der o.g. beamtenrechtlichen Verfahren zurückzuführen.
Angesichts der erheblichen Belastung der Verwaltungsgerichte ließ es sich nicht vermeiden,
dass sich die durchschnittliche Verfahrensdauer leicht erhöht hat. Eine Verfahrenslaufzeit
von etwa einem Jahr in den allgemeinen Verfahren bewegt sich zwar auf einem im Bundesdurchschnitt recht guten Niveau; allerdings sollte die jüngst erfolgte Verbesserung der Personalausstattung wieder zu einer Beschleunigung der Verfahren im Interesse der Rechtsuchenden führen.
Bei dem Oberverwaltungsgericht zeigt sich auf den ersten Blick ein Rückgang der Eingangszahlen um etwa 200 Verfahren; dieser ist indes darauf zurückzuführen, dass im Jahr
2015 nahezu keine NC-Verfahren eingegangen sind. Entsprechendes gilt auch für die Zahl
der Erledigungen; diese hält sich für den Bereich der allgemeinen Zulassungsverfahren im
Wesentlichen stabil. Nach wie vor wird das Oberverwaltungsgericht kaum mit Asylverfahren
befasst; inwieweit die derzeitige Diskussion um eine mögliche Erweiterung der Rechtsmittel
in diesem Bereich den Gesetzgeber zum Handeln veranlasst, bleibt abzuwarten.
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Die Bestände konnten im vergangenen Jahr erfreulicherweise auf niedrigem Niveau (299
Verfahren) gehalten werden. Die Erledigung vornehmlich älterer erstinstanzlicher Hauptsacheverfahren führte zu einem Anstieg der Verfahrensdauer in diesem Bereich, während es
ansonsten gelungen ist, die Verfahrenslaufzeiten weiter - auf ein im Bundesvergleich erfreulich niedriges Niveau von ca. 8 Monaten - zu senken.
Auch im Jahr 2015 sind die speziell ausgebildeten Güterichter und -richterinnen mit Erfolg in
Anspruch genommen worden. Es sind immerhin 41 Verfahren an die Güterichter verwiesen
worden; in 15 Fällen der 24 abgeschlossenen Verfahren konnte der Konflikt zwischen den
Beteiligten in der Verhandlung vollständig beigelegt werden. Dies zeigt, dass die Güterichterverfahren schon zahlenmäßig keineswegs in „Konkurrenz“ zu den streitigen verwaltungsgerichtlichen Verfahren stehen, aber doch ein ergänzendes Angebot unserer Gerichtsbarkeit darstellen, in geeigneten Fällen rasch zu einer einvernehmlichen und abschließenden, befriedenden Lösung von Rechtsstreitigkeiten zu gelangen. Es bleibt zu wünschen,
dass dieses Angebot in noch stärkerem Maße in Anspruch genommen wird.
Hinsichtlich der einzelnen Geschäftszahlen sei auf die nachstehenden Tabellen verwiesen.
Erneut enthält dieser Jahresbericht auch eine grafische Darstellung der Rechtsgebiete, mit
denen sich die Verwaltungsgerichte zu befassen hatten.
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Verwaltungsgerichte
I.
Geschäftsentwicklung
Geschäftsentwicklung
Eingänge
Jahr
Allgemeine
Verfahren
(einschl. sonst.
Geschäftsanfall)
2011
Erledigungen
AsylVerfahren
Allgemeine
Verfahren
(ohne sonst.
Geschäftsanfall)
4469
635
2012
4163
2013
Bestand am Jahresende
Anzahl der
Richterinnen
und Richter
AsylVerfahren
Allgemeine
Verfahren
(ohne sonst.
Geschäftsanfall)
AsylVerfahren
4826
703
3347
389
41,75
788
4710
708
2725
469
40,25
4349
1191
4062
933
2923
727
38,82
2014
4091
2834
3899
2027
3028
1534
36,99
2015
4602
3011
3908
3006
3562
1538
40,26
Die Grafik zeigt die Entwicklung der Eingänge, Erledigungen und Bestände hinsichtlich der
allgemeinen Verfahren in den Jahren 2011 bis 2015. Die Zahl der Eingänge im Jahr 2015 ist
gegenüber dem Vorjahr deutlich angestiegen, die Zahl der Erledigungen konstant geblieben.
Die Bestände sind weiter angewachsen, was seinen Grund in der nach wie vor prioritären
Beschäftigung mit Asylverfahren, vor allem aber im Sondereffekt von ca. 600 beamtenrechtlichen Klageverfahren hat, die 2015 eingegangen sind.
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Die Grafik zeigt das weiter sehr hohe Niveau der Eingänge in Asylverfahren. Durch eine
deutlich gestiegene Zahl der Erledigungen konnte der Verfahrensbestand erfreulicherweise
stabil gehalten werden.
II.
Verfahrenslaufzeiten
Durchschnittliche Verfahrensdauer in Monaten
Jahr
Allgemeine
Klageverfahren
Allgemeine
Eilverfahren
AsylKlageverfahren
AsylEilverfahren
2011
12,2
3,0
11,8
0,7
2012
10,8
3,3
10
0,5
2013
10,3
2,5
7,9
0,6
2014
10,4
2,7
7,6
0,8
2015
11,8
2,4
9,5
1,0
9
Die Grafik stellt die Verfahrenslaufzeiten der Jahre 2011 bis 2015 in den unterschiedlichen
Verfahrensarten dar. Während sich die Laufzeiten in den Eilverfahren weiter nahezu stabil
auf sehr niedrigem Niveau bewegen, ist die Laufzeit der allgemeinen Verfahren wieder leicht
angewachsen.
III. Eingänge nach Rechtsgebieten
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Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt
I.
Geschäftsentwicklung
Geschäftsentwicklung
Eingänge
Jahr
Allgemeine
Verfahren
(einschl. sonst.
Geschäftsanfall)
2011
2012
Erledigungen
AsylVerfahren
Allgemeine
Verfahren
(ohne sonst.
Geschäftsanfall)
1193
1382
183
121
2013
966
2014
2015
Bestand am Jahresende
Anzahl der
Richterinnen
und Richter
AsylVerfahren
Allgemeine
Verfahren
(ohne sonst.
Geschäftsanfall)
AsylVerfahren
940
856
109
183
538
789
96
34
12,62
13,00
39
1163
50
416
24
12,75
1061
31
1026
45
283
10
10,85
851
38
628
40
292
7
11,17
Die Grafik stellt die Entwicklung der Eingänge, Erledigungen und Bestände in den Jahren
2011 bis 2015 dar. Der gegenüber dem Jahr 2014 festzustellende Rückgang von Eingängen
und Erledigungen im Jahr 2015 ist auf den fast vollständigen Wegfall der NC-Verfahren im
Jahr 2015 zurückzuführen.
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II.
Verfahrenslaufzeiten
Durchschnittliche Verfahrensdauer in Monaten
Jahr
Erstinstanzliche
Hauptverfahren
Berufungen (einschließlich
Zulassungsverfahren) in
Allgemeinen
Verfahren
Berufungen (einschließlich
Zulassungsverfahren) in
Asyl-Verfahren
Beschwerden in
Eilverfahren und
erstinstanzliche
Eilverfahren
2011
2012
10,9
11,5
8,3
8,0
2,8
4,2
5,9
6,6
2013
14,8
8,8
4,8
6,8
2014
15,0
9,1
8,7
3,5
2015
22,4
8,3
2,9
1,4
12
Die Grafik zeigt die Entwicklung der Laufzeiten zweitinstanzlicher Verfahren in den Jahren
2011 bis 2015. In den allgemeinen Berufungsverfahren ist die Verfahrensdauer nahezu konstant geblieben, während sie in den erstinstanzlichen Verfahren deutlich zugenommen hat.
Bemerkenswert ist der Rückgang der Verfahrensdauer in den zweitinstanzlichen Asylverfahren.
III. Eingänge nach Rechtsgebieten
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Rückblick
auf Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichtes des Landes
Sachsen-Anhalt im Geschäftsjahr 2015
1. Senat
Gewerberechtliche Anordnung im Zusammenhang mit der Fassaden- und Schaufenstergestaltung einer Spielhalle
Beschluss vom 23. April 2015 - Az.: 1 M 45/15 In diesem Verfahren ging es um die Frage, ob die äußere Gestaltung einer Spielhalle gegen
das Werbeverbot in §§ 5 Abs. 2 Satz 2, 9 Abs. 1 Spielhallengesetz des Landes SachsenAnhalt verstößt.
