KRIMINALGESCHICHTE Hinrichtung auf dem Würgegalgen Juliane Hummel war die einzige Frau, die zwischen 1809 und 1938 in Österreich hingerichtet wurde. Die Kindesmörderin starb am 2. Jänner 1900 in Wien auf dem Würgegalgen. desmisshandlung angezeigt er Totenbeschauarzt, der worden, sie erhielten nur einam 9. März 1899 in Wien mal eine richterliche Verwardie Leiche der fünfjährinung – am 8. Juni 1899 im Begen Anna Hummel untersuchzirksgericht Währing. te, stellte am Körper des MädBeim Schwurgerichtsprochens viele Verletzungen und zess im November 1899 bestäNarben fest und verständigte tigten viele Zeugen, dass Anna die Polizei. Die Eltern wurden einvernommen. Sie behauptevon ihren Eltern immer wieder ten, das Mädchen habe die geschlagen und auf andere Verletzungen von Stürzen daWeise gequält worden sei. von getragen. Die Obduktion Christine Hummel, die Schwäam 11. März ergab ein erschütgerin Julianes, sagte aus, ihre terndes Ergebnis: Die Leiche Schwägerin habe ihr erzählt, war abgemagert und knapp dass sie und ihr Mann nach der neun Kilogramm schwer. Der Verwarnung im Bezirksgericht Körper wies unzählige Verletins Wirtshaus gegangen seien. zungen auf, darunter Riss- und Ihr Mann habe dort angekünRissquetschwunden im Gedigt, er werde ab nun sein Kind sicht, ein Bruch des rechten Schädel der Kindesmörderin Juliane Hummel (Exponat im so schlagen, dass keine blauen Schlüsselbeins und einer Rip- Wiener Kriminalmuseum). Flecken zu sehen seien, nämpe, Entzündungen bei den lich mit der Faust auf die Schürhaken, durch Nahrungsentzug, Bruchstellen, unzählige HautabschürBrust. Außerdem habe Juliane erwähnt, Verbrennen der Hände in heißem Wasfungen und verkrüppelte Hände. Die „die Kanaille soll hin werden“ und sie ser und Demütigungen. Das Kind hatte hochgradige Abmagerung war nicht habe daraufhin nach dem Kind getreten. kein eigenes Bett und musste auf einem durch eine Krankheit verursacht, sonEine weitere Zeugin erklärte, Juliane Holzkoffer oder auf dem Fußboden dern eine Folge des Nahrungsentzugs habe ihr gegenüber erwähnt, das Kind schlafen. über eine längere Zeit. müsse „ratenweise sterben“. Der Tod der kleinen Anna wäre zu Annas Eltern Josef und Juliane HumDie beiden Angeklagten gestanden verhindern gewesen, hätten die Behörmel wurden nach der Obduktion wegen teilweise die Misshandlungen, stritten den richtig reagiert. Viermal waren die des Verdachts des Mordes festgenomaber die Tötungsabsicht ab. Josef HumEltern von einer Nachbarin wegen Kinmen. Es handelte sich um einfache Leumel sagte aus, seine Frau habe Anna te, die in der Paulinengasse 6 im 18. Beauch deshalb geschlagen, weil sie „den zirk in einer Kleinwohnung lebten. JoBuben lieber gehabt“ hätte. sef Hummel war Taglöhner, oft betrunken und arbeitete zuletzt in einer WäVerurteilung und Hinrichtung. Das scherei. Seine Frau Juliane, geboren am Geschworenenurteil wegen Mordes am 30. Dezember 1870 in Enzesfeld in Nie14. November 1899 erfolgte einstimderösterreich, wuchs bei einem Mann in mig. Josef und Juliane Hummel wurden Bruck an der Leitha auf und kam als 15zum Tod durch den Strang verurteilt. Jährige nach Wien, wo sie mit Josef Während der Haft brachte Juliane HumHummel ein Verhältnis einging. Anna mel ein weiteres Kind zur Welt. Sie kam