WWW.CASA-DEPUOZ.CH MÄRZ 2016 WIE ALLES BEGANN … Heimen untergebracht – manchmal waren sie zu Beginn einer solchen Massnahme noch sehr jung, und häufig verstanden sie die Sprache am fremden Ort nicht. Um den Kindern mit einer Behinderung eine Schulung in ihrem angestammten Tal zu ermöglichen, wurde also der Bau eines Sonderschulheims in der Surselva geplant. Mit der Neugründung der IV ebenfalls in jener Zeit wurde es auch möglich, ein solches zu finanzieren. In erster Linie sollten diese Kinder von einer Sonderschule profitieren können, aber auch die Dorfschulen sollten eine Entlastung erfahren. Pieder Caduff, pensionierter Heilpädagoge, Schulpsychologe und ehemaliges lang Wer waren die Initianten, wer hat ges jähriges Vorstandsmitglied, gibt Auskunft. tossen und gezogen? Die Casa Depuoz wird von einem Verein Sur Canoni Christian Berther, der erste getragen, der zwecks der Erstellung ei- Präsident des Vereins, trieb diese Idee ner Sonderschulinstitution für und in der zusammen mit Leo Bundi (SchulinspekSurselva in den 60er-Jahren des letzten tor), Martin Quinter (Mistral), Herrn Job Jahrhunderts gegründet wurde. Ein Blick (Gemeindepräsident von Trun), Dr. Pius in die Unterlagen zeigt, dass Pieder Ca- Tomaschett und mit mir (ich war einer der duff bereits 1969 in den Vorstand des ersten Heilpädagogen der Surselva) voran. Vereins Casa Depuoz eintrat und diesem Die Anfänge waren schwierig. Zunächst neunzehn Jahre lang angehörte. Davon musste ein guter Standort gewählt bekleidete er während zwölf Jahren auch werden. Lange war der Löwenberg bei das Vizepräsidium. 1988 ist er aus dem Schluein praktisch gesetzt als Ort einer neuen Sonderschule. Vorallem aus bauVorstand zurückgetreten. lichen Gründen suchte man schliesslich Warum kam man nach Mitte des letzten einen Platz für einen Neubau. Die einen Jahrhunderts auf die Idee, eine Casa De wollten diesen möglichst zentral in Ilanz sehen. Auch in Disentis gab es Ver puoz zu bauen? In den 60er-Jahren waren die Verhältnisse handlungen. Schliesslich trat die Kirchgein der Surselva nicht vergleichbar mit der meinde Trun an den Verein heran, da sie heutigen Situation. Es gab viele Gross- genügend Bauland zur Verfügung stellen familien mit zahlreichen Kindern, was konnte. Die Trunser waren daran interesdazu führte, dass die meist kleinen siert, einen neuen Arbeitgeber auf dem Dorfschulen, die oftmals noch als Ge- Gemeindegebiet anzusiedeln. Insgesamt samtschulen geführt wurden, überfor- waren die Verhandlungen aber schwiedert und überlastet waren. So war es in rig und komplex, und es dauerte seine diesem Umfeld unmöglich, Kinder mit Zeit, bis der Neubau in Angriff genommen besonderen Lernbedürf nissen oder ei- werden konnte. nem Entwicklungsrückstand korrekt zu erfassen und sie in der Folge auch adä- Was war die Meinung der Bevölkerung, quat zu fördern. Es gab zu dieser Zeit auch wie war der Rückhalt? kaum Fachpersonen wie ausgebildete Die Bevölkerung der Surselva stand dem Schulpsychologen, Heilpädagogen oder Projekt nicht ablehnend gegenüber. Die Logopäden, die solche Aufgaben hätten Leute sahen ein, dass es eine Sonderschule übernehmen können. Eine respektable im Tal brauchte, dass dies ein Bedürfnis Anzahl Kinder mit einer Beeinträchtigung war. Viele litten darunter, dass sie ihre Kinwurde daher ausserhalb der Surselva in der in Heime weit weg geben mussten. FRÜHER UND HEUTE Um an einige Zahlen der Casa Depuoz aus vergangener Zeit heranzukommen, musste im Archiv tief gegraben werden. Einige der gefundenen Dokumente haben wir umgehend wieder an ihren Platz gelegt und überlassen sie weiter ihrem Dasein. Es muss ja niemand wissen, dass es während der Planung und des Baus zu einigen unschönen Szenen zwischen Befürwortern und Gegnern gekommen Welches waren in der Anfangsphase die grössten Herausforderungen? Die Realisierung des Sonderschulheims Casa d’affons Depuoz war eine grosse Herausforderung. Am meisten sind mir aber noch die Vorwürfe und