Der Senat hat festgestellt, dass auch eine nur silhouettenhafte Darstellung von Spielautomaten eine (unzulässige) Werbemaßnahme für die in der Spielhalle angebotenen Spiele sein
kann und sich nicht in einer (zulässigen) sachlichen, sich von selbst verstehenden Information über die angebotenen Spiele erschöpft. Maßgeblich ist der Gesamteindruck der Schaufenstergestaltung anhand von Farbe, Größe, Kontext etc., in den die Gerätedarstellung gestellt ist. Entsprechendes gilt für die Frage, ob an der Fassade einer Spielhalle angebrachte
Jokersymbole besonders auffällig gestaltet und geeignet sind, einladend auf zum Spiel noch
Unentschlossene zu wirken und diese zur Teilnahme am Glücksspiel zu motivieren.
Durchführung tierärztlicher Leistungen unter Verwendung eines mobilen Fahrzeugs
Beschluss vom 3. Juni 2015 - Az.: 1 L 17/15 Gegenstand dieses Verfahrens war die Frage, ob tierärztliche Leistungen von einem den
Standort täglich mehrfach wechselnden und im öffentlichen Verkehrsraum zwecks Behandlung abgestellten Ambulanzfahrzeug aus erbracht werden dürfen.
In seiner Entscheidung hat der Senat darauf hingewiesen, dass die Berufsordnung der beklagten Tierärztekammer dies nicht vorsieht, weil die tierärztliche Leistungserbringung an
eine Niederlassung, d. h. an die notwendige „räumliche Ausstattung“ an einem „bestimmten
Ort“ geknüpft ist. Infolge des täglich mehrfachen Standortwechsels kann ein Tierarztmobil
auch nicht als berufsrechtlich zulässige „Zweigpraxis“ angesehen werden. Von der Entscheidung nicht betroffen sind tierärztliche Hausbesuche, die Behandlung von „Großtieren“, wie
Kühen, Pferden und Schweinen, sowie eine Notfallbehandlung, etwa eine Erstversorgung
am Unfallort.
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Untersagung der Vermarktung von Schweinen und ihren Erzeugnissen mit dem Hinweis „biologisch/ökologische Erzeugung“ nach VO (EG) Nr. 834/2007
Beschluss vom 29. Juni 2015 - Az.: 1 M 76/15 In diesem Verfahren ging es um ein Vermarktungsverbot für Schweine als „Bio-Schweine“
wegen nicht angemessener Buchführung über die getrennte biologische sowie konventionelle Haltung der Tiere sowie die ordnungsgemäße Verwendung von Medikamenten.
Der Senat hat in diesem Verfahren Feststellungen zu der zuständigen Behörde für ein solches Vermarktungsverbot im Sinne des Art. 30 Abs. 1 Unterabsatz 2 EGV Nr. 834/2007 im
Lande Sachsen-Anhalt sowie zum Begriff der „Betriebsstätte“ im Sinne des Art. 66 Abs. 1
und Art. 76 Abs. 1 EGV Nr. 889/2008 getroffen, an der Bestands-, Finanz- bzw. Haltungsbücher zu führen sind.
2. Senat
Bebauungsplan, der die Erweiterung eines bestehenden Gewerbebetriebs um ein Rechenzentrum ermöglicht
Urteil vom 21.10.2015 – Az: 2 K 194/12 Die Antragsteller wandten sich gegen einen Bebauungsplan der Landeshauptstadt Magdeburg, mit dem eingeschränkte Gewerbegebiete festgesetzt und Baurecht zur Erweiterung
eines in diesem Bereich bereits errichteten Rechenzentrums hergestellt werden sollten. Die
Antragsteller rügten insbesondere eine Beeinträchtigung durch die beim Betrieb der Lüftungs- und Kühlanlagen entstehenden Geräusche sowie eine unzumutbare Verschattung
ihrer Wohngrundstücke durch die beiden zugelassenen Baukörper.
Der Senat hat den Normenkontrollantrag abgelehnt. Er ist zu der Auffassung gelangt, dass
die Anlagen in einem Gewerbegebiet planungsrechtlich zulässig und ein Abwägungsmangel
in Bezug auf Lärmimmissionen nicht erkennbar seien, insbesondere der Konflikt durch die im
Bebauungsplan in zulässiger Weise festgesetzten Emissionskontingente bewältigt werde.
Ferner sei das maßgebliche Abwägungsmaterial auch im Zusammenhang mit der von den
Modulen ausgelösten Verschattung der nördlich des Plangebiets liegenden Grundstücke
ausreichend ermittelt, zutreffend bewertet und in nicht zu beanstandender Weise mit den
gegenläufigen Belangen der Anwohner des benachbarten Wohngebiets abgewogen worden.
Verlust der Zugehörigkeit zu einem Denkmalbereich
Beschluss vom 02.12.2015 – Az: 2 L 4/15 Der Kläger wandte sich gegen die vom Landkreis Harz getroffene Feststellung, dass im Bereich der ehemaligen innerdeutschen Grenze zwischen der Bundesautobahn 2 (BAB 2) und
der Bundesstraße 1 gelegene Grundstücke zum Denkmalbereich „Grenzübergangsstelle
Marienborn" gehören.
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Das Verwaltungsgericht hatte festgestellt, dass die Grundstücke nicht vom Denkmalbereich
erfasst seien. Zwar erfülle die Grenzübergangsstelle Marienborn als solche die Kriterien eines Kulturdenkmals in der Form eines Denkmalbereichs. Die Grundstücke des Klägers seien
davon aber nicht mehr umfasst. Sie ließen die ihnen obliegende Funktionszuordnung aufgrund der in den letzten 20 Jahren eingetretenen Verbuschung oder Verwaldung und der
baulichen Veränderungen im Rahmen des Ausbaus der BAB 2 nicht mehr erkennen.
Der Senat hat den vom Landkreis gestellten Antrag auf Zulassung der Berufung abgelehnt
und dazu ausgeführt: Auch wenn sich der auf der ehemaligen Rodungsfläche in den vergangenen 20 Jahren gewachsene Baumbestand von dem älteren Baumbestand der angrenzenden Waldflächen unterscheide, ändere dies nichts daran, dass die dort als Schussfeld angelegte Rodungsfläche nicht mehr als solche zu erkennen sei und damit die nach § 2 Abs. 2
Nr. 2 Satz 2 DenkmSchG LSA für die Zugehörigkeit der Umgebung zum Denkmalbereich
erforderliche besondere historische oder funktionale Beziehung dieser Flächen zu den Bauwerken im Denkmalbereich nicht mehr ablesbar sei. Der Senat hat auch die Auffassung des
Verwaltungsgerichts geteilt, dass denkmalgerechte Zustände in Bezug auf diese Flächen
nicht ohne weiteres wieder hergestellt werden können. Der Kläger könne nicht verpflichtet
werden, die ursprünglich angelegte, mehrere Hektar große Rodungsfläche durch die Beseitigung des in den letzten 20 Jahren gewachsenen Baumbestandes wiederherzustellen. Ihm
könne auch kein Vorwurf dahingehend gemacht werden, dass er seinen sich aus dem
DenkmSchG LSA ergebenden Pflichten nicht nachgekommen sei, indem er die streitigen
Flächen nicht von Bewuchs freigehalten habe. Dabei sei in Rechnung zu stellen, dass die
Flächen nach früheren Feststellungen der Denkmalschutzbehörden nicht dem Denkmalbereich der Grenzübergangsstelle zugerechnet wurden.
Anordnungen des Landesamtes für Geologie und Bergwesen Sachsen-Anhalt zur
Sanierung der ehemaligen Tontagebaue Möckern und Vehlitz
Urteile vom 22.04.2015 – Az: 2 L 47/13, 2 L 48/13, 2 L 52/13 und 2 L 53/13 In den Jahren 2002 bis 2008 verfüllte die ehemalige Betreiberin die Tontagebaue Möckern
und Vehlitz mit Abfällen. Grundlage hierfür waren bergrechtliche Betriebsplanzulassungen
des Bergamtes Staßfurt bzw. des Landesamtes für Geologie und Bergwesen. Abgelagert
wurden u.a. Abfälle mit einem hohen Anteil an klein geschreddertem Hausmüll und hausmüllähnlichen Gewerbeabfällen. Im Jahr 2008 wurde die Verfüllung durch das Landesamt
gestoppt, nachdem im Rahmen von ersten Gefahrenbeurteilungen festgestellt worden war,
dass insbesondere von dem in den abgelagerten Verfüllmaterialien enthaltenen Sickerwasser Gefahren für die Umwelt ausgehen. Nach weiteren Untersuchungen erließ das Landesamt in den Jahren 2011 und 2012 mehrere Anordnungen gegen den Insolvenzverwalter der
inzwischen insolventen ehemaligen Betreiberin, mit denen dieser auf der Grundlage des
Bundesbodenschutzgesetzes (BBodSchG) u.a. zu Sanierungsmaßnahmen verpflichtet wurde. Hiergegen richteten sich die Klagen, denen das Verwaltungsgericht stattgab.