am 27. März 1894 unehelich zur rechnete nicht damit, auf dem WürgeWelt, ihr Vater heiratete ihre Mutter im galgen hingerichtet zu werden, denn seit Jahr darauf. Das Kind wuchs in den ers1809 waren alle zum Tod verurteilten ten beiden Jahren bei „Kostfrauen“ auf Frauen vom Kaiser begnadigt worden. und kam 1896 zu den Eltern zurück, Die letzte Frau, die in der Monarchie nachdem das Ehepaar einen Sohn behingerichtet wurde, war die „schöne kommen hatte und Juliane Hummel Greißlerin“ Theresia Kandl aus Wien. nicht mehr arbeiten ging. Sie wurde am 16. März 1809 öffentlich Die Ermittlungen ergaben, dass Jugehängt, weil sie mit einer Axt den liane und Josef Hummel ihre Tochter Schädel ihres schlafenden Mannes zerüber einen längeren Zeitraum brutal trümmert hatte. Bei Juliane Hummel Würgegalgen (Exponat im Wiener Krimisshandelt hatten – durch Schläge mit sah Kaiser Franz Josef wegen der beminalmuseum): In Österreich ab 1873 Fäusten, einem Rohrstock und einem sonderen Grausamkeit der Tat und nach für Hinrichtungen verwendet. FOTOS: WERNER SABITZER D ÖFFENTLICHE SICHERHEIT 3-4/16 35 FA L L H UM M E L Interventionen aus dem Volk von einer Begnadigung ab. Der Kaiser wandelte aber das Todesurteil gegen ihren Mann in lebenslangen Kerker um. Zur Hinrichtung der 29-jährigen Juliane Hummel am Morgen des 2. Jänner 1900 im Hof des Landesgerichts Wien wurde der böhmische Scharfrichter Leopold Wohlschläger nach Wien kommandiert, nachdem der Wiener Henker Karl Selinger verstorben und noch kein Nachfolger bestellt worden war. Wohlschläger hatte noch nie eine Frau exekutiert, war nervös und tat sich schwer. In den 1920 erschienenen und 1996 von Harald Seyrl neu herausgegebenen „Lebenserinnerungen des k. k. Scharfrichters Josef Lang“ wird die Hinrichtung Hummels als „dreiviertel Stunden lange Todesmarter“ und „Skandal einer Abschlachtung von Gesetzes wegen“ geschildert. Während der lange dauernden Exekution habe „das arme Opfer in Todeszuckungen“ gerast, dass „allen Teilnehmern an diesem Schauspiel vor Entsetzen graute“. Die Hinrichtung Juliane Hummels war die erste und einzige Exekution einer Frau in der langen Regierungszeit des Kaisers Franz Josef. Erst am 6. Dezember 1938 wurde wieder eine Mörderin hingerichtet. Es handelte sich um Martha Marek, die für schuldig befunden worden war, vier Menschen vergiftet zu haben, darunter ihren Mann und ihre Tochter. Juliane Hummel wurde obduziert. Die Pathologen stellten keine „Abnormitäten“ im Gehirn und in den anderen Organen fest. Hummels Schädel ist im Wiener Kriminalmuseum ausgestellt. Werner Sabitzer Quellen/Literatur: Von den Eltern zu Tode gepeinigt; in: Arbeiter-Zeitung, 15. November 1899, S. 8–9. Ein armes Kind zu Tode gemartert; in: Neues Wiener Journal, vom 15. November 1899, S. 7–9. Aus dem Gerichtssaale; in: Neue Freie Presse, 2. Jänner 1900, S. 5–6. Die Hinrichtung vom 2. Jänner 1900; in: Allgemeine Österreichische Gerichtszeitung, 6. Jänner 1900, S. 16. Harald Seyrl (Hg.): Die Erinnerungen des österreichischen Scharfrichters. Erweiterte, kommentierte und illustrierte Neuauflage der im Jahre 1920 erschienenen Lebenserinnerungen des k.k. Scharfrichters Josef Lang. Edition Seyrl, Wien/Scharnstein 1996. ÖFFENTLICHE SICHERHEIT 3-4/16
© Copyright 2024 ExpyDoc