teilweise bösen Zeitungsartikel im Gedächtnis, die die Überdimensionierung der Gebäude monierten. Deswegen wurden wir auch vor die Finanzkommission des Kantons zitiert. Auch die Tatsache, dass die Institution in einer ehemals roten Zone er Warum wurden die Gebäude so gross stellt wurde, gab zu reden. geplant? Die Casa Depuoz war über län Um das Haus besser auszulasten, wurde gere Zeit nicht voll belegt. schon ein halbes Jahr nach der Eröffnung Jörg Grond, der erste Schulpsychologe des eine Haushaltungsschule für schulentKantons, hat im Rahmen einer Studie die lassene Mädchen eingerichtet. möglichen zukünftigen Zahlen von Sonderschülern und Sonderschülerinnen der Erinnerungen aus der Zeit als VS-Mitglied Surselva errechnet. Dabei stützte er sich Der Vorstand hat die Interessen der Instituauf die aktuellen Erfahrungen anfangs der tion gegen aussen vertreten. In das Tages60e-rJahre, wo die Situation wie bereits geschehen hatten wir jedoch wenig Einblick. erwähnt, ziemlich desolat war. Bis zur Eröff Wenn ich jetzt durch die Gebäude gehe, bin nung der Casa Depuoz 1976 vergingen aber ich beeindruckt, wie sich die Casa Depuoz ein paar Jahre. Unterdessen ging die Anzahl entwickelt hat und mit verschiedenen der Kinder ganz allgemein frappant zurück. Angeboten gewachsen ist. Es hat sich sehr Im Schulbereich wurden zudem in den vieles verändert, auch die Finanzierung ist Dörfern vermehrt unterstützende Massna- nun ja anders aufgegleist. Doch trotz ihrer hmen für lernschwache Kinder eingerichtet, Grösse spürt man eine gute Atmosphäre wie Hilfsklassen, die späteren Kleinklassen. innerhalb der Institution, und die Klienten So konnten viele Kinder mit wenig zusätzli- fühlen sich offenbar zuhause. chem Aufwand in ihrem angestammten Umfeld bleiben. Die Casa Depuoz wurde Für das Interview: für 60 Kinder gebaut, zu Beginn besuchten Maria Venzin-Marty dann aber nur gut 20 Schüler und Schüler innen die neue Sonderschule in Trun. Gab es eine offizielle Information an die Bevölkerung? Nein, solche Informationsveranstaltungen, wie sie heute stattfinden, waren zu jener Zeit nicht üblich. Es gab auch nicht eine vergleichbare Dichte der Kommunikationsmittel wie heutzutage. Die Leute erfuhren vom Projekt am ehesten über die Zeitung, und die meisten waren wohl froh, dass jemand die Initiative für die Gründung eines solchen Heims ergriffen hatte. BEGLEITWORT war. Die zum Vorschein gekommenen Zahlen geben den Gegnern von damals recht. Sie haben nämlich immer gesagt, dass es kein solch grosses Heim braucht. Aus heutiger Sicht würde man hingegen den Befürwortern ans Herz legen, die Casa Depuoz noch grösser zu bauen! Matthias Hildering VON REGIERUNGSRAT MARTIN JÄGER ihren Mitarbeitenden, aber auch mit Externen legt. Zu den Fakten: 1976 Sonderschüler insgesamt Aufenthaltstage Wohnen Sonderschüler intern Schultage Sonderschüler intern 2015 14 54 824 1926 1063 3014 Schultage Integrations-Sonderschüler – 3692 Haushaltungsschülerinnen 4 – Aufenthaltstage Haushaltungsschülerinnen 247 – – 25 Aufenthaltstage auszubildende Jugendliche – 4488 Aufenthaltstage Wohnen Jugendliche – 4158 Erwachsene Bewohner – 32 Aufenthaltstage Erwachsene – 9202 219 000.00 8 600 000.00 5678.00 450 000.00 Auszubildende Jugendliche Umsatz Bruttolöhne Januar «Einzigartigkeit verpflichtet» – Dass die Casa Depuoz die Einzigartigkeit eines jeden Menschen in den Mittelpunkt ihres Schaffens stellt, wird nicht erst aus ihrem neuen Leitbild deutlich. Bereits in der Vergangenheit wurde bei verschiedenen Begegnungen und Anlässen auch für Aussenstehende immer wieder spürbar, dass die Casa Depuoz viel Wert auf einen schätzenden und achtsamen Umgang mit ihren Schülerinnen und Schü lern, Als Zentrum für Schule, Ausbildung und Integration verfügt die Casa Depuoz über ein vielfältiges Angebot für Menschen mit Behinderungen verschiedenen Alters und mit unterschiedlichen Bedürfnissen. Eine besondere Stärke der Casa Depuoz ist die Vernetzung mit ihrer Umgebung in der