Auf die Berufungen des Landesamtes änderte der Senat die erstinstanzlichen Entscheidungen und wies die Klagen zum großen Teil ab. Die Anordnungen waren überwiegend rechtmäßig. Bei den Tontagebauen handelte es sich um sog. Altlasten, also um Grundstücke, von
denen Gefahren für die Allgemeinheit hervorgerufen werden, so dass das BBodSchG An-
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wendung fand. Darüber hinaus handelte es sich bei der Verfüllung der Tongruben um illegale
Abfallbeseitigung, da die tatsächlich abgelagerten Abfälle für den vorgesehenen Zweck, die
Wiedernutzbarmachung der Oberfläche der ehemaligen Tagebaue, nicht geeignet waren. Da
hierfür die erforderliche abfallrechtliche Zulassung nicht vorlag, handelte es sich um den Betrieb einer illegalen Deponie. Die der ehemaligen Betreiberin erteilten bergrechtlichen Betriebsplanzulassungen waren hierfür nicht ausreichend.
Baustopp für die Hochwasserschutzanlage Gimritzer Damm in Halle (Saale)
Beschluss des Senats vom 18.05.2015 – Az.: 2 M 33/15 Gegenstand des Verfahrens war eine dem Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft Sachsen-Anhalt (LHW) erteilte Plangenehmigung des Landesverwaltungsamtes Sachsen-Anhalt, mit der die Erneuerung der Hochwasserschutzanlagen am Gimritzer
Damm auf einer neuen Trasse entlang der sogenannten Halle-Saale-Schleife genehmigt
worden war. Hiergegen richtete sich der Eilantrag von Eigentümern einer auf der Peißnitzinsel gelegenen Wohnungseigentumsanlage.
Die Antragsteller wandten sich nicht prinzipiell gegen die Erneuerung der Hochwasserschutzanlagen am Gimritzer Damm, sondern nur gegen die neue Trasse, weil sie befürchteten, dass ihr Wohneigentum durch die Verlegung des Deiches in Richtung Saale sowie durch
die Krümmung der Trasse im Hochwasserfall stärker als bislang betroffen werde. Da dies
nicht von vornherein und offensichtlich auszuschließen war, waren sie befugt, gegen die
Plangenehmigung zu klagen und vorläufigen Rechtsschutz zu beantragen.
Der Antrag hatte in erster und zweiter Instanz Erfolg. Der Senat hat – wie das Verwaltungsgericht – entschieden, dass die Plangenehmigung rechtswidrig ist, weil im Genehmigungsverfahren keine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) durchgeführt wurde. Eine solche war
aber erforderlich, weil der Bau der Hochwasserschutzanlage auf der neuen Trasse mit einer
Zerstörung natürlicher Rückhalteflächen verbunden ist und dies zu erheblichen nachteiligen
Umweltauswirkungen führen kann. Auf diesen Verfahrensfehler können sich die Antragsteller
nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz auch berufen.
Folge der Entscheidung ist, dass der LHW von der ihm erteilten Plangenehmigung einstweilen keinen Gebrauch machen, also insbesondere die Hochwasserschutzanlage nicht fertigstellen darf. Vielmehr ist zunächst in einem neuen Verfahren die UVP nachzuholen und auf
dieser Grundlage zu entscheiden, ob der erforderliche Planfeststellungsbeschluss für den
Deichbau erteilt wird. Das Ergebnis dieses Verfahrens, also insbesondere die Frage, auf
welcher Trasse der neue Deich gebaut werden darf, wird durch die Entscheidung des Senats
nicht vorweggenommen.
Wirtschaftliche Unzumutbarkeit der unveränderten Erhaltung eines Kulturdenkmals
Urteil vom 18.02.2015 – Az.: 2 L 175/13 Der Kläger begehrte vom Beklagten die Erteilung einer denkmalrechtlichen Abbruchgenehmigung für ein Gebäude. Zur Begründung ließ er durch seinen Architekten ausführen, dass
die Sanierung des Gebäudes zu Wohn- oder gewerblichen Zwecken wegen enormer Schä-
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digung der gesamten Konstruktion und der Menge an abgängiger Bausubstanz sowie einzelner den Charakter prägender Elemente zu einem unvertretbaren und zugleich unzumutbaren jährlichen finanziellen Verlust führen würde.
Mit Bescheid vom 14.06.2012 lehnte der Beklagte die Erteilung der Abbruchgenehmigung
ab. Zur Begründung führte er aus, dass es sich bei dem Objekt um ein Kulturdenkmal handele. Das Objekt sei sowohl ein Baudenkmal als auch Bestandteil eines Denkmalbereichs.
Der Bauzustand sei dabei unerheblich oder bestenfalls insoweit relevant, wie durch Schäden
oder Auflösungen des überlieferten Zusammenhangs die historische Aussagekraft der Substanz erheblich reduziert werde oder verloren gehe. Von diesem Zustand sei das Gebäude
weit entfernt.
Das Verwaltungsgericht hatte der Klage des Eigentümers stattgegeben. Auf die Berufung
des Beklagten änderte der Senat die erstinstanzliche Entscheidung und wies die Klage ab.
U. a. führte er aus: Der Kläger habe keinen Anspruch auf die Erteilung einer denkmalrechtlichen Abrissgenehmigung. Ein Eingriff in ein Kulturdenkmal sei zu genehmigen, wenn die
unveränderte Erhaltung des Kulturdenkmals den Verpflichteten unzumutbar belaste. Nach
Auffassung des Senats könne sich der Kläger darauf nicht berufen, weil der Verpflichtete
sich nicht auf die Belastung durch erhöhte Erhaltungskosten berufen könne, die dadurch
verursacht werden, dass Erhaltungsmaßnahmen dem Denkmalschutzgesetz oder sonstigem
öffentlichen Recht zuwider unterblieben seien. Diese Voraussetzungen seien nicht nur dann
gegeben, wenn der Verpflichtete im Laufe der Lebenszeit eines Denkmals als Eigentümer
der Sache Unterhaltungsmaßnahmen unterlassen habe, sondern auch dann, wenn der Verpflichtete „sehenden Auges“ ein sanierungsbedürftiges Denkmal erwerbe, die Denkmaleigenschaft bekannt und die Sanierungsbedürftigkeit offensichtlich sei.
3. Senat
Zuweisung auswärtiger Kinder in kommunale Förderschule
Beschluss vom 5. Februar 2015 - Az.: 3 M 473/14 Die Antragstellerin betreibt seit Jahren eine Förderschule für körperbehinderte Kinder, in der
neben den Kindern aus ihrem Zuständigkeitsbereich nach Zuweisung durch das beklagte
Landesschulamt auch Kinder aus den umliegenden Landkreisen beschult werden. Die Antragstellerin machte nun geltend, sie könne ein weiteres ihr zugewiesenes Kind nicht an der
Schule aufnehmen, da die dortigen Kapazitäten erschöpft seien. Ihr könne nicht zugemutet
werden, Schulkapazitäten für auswärtige Kinder vorzuhalten, wenn nicht zugleich die für diese Kinder zuständigen Schulträger sich an den Kosten hierfür beteiligten.
Der Senat hat die Zurückweisung des Eil-Antrags der Antragstellerin bestätigt. Im Vordergrund stand dabei, dass das betroffene Kind die Schule bereits seit einiger Zeit besuchte und
die Unterrichtssituation (noch) nicht so schlecht sei, dass seine erfolgreiche Beschulung
nicht gewährleistet sei. Es sei aber im Hauptsacheverfahren eine genaue Prüfung vorzunehmen, ob die Zuweisung von Kindern aus anderen Landkreisen nicht die Selbstverwaltungshoheit der Antragstellerin verletze, zumindest dann, wenn nicht zugleich eine angemessene Beteiligung der Landkreise an den Kosten der Beschulung sichergestellt sei.
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Zur Bemessung der Kastenstandsbreite für Sauen nach § 24 Abs. 4 Nr. 2 TierschutzNutztierhaltungsverordnung (TierSchNutztV)
Urteil vom 24. November 2015 - Az.: 3 L 386/14 In Deutschland dürfen Sauen - abweichend von der grundsätzlich vorgeschriebenen Gruppenhaltung - in einem bestimmten Zeitraum vor und nach dem Abferkeltermin in Kastenständen gehalten werden. Ein Betrieb, der zur Unternehmensgruppe eines niederländischen
Schweinezüchters gehört, wandte sich gegen eine tierschutzrechtliche Anordnung, wonach
in Anlehnung an § 24 Abs. 4 Nr. 2 TierSchNutztV alle belegten Kastenstände so zu gestalten
seien, dass jedes Schwein ungehindert aufstehen, sich hinlegen sowie den Kopf und in Seitenlage die Gliedmaßen ausstrecken kann.
Das Oberverwaltungsgericht hat entschieden, dass die Anordnung rechtmäßig erfolgt sei.
Aus § 24 Abs. 4 Nr. 2 TierSchNutztV ergebe sich zwingend, dass den in einem Kastenstand
gehaltenen (Jung-)Sauen die Möglichkeit eröffnet sein muss, jederzeit in dem Kastenstand
eine Liegeposition in beiden Seitenlagen einzunehmen, bei der ihre Gliedmaßen auch an
dem vom Körper entferntesten Punkt nicht an Hindernisse stoßen. Die Vorgabe der Regelung erfüllten danach nur Kastenstände, deren Breite mindestens dem Stockmaß (d. h. der
Widerristhöhe) des darin untergebrachten Schweins entspricht, oder Kastenstände, welche
dem Tier die Möglichkeit eröffnen, die Gliedmaßen ohne Behinderung in die beiden benachbarten leeren Kastenstände oder beidseitige (unbelegte) Lücken durchzustecken. Dass die
Tiere ihre Gliedmaßen in benachbarte belegte Kastenstände durchstecken könnten, sei nicht
ausreichend.
Verzicht auf die Fahrerlaubnis durch freiwillige Rückgabe des Führerscheines
Beschluss vom 20. November 2015 - Az.: 3 L 102/15 –
Der Kläger hatte gegenüber der Fahrerlaubnisbehörde erklärt, er wolle seinen Führerschein
abgeben. Er wolle einen eigenen Staat gründen („König von Deutschland“) und daher alle
bestehenden Rechtsverhältnisse zur Bundesrepublik Deutschland auflösen. Zugleich weigerte er sich, eine schriftliche Verzichtserklärung zu unterzeichnen. Trotz des Hinweises der
Mitarbeiter der Fahrerlaubnisbehörde, dass die Rückgabe des Führerscheines als Verzicht
auf die Fahrerlaubnis gewertet werde, hat er den Führerschein schließlich abgegeben. Daraufhin hat die Behörde mit Bescheid feststellt, dass der Kläger durch Rückgabe seines Führerscheines zugleich seine Fahrerlaubnis verloren habe.
Die dagegen erhobene Klage des Klägers hat das Verwaltungsgericht Halle abgewiesen.
Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung nicht zugelassen: Neben der Entziehung sei
auch ein Verzicht auf die Fahrerlaubnis möglich. Besondere Formerfordernisse seien nicht
zu beachten; es sei lediglich eine entsprechende Willenserklärung erforderlich, die auch
durch ein bestimmtes Verhalten wie die Rückgabe des Führerscheines erfolgen könne. Mit
der Rückgabe des Führerscheines werde vom Inhaber einer Fahrerlaubnis unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass das zugrunde liegende Rechtsverhältnis, nämlich die ihm
erteilte Berechtigung zum Führen eines Kraftfahrzeuges, (wieder) erlöschen soll.
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Rechtswidrigkeit der Satzungen des Landkreises Mansfeld-Südharz betreffend die
eingesetzten Intensiv-Krankentransportwagen
Urteil vom 14. Juli 2015 - Az.: 3 K 236/13 Die Antragsteller, verschiedene Träger der Krankenversicherung, haben im Rahmen eines
Normenkontrollverfahrens mehrere Satzungen des Landkreises Mansfeld-Südharz, mit denen Gebühren und Entgelte für den Intensiv-Krankentransport erhoben werden, zur Überprüfung gestellt mit dem Ziel, sie für unwirksam bzw. nichtig erklären zu lassen.
Der Landkreis betreibt seit 2012 den Rettungsdienst im Kreisgebiet mit einer Leitstelle in
Lutherstadt Eisleben und weiteren insgesamt zehn regionalen Rettungswachen. Er erwarb
im Sommer 2013 zusätzlich zu den vorhandenen Notarzteinsatzfahrzeugen, Rettungswagen,
Krankentransportwagen etc. zwei neue Intensivtransportwagen - ITW - (umgebaute Schwerlasttransporter mit intensivmedizinischer Ausrüstung), die zum Herbst 2013 in Betrieb genommen wurden. Die Anschaffungskosten betrugen je Fahrzeug circa 550.000,00 €. Mit den
angegriffenen Satzungen beschloss der Landkreis die Erhebung von Benutzungsgebühren
für die Nutzung eines Intensivtransportwagens.
Das Oberverwaltungsgericht hat festgestellt, dass die angegriffenen Satzungen unwirksam
sind, weil sie gegen höherrangiges Recht verstoßen. Die in den Satzungen erfolgte weite
Auslegung des Aufgaben- und Anwendungsbereich des vom Landkreis wahrzunehmenden
„Intensivtransportes“ sei von dem einschlägigen Rettungsdienstgesetz des Landes SachsenAnhalt (RettDG LSA) als Rechtsgrundlage für die Gebühren- und Entgelterhebung nicht
mehr gedeckt.
4. Senat
Zur Einstufung einer Wohngemeinschaft als Teil einer stationären Einrichtung i. S. d.
§ 3 Abs. 1 Wohnteilhabegesetz LSA (WTG LSA)
Urteil vom 10. Februar 2015 - Az.: 4 L 51/14 Die als GmbH organisierte Klägerin betreibt in einem Gebäude auf mehreren Etagen eine
stationäre Alten- und Pflegeeinrichtung und bietet zudem ambulante Altenpflege/Intensivpflege an. Im Erdgeschoss des Gebäudes ist eine „Betreute Wohngemeinschaft“
untergebracht. Deren intensivpflegebedürftigen Bewohner schlossen sich mit einer Vereinbarung zusammen, um eigenverantwortlich die Interessen der Gemeinschaft gegenüber Dritten
zu vertreten. Auf der Grundlage der Vereinbarung, die u.a. die gemeinschaftliche Beauftragung eines Pflegedienstes vorsieht und jedes Mitglied verpflichtet, Mehrheitsentscheidungen, insbesondere die einheitliche Beauftragung externer Dienstleister wie eines Pflegedienstes, zu akzeptieren, beschlossen die Mitglieder der Wohngemeinschaft, den Intensivpflegedienst der Klägerin bis auf weiteres zu beauftragen.
Der Senat hat entschieden, dass die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Satz 1 WTG LSA zur
Annahme einer stationären Einrichtung im Hinblick auf die Wohngemeinschaft zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt nicht in Gänze erfüllt gewesen seien. Sie habe nicht (auch)
dem Zweck gedient, den in der Vorschrift genannten Menschen mit der Wohnraumüberlas-
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sung verpflichtend Pflege- oder Betreuungsleistungen zur Verfügung zu stellen oder solche
vorzuhalten. Dass Betroffene nicht mehr in der Lage seien, über ihre Unterbringung, Versorgung sowie Pflege und Betreuung selbst zu entscheiden, habe ebenso wenig zwingend zur
Folge, dass sie nur in einer stationären Einrichtung untergebracht sein könnten, wie der Umstand, dass sie eine Rund-um-die-Uhr Betreuung benötigten, oder die Regelungen der Gemeinschaftsvereinbarung. Eine Verpflichtung i. S. d. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WTG LSA hinsichtlich der Wohnraumüberlassung und der Pflege- oder Betreuungsleistungen bestehe nur
dann, wenn eine rechtliche Verbindung zwischen diesen Leistungen gegeben sei, die betroffenen Menschen also auf Grund einer vertraglichen Abrede mit dem Wohnraum auch
Pflege- oder Betreuungsleistungen eines bestimmten Anbieters in Anspruch nehmen müssten.
Zur Einordnung der Erzeugung von Strom mit einer Photovoltaikanlage als wirtschaftliche Tätigkeit eines Landkreises
Urteil vom 7. Mai 2015 - Az.: 4 L 163/14 Der klagende Landkreis ließ auf kreiseigenen Grundstücken in einem Solarpark eine Photovoltaikanlage errichten und betrieb diese. Der erzeugte Strom wurde gegen Entgelt nach den
Regelungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) in das Netz des überörtlich tätigen
Stromversorgers eingespeist.
Nach der auf eine kommunalaufsichtliche Verfügung ergangenen Entscheidung des Senats
sind Errichtung und Betrieb einer solchen Photovoltaikanlage als wirtschaftliche Tätigkeit i. S.
d. § 116 GO LSA anzusehen. Damit das gemäß § 116 Abs. 1 Satz 1 GO LSA zwingend geltende Örtlichkeitsprinzip nicht verletzt werde, müsse nach der maßgeblichen funktionsbezogenen Betrachtung zu einem bestimmten Anteil eine gezielte Versorgung von Abnehmern im
Gebiet der betreibenden Kommune durch den erzeugten Strom erfolgen, d.h. die Anlage
müsse im Ergebnis zumindest teilweise zielgerichtet der Stromversorgung dieser Kommune
dienen. Eine solche zielgerichtete Versorgung liege aber nicht vor, wenn der erzeugte Solarstrom nach dem EEG in vollem Umfang in ein überörtliches Netz gegen Vergütung eingespeist werde. Der Betrieb einer solchen Photovoltaikanlage sei von vornherein weder eine
originäre Kreisaufgabe i. S. d. § 2 Abs. 1 Satz 1 LKO LSA noch eine Ergänzungs- oder Ausgleichsaufgabe i. S. d. § 2 Abs. 1 Satz 2 LKO LSA, und er sei auch nicht von einem öffentlichen Zweck i. S. d. § 116 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GO LSA gedeckt; § 116 Abs. 2 GO LSA sei
nicht einschlägig.