Surselva. Zusammen mit einer gewissen Anpassungsfähigkeit bildet sie ein zentrales Element für die weitere Entw icklung der Institution als ganzer. In diesem Sinne wünsche ich der Casa Depuoz, dass sie – mit ihrer eigenen Einzigartigkeit – im Dienste von Menschen mit besonderen Bedürfnissen engagiert bleibt und für die zukünftigen Anforderungen gut gerüstet ist. WWW.CASA-DEPUOZ.CH MÄRZ 2016 DIE CASA DEPUOZ IM JAHR 2056 80 Jahre «Casa De puoz, Regiona les Kom petenzzentrum für Soziales und Gesund heit», vormals Casa Depuoz. Als Gast der heutigen Jubiläumsfeier besteige ich mein Individual-Transportmodul. Nach einigen Startschwierigkeiten befinde ich mich auf dem Surselva Leitsystem und lasse mich nach Trun fahren. Zeit, um mich der Festschrift zu widmen. Nach einigen extrem schneearmen Wintern zwischen 2030 und 2040 hat sich gezeigt, dass ein wirtschaftliches Überleben in Bündner Randregionen nur möglich ist, wenn Angebote regional ausgestaltet werden. Dies betraf insbesondere die Aufwendungen in den Bereichen Tourismus, Bildung und soziale Sicherheit. Für die Betreiber der damaligen Casa Depuoz bedeute dies, entweder die Eigenständigkeit aufzugeben oder sich aber als Leader am Markt neu zu etablieren. Getreu dem Motto: «Geht nicht – gibt’s nicht, bzw. sag niemals nein» erarbeiteten die Mitarbeitenden der Casa Depuoz ein Musterkonzept zur Koordination aller Angebote in den Bereichen Soziales und Gesundheit. Diese Ausführungen überzeugten auf Anhieb. Anlässlich einer Volksabstimmung wurde der Auftrag zum Aufbau des neuen Kompetenzzentrums für Soziales und Gesundheit den Betreibern der Casa Depuoz übertragen. Der Aufbau des neuen Kompetenz zentrums erfolgte umsichtig und unter Einbezug der beruflichen Kompetenzen der bisher selbständig arbeitenden Fach stellen. Allen Beteiligten war bewusst, dass die Vielfalt der bestehenden regionalen Angebote den Bedürfnissen der Bevölkerung entsprechend aufgebaut wurden. Diese werden auch in Zukunft zur Verfügung stehen. Mit den beteiligten Departementen konnte erstmalig ein einheitliches Finanzierungssystem für alle Anbieter von Dienstleistungen erarbeitet werden. So wurde es möglich, Hilfesuchenden mit kleinem Aufwand ein auf sie zugeschnittenes individuelles Angebot unter Einbezug verschiedener regionalen Fachstellen anzubieten. Umfassende Beratung erfolgt in den neu geschaffenen polyvalenten Anlaufstellen, welche von allen Bewohnern der Surselva innert 30 Minuten erreichbar sind. Selbstverständlich wurden auch die Kerngeschäfte der vormaligen Casa Depuoz den Bedürfnissen und Entwicklungen der Bevölkerung angepasst. Neuzeit- liche Fördermassnahmen und eine grosse Auswahl verschiedener Betreuungsformen ermöglichen Menschen mit Behinderung eine möglichst autonome, ihren Bedürfnissen entsprechende Lebensge staltung. Auch sie profitieren von der neuen Angebotsstruktur, da Leistungsbezüge aller Anbieter der Region ohne Mehraufwand in die Gestaltung des Alltags miteinbezogen werden können. Mittlerweile hat sich mein Transportmodul einen Parkplatz vor dem Kompetenzzentrum ergattert. Anlässlich des Jubiläumsapéro stelle ich befriedigt fest, dass die Parkprobleme immer noch die- selben sind und dass die Küche nach wie vor wunderbare Häppchen zubereitet. Ich wünsche der Casa Depuoz für die kommenden 40 Jahre alles Gute. Im Wissen um die innovative Träger- und Belegschaft gehe ich davon aus, dass kommende Entwicklungen rechtzeitig erkannt und umgesetzt werden. Wäre einfach spannend zu wissen, was dannzumal wirklich in der Festschrift abgehandelt wird ... Robert Schlagenhauf, ehemaliger Institutionsleiter ERSTER JUBILÄUMSANLASS – DER TAG FÜR DIE GELADENEN GÄSTE dass im Rückblick über die vergangenen 40 Jahre das einzig Konstante der permanente Wechsel und die Anpassung an die Gegebenheiten war – schon immer versuchten Verantwortliche und Mitarbeitende der Casa Depuoz, das Beste aus den Voraussetzungen und den Mitteln zu machen, die zur Verfügung standen. Mit