10-Jahres-Ausschlussfrist für Abgabenfestsetzung verfassungsgemäß
Urteil vom 4. Juni 2015 - Az.: 4 L 24/14 In dem Verfahren wandten sich Grundstückseigentümer gegen den Bescheid einer Gemeinde, mit dem sie im September 2012 für den in den Jahren 1995 bis 1998 erfolgten Ausbau
der Straßenbeleuchtung zu einem Straßenausbaubeitrag herangezogen worden sind.
Der Senat hat entschieden, dass die Abgabenfestsetzung rechtmäßig erfolgt sei, weil die
zehnjährige Frist des § 13b Satz 1 KAG LSA als zeitliche Obergrenze für den Vorteilsausgleich jedenfalls gemäß der in § 18 Abs. 2 KAG LSA bestimmten Übergangsregelung, wo-
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nach die Ausschlussfrist nicht vor Ablauf des 31. Dezember 2015 endet, noch nicht abgelaufen sei. Die durch das Gesetz zur Änderung kommunalabgabenrechtlicher Vorschriften vom
17. Dezember 2014 eingefügten §§ 13b, 18 Abs. 2 KAG LSA trügen dem rechtsstaatlichen
Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit hinreichend Rechnung. Die gewählte
Ausschlussfrist von grundsätzlich 10 Jahren ab Eintritt der Vorteilslage, die jedoch nicht vor
dem Ende des Jahres 2015 ablaufe und daher im Einzelfall auf Grund des erstmaligen Inkrafttretens des KAG LSA im Jahre 1991 bis zu 24,5 Jahre betragen könne, halte sich im
Rahmen des dem Gesetzgeber insoweit nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 zustehenden weiten Gestaltungsspielraums und belaste die Abgabenpflichtigen nicht unzumutbar.
Ausblick
auf Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichtes des Landes
Sachsen-Anhalt im Geschäftsjahr 2016
1. Senat
Grundbeitrag für Mitglieder einer Industrie- und Handelskammer - Az.: 1 L 189/15 In diesem Verfahren wird zu entscheiden sein, ob der (Jahres)Grundbeitrag für ein IHKMitglied gegen das Äquivalenzprinzip und/oder das Gleichbehandlungsgebot verstößt, der
ab einer Umsatzgröße von über 25 Mio. € bis max. 36.000,00 € (bei über 400 Mio. Umsatz)
gestaffelt wird und ob es in diesem Zusammenhang relevant ist, dass ein Handelsunternehmen im Energiesektor trotz hoher Umsätze lediglich eine Umsatzrendite von weniger als
0,5 % erzielt.
2. Senat
Bebauungsplan der Stadt Wittenberg - Az: 2 K 7/14 Wirksamkeit des Bebauungsplan der Stadt Wittenberg „Südliche Dresdener Straße/Kuhlache
– Teilplan Erlebbarkeit Elbe“
Untersagung der privaten Sammlung von Altpapier Az: 2 L 43/14, 2 L 44/14 und 2 L 45/14 Die Kläger, private Betreiber eine Annahmestelle zum Ankauf von Altkleidern und Altpapier,
wenden sich gegen Bescheide des beklagten Landkreises, mit denen ihnen die Sammlung
von Altpapier aus privaten Haushaltungen untersagt wurde. Das Verwaltungsgericht hat die
Bescheide aufgehoben. Ein Rückgriff auf die speziellere Rechtsgrundlage des § 18 Abs. 5
Satz 2 KrWG komme nicht in Betracht, da die Untersagungsverfügung allein damit begründet
worden sei, die Anzeige der Kläger nach § 18 Abs. 1 und 2 KrWG sei unvollständig. Die Voraussetzungen einer auf § 62 KrWG gestützten Untersagung lägen ebenfalls nicht vor. Hiergegen richten sich die vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufungen des Beklagten und
der Beigeladenen.
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3. Senat
Recht auf Informationszugang - Az.: 3 L 314/13 In einem Berufungsverfahren wird voraussichtlich zu klären sein, inwieweit ein Pharmaunternehmen gegenüber einer gesetzlichen Krankenkasse einen Anspruch auf Informationen über
zwischen der Krankenkasse und anderen Pharmaunternehmen geschlossene Rabattverträge bezüglich Arzneimittel hat.
Verfahren nach dem Informationsfreiheitsgesetz - Az.: 3 L 99/15 In dem Verfahren wird der Senat über einen Antrag auf Zulassung der Berufung hinsichtlich
eines Einsichtsgesuches der Presse in Fahrtenbücher des Ministeriums der Finanzen des
Landes Sachsen-Anhalt entscheiden, die in dem Zeitraum April 2011 bis Oktober 2012 für
einen ehemaligen Staatssekretär des Finanzministeriums geführt worden sind.
Zugang zu Telefonlisten verschiedener Jobcenter - Az.: 3 L 120/15 u. a. Der Senat wird zu entscheiden haben, ob ein ehrenamtlich in der Arbeitslosenhilfe engagierter Bürger einen Anspruch auf Zugang zu den Listen der dienstlichen Telefonnummern der
Mitarbeiter verschiedener Jobcenter hat.
Anteil der Synagogengemeinde zu Halle am Landeszuschuss - Az.: 3 L 29/14 u.a.Der Senat wird über den Anteil der Synagogengemeinde zu Halle an dem Landeszuschuss
für die Jüdische Gemeinschaft in Sachsen-Anhalt für die Jahre 2006 bis 2008 entscheiden.
Der beklagte Landesverband Jüdischer Gemeinden Sachsen-Anhalt erhält auf der Grundlage eines Staatsvertrags aus dem Jahr 2006 jährlich einen Zuschuss, mit dem sich das Land
an den Ausgaben der Jüdischen Gemeinschaft in Sachsen-Anhalt beteiligt. Er hat diesen
Zuschuss nach Abzug eines Eigenanteils an die jüdischen Gemeinden im Land weiterzureichen. Die Höhe des auf die einzelnen Gemeinden entfallenden Betrags bestimmt sich unter anderem nach der Zahl ihrer Mitglieder mit Hauptwohnsitz in Sachsen-Anhalt, die dem
Judentum angehören. Der Senat hat zu klären, welche Mitgliederzahlen der Verteilung des
Zuschusses zugrunde zu legen sind.
Aluminiumzusatz im Trinkwasser - Az.: 3 L 239/11 Der Senat wird zu entscheiden haben, ob einer Firma vom Umweltbundesamt eine Genehmigung zu erteilen ist, die dem Trinkwasser Aluminium zusetzen möchte. Damit soll die Korrosion der Trinkwasserleitungen verhindert werden. Das beklagte Umweltbundesamt hält
dieses Verfahren für ungeeignet.
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4. Senat
Erhebung des sog. Herstellungsbeitrags II - Az. 4 L 119/15 u.a. –
Gegenstand mehrerer Verfahren zu dieser - auch in der Öffentlichkeit kontrovers diskutierten
- Thematik ist die Frage, ob sog. Altanschließer in Sachsen-Anhalt noch zu dem sog. Herstellungsbeitrag II herangezogen werden dürfen oder ob ihre Inanspruchnahme eine verfassungsrechtlich unzulässige sog. echte Rückwirkung darstellt. Der Landesgesetzgeber hat mit
den neu eingeführten Vorschriften der §§ 13b, 18 Abs. 2 KAG eine Ausschlussfrist für die
Erhebung von Kommunalabgaben bis Ende 2015 gesetzt. Damit wird nach Auffassung des
Senats dem rechtsstaatlichen Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit hinreichend Rechnung getragen. Eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 12. November 2015 zu der Rechtslage in Brandenburg hat die Diskussion neu entfacht, ob die Erhebung des Herstellungsbeitrags II auch in Sachsen-Anhalt mit verfassungsrechtlichen
Grundsätzen vereinbar ist.
Hinweis: Der Senat hat zwischenzeitlich bereits entschieden und die Erhebung des Herstellungsbeitrags II als verfassungskonform bewertet (Beschlüsse vom 17. Februar 2016).
Rückblick
auf Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Halle im Geschäftsjahr 2015
Einsicht in Fahrtenbücher eines Ministeriums
Urteil vom 14. April 2015 - 2 A 14/15 HAL Ein Redakteur der Mitteldeutschen Zeitung begehrte Einsicht in Fahrtenbücher des Ministeriums der Finanzen des Landes Sachsen-Anhalt, nachdem sich für ihn im Laufe des Jahres
2012 Verdachtsmomente ergeben hatten, dass ein ehemaliger Staatssekretär versucht haben soll, private Fahrten mit dem Dienstfahrzeug als dienstliche zu deklarieren.
Das Verwaltungsgericht hat das Finanzministerium verpflichtet, dem Redakteur der Mitteldeutschen Zeitung Einsicht in die vollständigen Fahrtenbücher des Dienstfahrzeugs des beigeladenen Staatssekretärs zu gewähren. Der Einsichtsanspruch ergebe sich aus § 1 Abs. 1
S. 1 Nr. 1 a) des Informationszugangsgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt. Bei den in den
Fahrtenbüchern dokumentierten Angaben über die Nutzung des Dienstfahrzeugs handele es
sich um amtliche Informationen. Dem Informationsanspruch des Klägers stünden auch keine
Versagungs- oder Ausschlussgründe entgegen.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig (Aktenzeichen OVG: 3 L 99/15, s.o.).
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Plagiatsvorwürfe
Urteil vom 24. Juni 2015 - 6 A 241/12 HAL Der Kläger hat sich gegen den Entzug seines akademischen Grades eines "Dr. phil." durch
die beklagte Universität gewandt. Das Verwaltungsgericht hat die Plagiatsvorwürfe gegen
den Kläger hinsichtlich seiner Dissertation bestätigt. Die Aberkennung des Doktortitels ist
danach zu Recht erfolgt.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig (Aktenzeichen OVG: 3 L 146/15.Z).
Pokerturnier verbotenes Glücksspiel?
Urteil vom 8. September 2015 - 4 A 112/14 HAL Das Verwaltungsgericht hat entschieden, dass es sich bei der durch den Veranstalter eines
Pokerturniers von den Teilnehmern geforderten Geldleistung - im konkreten Fall 15,00 € -,
die ausschließlich oder ganz überwiegend die Veranstaltungskosten deckt, nicht um ein Entgelt bzw. den Einsatz für ein erlaubnispflichtiges Glücksspiel handelt.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Künstlerhaus 188 darf nicht abgerissen werden
Urteil vom 22. September 2015 - 2 A 115/14 HAL Das Verwaltungsgericht hat die Klage des halleschen Verkehrsbetriebs gegen das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt auf Erteilung einer denkmalrechtlichen Abbruchgenehmigung für das Baudenkmal "ehemalige Weingärtenschule", das sogenannte Künstlerhaus
188, abgewiesen. Bei der vorzunehmenden Abwägung der von den Beteiligten geltend gemachten gegenläufigen gewichtigen öffentlichen Belange überwiegen zur Überzeugung des
Verwaltungsgerichts die denkmalfachlichen Belange, die für den Erhalt des Baudenkmals
streiten. Die Durchsetzung von verkehrstechnischen Maximalbedingungen für das geplante
Stadtbahnprojekt gebietet den Abbruch des Baudenkmals nicht. Es sind denkmalerhaltende
Varianten zu der aus verkehrlicher Sicht optimalen Lösung denkbar, zumal dabei die Förderfähigkeit des Straßenbahnvorhabens allenfalls für das Teilstück um das Baudenkmal entfiele, aber nicht insgesamt in Frage steht.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Keine Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen gerichtlichen Verfahrens
Urteil vom 13. Oktober 2015 - 4 A 111/14 HAL Das Verwaltungsgericht hatte mit rechtskräftigem Urteil eine Klage gegen einen Trinkwassergebührenbescheid abgewiesen. Der Kläger hatte geltend gemacht, der Wasserzähler
habe wegen eines Defektes einen zu hohen Wasserverbrauch angezeigt. Allerdings hatte
der Wasserzähler eine sogenannte Befundprüfung bestanden, so dass das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung von der Richtigkeit der Messangaben ausgegangen war.
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Der Kläger hat die Wiederaufnahme dieses rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens mit
der Begründung begehrt, es gebe neue Erkenntnisse über die Fehleranfälligkeit von Flügelradwasserzählern. Das Verwaltungsgericht hat dazu entschieden, dass eine Wiederaufnahmeklage auch dann nicht zulässig ist, wenn eine im Vorprozess maßgebliche Tatsache wegen wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritts erst nach Verhandlungsschluss erkennbar oder
beweisbar geworden ist.
Das Urteil ist inzwischen rechtskräftig (Aktenzeichen OVG: 4 L 176/15).
Umweltbundesamt (UBA) darf auch Kritik äußern
Urteil vom 18. November 2015 - 1 A 304/13 HAL Das Verwaltungsgericht hat die Klage von zwei Journalisten, die sich gegen die Darstellung
ihrer Ansichten in einer Broschüre des UBA richtet, abgewiesen.
Das UBA hat sich in einer Broschüre im Jahr 2013 unter dem Titel "Und sie erwärmt sich
doch - Was steckt hinter der Debatte um den Klimawandel?" mit dem Klimawandel auseinandergesetzt. Es hat ausgeführt, dass es einen gegenwärtigen, weitgehend übereinstimmenden wissenschaftlichen Erkenntnisstand zum Klimawandel gebe und diesen ausführlich
darstellt. Anschließend hat es die hiervon abweichenden Auffassungen und deren Vertreter
benannt. Hierbei findet sich u. a. auch eine Erwähnung der Kläger, deren abweichende Äußerung wiedergegeben und auf deren hierzu veröffentlichte Artikel verwiesen wird.
Die Kläger sahen sich dadurch in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt, weil der Eindruck
erweckt werde, dass ihre Äußerungen wissenschaftlich unzutreffend seien und sie als fachfremde Personen Falschinformationen verbreiten würden. Als staatliche Stelle sei das UBA
aber nicht befugt, Informationen und andere Auffassungen zu bewerten.
Das Verwaltungsgericht hat zwar den Eingriff in die Persönlichkeitsrechte bejaht, diesen hier
aber für gerechtfertigt gehalten. Das UBA sei weder auf eine reine Informationstätigkeit beschränkt noch zur Neutralität verpflichtet. Dadurch, dass es nach § 2 des Gesetzes über die
Errichtung eines Umweltbundesamtes die Aufgabe der "Aufklärung der Öffentlichkeit in Umweltfragen" habe und befugt sei, wissenschaftliche Forschung im Bereich des Umweltschutzes zu betreiben, sei es zu wissenschaftlicher Tätigkeit und der Unterrichtung der Öffentlichkeit hierüber berechtigt. In diesem Rahmen umfasse dies bei einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung auch die kritische und wertende Betrachtung von Beiträgen anderer Personen. Sofern das UBA hierbei seinen Kompetenzbereich nicht überschreite, die Tatsachen
zutreffend wiedergebe und sich sachlich äußere, sei dies nicht zu beanstanden.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
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Ausblick
auf anstehende Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Halle im Geschäftsjahr 2016
Zuständigkeit für Asylverfahren ab 1. Februar 2016
Das Verwaltungsgericht Halle ist ab dem 1. Februar 2016 ebenfalls erstinstanzlich für die
Entscheidung von Asylverfahren (Klagen und Eilverfahren) zuständig, nachdem die Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit in Asylverfahren vom 7. Juni 1994, die die erstinstanzliche Zuständigkeit bei dem Verwaltungsgericht Magdeburg konzentriert hatte, aufgehoben wurde.
Entschädigung wegen Altersdiskriminierung - Az.: 5 A 237/15 HAL Hintergrund dieses Klageverfahrens ist die Beamtenbesoldung nach früherem Recht. Diese
Regelungen enthielten eine verbotene Diskriminierung aufgrund des Alters, wofür eine Entschädigung zu zahlen ist. Der Kläger hat sich gegen seine Diskriminierung gewandt und eine
Entschädigung für die Zeit ab Antragstellung erhalten. Das Verwaltungsgericht hat zu entscheiden, ob dem Kläger auch eine Entschädigung für die Zeiten vor Antragstellung zusteht.
Amtsangemessenheit der Richterbesoldung - Az.: 5 A 142/15 HAL Das Verwaltungsgericht hat zu prüfen, ob die aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Mai 2015 in Sachsen-Anhalt nachgebesserte Richterbesoldung den
verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt.
Mobbing in der Kreisverwaltung? - Az.: 5 A 33/14 HAL Das Verwaltungsgericht hat zu prüfen, ob eine leitende Beamtin einer Kreisverwaltung eine
Behandlung erlitten hat, die insgesamt als Mobbing bezeichnet werden kann und - sollte dies
zutreffen - ob ihr ein finanzieller Ausgleich für die erlittenen Nachteile zuzusprechen ist.
Standortschießanlage für die Bundeswehr Az.: 2 A 79/15 HAL
Das Bundesministerium der Verteidigung wendet sich gegen einen Bescheid des Burgenlandkreises, mit dem eine Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb der Standortschießanlage auf dem Gelände des Standortübungsplatzes Geraer-Zeitzer Forst mit Wirkung
für die Vergangenheit zurückgenommen worden ist. Die ursprüngliche Genehmigung umfasste drei Schießstände des Typs A mit je sechs Schießbahnen und vier Schießstände des
Typs D mit je zwei Schießbahnen.