den Jahren ist die Institution gewachsen an zu Betreuenden und Mitarbeitenden, aber auch an der Vielfalt der Angebote. Der Betrieb wurde zunehmend komplexer und brauchte professionellere Strukturen und Abläufe – sprich ein Konzept und ein Qualitätslabel. Die Herausforderungen werden auch in Zukunft kaum weniger werden, was zum Beispiel die Einrichtung einer Wohngruppe für UMAs unter Federführung der Casa Depuoz noch in diesem Jahr zeigt. Matthias Gutmann rundete seinen Teil mit einem launischen Ausblick in die Zukunft ab – er ist felsenfest davon überzeugt, dass die Institution im 2076 ihr 100-jähriges Bestehen feiern wird. Am Samstag, den 13. Februar 2016, wurde das Jubiläumsjahr mit einem Anlass für geladene Gäste aus der Politik, den Amtsstellen, aus den Gemeinden, Schulen und weiteren Institutionen so richtig lanciert. So durften wir Herrn Regierungsrat Martin Jäger, Standespräsident Vitus Dermont und weitere illustre Gäste begrüssen. Es war für die Casa Depuoz der Anlass und die Gelegenheit, den Entscheidungsträgern im näheren und weiteren Umfeld für die jahrelange gute Zusammenarbeit zu danken und ihnen einen Einblick in die Geschichte und ins aktuelle Tages- Neben diesem offiziellen Teil gab es für geschehen zu geben. die Gäste viel Zeit für den persönlichen Austausch und interessante Gespräche. Die Präsidentin des Vereins Casa Depuoz, Grossrätin Gabriela Tomaschett-Berther, gab in ihrer Rede einen Überblick über die Entstehungsgeschichte der Casa Depuoz. Die Anfangsjahre unserer Institution waren ziemlich turbulent, und es brauchte einiges an Durchhaltevermögen und Überzeugung, dieses ambitiöse Projekt schliesslich in Trun zu realisieren. Auch Institutionsleiter Matthias Gutmann bekräftigte in seinem Beitrag, Die schmackhaften Apéro-Häppchen, das feine Mittagessen oder der Kaffee mit dem Kuchenbuffet trugen das Ihre für die gute Laune der Besucher bei. Dabei hat man sogar fast den Fernsehmann vom RTR übersehen, der eifrig auf der Jagd nach guten Bildern war. Die Gäste wurden in verschiedenen Gruppen durch einige Räume der Institution geführt. Sie bekamen zum Bei spiel einen Eindruck, wie die Ausbildung im Betriebsunterhalt mit den Jugendlichen angegangen wird, wie die Schüler und Schülerinnen unterrichtet werden oder wie die Erwachsenen wohnen und in den Ateliers arbeiten. Sie staunten über die Klangliege, die zur Sinnesförderung und Entspannung eingesetzt werden kann, bewunderten den Sinnesgarten oder schwitzten im Hallenbad. Viele wurden sich der Vielfalt der Angebote und auch der Grösse unserer Institution erst an diesem Tag bewusst. Mit vielen Eindrücken und einer süssen Erinnerung verliessen unsere Gäste schliesslich die Casa Depuoz. Wir hoffen weiterhin auf eine wohlwollende und fruchtbare Zusammenarbeit mit ihnen und natürlich auf ein Wiedersehn bei uns. Dies war der erste Jubiläumsanlass zu unserem 40-jährigen Bestehen. Wir freuen uns jetzt auf eine besondere Ausgabe von Cor el Motor anfangs Juni, auf ein gemütliches Fest mit aktuellen und ehemaligen Mitarbeitenden im Sommer, auf ganz viel interessiertes Publikum an unserem Tag der Offenen Tür mit Zirkusvorstellung im September, und natürlich auf einen besonders schönen Bazar mit Weihnachtsspiel im Dezember (vgl. beiliegender Flyer). Und ganz besonders freuen wir uns, wenn wir SIE bei dem einem oder dem andern Anlass bei uns in Trun begrüssen dürfen. Maria Venzin-Marty IMPRESSUM Herausgeberin Casa Depuoz Center da scola, formaziun ed integraziun Zentrum für Schule, Ausbildung und Integration Via Crap Gries 1, 7166 Trun Telefon 081 920 21 31 Telefax 081 920 21 32 E-Mail: [email protected] Redaktion Matthias Hildering, Fredy Lagger, Maria Venzin-Marty, Katrin Wiestner Auflage: 12500 Ex. Layout und Druck communicaziun.ch 7130 Ilanz Mitgliederbeitrag Einzelmitglied: Fr. 20.– Kollektivmitglied: Fr. 50.– Spendenkonto PC 90-796006-6 IBAN CH24 0900 0000 9079 6006 6
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