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Rückblick 2015
auf Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Magdeburg
Verjährung des Kostenanspruches aus einem Widerspruchsverfahren
Urteil vom 20.01.2015 - Az.: 4 A 111/14 MD Die Klägerin beantragte eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung, die im Jahr 2007
abgelehnt wurde. Den daraufhin erhobenen Widerspruch wies der Beklagte im Juni 2008
zurück und legte der Klägerin die (unbezifferten) Kosten des Widerspruchsverfahrens auf.
Das anschließende Klageverfahren wurde mit Urteil des BVerwG im Jahr 2013 rechtskräftig
zu Lasten der Klägerin entschieden. Im Januar 2014 erließ der Beklagte einen Kostenfestsetzungsbescheid hinsichtlich der Kosten des Widerspruchsverfahrens. Auf die Klage der
Klägerin hat das Verwaltungsgericht den Kostenfestsetzungsbescheid aufgehoben. Der Anspruch sei bereits verjährt. Die Kostenschuld entstehe mit der Beendigung der Amtshandlung, hier mit Erlass des das Vorverfahren beendenden Widerspruchsbescheides.
Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Ausländerrecht: Ausreichender Versicherungsschutz bei Besitz einer Europäischen
Krankenversicherungskarte?
Urteil vom 02.07.2015 - Az.: 4 B 316/15 MD Die Antragstellerin beantragte beim Antragsgegner die Feststellung ihrer Freizügigkeitsberechtigung für die Bundesrepublik Deutschland, welche durch den Antragsgegner zurückgewiesen wurde. Der hiergegen gerichtete Antrag wurde von dem Verwaltungsgericht abgelehnt. Es bestehe kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in der Bundesrepublik. Die Antragstellerin verfüge nicht über ausreichenden Krankenversicherungsschutz. Die Antragstellerin
legte sowohl im verwaltungsbehördlichen Verfahren als auch im gerichtlichen Verfahren lediglich eine auf ihren Namen ausgestellte European Health Insurance Card (EHIC) vor. Dies
genüge für die Annahme ausreichenden Krankenversicherungsschutzes i. S. d. FreizügG/EU
nicht. Die EHIC sei ein mobiles Dokument, das während eines vorübergehenden Aufenthalts
in einem EU-Mitgliedsstaat als Nachweis eines Anspruchs auf die notwendige medizinische
Versorgung diene. Es begründe keinen Krankenversicherungsschutz für einen dauerhaften
Aufenthalt in einem EU-Mitgliedsstaat. Denn die Richtlinie 2011/24/EU regele lediglich Standards in Bezug auf die sog. grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung. Bei Inanspruchnahme von Leistungen in dem Land, in dem ein Wohnsitz begründet wurde, fehle schon das
grenzüberschreitende Element mit der Folge, dass Kostenerstattungsansprüche aus der genannten Richtlinie nicht bestünden.
Die Entscheidung ist rechtskräftig.
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Keine sanierungsrechtliche Genehmigung für eine Sichtschutzwand vor einem Einkaufszentrum
Urteil vom 04.09.2015 - Az.: 4 A 311/15 MD Die Klägerin errichtete auf dem Parkplatz eines Einzelhandelsgeschäfts eine ca. 20 Meter
lange und 1,70 m hohe Sichtschutzmauer, die nach ihren Angaben dazu dienen sollte, die
Besucher und Mitarbeiter des Einkaufszentrums vor Belästigungen und Übergriffen durch
Alkoholiker zu schützen, die sich im angrenzenden Park aufhielten. Hierfür beantragte sie bei
der beklagten Stadt nachträglich eine sanierungsrechtliche Genehmigung, weil das Grundstück in einem von der Beklagten im Jahr 1994 festgesetzten Sanierungsgebiet lag. Die Beklagte lehnte die Erteilung der Genehmigung ab.
Die auf Erteilung der Genehmigung gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Es hielt die Sanierungsziele aufgrund des zwischenzeitlich erlassenen Städtebaulichen
Rahmenplans und weiterer Gestaltungskonzepte für hinreichend konkretisiert. Die Sichtschutzmauer sei mit der Zielsetzung der Erhaltung von Freiflächen sowie der Aufwertung
und Begrünung der angrenzenden Parkfläche in hoher städtebaulicher und gestalterischer
Qualität nicht vereinbar. Es gebe kein Sanierungsziel, einen bestimmten Personenkreis von
der Parkanlage oder dem Einkaufzentrum fernzuhalten. Für die Abwehr von Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten stünden andere Mittel zur Verfügung als die Errichtung einer den
Sanierungszielen widersprechenden Mauer.
Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Anordnung zur Rückbausicherheit bei Einzelhandelsmärkten zulässig
Beschluss vom 09.11.2015 - Az.: 4 B 292/15 MD Die Bauaufsichtsbehörde erteilte der Antragstellerin eine Baugenehmigung für einen Einzelhandelsmarkt. In den Nebenbestimmungen wurde die Baugenehmigung von der aufschiebenden Bedingung abhängig gemacht, der Bauaufsichtsbehörde ein geeignetes Sicherungsmittel in Höhe eines bestimmten Geldbetrages zur Finanzierung der Rückbaukosten
nach dauerhafter Aufgabe der Nutzung anzubieten. Zugleich ordnete die Bauaufsichtsbehörde die sofortige Vollziehung dieser Nebenbestimmung an. Die Antragstellerin hat beim Verwaltungsgericht vorläufigen Rechtsschutz gegen die Nebenbestimmung beantragt.
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag abgelehnt. Die Voraussetzungen der gesetzlichen
Regelung des § 71 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 der Bauordnung des Landes Sachsen-Anhalt seien
erfüllt. Danach ist bei Anlagen, die ausschließlich einem Zweck dienen und bei denen üblicherweise anzunehmen ist, dass wirtschaftliche Interessen an einer Folgenutzung nicht bestehen, die Erteilung der Baugenehmigung von der Leistung eines geeigneten Sicherungsmittels abhängig zu machen, durch das die Finanzierung der Kosten des Rückbaus bei dauerhafter Aufgabe der Nutzung gesichert wird. Das Verwaltungsgericht führte aus, dass die
bauordnungsrechtliche Regelung, in der Einzelhandelsmärkte ausdrücklich beispielhaft aufgeführt sind, verfassungskonform sei. Das Land habe die Gesetzgebungskompetenz. Der
Gesetzgeber habe nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen, indem er andere Anlagen wie Tankstellen, Spielstätten, Wellnessanlagen und Saunaparks nicht in den Katalog der
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Anlagen aufgenommen habe. Er sei vielmehr befugt, aufgrund von Erfahrungen und Prognosen generalisierende und typisierende Regelungen zu treffen. Die Anordnung der Rückbausicherheit entspreche auch im konkreten Einzelfall dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.
Der Beschluss ist nicht rechtskräftig (Aktenzeichen OVG: 2 M 169/15).
Einsicht in die Unterlagen der Beratenden Kommission für die Rückgabe
NS-verfolgungsbedingt entzogener Kulturgüter
Urteil vom 21.04.2015 - Az.: 6 A 81/15 MD Das Verwaltungsgericht Magdeburg hat die Klage eines Rechtsanwaltes auf Einsicht in alle
Unterlagen der Beratenden Kommission für die Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogener Kulturgüter zu einem Rückerstattungsverfahren von NS-Raubkunst abgewiesen.
Zum Hintergrund: Bei der Beratenden Kommission handelt es sich um ein aus hochrangigen,
ehrenamtlich tätigen Persönlichkeiten aus Wissenschaft und Gesellschaft bestehendes
Gremium, das bei Meinungsverschiedenheiten der Beteiligten eines solchen Restitutionsverlangens angerufen werden kann, um diesen eine - rechtlich nicht bindende - Empfehlung zu
unterbreiten.
Der Kläger hatte den Rechtsnachfolger eines jüdischen Zahnarztes im Hinblick auf das Restitutionsverfahren einer 1938 im Auftrag des Reichspropagandaministeriums weggenommen Plakatsammlung vertreten. Nach Abschluss dieses Verfahrens begehrt er Einsichtnahme in die Unterlagen der Beratenden Kommission. Diese hatte zu dem Restitutionsbegehren
eine Empfehlung abgegeben. Der Antrag auf Akteneinsicht wurde abgelehnt.
Das Verwaltungsgericht hat die dagegen gerichtete Klage abgewiesen. Das Gericht sah den
Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) nicht als eröffnet an. Die Beratende Kommission gehöre nicht zu dem nach dem IFG verpflichteten Kreis. Bei der Beratenden Kommission handele es sich insbesondere nicht um eine Einrichtung oder Institution, die
öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnehme. Die Kommission unterbreite eine für
die Beteiligten rechtlich nicht bindende Empfehlung, die auf einer ethisch-moralischen Abwägung beruhe.
Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig (Aktenzeichen OVG: 3 L 115/15).
Beanstandung von Fernsehsendungen
Beschluss vom 15.10.2015 - Az.: 7 B 327/15 MD Das Verwaltungsgericht Magdeburg hat einen Eilantrag abgelehnt, mit dem sich der Antragsteller, Abgeordneter im Landtag des Landes Sachsen-Anhalt, gegen die durch die Medienanstalt des Landes Sachsen-Anhalt unter Anordnung des Sofortvollzugs erfolgte Beanstandung zweier im Offenen Kanal Magdeburg ausgestrahlter Sendungen gewandt hat. In diesen
Sendungen führte er Gespräche mit ausgewählten Studiogästen zu aktuellen und grundsätzlichen politischen Themen.
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Zur Begründung seiner Entscheidung führt das Gericht aus, mit der Ausstrahlung der Sendungen verstoße der Antragsteller gegen das Mediengesetz des Landes Sachsen-Anhalt,
nach welchem das Senden von Beiträgen, die der Öffentlichkeitsarbeit politischer Parteien
dienen, im Offenen Kanal nicht zulässig sei. Auch wenn der Antragsteller als Interviewer mit
seinen Studiogästen Themen bespreche, die Gegenstand aktueller politischer Diskussionen
seien, ziehe er auch ohne ausdrücklichen Bezug zur Partei die Aufmerksamkeit der Zuschauer sowohl auf sich als Politiker, als auch auf die Partei, der er angehöre, als deren Botschafter er auftrete.
In Anbetracht dessen, dass die Aufstellung der Kandidaten hinsichtlich der Wahl zum Landtag von Sachsen-Anhalt im März 2016 bereits begonnen habe, sei die sofortige Vollziehung
der Beanstandung und des damit einhergehenden Verbotes der weiteren Ausstrahlung der
Sendungen erforderlich, um im Hinblick auf die Chancengleichheit von Parteien etwaige Vorsprünge des Antragstellers und der von ihm vertretenen Partei in der Wahlwerbung zu verhindern.
Die Entscheidung ist inzwischen rechtskräftig (Aktenzeichen OVG: 4 M 168/15).
Haushaltskonsolidierung und kommunalaufsichtsrechtliche Maßnahmen
Beschluss vom 12.05. 2015 - Az.: 9 B 307/15 MD Das Gericht hatte sich im Rahmen eines gerichtlichen Eilverfahrens erneut mit der Frage zu
befassen, welche Befugnisse der Kommunalaufsicht gegenüber einer sich in der Haushaltskonsolidierung befindlichen Gemeinde zur Seite stehen. Im konkreten Fall war der Gemeinde
aufgegeben worden, die Grundsteuerhebesätze auf 100 Prozentpunkte und den Gewerbesteuerhebesatz auf 50 Prozentpunkte über dem (Landes-)Durchschnitt anzuheben, damit die
Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen aus dem Ausgleichsstock (§ 17 FAG
LSA) vorliegen.
Das Gericht hat dem Antrag der Gemeinde gegen die von der Kommunalaufsicht verlangte
Hebung der Grund- und Gewerbesteuersätze stattgegeben. Es hat betont, dass der Sinn und
Zweck kommunalaufsichtlichen Einschreitens jedenfalls nicht darin bestehe, Bewilligungsvoraussetzungen für die Gewährung von Leistungen aus dem Ausgleichsstock zu schaffen.
Derartige Erwägungen seien für das Verlangen der Erhöhung von Realsteuersätzen nicht
zielführend, wobei es das Gericht hat dahinstehen lassen können, ob eine derartige Erhöhung überhaupt rechtlich verlangt werden kann.
Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Kommunalaufsichtliche Beanstandung der Vergütung eines angestellten Geschäftsführers eines Abwasserzweckverbandes
Urteil vom 02.09.2015 - Az.: 9 A336/13 MD Der Kläger, ein Landkreis, beanstandete auf Betreiben des Landesverwaltungsamtes Sachsen-Anhalt die Höhe der Vergütung eines angestellten Geschäftsführers eines Abwasserzweckverbandes, wobei neben der Höhe der Vergütung auch andere Regelungen im Ge-
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schäftsführervertrag, wie der vereinbarte Entschädigungsanspruch bei vorzeitiger Abwahl
und der Abfindungsanspruch nach Beendigung der Amtszeit gerügt wurden.
Die Klage hatte teilweise Erfolg. Das Gericht hat die Vergütung im konkreten Fall gemessen
an den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit unter Berücksichtigung der Besoldung von verbeamteten Verbandsgeschäftsführern nicht als unüblich angesehen. Gleiches galt auch für die vereinbarte Abfindung nach Beendigung der Amtszeit. Zu Recht hatte
die Kommunalaufsicht jedoch den vereinbarten Entschädigungsanspruch bei vorzeitiger Abwahl beanstandet, weil dieser wesentlich über demjenigen liegt, der bei einem verbeamteten
Verbandsgeschäftsführer in Betracht kommen würde.
Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig (Aktenzeichen OVG: 4 L 178/15).
Verpflichtung zur Erhebung eines sog. besonderen Herstellungsbeitrages für eine
kommunale leitungsgebundene Einrichtung
Beschluss vom 11.09.2015 - Az.: 9 B 694/15 MD Das Gericht hatte sich mit der Frage zu befassen, ob ein Abwasserzweckverband verpflichtet
ist, Satzungsrecht zur Erhebung von Anschlussbeiträgen für solche Grundstücke zu schaffen, die bereits am 15. Juni 1991 an eine Abwasseranlage angeschlossen waren, und für
diese Grundstücke einen sog. besonderen Herstellungsbeitrag zu erheben. Gestützt auf die
bislang ergangene Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts des Landes SachsenAnhalt zur Beitragserhebungspflicht hat das Gericht dies bejaht. Denn auch diese Grundstücke müssten deshalb zu einem Anschlussbeitrag für alle Investitionen nach dem 15. Juni
1991 herangezogen werden, weil auch sie davon ebenso wie Grundstücke, die nach diesem
Zeitpunkt erstmalig die Gelegenheit bekommen haben, eine Abwasseranlage zu nutzen
(sog. Neuanschließer), einen Vorteil haben.
Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Umbettung einer Urne
Urteil vom 13.10.2015 - Az.: 9 A 41/14 MD Das Gericht hatte zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen ein Totenfürsorgeberechtigter die Umbettung einer Urne, die nur mit Zustimmung des Friedhofsträgers umgebettet
werden darf, verlangen kann.
Vor dem Hintergrund des Schutzes der Totenruhe ist die Umbettung nur dann rechtlich zulässig, wenn dies dem ausdrücklichen oder mutmaßlichen Willen des Verstorbenen entspricht. Kann dies nicht festgestellt werden, ist die Umbettung nur dann ausnahmsweise zu
genehmigen, wenn die Interessen des Totenfürsorgeberechtigten so gewichtig sind, dass in
die Totenruhe eingegriffen werden darf. Das Gericht hat in diesem Zusammenhang betont,
dass allein örtliche Veränderungen bzw. altersbedingte Gründe des Totenfürsorgeberechtigten regelmäßig nicht ausreichend seien, um eine Umbettung zu rechtfertigen, weil das den
Grundsatz der Totenruhe aushöhlen würde. Insofern müssten dazu immer noch besondere
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Gründe des Einzelfalles treten, damit die Interessen des Totenfürsorgeberechtigten höher zu
bewerten seien als die der Totenruhe.
Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Erlass von abgaberechtlichen Säumniszuschlägen
Urteil vom 18.11.2015 - Az.: 9 A 194/14 MD Mit der vom Gericht begehrten Entscheidung war darüber zu entscheiden, unter welchen
Voraussetzungen abgabenrechtliche Säumniszuschläge erlassen werden können, wenn
nachträglich die Beitragsforderung, auf die nicht gezahlt worden ist, aufgehoben wird.
Das Gericht hat betont, dass der Erlass von abgaberechtlichen Säumniszuschlägen auch in
einem solchen Fall wegen der Regelung in § 240 Abs. 1 Satz 4 Abgabenordnung nur ausnahmsweise in Betracht kommt. Jedenfalls müsse ein Bürger alles getan haben, um seine
aus der Festsetzung der Abgabe resultierende sofortige Zahlungspflicht aufzuhalten; u. a.
müsse er beim Gericht um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen den Abgabenbescheid nachgesucht haben. Ein Erlass komme aber auch dann in Betracht, wenn die Erhebung von Säumniszuschlägen treuwidrig erscheinen müsse. Dies könne u. a. dann der
Fall sein, wenn die Behörde trotz Kenntnis von der Rechtswidrigkeit der erhobenen Abgabe
jahrelang nicht über den dagegen eingelegten Rechtsbehelf entscheide, gleichwohl aber
Säumniszuschläge festsetze.
Die Entscheidung ist rechtskräftig.